[446] Xenophon, im Jahr 450 vor Christi Geburt zu Athen in Griechenland geboren, ist gleich beruhmt und ausgezeichnet als Philosoph, Geschichtschreiber, Staatsmann und Feldherr. Er war ein Schüler des Socrates, der ihm auch in einer Schlacht einst das Leben rettete. Als die Griechen dem jüngern Cyrus, der sich gegen seinen Bruder, Artarerxes II. König von Persien, empörte, 10,000 Mann zu Hülfe schickten, ging Xenophon als Volontair mit. Cyrus, den er bald auch als Freund und Führer auf seinem Zuge ins innere Asien begleitete, wurde 401 geschlagen und getödtet, die ersten Griechischen Heerführer aber durch List gefangen und hingerichtet. Jetzt trat Xenophon, bisher im Heere fast gar nicht bekannt, auf, flößte den verzweifelnden Griechen Muth und Besinnung ein, ward ihr Führer, und brachte sie nach einem Marsche von mehr als 300 Deutschen Meilen durch unbekannte Länder, durch wilde und feindselige Nationen, über tiefe und reißende Ströme, über raube und unzugängliche Berge, ohne Wegweiser, ohne Reiterei, beständig auf allen Seiten von zahlreichen Feinden verfolgt und vom Hunger gepeinigt, glücklich nach Griechenland. Dieß ist der durch alle Zeiten hindurch gefeierte Rückzug der 10,000 Griechen, das größte Meisterstück der Kriegskunst der Alten. –
Die Athener vertrieben ihn bald darauf wegen des Verdachtes eines geheimen Einverständnisses mit den Persern und Spartanern. Er weihte von nun an sein Leben ungetheilt den Wissenschaften, und starb im 90sten Lebensjahre, 360 v. Chr. Als philosophischer Schriftsteller hat er uns die getreusten Nachrichten vom Socrates und dessen Lehren in mehrern Schriften hinterlassen; als Geschichtschreiber die Geschichte Griechenlands (nur schreibt man ihm oft zu viel Parteilichkeit, besonders für Sparta, zu) und seinen berühmten Rückzug mit den 10,000 Mann; über dieß noch [446] das Leben des Cyrus, was jedoch mehr ein historischer Roman, als treue Geschichte ist; außerdem mehrere kleine Abhandlungen, politischen und ökonomischen Inhalts. Seine Schreibart gehört zu den besten Mustern; sie ist rein und schön, ruhig und edel, wie die Seele ihres Urhebers, und gefiel wegen des inwohnenden Wohllauts, so daß man ihn die Atrische Biene oder Muse nannte. – Welche Seelenstärke und Geistesgröße diesem großen Mann beiwohnte, sieht man aus folgendem: Als man ihm den Todt eines seiner Söhne meldete, antwortete er: Ich weiß, daß ich einen Sterblichen gezeugt habe.