[378] Juno (aus Jovino, der weiblichen Form zu dem in Jupiter liegenden Jovis), bei den italischen Völkern die weibliche Himmelsgöttin und Genossin Jupiters, nach ihrer Gleichsetzung mit der griechischen Hera (s. d.) als dessen Gemahlin und Schwester und als Tochter des Kronos-Saturnus und der Rhea-Ops betrachtet, galt als höchste Frau so sehr als Vertreterin der gesamten Weiblichkeit, daß, wie der Mann seinen Genius, so die Frau ihre J. hatte, der sie opferte und bei der sie schwur. Ihr ältester, am meisten verbreiteter Kult war der als J. Lucīna (»Lichtbringerin«), der alle Neumondstage, die Monatsersten (Kalenden) heilig waren. Zugleich wurde sie unter diesem Namen als Geburtsgöttin verehrt, in deren Kasse im Tempel auf dem Esquilin in Rom bei jeder Geburt ein Stück Geld gezahlt wurde. Hier verehrten sie an ihrem Hauptfest, den am Anfang des altrömischen Jahres (1. März) begangenen Matronalien, die Matronen und Mädchen. Als Ehestifterin hieß sie iuga (auch pronuba), und bei Hochzeiten rief man sie an als Domiduca oder Iterduca, die die Braut in ihr neues Heim geleitet, Unxia, die beim Einzug in dieses die Pfosten zum guten Zeichen salbt, Cinxia, die den Brautgürtel schürzt und löst. Als höchste Himmelsgöttin und Gattin des Jupiter Rex ward sie mit diesem oder auch allein als J. Regina auf den Burgen der Städte verehrt, so in Rom in dem linken Seitenschiff des Jupitertempels auf dem Kapitol. Noch hatte sie auf dem Kapitol einen Tempel als J. Moneta (»Mahnerin«), deren Bedeutung strittig ist, wie auch die der J. Caprotina (»Ziegenjuno«), der am 7. Juli, dem sogen. Nonae Caprotinae, von den Frauen ein Fest gefeiert wurde (vgl. Caprotina). Ein altertümlicher, hochangesehener Kult war der der J. Sospita oder Seispes (»Erretterin«), Mater Regina zu Lanuvium, der nach Einverleibung der Stadt in den römischen Staatsverband römischer Staatskult wurde; ihr Priesterkollegium bestand aus römischen Rittern, und die römischen Konsuln brachten ihr jährlich ein Opfer dar. Das Bild der Göttin trug über der Matronenkleidung ein als Helm und Panzer dienendes Ziegenfell, Schnabelschuhe, Schild und geschwungenen Speer, wie sie eine Kolossalstatue des vatikanischen Museums und Münzen dargestellt. Eine kriegerische Göttin ist auch die besonders von den Sabinern verehrte J. Curitis oder Quiritis (»die mit der Lanze Bewehrte«). Aus Karthago war im dritten Punischen Kriege nach Rom übertragen die J. Caelestis (»himmlische J.«), die alte Burggöttin von Karthago, eigentlich die Astarte der Phöniker; ihr Kult kam in der Kaiserzeit mit dem Aufblühen von Karthago aufs neue zu Ehren. Heilig waren der J. die Gans, der Pfau und die Krähe; wie Jupiter weiße Stiere, so wurden ihr weiße Kühe geopfert. Vgl. Roscher im »Lexikon der Mythologie«, Bd. 2, Sp. 574 ff.