VI. Der hellenistische Mensch

Während in Hellas gegenüber dem Leben im Staate das Privatleben in den Vordergrund tritt, nimmt eine Gewaltsnatur (μεγάλη φύσις) im riesigen Sinne, welthistorisch im höchsten Grade, das Schicksal von Griechenland, Orient und aller Nachwelt auf ihre Schultern, ein Mann, der dazu berufen ist, die Welt zu hellenisieren, selbst über seinen individuellen Willen hinaus: Alexander der Große.

Seit der Heimkehr der Zehntausend Xenophons hatte man in Hellas im allgemeinen Kunde von der relativen Leichtigkeit der in Asien winkenden Beute. Die Verruchtheit des mit griechischer Intelligenz verbündeten jüngern Kyros, dazu der bekannte Zustand des Achämenidenhofes unter dem Eunuchen Bagoas1 mußte den Leuten die Augen darüber öffnen, daß die größte der alten Weltmonarchien, die über lauter Trümmern von alten Königsburgen und Tempeln errichtet war, im Verfall begriffen sei. Die Außenlande befanden sich durch den Abfall ihrer Bewohner in einem Zustand beständiger Zerfaserung; auch im Innern fürchtete man sich vor unbotmäßigen Satrapen und Provinzen, gegen Griechenland hielt man sich vermittelst der Bestechung griechischer Staaten und der Söldnerwerbung, dazu kam die Aushöhlung der Ormuzd-Religion und der alten Sitte, von welcher der Epilog zur Kyropädie eine Vorstellung gibt2.

Hätte sich nun aber das Reich ohne Zutun der Griechen aufgelöst, so wäre das vermutliche Schicksal der Einzelvölker gewesen, daß sie sich in ihre ausgelebten, aber halsstarrig festgehaltenen Spezialkulturen gehüllt hätten. Palästina z.B. würde sich wohl als aramäisch redender Erdenwinkel, den Heiden unverständlich, abgesperrt haben; was aus einem dauernd von der übrigen Welt getrennten Ägypten geworden wäre, können wir uns kaum denken; den Orient im großen würden wohl (wie später die Parther) irgendwelche turanische Völker oder gar die Mongolen,[395] die Alexander dann so wohlweislich absperrte, als rohe Ausfresser verzehrt und die frühere persische Kultur heruntergebracht haben; die Römer hätten sich schwerlich weit damit eingelassen. Und was wäre ohne Alexander aus den Griechen selbst geworden? Wir würden wahrscheinlich wenig von ihnen wissen und dies wenige nicht zu wissen begehren. Unter sich verstanden sie fast nur noch, einander zu mißhandeln, und ihre Faktionskämpfe von Staat gegen Staat sowie innerhalb der Staaten riefen fast unvermeidlich und permanent irgendein Ausland zur Intervention herbei, während ihre kolonialen Außenposten fast überall durch barbarische Völker bewältigt wurden oder schrecklichen Experimenten, wie denen der sizilischen Tyrannen, anheimfielen. Ohne ein starkes Makedonien und die Existenz anderer hellenistischer Königreiche wäre die Nation wohl schlimmern Herren anheimgefallen, vielleicht ihren eigenen, rohgebliebenen Ätolern oder nordischen Barbaren wie den Illyriern, Triballern usw.; oder es hätte gar statt Roms Karthago, das, wenn es Geld hatte, im Handkehrum ein Heer von dreißig Myriaden werben konnte, Korinth zerstört.

Aber die Griechen hatten ihre Bildung, welche allein fähig war, die ganze übrige Welt zu begreifen und auszudeuten, und ihr Geist hatte jene höchste Mitteilbarkeit in Poesie, Kunst und Philosophie. Dieser Bildung und ihren beweglichen Trägern konnte nur eine große Hellenisierung der Welt den Weg zu den andern Nationen bahnen, und diese war nur durch einen großen Eroberer zu bewirken.

Da erbietet sich Makedonien, diese griechische Nation zu Glanz, Sieg und Rache hinauszuführen. Mit Griechentum eben zu dem Grade erfüllt, daß sie den Griechen nicht als etwas ganz Heterogenes erscheinen kann3, bringt diese Macht die Vorteile ihres Militärkönigtums mit sich und damit ein Kriegswesen, das ihr alle politischen Institutionen, ja die Nationalität selbst ersetzt. Sie genießt, wenn sie will, bereits die Heeresfolge von Thrakien, Thessalien und Epirus, verlangt aber einstweilen unter Philipp von den Griechen südlich Böotiens, wie wir gesehen haben, keine Unterwerfung, sondern begnügt sich mit deren Ohnmacht, worin sie die Bürgschaft findet, daß ihre Herrschaft im Norden nicht gestört wird, und geht nun, obwohl die eigentliche Feindschaft gegen Persien im damaligen Griechenland im Erlöschen und der Kampf kein nationales Ideal mehr ist, in der längst bekannten Art vor, die Anführerschaft über die Griechen dadurch zu suchen, daß sie die Bekämpfung Persiens verspricht.

Und nun geht in dem Moment, da der Perserkrieg beginnen soll, die Führung durch Philipps Ermordung (336) auf Alexander über. Dieser ist dem[396] Vater ähnlich und doch wieder unendlich unähnlich, ohne dessen berechnende, kalte Intrige und völlig ohne dessen possenhaften Zug, vielmehr eine hochpathetische Natur, durch seine Mutter aber, die geheimnisvolle und entsetzliche Äakidin Olympias, der ihr superstitiöses und orgiastisches Treiben4, ihre Wirtschaft mit Schlangen usw. den Ausdruck einer verwegenen Kraft und schrecklichen Leidenschaftlichkeit gibt, scheint er mit einer furchtbaren Naturmacht zusammenzuhängen. Und zu diesem Vater und dieser Mutter kommt der Lehrer Aristoteles. Man hat allerlei Sagen und Konjekturen darüber, wie weit die Belehrung gegangen sei5, aber wer will wissen, wie dieser Lehrer und dieser Schüler miteinander verkehrt haben? Daß Alexander eine schwer zu bestimmende, aber wissenschaftliche und lernbegierige Natur war, wollen wir gerne glauben. Es ist das weltgeschichtlich Bedeutendste, was dieser Aristoteles getan hat, daß er Einfluß auf ihn gewann und ihn erzog.

