Die Pariser Bluthochzeit

[156] Die Pariser Bluthochzeit. Diese schreckliche, in den Jahrbüchern der Menschheit ewig unvergeßliche Scene fiel unter der Regierung Carls IX. Königs von Frankreich, vor. Schon unter den vorigen Königen waren diejenigen, welche der reformirten Kirche zugethan waren, auf das unmenschlichste behandelt worden; der König Franz verfolgte sie, weil er glaubte, ihre Lehre predige Ungehorsam und Empörung. Unter Heinrich II. welcher sich seinen Maitressen und Günstlingen überließ, hatte der Parteigeist und die Religionsverfolgung freies Spiel; und das Schicksal der reformirten Bürger war schrecklich: man schund den Ketzern die Haut ab, rieb das rohe Fleisch mit Schwefel, und hing die Körper an eisernen Ketten über Kohlen. Indessen hatten sich dieselben doch sehr vermehrt. Unter Heinrichs Nachfolger und Sohn, Franz II. welcher ganz unmündig am Geiste war, und dessen Schwäche alle benutzen wollten, die Regierung an sich zu ziehen, war es vorzüglich die Eifersucht der Großen gegen einander, welche, indem sie sich hinter die Religion verbarg, diese Unruhen immer höher und höher zu treiben anfing. Franz, Herzog von Guise, und Ludwig, Prinz von Condeʼ (ein Verwandter des Hauses Montmorenci, welches schon unter der vorigen Regierung wider die Guisen gearbeitet hatte), bildeten zwei ganz entgegengesetzte Parteien. Guise und sein Bruder waren eifrig katholisch; dieses war genug für Condeʼ, sich zum Haupt der Reformirten oder Hugonotten zu machen. Zu gleicher Zeit hegte Catharina von [156] Medicis die ehrsüchtigsten Plane. Nach dem plötzlichen Tode Franz II. ward sie Regentin für ihren zehnjährigen Sohn, Carl IX. und fand sich jetzt bewogen, nachdem sie sich vorher zu den Guisen gehalten hatte, diesen zum Trotz, den Reformirten ein Toleranz-Edict zu geben. Die Guisische Partei überredet jetzt das Volk, daß die kotholische Religion in der größten Gefahr sei. Die Hugonotten werden aufs grausamste gemißhandelt; Prinz Condeʼ greift zu den Waffen, und der bürgerliche Krieg nimmt seinen Anfang. Die Guisen suchen Spanische, Condeʼ Englische Unterstützung. Von beiden Seiten macht man sich der abscheulichsten Grausamkeiten schuldig, und schließt Nothfrieden. Die Königin Mutter läßt nun den König, da er in das 14. Jahr getreten war, für mündig erklären, um unter seinen Namen desto freier regieren zu können. Der Herzog Franz von Guise war bei der Belagerung von Orleans von einem Hugonotten meuchelmörderisch getödtet worden; allein sein Geist lebte in seinem Hause fort, welches den Admiral Coligny für den Urheber dieses Meuchelmordes hielt: auch sahen die Hugonotten bald ein, daß die Königin Mutter sie haßte; Condeʼ und Coligny setzten sich daher in Verfassung. Der König hatte sich überreden lassen, daß es auf sein Leben abgesehen sei, und faßte einen unversöhnlichen Haß gegen die Hugonotten. Der Hof suchte indeß Zeit zu gewinnen und sich des Prinzen und des Admirals durch List zu bemächtigen; dieses schlug jedoch fehl, und die Feindseligkeiten fingen weit heftiger an. Condeʼ wird gefangen genommen (1569), und als ein Kriegsgefangener von dem Hauptmann von Montesquieu erschossen. Coligny sammelt die Reste des geschlagenen Heeres: der Prinz Heinrich von Bearn (einer zu Navarra gehörigen Landschaft, von welcher der Erbprinz von Navarra seinen Namen führte), nachmahliger Heinrich IV. König von Navarra und Frankreich, welcher nach Condeʼs Tode das Haupt der Reformirten ward, wird zum obersten Feldherrn erklärt; und Coligny führt im Namen des Prinzen Heinrich von Condeʼ, welcher die Ermordung seines Vaters zu rächen schwur das Commando. Allein es fehlt ihm an Geld, und er wird geschlagen. Am nachtheiligsten für die Hugonotten war