[266] Richelieu, (Armand du Plessis, Cardinal und nachher Herzog von Richelieu) einer der größten Staatsmänner von Frankreich, war 1585 d. 5. September zu Paris geboren, erhielt nach geendigten Studien schon im 22. Jahre das Bisthum Luçon, und erwarb sich bald nachher die Gunst der Witwe Königs Heinrichs IV., Marie von Medici, die damahls wegen der Unmündigkeit ihres Sohnes, des Königs Ludwig XIII. Reichsregentin war, in so ausgezeichnetem Grade, daß sie ihn zum Großalmosenier und Staatssecretair machte und auf älle Weise erhob. Frankreichs damahlige Lage war ungeachtet der trefflichen Regierung des (1610) ermordeten Heinrichs IV. dennoch sehr traurig. Die Herrschsucht und Ränke Mariens, zugleich aber auch ihre Schwäche und die schlechte Reichsverwaltung durch ihre alles geltenden Günstlinge, den Marschall von Ancre und dessen Gemahlin, Eleonore Galigai, hatten alles in die sichtbarste Unordnung und Verwirrung gebracht. Die Großen erhoben sich aufs neue, der königlichen Macht zum Trotz: Heinrichs beste Minister entfernte man; und dessen Hauptplan, Oesterreich und Spanien, die furchtbarsten Nebenbuhler Frankreichs, zu schwächen, wurde in das ganz entgegengesetzte System verwandelt. Die Königin Mutter war ganz Oesterreichisch gesinnt, und zog den Spanischen Hof 1612 durch eine Wechselheirath in ihr genauestes Interesse. Die dadurch gekränkten Hugenotten fingen daher ihre gewohnten Unruhen wieder an, und eröffneten [266] dadurch den herrschsüchtigen Großen ein weites Feld, zugleich mit ihnen dem Könige entgegen zu arbeiten. Der Marschall von Ancre und seine Gemahlin wurden zwar 1617 gestürzt und hingerichtet; aber ein noch weit schändlicherer Günstling, der bei dem nunmehr volljährigen Ludwig XIII. alles vermochte, Luines, trat an ihre Stelle, und richtete das Reich noch mehr zu Grunde. Auch wurde Marie nach Blois, und Richelieu, der damahls schon viel Einfluß hatte, nach Avignon verwiesen. Der König haßte den Letztern, fühlte aber doch seine Größe, und ließ sich daher durch Luines, der durch ihn vieles ausrichten wollte, wieder für ihn gewinnen. Eine scheinbare Aussöhnung, die Richelieu zwischen Marien und dem Könige stiftete, setzte ihn in Besitz des vorigen Ansehns, und da Luines 1621 gestorben war, erhielt er ein Jahr darauf den Cardinalshuth, und wurde endlich durch die unabläßlichen Bitten der Königin Mutter, wiewohl ungern, von Ludwig XIII. in den Staatsrath als Minister aufgenommen (1624). Er erlangte nun nach und nach die Würde eines Premierministers, die Direction des ganzen See- und Handlungswesens und mehrere sehr hohe Stellen, so daß er unumschränkt zu herrschen anfing, und selbst dem Könige, der bei allem Haß gegen ihn doch fühlte, daß er ihm ganz unentbehrlich sei, beständig furchtbar bleiben und ihn zu allem leiten konnte. Seine weitaussehenden Plane zweckten besonders darauf ab, die Gewalt des Königs durch Befestigung des Regierungssystems ganz unbegrenzt zu machen, und also nicht allein die Großen, so wie auch die Hugenotten, die sich zu Erhaltung ihrer Rechte oft zu Empörungen gegen die Krone genöthigt sahen, zu bekämpfen, sondern auch die auswärtige Macht des Reichs, ganz den Planen Heinrichs IV. gemäß, durch Demüthigung des Spanischen und Oesterreichischen Hauses zu erweitern. Alle zahlreiche Verschwörungen der Häupter des Adels wurden durch seine