An Geschäften und Krieg wie auch an den furchtbaren Hofwirren nahm Alexander früh teil. Bei Chäronea sauste er zuerst in die heilige Schar hinein; dagegen war er wohl unbeteiligt am Tode des Vaters und erfuhr die Teilnehmer selber erst allmählich; die Sache reichte möglicherweise tief ins militärische Gefolge hinein, so daß das Erforschen für ihn gar nicht wünschbar war. Auf sichere Kunde von der Teilnahme der Olympias geriet er wahrscheinlich, wollte aber diese, die er für eine große Persönlichkeit scheint gehalten zu haben, auf keine Weise kompromittieren; er selbst ist in der blutigen und düstern Tradition des makedonischen Königshauses nahezu die lichteste und freundlichste Gestalt.

Aus der Krisis, die auf Philipps Tod gegenüber Barbaren und Hellenen folgte, rettete ihn nur Kühnheit. Er züchtigte zunächst die nördlichen Völker, die sich gegen ihn erhoben hatten6, und dann mußte Theben, das leider unter den Auspizien des Demosthenes bei aller Hilflosigkeit mit dem leichtsinnigsten Trotz gegen ihn aufgestanden war und die makedonische Besatzung niedergemacht hatte, mit seinem Untergange büßen.[397] Daraufhin konnte er den Heereszug gegen Persien antreten; das Erbe, das ihm Philipp dafür hinterlassen hatte, waren drei Millionen Schulden, der makedonische Heerbann, die Freunde und Gefährten, die Phalanx und der griechische Zuzug je nachdem; denn Hellas war und blieb meuterisch; Sparta hatte sofort erklärt, es sei nicht seine Art, andern zu folgen, sondern andere zu führen. Auch von den andern war eine Erhebung bei jedem falschen Gerücht zu erwarten; es war im Grunde eine kuriose Hegemonie.

Aber Alexander geht über alles Berechnenwollen hinaus; von gesicherter Basis, allmählichem Ausrunden, genau innegehaltener Proportion von Haupt- und Nebenaufgaben ist bei ihm nicht die Rede, und so ist er selbst militärisch und politisch nicht genau auszurechnen; es ist oft wie eine Laufbahn im Traum; er glaubte, die Fähigkeit zum Siege (τὸ κρατοῦν) sei an sich göttlicher Art. Im großen ist er wie eine Art Abenteurer, vor allem aber Entdecker, der nicht weit genug in der Welt herumfahren kann und hernach mit dem größten Schmerz auf das Gangesland verzichtet; in den einzelnen strategischen Maßregeln dagegen ist er zweckmäßig7 und wahrscheinlich oft genial; und doch geht im Moment der Aktion der löwenkühne Soldat mit dem Feldherrn durch; so schon in der mit Raserei (μανικῶς) unternommenen Schlacht am Granikos, wo er die Mitte des Reitergetümmels aufsucht. Wenn irgendwo in der Geschichte, so hat man bei der Betrachtung dieses inkommensurabeln Menschen das Gefühl: hier führt eine allmächtige Hand. Die weltgeschichtliche Veranstaltung, die ihn hinausgeführt hat, ist zu riesig, als daß wir uns dessen erwehren könnten.

Allerdings muß nun auch am persischen Hofe ein Schlendrian und eine Besinnungslosigkeit geherrscht haben, die keinen Namen mehr haben. Hier rächte es sich, daß der Staat jahrelang unter der Ägide eines Mörders gestanden hatte, dessen Interesse es war, keinen fähigen Achämeniden aufkommen zu lassen. Nachdem bereits Philipp den Krieg in Kleinasien eröffnet hatte, brauchte man noch zwei Jahre zur Rüstung und schlug dann – gegen Memnons Rat8 – im unrichtigen Augenblick los. Durch die erste große Niederlage ging Kleinasien bis zum Taurus verloren, und Alexander, der hier über seine gefährlichsten Feinde, die griechischen Söldner, gesiegt hatte, bekam Zeit, sich einer Landschaft nach der andern zu bemächtigen. Ob er damals in Gordion den berühmten Knoten wirklich durchhauen hat, mag freilich bleiben. Arrian weiß es nicht; uns scheint: er hat ihn weder gelöst noch durchhauen, aber eine[398] Miene gemacht, als wäre dies geschehen, und wer diese Miene machen kann, bezwingt die Welt9. Es folgt (333) der Sieg über Dareios selbst bei Issos. Nunmehr fühlt Alexander sich schon völlig als Herr des Perserreiches. »Schreibe nicht mehr an mich als deinesgleichen«, schreibt er dem geschlagenen Könige10, »sondern als an den König von Asien und Herrn alles des Deinen und dann sage, was du wünschest. Bestreitest du mir aber noch ferner die Herrschaft, so fliehe nicht; ich ziehe gegen dich, wo du auch seiest.« Seiner Menschlichkeit gegen die gefangenen Frauen liegt vielleicht vor allem das Bewußtsein zugrunde, daß an diesen für den Orientalen ein Reichsrecht hängt, und ohnehin erbt ja im Orient der Sieger den Harem des Besiegten. Überhaupt aber ist in Alexander keine Ranküne der Grausamkeit; wie schon sein Vater, schont er gerne das Menschenleben und will später auch die griechischen Söldner, als sie schubweise in seine Hände fallen, am Leben erhalten11. Sprechend symbolisch ist aber, daß er in das wundervolle Schmuckkästchen, das mit dem Prachtzelt des Dareios in seine Hände gefallen ist, die Handschrift der Ilias legt; es ist ganz buchstäblich so gegangen: hellenischer Geist sollte in orientalischen Reichtum hineingefaßt werden.

