[299] Jemeljan Pugatschew, der Sohn eines Kosaken geb. 1726 zu Simoveisk, einem kleinen Dorfe am Don, spielte in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts eine zu wichtige, wenn gleich nur kurze Rolle in Rußland, als daß nicht seiner auch hier erwähnt werden sollte. Schon jung beschäftigte er sich mit dem Handwerke des Kriegs und des Raubens, und ward schon früh Anführer einer Bande. Doch entfernte er sich in der Folge aus seinem Vaterlande, nahm im siebenjährigen Kriege beim preußischen Heere Dienste, begab sich dann zur östreichischen Armee, wo er beim Kriege mit den Türken als Kosak mit zu Felde zog, und 1770 der Belagerung von Bender beiwohnte. In sein Vaterland zurückgekehrt, suchte er, ein feuriger, wilder, unbändiger Mann, ganz in dem Geiste seiner Nation, unter seinen Landsleuten den Saamen des Aufruhrs auszustreuen, wurde bald darauf, wegen seines unruhigen Betragens, zu Malikowka an der Wolga eingezogen, und nach Kasan ins Gefängnis geschickt. Er wußte sich zu befreien, ging nun weiter östlich nach Jaizkoi, fand hier viel unruhige, zu Gewaltthätigkeiten gestimmte Gemüther, und faßte nun, verführt durch einige Bekannte, die zwischen ihm und dem verstorbenen Kaiser Peter III. einige Aehnlichkeit fanden, den ungeheuern Einfall, sich selbst für Peter III. auszugeben, welcher – so fabelte er und seine Anhänger – bei seiner Entthronung, wo man [299] auf dem Todtenbette einen ihm ähnlichen Soldaten ausgesetzt habe, verkleidet entkommen sei, und jetzt, nach langem Herumirren, unter seinen getreuen Kosaken erscheine, und von ihrer Unterstützung die Wiedererlangung seiner Krone erwarte. Der Aufruhr brach in der Mitte Augusts 1773 aus, wo ein Manifest im Namen dieses Pseudo-Peters verbreitet wurde. Von 9 Mann, woraus Anfangs sein Anhang bestand, hatte sich dieser schon im September auf 300 vermehrt: überall schlossen sich seine Landsleute und die Bauern an, denen er gegen den Druck des Adels Schutz und Rache versprach. Sein Anhang vermehrte sich noch durch 500 Ueberläufer aus der Festung Jaizkoi, die er aufforderte; bald traten noch mehrere, und besonders auch die Roskolniken (s. d. A. i. d. N.), hinzu: so eroberte er mehrere Festungen, beging dabei furchtbare Grausamkeiten, und nachdem er nun auf 5000 Mann stark, und mit 36 Kanonen versehen war, belagerte er sogar die Festung Orenburg, die er zwar nicht-bekam, aber doch seinen Anhang immer mehr und bis 16,000 Mann verstärkte. Der Zulauf von ganzen Nationen, Baschkiren, Wotjäken, vielen Tatarn etc. ward immer größer, und die Gefahr desto drohender – sogar die alte große Hauptstadt des Königreichs Kasan eroberte er, und nahte sich nun Europa, indem er über die Wolga ging. Nur der Oberste Michelson war es endlich, der durch die höchsten Strapatzen, durch die gefahrvollsten Mühseligkeiten endlich diesem Rebellen einen Schlag nach dem andern beibrachte, und da, wo die Gefahr am höchsten war, indem dieser Moskau bedrohte, ihn abschnitt. Von seinen Anhängern verlassen, ja selbst verrathen, wurde Pugatschew gefesselt dem General Suwarow übergeben, und hierauf am 10. Jan. 1775 nebst den übrigen Rädelsführern zu Moskau hingerichtet – das einzige Todesurtheil, welches unter Katharineus Regierung vollzogen worden ist. So endete dieser Aufruhr, der über 100,000 Menschen, und dem Reiche überhaupt mehr, als irgend einer der blutigsten Feldzüge, kostete. Hätte Pugatschew eben so viel Klugheit, als Muth und Entschlossenheit, gehabt, er würde dann doch noch vielleicht eine weit furchtbarere Rolle gespielt [300] haben, statt daß er nun als Rebell und Bösewicht sein Leben auf dem Schaffotte endete.