Öde

[578] Öde, -r, -ste, adj. et adv. ein sehr altes Wort, welches in folgenden Bedeutungen gefunden wird. 1) * Hohl; eine im Hochdeutschen unbekannte Bedeutung, welche indessen eine der ersten zu seyn scheinet, und noch bey dem Dasypodius nach dem Frisch vorkommt, welcher öde durch hohl und cavus erkläret. Bey eben demselben ist die Öde die Höhle, Concavitas. Es ist in diesem Verstande mit dem Niederdeutschen Öhse, ein Öhr, ösen, schöpfen, Öse, ein Schöpfgefäß, und unserm Hose, ein Gefäß, genau verwandt, indem die Verwandlung des d in s und s in d in allen Sprachen und Mundarten sehr gewöhnlich ist, auch in den folgenden Bedeutungen öse für öde gefunden wird. Das Lat. haurire, im Perf. hausi, scheinet gleichfalls dahin zu gehören. 2) * Leer; eine im Hochdeutschen gleichfalls unbekannte, mit der vorigen aber genau verwandte Bedeutung, worin mit der Ableitungssylbe -el auch eitel üblich war, (S. Eitel 1,) und von welcher Bedeutung auch das Franz. vuide und Ital. vuoto, leer, abstammen, welche nur den müßigen Blaselaut angenommen haben. 3) In engerer Bedeutung, von Menschen und Arbeiten des menschlichen Fleißes leer, unbewohnt und ungebauet. Eine öde Gegend, wo gar keine Menschen oder doch verhältnißmäßig nur sehr wenig Menschen angetroffen werden. Ein ödes Land, ein unbewohntes und ungebauetes. Die Häuser sollen wüste stehen, und die großen und feinen öde stehen, Es. 5, 9. Ich will deinem Willen folgen, vielleicht führst du mich ödern Gegenden zu, Geßn. Zwar ist die Gegend öde, die Herden ruhen eingeschlossen im wärmenden Stroh, ebend. Einen Acker, ein Feld öde liegen lassen, ungebauet. Die Welt ist für mich so öde wie das Grab. Daher ist einen Wald aböden, die Bäume völlig ausschlagen, ihn abräumen, die Fischbrut ausöden, sie ausrotten und vertilgen u.s.f. S. auch Wüst. 4) * Figürlich, keinen innern Werth habend, eitel; in welchem Verstande es jetzt veraltet ist, ehedem aber üblich war, wie aus einigen Beyspielen bey dem Frisch erhellet. Öde Werke, nichtswürdige, eitle. Ein öder Balg, ein nichtswürdiger, Pellex vana. Ein öder Pfaff.

Anm. In der dritten Bedeutung schon bey dem Notker ode, im Dän. öde, im Böhm. owdowely. Im Finnischen ist Authia ein leerer Raum, und im Friesischen Oode und im Irländ. Ait ein Ort, welcher Begriff mit dem leeren Raume genau zusammen hängt, so wie das Lat. Locus, ein Ort, zu unserm Loch gehöret. Ein leerer, wüster Ort heißt schon im Isidor Odhin, und bey dem Ulphilas Authids, im Schwed. Oede, im Isländ. Eide und Auda. S. auch Eitel und 3 Heide, welche gleichfalls damit verwandt sind. Wachter hat schon die Verwandtschaft mit dem Griech. οιος, allein, einsam, οιοθι, allein οιοειν, verwüsten, οιοθεις,[578] verwüstet, eingesehen. Da keine Mitlauter häufiger mit einander verwechselt werden, als d, t und s, so lautete dieses Wort ehedem auch öse, daher das Zeitwort ösen, erösen, verösen, erösigen, das im Hochdeutschen unbekannte ostur, wüst, in den Mundarten so oft vorkommen, wovon bey dem Frisch Beyspiele anzutreffen sind. Härtere Mundarten sprechen und schreiben dieses Wort nur öd, da denn das d wie ein t lautet; im Hochdeutschen ist um der weichern Aussprache dieses Mitlauters willen das e euphonicum unentbehrlich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 578-579.
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