Die Belagerung von Tyrus, die nun erfolgte, war kein eitler Starrsinn, sondern im höchsten Grade gerechtfertigt12. Alexander hatte den Rücken nur frei, wenn es keine persische Seemacht mehr gab, die ganze phönikisch-persische Flotte ihm diente und jede Besorgnis wegen Hellas schwand. Daß er die eroberte Stadt, wie auch hernach Gaza, von den alten Bewohnern völlig leerte, beweist, wie wichtig es ihm war, keine auf die persischen Interessen eingerichtete Bewohnerschaft zurückzulassen. Und nun konnte er, nachdem sich ihm schon während der Belagerung von Tyrus die übrigen Phönikier und die Kyprier angeschlossen hatten, gegen Ägypten rücken. Wir möchten gerne wissen, ob ihm die dortigen Griechen irgendwie entgegenkamen, als er in Unterägypten die[399] große Stadt gründete, die seinen Namen heute noch trägt. Für diese gibt er nicht bloß die Straßenzüge an, sondern bestimmt auch, wieviele Tempel und welchen Göttern man sie bauen solle, und indem er dabei nicht bloß die hellenischen Götter, sondern auch die ägyptische Isis bedenkt, weiht er – wohl ohne sich der Tragweite dieser Sache ganz bewußt zu sein – die große neue Tendenz der Theokrasie ein. Der darauf erfolgte Zug nach dem Ammonium mag seinen Grund teilweise darin gehabt haben, daß er in gutem alten Aberglauben daselbst wirkliche Auskunft, zumal über den Hergang bei Philipps Ermordung, erwartete13. Hauptsächlich aber wollte er an diesem seit Lysander doch offenbar käuflichen Lügenwinkel die Erklärung erhalten, daß er der Sohn des Zeus Ammon sei. Es bewog ihn hierzu das Bedürfnis, eine Autorität zu besitzen, welche keine Widerrede gestattete; war er ein Göttersohn, so konnten auch die Griechen zu derjenigen bedingungslosen Verehrung und Anbetung (προσκύνησις) gebracht werden, woran die Orientalen so leidlich gewöhnt waren. Daß er von jenen Staatsbeschlüsse über seine Göttlichkeit verlangte, gehört zu den Dingen, die man sich im damaligen Griechenland erlaubte14; die Griechen, die gegenüber dieser Prätension so zimperlich taten, hätten sich besinnen dürfen, daß sie siebenzig Jahre zuvor einen Lysander als Gott angebetet hatten15.

Die weite und lange Abwesenheit in Phönikien und Ägypten war nun zwar »gefährlich« wie alles, was Alexander unternahm; aber alles sollte eben gelingen; die offenbare Zerfahrenheit der persischen Regierung machte, daß sie ihm nicht schadete. Als er nach zwei Jahren (331) in Mesopotamien erschien, hatte Dareios allerdings wieder eine große Armee zusammengebracht; aber nun geschah das Letzte: Nachdem die Perser auch bei Arbela geschlagen waren, gab es keine persische Regierung mehr; Alexander aber, bei dem im Kampfe der Soldat wieder mächtiger als der Feldherr gewesen war, indem er – wie einst schon bei Chäronea – an der Spitze seiner Genossen und seiner Phalanx mit lautem Rufen in die[400] feindlichen Reihen stürmte und damit die Flucht des Dareios entschied, überließ nun auch die weitere Verfolgung nicht einem Reitergeneral, sondern folgte dem Geschlagenen selbst 600 Stadien weit, und vollends später, als es galt, die Banden des Bessos zu verfolgen und sich des von ihnen gefangenen Königs lebend zu bemächtigen, war er wieder Vortrabsgeneral und hatte zuletzt nur noch einen Quintextrakt seines Heeres von wenigen hundert Mann um sich; als er den Gesuchten einholte, war dieser freilich bereits eine Leiche.

Von Arbela an besaß Alexander, was ihm Mittel zur Weltherrschaft werden konnte, die Schätze Persiens und damit eine unbeschränkte Möglichkeit der Truppenwerbung; Babylon und Persepolis fielen in seine Hände. Dafür, daß er die letztere Stadt, nachdem er die königlichen Schätze daraus fortgebracht, mit vollem Vorbedacht den Flammen übergab, gab er selbst als Motiv die Verwüstung des Xerxes, namentlich in Athen, an; die Tat dürfte aber eher den Sinn gehabt haben, daß nunmehr ganz Asien sehen sollte, Persis sei nicht mehr das herrschende Land im Reiche; dies wäre echte, für alle Völker lesbare Frakturschrift eines Alexander gewesen16. Jetzt konnte man mit Äschylos in den Persern (929) sagen:


