Das Mandat

[44] Das Mandat, das Territorial-Mandat, ein neues Französisches Wort für eine Gattung von republikanischem Papiergeld, welches an die Stelle der Assignaten trat, aber bald in dasselbe Nichts zerfiel, als diese. – Wir müssen hier nothwendig eine Blick auf die Assignaten werfen, wovon auf Mirabeauʼs Vorschlag schon zu Ende des J. 1789 für 400 Millionen beschlossen wurden, zu denen aber bald weit mehrere hinzukamen. Die eingezogenen Güter der Geistlichkeit (auf welche die ersten 400 Millionen assignirt wurden), die Kron-Domainen und die Güter der Ausgewanderten und später der ehemahligen Civilliste bildeten das Unterpfand der Assignaten; ein Unterpfand, welches in den letzten Zeiten des National-Convents auf funfzehn Milliarden geschätzt werden konnte. Die Assignaten trugen übrigens eine Interesse zu 5 pro Cent, und sollten bei dem Ankauf jener Güter vorzugsweise zugelassen werden; den 16. April 1790 beschloß der National-Convent, daß sie in ganz Frankreich vollen Münzcours haben sollten. Die Assignaten waren demnach dem Anscheine nach ein sehr solides Papiergeld, und hätten sich aus diesem Grunde ungestört in ihrem Werthe erhalten sollen; wie jedoch bei diesem, in seiner Art einzigen, Papiergelde alles unerwartet zuging, so gefchah es auch, daß dasselbe sehr früh in seinem Werthe zu sinken anfing. Eine Hauptursache hiervon war, daß nach Aufhebung[44] der Disconto-Casse (s. diesen Art.), welcher ihre der Krone gethanen Vorschusse von den ersten Assignaten vergütet wurden, gar keine Casse da war, in welcher diese Papiere gegen baar Geld hätten umgesetzt werden können; hierzu kam nothwendig das immer rege Mißtrauen in die neue Regierung, die Leichtigkeit, dieses Papiergeld nachzumachen, welches vorzüglich in England selbst mit Wissen der Regierung geschah, und die so schnelle Vermehrung derselben. Schon vom zweiten Jahre an verloren die Assignaten bis auf 28 pro Cent. Als Dümouriez i. J. 1793 zurückgedrängt wurde und nachher floh, litten sie wegen der mißlichen Lage der Dinge einen Hauptstoß; die Besitzer der Assignaten hatten ihr Papier – dessen Werth oder Nichtwerth ihnen sehr richtig an die Dauer oder Nichtdauer der Republik festgeknüpft schien – auf das eifrigste gegen Metall umzutauschen gesucht und den Credit des erstern ungemein dadurch geschwächt. Gleichwohl mußte dem Staate, der zu seinen ungeheuern Ausgaben nichs als Assignaten hatte, alles daran liegen, sie wieder zu heben, welches sehr schnell durch die auf Cambons Antrag erfolgte Verordnung des National-Convents geschah, vermöge welcher sie am 11. April für die einzige republikanische Münze in ihrem vollen Nennwerthe erklärt und aller Kauf- und Verkauf des baaren Geldes bei sechsjähriger Kettenstrafe verboten wurde. Kurz hierauf trat die Epoche Robespierreʼs ein; wehe dem, der sich hätte weigern wollen, die Assignaten wie die vollwichtigste Goldmünze zu nehmen! Zwölf bis funfzehn Monathe hindurch erhielt Robespierre die Assignaten – so ungeheuer sich dieselben auch schon angehäuft hatten – in vollem Cours; und der Ueberspannung des Preises der Lebensmittel, welche die nothwendige Folge des Uebermaßes jedes Geldes ist, wußte er durch ein andres Hülfsmittel, durch die Bestimmung eines höchsten Preises (Maximum1), zu begegnen. So, indem die revolutionaire Regierung die Assignate immer vermehrte und sie alle in vollem Münzcours erhielt, gelang es ihr, vermittelst derselben Wunder zu wirken; und [45] man kann in dieser Rücksicht sagen, daß die Assignaten Europa überwunden haben. Als im Juli 1794 Robespierre fiel, betrug die Masse von Assignaten gegen sechs Milliarden (sechs tausend Millionen Livres, wogegen das in Frankreich vor der Revolution) umlaufende Metallgeld drei Milliarden betrug. Allein unmittelbar nach dem Falle dieses Tyrannen fingen sich schon, wiewohl anfangs nur unter der Hand, verschiedene Preise zu bilden an, je nachdem man mit Assignaten oder mit baarem Gelde kaufte; und so sanken jene allmählig wieder. Das Maximum, welches dem Ackerbau und der