Wachsamkeit entdeckt; Armeen, Hinrichtungen und geschärfte Strafen schlugen ihre Wuth nieder; jeder, der nur im geringsten dem herrschsüchtigen Cardinal entgegenstrebte, wurde seiner grenzenlosen Rachsucht, die alle Mittel, auch die niederträchtigsten, zu ihrer Befriedigung wählte, aufgeopfert, und Unschuldige so gut als Schuldige durch seine Cabalen auf das Blutgerüst gebracht. Die Hugenotten wurden von ihm [267] ungeachtet sie durch Englische Flotten Unterstützung genossen, in ihrem Hauptplatze, Rochelle, gegen den er selbst als Feldherr mit großem Ruhme commandirte, zu Lande durch Truppen, und von der Seite des Hafens durch einen Damm, der ein wahres Meisterstück der Kriegskunst war, eingeschlossen und ausgehungert, mußten sich 1629 ergeben und mit einer wehrlosen Duldung zufrieden sein. Die Geistlichkeit und das Parlament wurden ebenfalls von ihm unterdrückt, und kein Mittel zur Erhebung der königlichen Macht blieb unversucht. Den größten Theil seiner Regierung nahmen aber die durch Marien von Mediei veranlaßten Unruhen ein, die dem Cardinal die beste Gelegenheit gaben, den König zum Alleinherrscher zu erheben. Theils war ihre Vorliebe für Oesterreich und Spanien, theils ihr starker Anhang unter den vornehmsten Ständen des Reichs und ihr großes Ansehn bei Hofe dem Cardinal, der keinen Mächtigen neben sich dulden konnte, zuwider; vorzüglich aber veranlaßten ihn die von ihr empfundenen Beleidigungen, und die Klagen, die sie wider ihn gegen Ludwig XIII. geführt hatte, sie zu stürzen: und seine Rachsucht konnte selbst durch den Gedanken, daß er bloß durch sie so hoch gestiegen sei, nicht zurückgehalten werden. Sie wurde durch seine Cabale nach Moulins entfernt, floh von da 1631 außer Landes, nach Brüssel, wurde aufs empfindlichste gemißhandelt, und endlich, da sie mit den innern Feinden des Königs, die vorzüglich den Cardinal stürzen wollten, Verbindungen einging, die bis an ihren Tod fortdauerten, und durch Richelieuʼs Cabale dem König weit furchtbarer geschildert wurden, als sie waren, als Feindin des Vaterlands aller Unterstützung beraubt. Der Herzog Gasto von Orleans, Bruder des Königs, ihr eifrigster Anhänger und Richelieuʼs heftigster Gegner, ergriff, unterstützt von dem allgemein geliebten Herzog von Montmorency, die Waffen, wurde aber geschlagen und zu einem schimpflichen Vergleiche gezwungen, Montmorency aber, für dessen Leben die meisten Großen des Reichs, die königliche Familie und selbst das Volk unablässig baten, bloß auf Anstiften Richelieuʼs, der hierbei alle Künste der Verstellung anwandte, 1632 zu Toulouse enthauptet. Die Herzoge von Lothringen, von Guise und von Bouillon, der Graf von Soissons und viele andere seiner furchtbarsten [268] Feinde unterlagen ebenfalls nach blutigen Kriegen der Gewalt der Waffen; der König selbst nahm bisweilen geheimen Antheil an den Verschwörungen gegen ihn, konnte aber nie etwas ausrichten: und noch wenige Monathe vor seinem Tode zerstörte er die furchtbarste Verschwörung des Herrn von Cinqmars, eines Lieblings des Königs, der dafür auf dem Schaffot büßen mußte (1642). Aber er nutzte seine willkührliche Herrschaft, unter der freilich das Reich einen außerordentlichen Glanz und einen hohen Grad von Festigkeit erreichte, nicht bloß zur Herstellung der innern Ruhe, sondern auch zur Ausbreitung der äußern Macht. Der Krieg mit