»Das asische Land, o König und Herr,

Ist furchtbar, furchtbar zu Falle gebracht.«


Nach dem Tode des Dareios waren nun freilich die Makedonier voll Hoffnung, daß der Krieg zu Ende sei; aber Alexander beredete sie zum Weiterziehen; er mußte auch den Satrapen ein Ende machen und sich dabei völlig als Erben und Rächer des letzten Achämeniden gebärden. Und hier tritt seine Größe glänzend zutage. Vielleicht jeder andere hätte die steinigen Länder des Ostens auf sich beruhen lassen, er dagegen macht fertig in (nach hellenischem Maßstab) ruhmlosen und furchtbaren dreijährigen Kämpfen um Felsburgen im Schnee, damit nicht sein Reich dereinst von hier aus wieder überzogen werde17; freilich erwirbt er dabei auch Roxane, die Perle des Orients. Daß der große Gründer nicht auch noch zugleich organisieren kann, daß alle Einrichtungen höchst provisorisch und flüchtig sind, und daß auch er, wie bisher die Achämeniden, das[401] Reich satrapienweise vergibt, und zwar nicht nur an Makedonier, sondern auch an Perser, die er kaum kennt, kann nicht wundernehmen. Er ist eben Regent von Asien, so gut es unter solchen Umständen geht; aber er ist noch mehr der größte bisher auf Erden erschienene Feldherr und noch mehr Soldat als Feldherr18, am Ende aber doch am allermeisten Entdecker. Was er sehen will, muß er erobern19; das Beherrschen kommt erst hernach und das Genießen überhaupt nie.

Während dieser Kämpfe in Hyrkanien, Baktrien und Sogdiana hat er die ersten schweren Konflikte mit seinen Makedoniern. Hierbei geben wir darauf nicht viel, daß man ihm nachsagte, er habe sich im Trinken nach der barbarischen Seite hin verändert20; denn furchtbar getrunken wurde schon an Philipps Hofe, und mit der im Rausche begangenen Ermordung des Kleitos kam doch wenigstens tiefer Jammer über ihn; überhaupt können bei seiner enormen Tätigkeit solche Exzesse nur seltene Ausnahmen gewesen sein. Dagegen müssen seine allerdings schwer billig zu beurteilende Orientalisierung in Tracht und Sitte und seine neuen persischen Kontingente starke Unzufriedenheit erregt haben, und die Folge waren die verschiedenen Verschwörungen. Über die des Philotas muß eine allgemeine Überzeugung bestanden haben. Die Untersuchung wurde »vor den Makedoniern« geführt, welche den Verurteilten denn auch mit ihren Wurfspeeren tot warfen21. Das Heer war also richterlicher Behörde und Exekutant und der König so loyal, als ein Heerführer im fremden Lande nur irgend verfahren konnte, wie auch sein Benehmen gegen die Freigesprochenen beweist. Den Vater Parmenion hielt er entweder wirklich für einen Mitwisser, oder er durfte ihn doch nach dem Tode des Sohnes nicht mit Sicherheit am Leben lassen. Was aber die Berichte betrifft, die wir über diese Dinge haben, so mochten die Adjutanten, welche die Gewährsmänner Arrians sind, darüber aus Gründen kurz sein, waren doch schon an Philipps Hofe so wüste Dinge vorgegangen, daß vielleicht, Hephästion ausgenommen, niemand ganz saubere Antezedentien hatte. – Die spätere Verschwörung der Pagen wurde zwar durch Foltergeständnisse ermittelt, hernach aber freiwillig bestätigt. Bei Kallisthenes, den sie als Mitwisser angaben, ist es vor allem erstaunlich, daß Alexander ihn so lange um sich haben konnte. Derselbe meinte, der König und seine Taten ständen unter ihm und seiner Schrift; er komme nicht, um bei diesem[402] Ruhm zu holen, sondern um ihn berühmt zu machen, und der Anteil am göttlichen Wesen hange für Alexander nicht von den Lügen der Olympias über seine Erzeugung ab, sondern von dem, was er, Kallisthenes, schriftlich unter die Menschen bringe. Wer so petulant ist, kann durch sein bloßes Schwatzen die Beute von Verschwörern werden, die ihn mit sich nehmen.

Nun will Alexander aber noch weiter, so weit als überhaupt noch »eine feindlich gesinnte Macht übrig ist«, ein Grundsatz, nach welchem er eigentlich bis ans Ende der Welt hätte weiter kämpfen müssen. Er kommt so zum Indus und geht über einen der Ströme des Pendschab nach dem andern; denn er hat gehört, daß »jenseits des Hyphasis glückliche und tapfere Völker wohnen, mit vielen Elephanten«22. Wie er sich bei diesem indischen Zuge das ganze bisher Eroberte eine Zeitlang wie einen vergangenen Traum aus dem Sinne schlagen kann, ist ganz unerhört; aber der große Abenteurer, der hier im Gefühl seiner Kraft schwelgt, wäre gewiß nicht über alle diese Flüsse gegangen, wenn er nicht sehr viel weiter gewollt hätte. Freilich werden nun am Hyphasis seine Krieger schwierig, und nun hat es etwas förmlich Rührendes, wenn man ihn bei Arrian in der ihren Grundzügen nach gewiß echten Rede23 zu seinen Makedoniern sagen hört: »Ich will euch zeigen, daß hyrkanisches (kaspisches), indisches und persisches Meer zusammenhängen, und vom persischen aus wird Libyen bis zu den Säulen des Herakles durch unsere Flotte umfahren werden und wird von diesen Säulen an ganz unser werden und ebenso ganz Asien, und die Grenzen dieser Herrschaft sind dann dieselben mit den Grenzen der Welt.« Die Soldaten hatten natürlich das Entdeckungsfieber nicht, das der Schüler des Aristoteles hier bei ihnen voraussetzt, und zwangen ihn zur Umkehr, worauf er den zwölf Göttern Altäre errichtet, einen prachtvollen Agon abhält und nach Süden abzieht. Noch am untern Indus hat er dann schreckliche Kämpfe zu bestehen gehabt. Damals sprang er beim Sturme auf die Stadt der Maller als der erste über die Mauer, auf die Gefahr hin, nicht mehr aufzustehen, und die Wunden, die er sich dort holte, waren so schwer, daß man ihn verloren gab. Die Motivierung, »wenn er umgekommen wäre, so wäre dies doch geschehen, nachdem er große und der Kenntnisnahme der Künftigen würdige Taten vollbracht«, stammt vielleicht aus seiner eigenen spätern Aussage. Als er sich aber nach sieben Tagen, obschon noch sehr schwach, dem Heere zu Pferde zeigt, da donnern die Ufer und Täler von dem allgemeinen Jubel, und da er wieder gehend erscheint, kommen[403] sie alle, ihn zu berühren und zu besegnen und mit Bändern und Blumen zu bewerfen. Noch entdeckt er dann am untern Indus mit Staunen Ebbe und Flut und macht seine Ausfahrt auf zwei Indusarmen nacheinander, auch um zu entdecken, welcher von ihnen für die Schiffahrt der bessere sei; dann folgen die schauderhaften sechzig Tage des Marsches von den Oreiten bis zur Hauptstadt von Gedrosien und bis Mesopotamien.