Industie überaus nachtheilig worden war, wurde aufgehoben; und die Assignaten wurden immer unverhohlner mit der klingenden Münze in Concurrenz gesetzt, wodurch sie immer mehr verlieren mußten. Der National-Convent machte Plane sie wieder zu heben; er entfernte deßhalb (am 3. April 1795) Cambon aus dem Finanz-Ausschusse, weil er das Zutrauen der Nation verloren habe. Allein das Uebel ward nur noch ärger als es unter Cambons Administration gewesen war: und so große Hoffnungen man sich auch von dem Frieden mit Preußen und dem neuen Gouvernement für das Steigen der Assignaten machte, so fielen diese doch immer mehr und mehr; schon am Schlusse d. J. 1794 kaufte man den Louisdʼor mit 150, ja mit 300 Livres in Assignaten. Je mehr sie sielen, desto mehr mußten gemacht werden (die Regierung hatte kein anderes Geld); und jede Vermehrung derselben vergrößerte ihr Versinken. Dieser traurige Zirkel wurde besonders seit dem Gesetze vom 25. April 1795 ganz sichtbar, welches die Gold- und Silbermünzen wieder zur Ware machte und die Regierung (damahls den Wohlfarths-Ausschuß) bevollmächtigte, mit Assignaten nach dem Werthe, den sie im Cours hätten, zu zahlen; schon den Tag darauf verkaufte man den Louisdʼor für 250 Livres. Am 6. Nov. 1795 übernahm das Vollziehungs-Directorium das Ruder der Regierung. Der Louisdʼor galt jetzt schon über 3000 Livres in Assignaten: es mußte außer den schon bestehenden vier Assignaten-Papier-Fabriken noch eine fünfte errichtet werden, wodurch natürlich diese Papiere noch tiefer fallen mußten; [46] die Bedürfnisse des Staats waren dringend und forderten die schnellsten Maßregeln. Daß alles Uebel in der ungeheuern Menge der Assignaten liege, und daß man ein gewisses Maximum dieser Menge festsetzen und dann die ganzen Assignaten-Fabriken zerstören müsse, darüber war man allgemein einig; aber wie dann die zurückbleibende Summe wieder in Werth gesetzt, wie das Uebermaß derselben aus dem Umlaufe gezogen werden sollte – dieß war der große Knoten. Am 6. Dec. kündigte endlich das Directorium die gänzliche Unzulänglichkeit der herabgewürdigten Assignaten zur fernern Bestreitung der öffentlichen Kosten an, und schlug als das einzige Rettungsmittel eine gezwungene Anleihe von 600 Milionen Livres in baarem Gelde oder in Assignaten zu Einem Procent vor. Wäre diese Anleihe von 600 Millionen ganz glücklich von Statten gegangen, so konnte die Regierung nicht nur alle Assignaten aus dem Umlaufe bringen – es waren deren zu dieser Zeit 30 Milliarden im Umlauf, welche Summe nach dem festgesetzten Fuße zu 1 Procent nicht mehr als 300 Millionen betrug –, sondern sie bekam noch 300 Millionen baaren Geldes in die Hand. Allein das baare Geld in Frankreich, dessen Summe damahls immer noch auf 2 Milliarden geschätzt werden konnte, wurde noch immer auf das geflissentlichste verborgen. Die Anleihe kam nicht ganz zusammen: und wiewohl nicht nur die in der Anleihe eingegangenen Assignaten – deren Maximum am 22. Dec. auf 40 Milliarden gesetzt worden war, welche Summe man jedoch um 5 Milliarden erhöhen kann2) – verbrannt wurden, sondern auch am 19. Febr. 1796 der ganze Apparat von Werkzeugen der Assignaten-Fabrication öffentlich zerstört wurde; so konnte doch dadurch der Credit der zurückbleibenden Assignaten nicht gehoben werden3). Sie sanken sogar noch [47] tiefer; denselben 19. Febr. galt der Louisdʼor 6450 bis 6600 Livres in Assignaten und stieg endlich bis zu 20,000 Livres4). Der jetzt beschlossene Verkauf von National-Gütern, welche, wie sogleich gezeigt werden wird, durch das gänzliche Versinken der Assignaten von dem Unterpfande, zu welchem sie diesen dienen sollten, frei worden waren, ging schlecht und langsam von Statten; die Bedürfnisse waren groß und dringend; in klingender Münze konnte, in Assignaten durfte sie nicht zahlen: sie erfand also ein drittes, die Territorial-Mandaten, zu denen wir jetzt übergehen, nachdem wir die unerwartet glückliche Wirkung der Assignaten für Frankreich, auf welche sich die Mandate gründen, bemerkt haben.

