Juno

Fig. 177: Juno
Fig. 177: Juno
Fig. 178: Juno
Fig. 178: Juno
Fig. 179: Juno
Fig. 179: Juno

[285] Juno, bei den Griechen Here, (Gr. u. röm. M.). Tochter der Rhea und des Saturn, welcher sie, wie alle seine anderen Kinder, verschlang, aber auch, sammt den übrigen, auf das von der Metis erhaltene Brechmittel wieder von sich gab. Der Ort ihrer Geburt, so wie ihre erste Pflegerin sind zweifelhaft. Sie war Jupiters Schwester, und ward auch seine Gattin, durch ihn überlistet, indem er sich, als sie auf Samos bei dem Berge Thornax lustwandelte, als Kukuk in ihren Schooss niederliess. Es gibt mehrere Sagen hierüber, welche alle darauf zurückkommen, dass J. mit Jupiter lange vor der Vermählung schon verbunden war. Bei der feierlichen Vereinigung beschenkte die Erde (Gäa) J. mit dem Baume, welcher die goldenen Früchte trug, der darauf den Hesperiden zur Bewachung übergeben wurde. - Im Begriffe der J., welche die Griechen wie die Römer als oberste weibliche Gottheit verehrten, offenbart sich, wie auch im Begriffe des Jupiter, der ganze Unterschied in der Denkweise dieser beiden Völker. Bei den Griechen ist ein erhabener, im höchsten Sinne poëtischer Aufschwung zum Idealen mit einer naiven Behauptung der Rechte der Sinnlichkeit so unzertrennlich vereinigt, dass die letztere durch den erstern ebenso sehr veredelt, als jener durch diese gemildert wird. Bei den Römern sind beide Gebiete streng geschieden; alles Oeffentliche, Staat wie Religion, ist ernst und feierlich; die niedrigeren Seiten des Lebens haben kein Anrecht daran, werden nicht dadurch geweiht, nicht durch heitern Scherz verklärt, und konnten daher nicht anders, als im Verlauf der Zeit einer um so rohern Augsartung zur Beute werden. - Hieraus aber erklärt sich, warum die griechische Juno ebenso wohl die Repräsentation des Ideals erhabener Weiblichkeit, der Ehefrau und Mutter, als auch die Trägerin der allgemeinsten weiblichen Schwächen und Leidenschaften, der Eifersucht, Eitelkeit und starrsinniger Streitsucht ist, und dass die von ihr geglaubten Sagen oft niedrig komische Züge enthalten. Alle diese Züge sind nur auf dem Wege der Literatur zu den Römern übergegangen, deren ursprüngliche J. eine einfach erhabene Mutter des römischen Staates und das Ideal einer römischen Hausmutter war. - Nach den griechischen Mythen haderte J. sehr häufig mit ihrem Gemahl Jupiter, und verfolgte mit unerbittlicher Strenge seine Geliebten ( Latona, Alcmene, Semele, Io, Callisto, etc.). - J.s Kinder waren: Hebe, Ilithyia, Mars und Vulcan; voll Neid, dass Jupiter, der ohne Zuthun einer Frau Minerva erzeugte, mächtiger sein sollte, als sie, beschwor sie die Götter, ihr gleiche Gunst zu gewähren. Die Erde bewegte sich, und diess als ein Zeichen der Erhörung ansehend, enthielt sie sich jeder Gemeinschaft mit ihrem Gatten, und gebar wirklich den ungeheuern Riesen Typhoeus oder Typhaon, was Einige auch von Vulkan sagten, daher dieser von römischen Dichtern Junonigena genannt wird. - Ihr Dienst war sehr alt,[285] und ihr berühmtester Tempel stand zwischen Argos und Mycene; er gehörte beiden Städten gemeinschaftlich, und war derjenige, für welchen Polyclet seine berühmte J. Argiva aus Gold und Elfenbein verfertigte. - So hoch ward sie und ihr Dienst in Argos geehrt, dass man dort die Jahre nach den Priesterinnen zählte, welche dem Tempel vorgestanden. Der Beinamen hatte sie, wie alle grossen Götter, unzählige, sowohl von den Orten, an welchen sie verehrt wurde, als von zufälligen oder ihr zugeschriebenen Eigenschaften. Von unseren drei Abbildungen zeigt die erste (Fig. 177) die Statue der Juno aus der vaticanischen Sammlung; die zweite (Fig. 178) die colossale Juno-Büste aus der Villa Ludovisi zu Rom; die dritte (Fig. 179) Juno, den Mars säugend, Statue des vaticanischen Museums. Geheiligt waren ihr: der Granatapfel, die Krähe, der Pfau, der Kukuk, die Gans, und in Syrien, sowie in Samos, unterhielt man in den Vorhöfen ihrer Tempel gezähmte Löwen, Büffel, Adler.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 285-286.
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