Inzwischen hatte sich alle Welt so benommen, als würde Alexander »aus so vielen Völkern und Elephanten«24 niemals wiederkehren; als seine Rückkehr dennoch bevorstand, floh z.B. Harpalos mit seinem Raub von 5000 Talenten und mit 6000 abgefallenen Söldnern nach Griechenland. Andere, welche Willkür geübt, blieben, fanden aber an dem Könige einen strengen Richter. Auch die Auseinandersetzung mit den Makedoniern mußte nun erfolgen. Da diese am liebsten in die Heimat zurückgekehrt wären, um dort als reiche Leute zu leben, ergriff er das einzige Mittel, das er hatte, um sie in Persien zurückzuhalten: indem er zu Susa seine eigene Hochzeit mit einer Tochter des Dareios feierte, vermählte er zugleich 10000 andere Makedonier, Hephästion voran, mit Asiatinnen, stattete alle aus und zahlte dem ganzen Heere mit 20000 Talenten die Schulden, welche die Soldaten – man möchte wissen, bei was für mitziehenden Geldleuten – gemacht hatten, ohne daß die Namen der einzelnen notiert wurden, was doch offenbar nur die Form für ein eigentliches Donativ war. Aber die Unzufriedenheit dauerte fort, hauptsächlich wegen der neuen asiatischen Kontingente und deren gleichfalls glänzender Ausstattung, und kam zu Opis am Tigris, als er die Alten und Schwachen entlassen wollte, zum lauten Ausbruch. Und jetzt trat erst die volle Macht seiner Persönlichkeit zutage. Als statt der Berechtigten alle die Entlassung fordern, springt er von der Rednerbühne hinab und bezeichnet sofort dreizehn Anstifter zur Tötung. Und, nachdem diese Exekution vollzogen ist, besteigt er die Bühne nochmals und hält jene (von Arrian gewiß trefflich fingierte) Rede, da er ihnen erst die Armut des frühern Makedoniens vorhält und dann ausführt: »Was ich gewonnen, gehört ja euch. Kleinasien, Syrien, Ägypten, Mesopotamien, Persien habe ich euch zum Genusse gegeben, es ist euer Eigentum, ihr Satrapen, Strategen, Taxiarchen. Ich habe für mich nichts Besonderes zum Genießen, ich wache für euch, damit ihr schlafen könnt ... Zeigt eure Wunden, ich will die meinen zeigen ... Fliehend ist unter meiner Anführung niemand umgekommen. Und jetzt wollte ich die kriegsunfähig Gewordenen heimsenden, daß dort ein jeder sie beneiden sollte; weil ihr aber alle fort wollt, so zieht alle ab, verlaßt mich, bloß von besiegten Barbaren bewacht. Zieht ab.« Dann schließt er sich ein und teilt Kommandos[404] an auserlesene Perser aus, und jetzt bricht bei den Makedoniern der Jammer los, und sie parlamentieren solange, bis er nach zwei Tagen herauskommt und sie weinend als seine Verwandten erklärt und sich von ihnen küssen läßt. Auf diese superbe Rührungsszene hin erfolgt jene große sakramentale Kommunion zwischen Hellenen und Persern, auf die wir später wieder kommen werden. Die zehntausend alten Krieger, die er mit Krateros unter gegenseitigen Tränen heimsendet, erhalten außer vollem Sold ein jeder ein Talent; dabei aber bleibt es, daß es fortan auch ein persisches Agema, persische Pezetären und persische Argyraspiden gibt.

Daneben ruhten auch die großen Unternehmungen nicht. Schon vor dem Ereignisse von Opis hatte Alexander in Persien die Mündung von Euphrat und Tigris befahren und hatte dabei die Entdeckung gemacht, daß die Perser am untern Tigris durch Dämme künstliche Katarakte angelegt hatten, damit keine feindliche Flotte hier eindringen könne; da er solches besser hindern zu können glaubte, lachte er über solche Künste und gab dem Strom seine Schiffbarkeit zurück. Später züchtigte er die Kossäer, ein eigentliches Raubvolk zwischen Susa und Ekbatana, welches das ihm von Grote gespendete Mitleid nicht im mindesten verdient. Ferner ließ er auf dem kaspischen Meere eine Flotte bauen; denn auch die See wollte er erforschen, und es war gut, daß ein Hellene diesen Drang hatte; denn die Orientalen von sich aus würden die Umrisse ihrer Länder und Meere nie erkundet haben; endlich vor seinem Ende plante er noch einen Zug nach Arabien. Und während er zu Babylon residierte, kamen Gesandtschaften von allen Enden; es ist sogar ganz glaublich, daß auch aus Rom eine kam, für welches es Plutarch25 mit Recht als Gunst der Götter bezeichnet, daß er nicht länger gelebt habe. Jetzt erst schien er »Herr der ganzen Erde und des ganzen Meeres«26 zu sein, und jetzt erinnerte er sich auch der Griechen wieder und sandte ihnen nach Olympia durch seinen Admiral Nikanor jenes früher27 besprochene Gebot, wonach die Poleis alle ihre Verbannten zurückrufen sollten.