jedoch der darauf folgende scheinbar vortheilhafte Friede zu St. Germain en Lave (am 8. Aug. 1470); dieser Friede schläferte die Häupter der [157] Hugonotten ein, vorzüglich den Admiral Coligny, welcher des bürgerlichen Krieges müde war. Der König schien sich gänzlich von dem Einflusse der Guisen und seiner Mutter losgerissen zu haben: er ruft den alten Coligny, die Stütze der Hugonotten, an seinen Hof, und ehrt ihn als Vater; man spart kein Raffinement dieser Täuschung das Ansehen von Wahrheit zu geben; selbst die Schwester des Königs wird an den Prinzen von Bearn vermählt (am 18. Aug). Einige ahneten nichts gutes, und warnten den Admiral: aber dieser glaubte den meisten nicht, daß der König einen Meuchelmord durch das Land anbefehlen werde; und doch war es so. Am 22. Aug. geschieht aus einem Fenster ein Schuß auf den Admiral, und verwundet ihn am Arm; der König eilt zu ihm und schwört ihn zu rächen. Noch an demselben Tage läßt sich der König von seiner Mutter überreden, der Admiral stehe ihm nach dem Leben. »Bei dem Tode Gottes! (schrie er) man tödte den Admiral, aber ihn nicht allein, sondern alle Hugonotten, damit auch nicht einer übrig bleibe, der uns beunruhigen könne!« Die Nacht darauf hält man Blutrath; die Nacht auf den Bartholomäustag zwischen dem 24. und 25. Aug. 1572 wird zur Ausführung bestimmt. Der Herzog von Guise bricht in das Haus des schwer verwundeten Coligny; ein Deutscher, Namens Behm, giebt dem betenden Greise den ersten Stich, und man giebt seinen Körper den größten Mißhandlungen Preis. Nach der gelungenen Ermordung des Admirals gab eine Glocke auf dem Thurme des königl. Schlosses in der Stunde der Mitternacht den versammelten Bürgercomvagnien das Zeichen zu einer allgemeinen Niedermetzelung aller Hungonotten. Der Prinz von Condeʼ und der König von Navarra retteten ihr Leben dadurch, daß sie in die Messe gingen und zum Schein zur katholischen Kirche übertraten. Zu gleicher Zeit breiteten königliche Befehle das Blutbad im ganzen Lande aus; und wenn auch hier und da einige Scharfrichter und Soldaten mehr Ehr- und Menschenliebe als die Pariser hatten, so fanden sich doch Werkzeuge der Ermordung genug. Dreißig Tage hindurch dauerte fast in allen Provinzen diese Abscheulichkeit; und man zählt an 3 000 Menschen, welche hingerichtet worden sind. Zu Rom wurden die Kanonen gelöst; der Papst schrieb ein Jubeljahr aus, und verordnete eine Procession in der Ludwigskirche. – Bei allem dem erreichten die unvernünftigen Eiferer ihren Zweck nicht. Diejenigen von dem Hugonotten, welche sich gerettet hatten, flüchteten in unwegsame [158] Gebirge und nach Rochelle. Der Herzog von Anjou übernahm die Belagerung; aber während derselben erhielt er Nachricht, daß ihn die Pohlen zum König gewählt hätten. Er schloß am 6. Juli 1573 einen Vergleich, und der König bewilligte den Hugonotten in gewissen Städten Religionsübung. Der Hof erhielt also durch die Pariser Bluthochzeit nichts, als daß die Hugonotten mehr auf ihrer Hut standen und sich gegen neue Angriffe rüsteten. Vergl. die Art. Ligue und Edict von Nantes.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 156-159.
Lizenz:
Faksimiles:
156 | 157 | 158 | 159
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Camilla und Maria, zwei Schwestern, die unteschiedlicher kaum sein könnten; eine begnadete Violinistin und eine hemdsärmelige Gärtnerin. Als Alfred sich in Maria verliebt, weist diese ihn ab weil sie weiß, dass Camilla ihn liebt. Die Kunst und das bürgerliche Leben. Ein Gegensatz, der Stifter zeit seines Schaffens begleitet, künstlerisch wie lebensweltlich, und in dieser Allegorie erneuten Ausdruck findet.

114 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon