[65] Mithridates: ein Name, den mehrere Könige von Pontus führten, unter welchen Mithridates VI. (auch Eupator oder Dionysius genannt) seinen Namen am berühmtesten machte. Von Jugend auf sehr feuriger Gemüthsart, gewöhnte er sich zugleich an die härtesten Beschwerlichkeiten, brachte oft Monate lang unter freiem Himmel zu, ja um den Nachstellungen seiner Feinde entgegen zu arbeiten, suchte er sogar, so erzählt man wenigstens, allerhand Gegengifte ausfindig zu machen, und sich daran zu gewöhnen, damit ihm kein Gift schaden konnte. Bekanntermaßen hat auch das Gegengift daher den Namen Mithridat. – Schon im 13. Jahre bestieg er den Thron seines Vaters; der römische Senat, diese Minderjährigkeit benutzend, entzog ihm Phrogien und Cappadocien: eine Ungerechtigkeit, welche den unversöhnlichsten Haß und die Rachsucht des Mithridates gegen die Römer ganz begründete. Nach erlangter Mündigkeit vermählte er sich mit seiner eignen Schwester, Laodice, mit welcher er den Pharnaces erzeugte. Drei Jahre lang machte er nun eine Reise durch Asien, theils um die Sitten und Gebräuche der Einwohner kennen zu lernen, theils [65] auch, um die Länder seiner Nachbarn auszukundschaften, und ohne Zweifel faßte er da schon den Plan, sich zum Alleinherrscher von Asien zu machen. Zwar hatte sich unter der Zeit das Gerücht von seinem Tode verbreitet, und seine Gemahlin, dadurch verleitet, sich in einen zu vertrauten Umgang mit einem von den Hofleuten eingelassen, so daß sie sogar einen Sohn gebar; allein seine Rückkehr widerlegte zu ihrem höchsten Schrecken jenes Gerücht, und sie faßte den Entschluß, ihn durch Gift wegzuräumen, das aber ohne Wirkung blieb, und bald ihren Untergang beförderte. Bald fing er seine großen Unternehmungen an, bezwang Paphlagonten, ohne auf die Römer, welche ihn durch Drohungen davon abzuschrecken suchten, zu hören; bemächtigte sich Galakiens, dann auch Cappadociens, nachdem er durch Meuchelmord den König aus dem Wege geschafft hatte. Nach mehreren andern Ermächtigungen band er nun auch, nachdem er schon längst ein sehr wichtiges Bundniß mit dem König von Armenien, Artaxes, geschlössen hatte, mit den Römern selbst an. Mit einer Macht von 300,000 Mann begann er den Feldzug, und im Anfange sehr glücklich. Er eroberte Bithynien, nahm einen großen Theil der römischen Flotte weg, eroberte dann Phrygien, Karien, Paphlagonten, und viele andre Länder in Asien, und wurde auch allenthalben, da er sich sehr gütig zeigte, mit Jubel als Befreier und Schutzgott Asiens empfangen, häufte dabei ungeheute Schätze zusammen, war aber oft so unmenschlich, besonders gegen römische Bürger, daß er von diesen auf 80,000 hinrichten ließ. Auch der ägäischen Inseln wollte er sich bemächtigen; allein die Rhodier verleideten ihm den Seekrieg. Dennoch wußte er durch seine Generale fast ganz Griechenland und Klein-Asien seiner Herrschaft zu unterwerfen; als er aber sogar in Italien einzudringen Miene machte, faßte man von Seiten der Römer die ernstlichsten Maßregeln. Lucius Sylla, Oberfeldherr, ging sogleich nach Griechenland: mehrere Siege, hauptsächlich die bei Chäronea, und mehrere in Böotien, machten mit einem Male der Herrschaft des Mithridates in Griechenland, unter ungeheuerm Verluste des letztern, ein Ende. Mit gleichem Glücke siegten die andern römischen Feldherren, Fimbria und [66] Lucullus über Mithridates selbst, und dieser mußte endlich den sehr harten Frieden eingehen, wodurch er alle seine Eroberungen fahren lassen, und sich blos mit seinem väterlichen Reiche, Pontus, begnügen lassen mußte. Indessen wurde dieser Friede bald wieder gebrochen: nach Syllas Tode verband sich Mithridates mit seinem Schwiegersohne, Tigranes, des Artaxes Sohne und Nachfolger von Armenien, und ein zweiter Krieg brach nun mit den Römern aus, in welchem Lucull dem Mithridates große Niederlagen beibrachte, der Krieg nach Pontus selbst gespielt wurde und das Glück nach und nach so ganz von des Mithridates Seite wich, daß seine Armee sich wider ihn empörte und er selbst nach Armenien zu Tigranes sich fluchtete. Trotz der Unternehmungen mit diesem, und trotz der Verwirrungen, welche durch Veränderung des Commandos bei den Römern entstanden, wo auf einige Zeit die alliirten Könige sich Pontus, Bithyniens etc. bemächtigten, mußte er dennoch zuletzt unterliegen. Pompejus, der ihn immer und immer verfolgte, brachte ihm zuletzt so entscheidende Niederlagen bei, daß, ob et gleich, lange Zeit verborgen, ingeheim in seinem Pontus Anhänger und eine bedeutende Armee schaffte, ja vieler wichtigen Städte sich bemächtigte, dennoch, da nun selbst die Einwohner von Pontus sich empörten, und er vollends den abenteuerlichen Entschluß faßte, mit Verlassung seines Erbkönigreichs, bis nach Gallien zu marschiren, und in Verbindung mit diesen über die Alpen nach Italien einzufallen, auch bei der Armee eine Empörung zum Ausbruch kam, an deren Spitze sein eigner Sohn Pharnaces stand, und sich zum König von Pontus ausrufen ließ. Jetzt aufs äußerste gebracht, nahm er zuerst Gift, da dies aber, vermöge seiner daran gewöhnten Natur, nicht wirkte, stürzte er sich in sein Schwert. Allein auch diese Wunde war noch nicht tödtlich, und sein schändlicher Sohn wollte ihn verbinden lassen und den Römern ausliefern, als noch ein menschlicher denkender Gallier, der eben durchs Gemach ging, dem im Blute sich wälzenden König den Todesstreich versetzte. So starb, im 75 J. vor Christus, ein Fürst in seinem 60 Jahre, der, wenn gleich von seinem Hange zur Grausamkeit und zur Despotie [67] hingerissen, dennoch mit allen großen Anlagen versehen, gewiß, hätte er in einem ändern Zeitalter gelebt, eine der größten Rollen gespielt haben würde. Er war für die Römer ein eben so geschworner und eben so gefährlicher Feind, wie Hannibal; und das Frohlocken der römischen Armee über seinen Tod wurde sogar von Freudenfesten begleitet.