Aber schon war in Ekbatana (324) Hephästion gestorben und von Alexander, wie Patroklos von Achill, betrauert worden28, und bald[405] kamen diesem Ahnungen und Vorzeichen seines eigenen Endes, die von ihm jedenfalls ziemlich superstitios aufgefaßt wurden. Nach heftigen Gelagen, wohl mehr aber infolge der übermenschlichen Anstrengungen wurde er von einem Fieber überfallen, dem er lange trotzte. Nach Arrian, der sein letztes Schicksal von Tag zu Tag verfolgt, lag er schließlich in einem Ziergebäude am Teiche des Parks krank, dann im Palaste Nebukadnezars. Hier erzwangen es die Soldaten, ihn zu sehen. Lautlos lag er bei dieser letzten Revue da und erhob kaum noch das Haupt zum Gruße der einzelnen oder winkte etwa noch mit den Augen. Auf die Frage, wem er das Reich hinterlasse, entgegnete er »dem Besten«, oder dem »Stärksten«, je nachdem man das Wort (κρατίστῳ) übersetzt. Auch daß er einen gewaltigen Agon zur Feier seines Todes voraussehe, soll er gesagt haben. Er starb gegen Abend des 13. Juni 323, erst zweiunddreißig Jahre und acht Monate alt, und gleich über seiner Leiche erhob sich der Hader der Marschälle29.

Alexander war nach Arrians Charakteristik (VII, 28f) nur an Ruhm nicht zu sättigen. Dies ist der grundhellenische Zug an ihm, während er ungriechisch, aber höchst königlich war durch seine Treue in Verträgen und durch seine Fähigkeit zu bereuen, wo andere beim Fehler als bei etwas Trefflichem zu beharren pflegen. Wie viel er geahnt und gewollt hat, ist ungewiß und durch das Phantasiebild, welches die Griechen sich von ihm machten, vollends unsicher30. Möglicherweise würde er bei längerm Leben vermittelst der durch die Reichtümer Persiens ermöglichten Söldnerwerbung die Weltherrschaft auch auf den Westen auszudehnen versucht haben, wo jetzt in Karthago die letzte Geldkasse ersten Ranges war, die nicht ihm zu Gebote stand31. Auch ohne diese grenzenlose Ausdehnung konnte sein Reich nach seinem Tode nicht beisammen bleiben. Aber es ist eine Eigenschaft der großen Weltbezwinger, daß sie nicht sowohl direkt die Zukunft bewirken, als vielmehr die Welt auf eine neue Grundlage stellen, worauf dann Neues aller Art aufgebaut werden kann. Und nun ist es nach unserm schwachen Ermessen immer ein Glück, wenn eine höhere Kultur über eine geringere, ein begabteres Volk über ein unbegabteres[406] Eroberungen macht, und dies war hier der Fall, wenn auch die »Moralität« des damaligen Griechenlands und die des damaligen Persiens sich leidlich mögen aufgewogen haben. Hierdurch wurde jedenfalls viel Leben wieder frei, welches die persische Halbbarbarei erstickt hatte. Um aber die wahren Gesichtspunkte zu gewinnen, muß man den größten Kausalitäten der Weltgeschichte nachgehen. Unser Gesamturteil wird wesentlich bestimmt durch die enorme Wünschbarkeit derjenigen Kontinuität der Weltkultur, welche ohne Alexander nicht würde gewonnen worden sein. Rom lernte das Griechentum eigentlich erst durch das Medium des weltkulturbeherrschendenA1 Diadochentums hindurch recht kennen, und Rom liebte an Griechenland wesentlich die Kultur; diese wollte und mußte es übernehmen und retten. Ferner war ihm die Bewältigung der hellenisierten Ostländer unendlich viel leichter und lag ihm näher, als dies bei deren früherm Zustande der Fall gewesen wäre. Die römische Weltherrschaft gehört aber, wie die makedonische, im höchsten Grade mitA2 zu der Kette von Wünschbarkeiten, von welchen unser Urteil umstrickt ist. Und an beiden Weltherrschaften hängt die Möglichkeit der Verbreitung des Christentums.


