Dünn

[1577] Dünn, -er, -este, adj. et adv. welches von einer Art der körperlichen Ausdehnung gebraucht, und dem, was dick ist, entgegen gesetzet wird. 1. Eigentlich, eine geringe Dicke habend, aus wenig über einander befindlichen Theilen bestehend, folglich auch in dieser Art der Ausdehnung einen kleinen Raum einnehmend. Ein dünnes Bret. Ein dünner Draht. Der Faden ist sehr dünn. Dünne Ohren haben, leise hören, ist eben so niedrig, als eine dünne Nase, einen feinen Geruch, haben. 2. Figürlich. 1) Abgetragen, im gemeinen Leben. Die Leinwand, das Zeug wird sehr dünn. 2) Aus wenig und weit von einander entfernten Theilen bestehend; gleichfalls im Gegensatze des dick und dicht. Luft ist dünner als Wasser, weil sie in einerley Raum weniger Materie enthält. Sehr dünne Haare haben.[1577] Doch wird es hier am häufigsten als ein Adverbium gebraucht. Der Wald ist sehr dünn geworden. Das Gras, das Getreide stehet hier sehr dünn. Die Vorzüge sind bey ihnen sehr dünn gesäet. Wir sind fast dünne worden, Ps. 79, 8. Ich mache die Gottlosen dünne, wo sie sind, Hiob 40, 7, ich vermindere sie, mache sie selten. Besonders, 3) wegen der geringern Menge der über einander befindlichen Theile einen geringern Zusammenhang habend. Eine dünne Leinwand, welche locker gewebt ist. Besonders, 4) von flüssigen Körpern. Dünnes Blut. Dünnes Bier. Die Milch, die Tinte ist zu dünn. Dünne Luft. Ein dünner Nebel lag wie durchsichtiger Flor über der stillen Fläche, Dusch. * Durch dick und dünn, durch Sümpfe und Moräste.

Anm. Dieses Wort lautet im Nieders. dunn, bey dem Kero dunna, im Schwabensp. dunn, im Angels. thyn, im Engl. thin, im Isländ. thunnur, im Schwed. tunn, im Wallis. tene, im Bretagn. tanao, im Irländ. tana, im Pers. tend, im Slavon. tenky, im Latein. tenuis, im Griech. τυννος. Es gehöret ohne Zweifel zu dehnen, und dessen Neutro, dem noch im Nieders. üblichen Zeitworte dunen, aufschwellen. S. Dunst und Aufdunsen. Ehedem hatte man auch das Zeitwort dunnen, dünn werden, welches bloß das Intensivum von dunen ist. Dünne, mit dem angehängten e, ist unnöthig, ungeachtet solches oft in der Deutschen Bibel vorkommt. Im Oberdeutschen ist dünn auch niedrig, seicht. Das Wasser des Flusses ist so dünn, d.i. seicht, Bluntschli. Übrigens wird dieses Wort im gemeinen Leben mit vielen Bey- und Nebenwörtern zusammen gesetzet, ihre dünne Beschaffenheit anzuzeigen, die hier nicht alle angeführet werden dürfen; z.B. dünnbärtig, dünnleibig, dünnflüssig, dünnstämmig, dünnbäuchig, u.s.f.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1577-1578.
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