Johann Adolph Hasse

[177] Johann Adolph Hasse, (geb. zu Bergedorf bei Hamburg 1705) königl. Pohln. und churf. Sächs. Ober-Kapellmeister, einer der berühmtesten und reichhaltigsten Compositeurs Deutschlands in den drei ersten Viertheilen unsers Jahrhunderrs. In Hamburg, wo er die ersten Schuljahre zubrachte, wurde der nachmahlige Hofdichter am Dresdner Hofe, König, zuerst auf seine Talente aufmerksam, und empfahl ihn 1718 als Tenoristen an den damahls so berühmten Componisten beim Operntheater zu Hamburg, Keiser, wo sich Hasse binnen vier Jahren sowohl als Sänger als auch als Clavierist so vortrefflich bildete, daß er, an den Herzog von Braunschweig empfohlen, schon 1723 mit seiner ersten Oper, Antigonus, unter vielem Beifall auftrat. Er ging darauf 1724 nach Italien, um daselbst die Composition, besonders in Neapel unter Nicol. Porpora, zu studiren, wurde bald mit dem berühmten Scarlatti bekannt, der sich aus besonderer Neigung zu ihm freiwillig zu seinem Lehrer anbot, und gründete bald darauf durch eine Serenate für einen angesehenen Banquier zu Neapel sein Glück und seinen Ruhm, indem ihm sogleich die aufzuführende Oper auf dem königl. Theater aufgetragen wurde. Zu Venedig – wo seine nachherige Gattin, Faustina Bordoni, damahls in ihrer schönsten Blüthe und der Gegenstand allgemeiner Verehrung, [177] ihm, als sie ihn zufällig in einer Akademie auf dem Flügel spielen hörte, ihre ganze Gunst schenkte, und noch mehr zu seiner guten Aufnahme beitrug – wurde ihm die Kapellmeister-Stelle am Conservatorio dellʼ Incurabili übertragen; und hier besitzt man noch ein Miserere – nach Martiniʼs Ausdruck, eine wundervolle Composition – von ihm, welches noch jetzt jährlich in der Charwoche aufgeführt wird. Sein Ruhm, der sich nun auch nach Deutschland ausbreitete, zog ihm den Ruf als Ober-Kapellmeister nach Dresden und einen jährlichen Gehalt für sich und seine Gattin von 12000 Rthlr. zu. Mit welcher Pracht hier seine Opern aufgeführt worden sind, ist bekannt; und Hasse mußte, um sowohl die Wünsche dieses Hofes als auch mehrerer Städte Italiens, wo man ihn allgemein il caro Sassone nannte, zu befriedigen, wechselsweise bis 1740 bald nach Italien bald nach Deutschland reisen. Auch London wollte, als man bei einer besondern Gährung auf einige Zeit Händels große Verdienste verkannte, diesem Riesen ein anderes Genie entgegen setzen, und machte Hassen den Antrag, die neu errichtete Oper anzuführen. »Ist Händel todt?« war seine erste Frage – und erst nach vielen Einladungen ging er 1733 nach London. Händels Theater ward zwar leer, und Hasse wurde mit großen Ehren aufgenommen; aber doch scheint das Englische Publicum nicht für ihn gewesen zu sein, und sein Aufenthalt daselbst war kurz. Desto inniger wurde er, besonders seit 1740, mit dem Dresdner Hofe, wo sein zeitheriger Nebenbuhler Porpora abgegangen war, verbunden; und 1745 genoß er die Ehre, vom Könige von Preußen, Friedrich dem Einzigen, als dieser nach der Schlacht bei Kesselsdorf in Dresden eingezogen war, den Befehl zu erhalten, die Oper Arminio mit aller Pracht auf dem königl. Theater aufzuführen. Trotz der allgemeinen Bestürzung wurde dieß zur Zufriedenheit des Königs ausgeführt, und Hasse mit Beifall und Geschenken belohnt. – Der Verlust seiner Tenorstimme 1755, welche nach zwanzig Jahren in eine solche Heiserkeit überging, daß man ihn beim Sprechen kaum verstehen konnte, war vielleicht noch nicht so beträchtlich als der Verlust seiner sämmlichen Bücher und Handschriften, welche eben zur vollständigen Ausgabe aller seiner Werke geordnet waren, und die er [178] 1760 durch das Bombardement von Dresden einbüßte. Bei den nachherigen Veränderungen des Hofes in Pension versetzt, begab er sich 1763 nach Wien, und endlich um 1770 mit seiner Familie nach Venedig, wo er 1783 sein Leben beschloß. – Man erkennt ihn allgemein für den natürlichsten, elegantesten, einsichtsvollsten Tonsetzer seiner Zeit an, der besonders die Stimme als Hauptgegenstand betrachtete, und die Instrumental-Begleitung, ohne dadurch im mindesten Mangel an Kenntniß der Harmonie zu verrathen, so einfach als möglich anbrachte, »gleich einem Mahler (wie Burney sagt) der der Hauptfigur in seinem Gemählde das stärkste Licht giebt.« Geschrieben hat er sehr viel, so viel, daß er selbst gestand, er würde manches seiner Stücke nicht mehr kennen, wenn er es zu Ohren oder zu Gesicht bekäme. Von Metastasio (mit welchem er in einem anziehenden Briefwechsel stand) hat er alle Opern, außer dem einzigen Temistocle, und zwar die meisten zwei auch drei Mahl gesetzt. Seine Gattin, Faustina Bordoni, geb. zu Venedig 1700, verdient noch als eine der größten und schönsten Sängerinnen dieses Jahrhunderts besondre Erwähnung. – Im sechzehnten Jahre trat sie in ihrer Vaterstadt zuerst aufs Theater; und überall, wo sie hinkam, wurde sie als neue Syrene vergöttert. Zu Florenz wurden Denkmünzen ihr zu Ehren geprägt; und ihr Ruf, wozu auch ihre blühende Schönheit sehr viel beitrug, war außerordentlich. 1724 ging sie mit 15000 Fl. Gehalt nach Wien, und 1726 wurde sie nach London mit einer Gage von 12500 Rthlr. berufen. In Dresden, wo sie mit Hasse verbunden wurde, sang sie 1731 zum ersten Mahle, und wurde hier ebenfalls, so wie besonders noch bei dem obgedachten Einzuge des Königs von Preußen, allgemein bewundert. 1772 war sie noch zu Wien; ihr Tod aber ist nicht bekannt geworden.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 177-179.
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