Betrachten wir nun vor allem die große geographische Veränderung, welche Alexander und seine Nachfolger dem Griechentum gebracht haben. Diese besteht darin, daß die Griechen in Menge nach dem Orient geführt wurden und von diesem große Teile zu hellenischem Lande machten. Daß hiervon das wenigste unter Alexander selbst geschehen konnte, liegt auf der Hand, da ja seine Regierungszeit im ganzen nur zwölf Jahre und acht Monate gedauert hat. Wie jede Art von Organisation, mußte auch seine Städtegründung wenigstens zum Teil notwendig provisorisch sein; aber immerhin hat er selbst den großen Anfang gemacht; Aristoteles schrieb nicht umsonst für ihn eine Schrift: »Alexander oder über Kolonien«32. Die Trefflichkeit der Gründung des ägyptischen Alexandria beweist die Geschichte genugsam; daß der König dieselbe selbst an die Hand nahm und ihr das größte Interesse widmete, haben wir bereits gesehen; auch ein imposanter Königspalast soll hier gleich angelegt worden sein33. Ein zweites Alexandria legte er am baktrischen Kaukasus (d.h. dem Paropamisus) an und ein drittes am Tanais-Iaxartes zur Vorhut gegen die Skythen. Dieser letztere Ort sollte groß und namenberühmt werden; er wurde in zwanzig Tagen ummauert und Alex[407] versetzte darein hellenische Söldner, freiwillig zur Ansiedelung gemeldete Barbaren aus der Umgebung und einige invalide (ἀπομάχους) Makedonier aus dem Heere. Dies dürften die gewöhnlichen Bevölkerungsbestandteile seiner Kolonien gewesen sein34; auch bei seinem zweiten Besuch wurde die Einwohnerschaft durch Umwohner und verbrauchte Soldaten verstärkt; er soll in Baktriana und Sogdiana acht Städte gegründet, einige andere aber auch zerstört haben35. Ferner läßt er durch Krateros das öde vorgefundene Arigäon wieder aufbauen, errichtet am obern Indus die Festungen Bazira und Orobatis, im Reiche des Poros – wiederum durch Krateros – da, wo er den König geschlagen, Nikäa und am entgegengesetzten Hydaspesufer Bukephala36 und auch sonst in Indien eine Anzahl von Arsenalstädten (darunter einige Alexandrien), in denen er Garnisonen zurückläßt, alles unter kühn-provisorischen Umständen; sogar im Oreitenland erhebt er das größte Dorf zu einer Stadt, welche groß und wohlhabend werden müsse. Und nach seiner Rückkehr beschäftigt er sich stark mit dem Gedanken an Kolonisation des persischen Golfes, sowohl auf der persischen als auf der arabischen Seite, und fährt kurz vor seinem Tode noch hinaus, um an einer trefflichen Stelle gegen Arabien hin eine Stadt anzulegen und mit griechischen Söldnern zu besiedeln37; auch gründete er noch auf dem späten Zuge gegen die Kossäer ansehnliche Städte in der ungünstigen Gegend. Nach Plutarch38 waren seiner Städtegründungen über siebenzig, was übertrieben sein mag; indes sollte man auch nicht zuviel davon hinunterdingen, als ob es sich um bloße Fortifikationsposten gehandelt hätte; Arrian deutet doch mehrmals, indem er diese Städte gedeihlich (εὐδαίμονας) nennt, eine größere Absicht auf Größe und Glück derselben an.[408]

Freilich blieben die Griechen an diesen entlegenen Posten vielfach ungern, und die in Baktrien und Sogdiana angesiedelten fühlten sich so unglücklich, daß sich auf die falsche Nachricht von Alexanders Tode im Lande der Maller ihrer dreitausend sammelten und von den Makedoniern abfielen, und das Nämliche wiederholte sich in größerm Maßstab, als er wirklich gestorben war, indem aus solchen, die sich »nach der hellenischen Lebensweise sehnten«, ein Heer von 23000 Mann zusammentrat, das dann – wie auch jene frühern – von den Makedoniern zusammengehauen wurde39. Es war eben nichts Kleines, den Orient zu hellenisieren und durch Hellenen zu regieren, die schon jeder sein Stück von hellenischer Auflösung und hellenischem Individualismus mit sich brachten und vielleicht am Ende jeder seine besondere Auffassung der Dinge hatten. Zu eigentlicher Beherrschung ferner und großer Barbarenlande waren sie nicht geschaffen; einstweilen mußte das makedonische Element das Beste tun.

Enorm wichtig für die Hellenisierung war jedenfalls das Entgegenkommen, das Alexander den Persern bewies40. Er wollte die Verschmelzung der Völker und der Religionen und feierte diese symbolisch an jenem großen auf die Versöhnungsszene zu Opis folgenden Festmahl der Neuntausend, welches deutlich eine große sakramentale Weihe für das[409] Schicksal Asiens sein sollte. Um ihn saßen die Makedonier (und zwar offenbar nicht die in die Heimat abziehenden, sondern die bleibenden), und dann erst die Perser, alsdann aber auch ausgezeichnete Leute der übrigen Nationen, und aus demselben Mischkruge spendeten er und die übrigen dieselben Spenden, wobei die hellenischen Manteis (vor allem gewiß der große Aristander) den heiligen Akt einleiteten. Und er betete dazu um alles Gute und um Eintracht und Gemeinschaft der Herrschaft für Hellenen und Perser41. Auch dies war etwas von seiner Frakturschrift, lesbar für Völker von tausend Sprachen, vom adriatischen Meer bis zum Indus.

Auf Alexander folgen die Diadochen. Diese kolonisieren nun systematisch: sie wollen nicht mehr in die Ferne hinein erobern, sondern sich in ihren Gebieten stärken; auch sind sie für ihre Kolonien wesentlich auf freiwillige Ansiedler angewiesen. Hier ist bei weitem am wichtigsten, was die Seleukiden getan haben. Vor allem Seleukos I. soll im ganzen fünfundsiebzig Städte gegründet haben; darunter waren sechzehn nach seinem Vater benannte Antiochien, fünf Laodikeen (nach seiner Mutter Laodike), neun Seleukien, drei Apameen und ein Stratonikea (nach seinen zwei Gattinen Apame und Stratonike)42; nach Städten und Ländern in Hellas und Makedonien hatte er Beröa, Edessa, Perinthos, Pella, Achaia, Amphipolis, Tegea, Chalkis, Larissa u.a. benannt, einige Städte auch nach Alexander, dessen Namen früher als den eigenen durch solche Gründungen zu ehren noch immer für fromm galt43, und seinen eigenen Siegen zu Ehren Nikephorion in Mesopotamien und Nikopolis in Armenien44. Er füllte die wichtigsten Gegenden der Welt mit Städten an und machte die Einöde wohnlich. Unser Antiochien baute er nicht zum Wohlleben, sondern als Ausgangspunkt für andere Städte; solche traten an die Stelle der frühern Etappenquartiere. Andere Könige rühmen sich der Orte, die sie zerstört, dem Seleukos brachte es Ehre, daß er solche zum Leben erweckte ... Man trifft deren in Phönikien und noch mehrere und größere in Syrien, und bis an den Euphrat und Tigris dehnte er dies Verdienst aus und säete, nachdem er Babylon genommen, Städte sogar über Persis;[410] keinen Ort, der für eine Stadt geeignet war, ließ er unbebaut, sondern »hellenisierte das barbarische Land ununterbrochen«, sagt von ihm der Antiocher Libanios45.

