[469] Vincenz Viviani, einer der berühmtesten Mathematiker des 17. Jahrhunderts, und der würdige Schüler von Galilei. Von adelichen Eltern zu Florenz 1622 geboren, fing er im 16. Jahre an, die Geometrie zu studiren und bald nahm ihn Galilei als seinen Schüler und gleichsam an Kindes statt an: bei diesem blieb er drei ganzer Jahre lang und verehrte auch das Andenken seines großen Lehrmeisters, nach dessen Tode, mit unverbrüchlicher Liebe und Anhänglichkeit. Einige Jahre widmete er sich noch ununterbrochen der Geometrie, und suchte in der Zeit die 5 Bücher, welche Aristäus 300 Jahre vor Christus über die Kegelschnitte geschrieben hatte, und welche gänzlich verloren gegangen waren, zu ersetzen. Funfzehen Jahre lang wurde er nun theils durch Privatangelegenheiten, theils durch öffentliche und Staatsverhandlungen, welche ihm sein Fürst, der Großherzog von Toscana, anvertraute, beschäftiget; aber dennoch unternahm er noch während der Zeit ein ähnliches Vorhaben, nämlich auch die 5 Bücher des Apollonius Pergäus von den Kegelschnitten zu ersetzen. Dieser alte Schriftsteller hatte ungefähr 250 vor Chr. jenes Werk geschrieben; allein nur die 4 ersten Bücher waren noch vorhanden; das Fünfte (de maximis et minimis) und noch mehrere darauf folgende Bücher waren schon seit fast 1000 Jahren verloren gegangen. Den Inhalt dieses Buchs zu ergänzen, war nun Viviani sehr eifrig beschäftiget, auch schon sehr weit damit vorgerückt, als auf einmal Borelli in der großherzoglichen Bibliothek zu Florenz ein arabisches Manuscript fand, welches jene 8 Bücher des Pergäus enthielt. Ehe dieser aber noch mit der Uebersetzung, welche er zu Rom fertigen ließ, hervortrat, eilte Viviani – von den ansehnlichsten Zeugnissen unterstützt, daß er nie jenes Manuscript gesehen [469] oder benutzt habe (er verstand auch gar kein Arabisch) – seine eigne Arbeit, wovon er die Früchte nicht verlieren wollte, zu beschleunigen. Diese erschien 1659 und nach einigen Jahren erst jene Uebersetzung – und aus der angestellten Vergleichung ging nun hervor, daß Viviani in seinen Muthmaßungen über die Materie jenes Werks weit tiefer eingedrungen war, als Apollonius selbst. Kurz darauf bediente sich der Herzog Viviantʼs zu Ausgleichung gewisser Streitigkeiten mit den päpstlichen Commissarien, unter welchen letzteren sich auch der berühmte Cassini befand. Viviantʼs Ruhm breitete sich immer mehr in ganz Europa aus, so daß auch der König von Frankreich, Ludwig XIV., ihm freiwillig eine Pension aussetzte, und 1666 der Großherzog ihm den Titel seines ersten und vornehmsten Mathematikers ertheilte. Um seine Dankbegierde gegen Ludwig XIV. für die ihm vielfach bewiesenen Gnadenbezeugungen zu erkennen zu geben, ließ er über sein Haus, das er sich zu Florenz sehr geschmackvoll erbauen ließ, die Worte setzen: Aedes a Deo datae (dies Haus ist mir von Gott verliehen). Auch seines großen Lehrers, Galilei, Statüe machte eine Zierde des Eingangs zu diesem Hause, so wie er auch dessen Lebensereignisse an verschiedenen Orten seines Hauses künstlich anbringen ließ. Er starb 1703 im 81. Jahre seines Alters und hinterließ den Ruf, nicht blos eines großen Gelehrten, sondern auch eines dankbaren, redlichen, bescheidnen und leutseligen Mannes.