Die Assignaten waren, wie wir gesehen haben, durch die Gewalt der öffentlichen Meinung und durch die Künste des Geldwuchers ohne alles Zuthun, vielmehr gegen den Willen der Regierung, in eine gänzliche Versunkenheit gerathen; einen großen Theil derselben hatte die Regierung bei der gezwungenen Anleihe zu ein Procent angenommen und vernichtet, und die übriggebliebenen galten am Ende fast gar nichts mehr. Der letzte Besitzer hatte dieselben für die Wenigkeit, die sie werth waren, angenommen; folglich war jetzt auch der leiseste Schatten einer Idee von Hypothek verschwunden, die denselben in den frühern Zeiten anklebte. Und in so fern war mit dem gänzlichen Verfall der Assignaten5) zugleich die Befreiung des Fränkischen Staats von einer Last verknüpft, die er nie zu tilgen vermocht hätte; eine Befreiung, die hier, da sie ganz durch den freien Willen der Interessenten herbei geführt worden war, nicht einmahl das Gehässige eines Bankerotts hatte. Frankreich wurde hierdurch beinahe seiner ganzen Schuldenlast entledigt; [48] und wenn Pitt Frankreich den Vorwurf machte, daß es vom Capital zehre, so ist im Gegentheil zu bemerken, daß eben deßwegen, weil mit dem zu tiefen Verfall der Assignaten der Verkauf der National-Güter aufgehört hat, dieses Capital, auf welches dieselben als Anweisung gelten sollten, noch größten Theils da gewesen sei und – wie wir sogleich sehen werden – noch da sei.

Wir kommen jetzt zu den Mandaten, welche in der geschilderten Verlegenheit der Französischen Regierung, der es sowohl an baarer Münze als an einem geltenden Papiergelde fehlte, von derselben an die Stelle der Assignaten gesetzt wurden, und im Grunde auch wahre Assignaten, nur unter einem andern Namen, waren. Sie waren Anweisungen auf den künftigen Verkauf der National-Güter, hatten aber vor den Assignaten einen doppelten Vorzug. Erstlich waren die Assignaten nur im Allgemeinen auf die National-Güter fundirt; die Mandate hingegen hatten eine ganz specielle Hypothek auf einzelne auf einer Tafel namentlich aufgezählte Güter: zweitens waren die Käufe der National-Güter mit Assignaten den gebräuchlichen Förmlichkeiten und Zögerungen unterworfen; da hingegen die Mandate jeden Augenblick realisirt werden konnten, indem deren Besitzer in jedes auf der Unterpfands-Tafel verzeichnete Gut, so wie er sich deßhalb melden und den vierten Theil des Preises hinterlegen würde, sofort eingesetzt werden sollte. Es wurden ihrer anfänglich für 600 Millionen aber bald darauf – den 18. März 1796 – für 2 Milliarden, 400 Millionen, erschaffen. Es wurde ihnen zwar ein allgemeiner gezwungener Münzcours gegeben, wodurch es der Regierung gelang, die Kosten des bevorstehenden Feldzugs damit zu bestreiten; allein kaum war dieses erfolgt, so sanken sie schon bis auf 18 Procent und in der Folge noch weit tiefer herab: sie wurden daher auch wieder eingewechselt; und im November waren schon für 1300 Millionen vernichtet.

