Edmund Spenser

[328] Edmund Spenser, ein Altvater der Englischen Dichtkunst im 16. Jahrhunderte. Sein eigentliches Geburtsjahr, so wie der Stand seiner Aeltern und sein erster Eintritt in die Welt sind ungewiß. So viel weiß man, daß seine Umstände und Aussichten im Anfange nicht die besten waren, daß er sich daher auch genöthigt sah, die Universität zu Cambridge zu verlassen, [328] und bei einem Freunde in Yorkshire eine lange Zeit zuzubringen. Hier bearbeitete er seinen nachher sehr bekannt gewordenen Schäfercalender. Auf Zureden seiner Freunde ging er endlich nach London, und bemühte sich um eine Versorgung. Die Art, wie er hier dem Sidney bekannt wurde, wird so erzählt: Spenser ließ sich beim Sidney anmeiden, und ihm zugleich einen Gesang aus seinem Gedicht: Die Feenkönigin, das er damahls bearbeitete, überreichen. Einige Stanzen davon setzten den Sidney so in Entzücken, daß er seinem Haushofmeister befahl, dem Ueberbringer der Verse 50 Pfund auszuzahlen; kaum hatte er die folgende Stanze gelesen, als er befahl, die Summe zu verdoppeln. Der darüber in Erstaunen gesetzte und immer noch zögernde Haushofmeister erhielt bald, als Sidney unterdessen noch eine Stanze gelesen hatte, den Befehl, das Geschenk auf 200 Pfund zu erhöhen, jedoch die Summe sogleich zu zahlen, weil er sonst, wenn er weiter läse, in Versuchung gerathen möchte, sein ganzes Vermögen hinzugeben. Und so ward bald Spensers Ruf gegründet: er wurde bei Hofe bekannt, und von der Königin Elisabeth zum gekrönten Poeten ernannt; doch brachte ihm Anfangs der Lorbeer keine Belohnung: er mußte ohne Pension leben. Der Land-Schatzmeister Burleigh, der ihm keineswegs geneigt war, wußte ihm immer die Gnadenbezeugungen der Königin zu entziehen, bis endlich Spenser der Königin einige witzige Zeilen in Form einer Supplik selbst zu überreichen wagte, und dadurch zur wirklichen Perception des ihm schon lange verheißenen Geldes gelangte. Seit der Zeit genoß er auch die Achtung der angesehensten und größten Männer bei Hofe. Bald brauchte man ihn zu auswärtigen Angelegenheiten, und im J. 1580 ward er bei dem Landesdeputirten von Irland, Lord Gray, Secretair. Seine Verdienste, die er sich um dieses Amt erwarb, wurden von der Königin mit 3000 Morgen Landes in der Grafschaft Lork belohnt. Bei der im J. 1592 in Irland ausgebrochenen Revolution wurde er seines ganzen Vermögens durch die Spanier beraubt, und er scheint den letzten Theil seines Lebens in Mangel und Kummer hingebracht zu haben, das sich 1596 oder 1598 endete. Außer dem oben erwähnten Schäfercalender hat ihm unstreitig[329] sein Gedicht: die Feenkönigin, von dem aber leider nur noch 6 Bücher übrig sind (die andern 6 gingen auf der Flucht bei der vorerwähnten Revolution verloren), den höchsten Ruhm gebracht. Jenes, der Schäfercalender, ist eine Reihe von 12 Eklogen, die gleichsam einen Jahrgang ausmachen, und wo er sich, nach Popeʼs Urtheil, dem Theokrit nähert. Man kann sie übrigens als die ersten Idyllen in Englischer Sprache ansehen. Doch sein Genie läßt sich am meisten aus der großen romantischen Epovee: die Feenkönigin, beurtheilen. Reiche Erfindung und Mannigfaltigkeit, interessante Charaktere, zauberische Fantasie – alles das hat sehr viel Anziehendes, wenn man gleich auf der andern Seite nicht läugnen kann, daß die Sprache nicht die beste und die allegorische Einkleidung oft der Schönheit des Gedichts nachtheilig ist. – Sein Leichnam wurde in der Westmünster-Abtei neben Chaucer beigesetzt.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 328-330.
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