[400] Reval. Eine mit ungeheuren Felsblöcken bekreuzte Bucht des finnischen Meeres bildet den großen, bequemen und durch starke Batterien vertheidigten Kriegs- und Handelshafen, an welchem die 18,000 Ew. zählende Hauptstadt Esthlands liegt, die mit ihren engen, unregelmäßigen Straßen das Ansehen einer norddeutschen Stadt hat. Trotz der höchst armseligen Vorstädte gewährt doch der höher liegende Stadttheil, der vom Adel bewohnte Domberg, und die eigentliche Stadt mit ihrem guten Theater, ihren Seebädern und ihren großen, meist deutschen Handelshäusern einen angenehmen Aufenthalt. R's schönster Schmuck aber sind die Frauen und selbst die der niedern Stände dürften mit ihren goldnen Flechten, ihrem Lilienteint und ihrem malerischen Kopfputz Perg (s. Esthland) wohl zu den reizendsten weiblichen Erscheinungen Rußlands gehören. Ein angenehmer Vergnügungsort der Revaler ist der nahgelegene, von Peter d. Gr. für seine Gemahlin erbaute Palast Katharinenthal in dessen schattigen Gartengängen wohl oft die erhabene[400] Frau lustwandelte, und vielleicht gedrückt vom glänzenden Diademe, schmerzlich an jene Zeit zurückdachte, wo sie noch als Mädchen von Marienburg ihre Tage in stiller Häuslichkeit harmlos verlebte.
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