»Kalte Zuschauer der Sonderbarkeiten ohne Zahl, welche die Welt-Schaubühne seit 8 Jahren vor uns[49] aufstellt – sagt Calonne6) – zeichnen wir es als eine der auffallendsten aus, ohne uns ein Verdienst aus deren Voraussage zu machen7), daß das, was man als eine unfehlbare Ursache des gänzlichen Ruins von Frankreich ankündigte, für dasselbe der Grund einer sehr wohlthätigen Erleichterung ward. Indem wir dem Gange dieses Ereignisses in seinen Details folgen, so wie öffentliche Verhandlungen und officielle Nachrichten sie uns mittheilen, bemerken wir ferner, daß zur nehmlichen Zeit, da der Fall der Assignaten und ihrer Nachfolger, der Mandate, so wie es nicht anders möglich war, durch das ungeheure Gewicht ihrer eigenen Schwere bestimmt wurde, zugleich auch die geheimen Impulsionen einer sehr schlauen Politik denselben beschleunigten. Den Beweis davon findet man in der Dankschrift des Finanzministers Ramel, die das Vollziehungs-Directorium den 29. Prairial dem Rathe der Fünf Hunderte mittheilte. Man ersiehet daraus, wie man durch die Dazwischenkunft einer Gesellschaft, von der man einen Vorschuß in Gelde bezogen hatte, das Fallen der Mandate auf einen Punkt hinzuführen wußte, daß sie nicht mehr als den hundertsten Theil von ihrem Rennwerthe galten, wie man die öffentlichen Cassen von ihnen befreite und sie unvermerkt alle verschwinden machte, so, daß eben die Mandate, die dazu gedient hatten, die Assignaten mit einem Verluste von 70 Procent einzulösen, nachdem sie selbst 99 Procent verloren, für eine Summe eingelöst und vernichtet wurden, die sehr gering war in Vergleichung mit ihrem ursprünglichen Werthe, und noch weit geringer in Vergleichung mit dem der Assignaten, die sie getödtet hatten, ehe sie auch ihrer Seits ihr Ende erreichten. Durch diese Cascade von progressiven Herabwürdigungen geschah es, daß zuletzt 1 Million hinreichte, um deren 400 einzulösen; und ohne weitere Mühe ist Frankreich, welches vor 2 Jahren unendlich mehr als irgend eine Macht [50] Europeus mit Papiergelde überschwemmt war, jetzt unter allen diejenige, die dessen am wenigsten, oder vielmehr die einzige, die gar keins mehr hat. Hätte es dessen nicht über 3 oder 4 Milliarden verfertiget, so würde es ihm vielleicht noch jetzt zur Last sein; aber da es 30 bis 40 Milliarden erschuf, so ist es nun gänzlich davon befreit. Das Uebermaß des Uebels war demnach zugleich dessen Heilmittel; und auch hier, wie im ganzen Laufe dieser erstaunenswürdigen Revolution, waren die Wirkungen immer im Gegensatz mit ihren Ursachen.«

Ueber die Inscriptionen, s. die Nachträge.


Fußnoten

1 Wörtlich: das höchste.


2 Und alles umlaufende baare Geld in Europa wird nur über acht Milliarden gerechnet.


3 Dieses war jetzt wieder der Zweck der Regierung, als sie sah, daß der Plan, sie vermittelst der gezwungenen Anleihe ganz außer Umlauf zu bringen, nicht glückte.


4 Schon vorher hatte man in vielen Departements dem Gebrauch der Assignaten entsagt und nur baares Geld im Umlauf gelitten.


5 Sie warfen am Ende die Kosten der Verfertigung nicht mehr ab.


6 Courier de Londres, Vol. 42. N. 3. 4. 5.


7 Calonne hatte vor geraumer Zeit die für Frankreich wohlthätigen Folgen des Verfalls der Assignaten vorausgesagt.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 44-51.
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