Gebrechen, das

[455] Das Gebrếchen, des -s, plur. ut nom. sing. von dem vorigen Zeitworte. 1) Der Zustand, da eine Sache mangelt, oder fehlet; doch nur im Oberdeutschen und ohne Plural. Das Gebrechen an Lebensmitteln. Gebrechen am Gelde leiden. 2) Ein jeder Mangel der Vollkommenheit, Unvollkommenheit, Fehler. Der dir alle deine Sünden vergibt und heiler alle deine Gebrechen, Ps. 103, 3. Die beste Tugend hat ihre Schwachheiten und gebrechen. Ein jeder hat seine Gebrechen, seine Fehler. Die Landesgebrechen heilen. Der Stolz[455] ist ein gemeines Gebrechen glücklicher Leute. Das Alter hat mancherley Gebrechen. Im gemeinen Leben werden auch Krankheiten des Leibes häufig Gebrechen genannt. Daher das schwere Gebrechen, eine bey dem großen Haufen bekannte Benennung der Epilepsie oder fallenden Sucht, welche in Niedersachsen die Kränkte, d.i. die Krankheit, heißt. In engerer Bedeutung führen 3) äußere Unvollkommenheiten des Leibes, welche den Menschen verunstalten und ihn zu seinen Geschäften untüchtig machen, den Nahmen der Gebrechen. Ein Mensch hat ein Gebrechen an sich, wenn er einäugig, blind, buckelig, lahm ist, einen Bruch hat u.s.f.

Anm. Statt dieses Wortes ist zu allen Zeiten auch nur das im Hochdeutschen veraltete einfache Brechen üblich gewesen, welches für einen Fehler unter andern auch in dem Buche Belial von 1472 vorkommt. Bey dem Ottfried lautet es Bresta, im Nieders. Brek, im Dän. Bräk, im Angels. Brec, im Engl. Brack. Opitz gebraucht es im männlichen Geschlechte:


Und Apelles hätt erkannt

Den Gebrechen seiner Hand.


3 Mos. 21, 20 kommt noch das Mittelwort gebrochen, von dem Zeitworte brechen, in der veralteten Bedeutung vor, ein Gebrechen habend. Keiner der gebrochen ist, soll herzu nahen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 455-456.
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