Spanien, der auf seinem Betrieb 1635 angefangen wurde, und sich erst lange nach seinem Tode, 1659, endigte, setzte die Französischen Waffen in den Besitz von Catalonien und Roussillon, und bewirkte die Loßreißung Portugals vom Spanischen Joche (1640). Auch Oesterreich wurde von ihm auf gleiche Art geschwächt, da er 1628 dem Herzoge Carl von Nevers das Herzogthum Mantua verschaffte, und dadurch die Gewalt der Oesterreicher in Italien sehr verminderte. Er unterstützte im dreißigjährigen Kriege von 1631 an die Schweden, die unter Gustav Adolph und nachher gegen Oesterreich die wichtigsten Siege erfochten, durch Heere, nahm an dem Kriege den lebhaftesten Antheil, und setzte Frankreich in den Besitz des größten Theils von Elsaß und Breisgau. Auch hatte er die Freude, zu sehen, daß die Königin Mutter zu Cölln 1642, d. 3. Juli im äußersten Elende starb. Aber kurz darauf, am 4. December des nehmlichen Jahres, machte eine langwierige Krankheit seinem eignen Leben ein Ende. Cardinal Mazarini, sein Günstling, den er selbst zum Nachfolger bestimmt hatte, trat an seine Stelle; ein Mann von großen Verdiensten, der aber doch nicht Richelieuʼs Geist hatte (s. d. Art. Mazarini): und Ludwig XIII. folgte ihm schon 1643 d. 14. Mai im Tobe nach. Richelieuʼs moralischer Charakter war schlecht, sein politischer aber bewundernswürdig. Grausamkeit, Ehrgeitz, Herrschsucht, Jähzorn, Rachsucht, Verstellung, Cabale, Mißtrauen ohne alle Grenzen, bezeichnen jeden seiner Schritte, die von Willkühr und Despotismus geleitet wurden. Nur der, welcher sich mit kriechender Schmeichelei vor ihm beugte, wurde von ihm [269] geduldet; jeder Nebenbuhler seiner Macht mußte als Opfer fallen, und seine ununterbrochen behauptete Größe war eben so sehr das Werk der schändlichsten Ränke, als der Uebermacht seines Geistes. Dessen ungeachtet aber hat er als Staatsmann die glänzendsten Verdienste, die schon oben angegeben worden sind. Die Wissenschaften singen durch seinen Schutz sehr an zu blühen; selbst als Feldherr erwarb er sich mehrere Mahle großen Ruhm, und bloß in der Verwaltung der Finanzen zeigte er viele Schwächen. Die neuere Zeitgeschichte zeigt uns in der That kein Beispiel, daß ein Minister bloß aus eigner Kraft dem allgemeinen Unwillen der Großen so kühn und nachdrücklich und so lange Trotz geboten habe, als er. Von beständigen Stürmen und Verschwörungen umgeben, von Allen verfolgt, von seinem Könige selbst und dem ganzen Hofe gehaßt, erhielt er sich nicht nur ganz allein ohne Schutz mit beständiger Gleichmuth unerschütterlich fest; sondern besiegte ebenfalls allein alle seine Gegner, und benutzte jede Niederlage derselben nur zu noch größerer Erhebung seiner Macht. Alles, was der König that, that er bloß als Organ Richelieuʼs. Der Cardinal hatte zwar nur den Titel eines Ministers, aber Ludwig XIII. auch nichts als den Titel eines Königs. Aber wenn er sich auch von diesem ganz unabhängig machte; so machte er ihm dafür seine Unterthanen desto abhängiger, und sein Reich allen Nachbarn furchtbar. Ueberzeugt, daß von der Erhaltung seiner Person das Glück des ganzen Staats abhange, fühlte er sich berechtigt, derselben alles Andere aufzuopfern; und dieses ist hinreichend, viele seiner willkührlichen Unternehmungen zu entschuldigen, vielleicht sogar zu rechtfertigen.
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