Die wichtigsten dieser Gründungen des Seleukos waren Seleukia am Tigris und Antiochia am Orontos. Jenes wurde außer mit Griechen und Makedoniern besonders mit herbeigeführten Babyloniern (sogenannten Syrern) und Juden in verschiedenen Schichten bevölkert; der letztern waren so viele, daß einst bei einem Aufstand ihrer 50000 erschlagen werden konnten. Neben ihm verödete Babylon bald, dessen Bevölkerung sich großenteils in die neue Stadt gezogen haben muß. Zur Zeit des Titus hatte diese vielleicht mir Ktesiphon zusammen 600000 Einwohner, die je nach der Nation in die verschiedenen Quartiere verteilt waren. Sprache und Sitte waren gesetzlich griechisch, und ein Senat von dreihundert Mitgliedern, die nach Vermögen oder Einsicht gewählt waren, führte die Regierung, nicht ohne vielfache Konflikte mit einer Volkspartei. Von den wissenschaftlichen hellenistischen Zelebritäten scheinen nicht wenige hier zu Hause gewesen zu sein46. Antiochia aber war der Schlüssel von ganz Diadochenland, durch seine Lage am untern Orontos geeignet, sowohl Babylonien und die obern Satrapien als die untere Satrapie des Seleukidenreiches und selbst ptolemäische Lande in Schach zu halten47. In dieser herrlichen Gegend hatte Seleukos auf der Jagd den veritabeln Baum getroffen, welcher einst die Jungfrau Daphne gewesen, und an diese erinnerte denn auch der wunderbare antiochenische Lustort Daphne mit seinem prächtigen gleichnamigen48; die Stadt selbst aber war eine[411] Tetrapolis, die sich aus vier unter verschiedenen Königen erbauten, besonders ummauerten Städten zusammensetzte; an Macht und Größe war sie nicht viel geringer als Seleukia und Alexandria.

Wenn wir uns fragen, woher, von den Makedoniern abgesehen, die vielen Griechen in diese Seleukidenstädte und auch in die Ptolemäerstädte am roten Meere kamen, so dürfen wir zunächst an die vielen denken, welche, wie wir aus dem »Philippos« des Isokrates wissen, früher heimatlos gewesen waren (die πλανάμενοι); sodann aber erklärt sich dieser Menschenaufwand griechischer Zunge auch daraus, daß die Leute nicht bloß aus Griechenland, sondern auch vom Pontus, aus Kleinasien, Italien, Sizilien, der kyrenaischen Pentapolis usw. kamen; es gab zumal im Westen genug Griechenstädte, wo man sich schlecht befand und gern emigrierte.

Von diesen bekamen dann manche im Osten wieder eine Politie. Der Orient, dessen größte und prächtigste Städte bisher nur Königsburgen, stehend gewordene Hoflager, Tempelorte und Märkte gewesen waren, lernte jetzt Bürgerschaften kennen; ja in manche Gegenden wurde städtisches Leben überhaupt erst jetztA3 gebracht. In politischer, strategischer und kommerzieller Absicht angelegt, waren diese Städte zwar Teile absoluter, nach der Zweckmäßigkeit organisierter Gewaltstaaten, aber doch bis zu einem gewissen Grade autonom mit Räten, Volkswahlen, Volksbeschlüssen, Einteilung in Phylen, eigenem Gerichtswesen, Münzrecht, Waffenrecht, Lokalpatriotismus und lokaler Euergesie. So hatten in Ägypten, wenn auch die Hauptstadt selbst einer Politie entbehrte, doch sicher Ptolemais und wohl auch einige andere Orte eine solche, und die Stellung der seleukidischen Städte kann Droysen mit der der deutschen Reichsstädte vergleichen49; sie vergalten dies aber auch damit, daß sie sich dem Seleukidenreiche hilfreich erwiesen, so oft sich dasselbe wieder zu heben begann.

Von diesen Städten aus verbreitete sich dann mit einem ausgedehnten Handel zugleich die hellenische Bildung über die orientalischen Länder, ihre Rhetorik, Philosophie und Forschung wie ihre poetische Literatur[412] und besonders ihr Drama und dessen Träger, die dionysischen Künstler. Auch vom Agonalwesen wurde mitgenommen, so viel sich verpflanzen ließ: Hippodrome werden entstanden sein, wo man es irgend vermochte, ja in Antiochia wurde ein olympisches Fest gestiftet, welches offenbar das elische irgendwie ersetzen sollte50. Daß in den syrischen Städten bisweilen auch ein arges Lotterleben herrschte51, wird nicht zu leugnen sein.

Groß war die Zähigkeit dieser Gründungen. Zwar war schon zwei Jahrzehnte nach Alexanders Tode das Indusland aufgegeben, bald lockerte sich auch der Zusammenhang des Seleukidenreichs mit den baktrischen und arianischen Landschaften, ja um die Mitte des dritten Jahrhunderts erhob sich in dem Verbindungsland zwischen Osten und Westen die Herrschaft eines halbbarbarischen Volkes, der Parther, welche denselben völlig durchriß, und Seleukia oder vielmehr dessen gegenüber, auf dem rechten Tigrisufer gelegene Vorstadt Ktesiphon, wurde die Hauptstadt der arsakidischen Könige. Aber trotzdem behaupteten sich die Griechenstädte teilweise im Reich des Maharadja und in Baktrien und Ariana52, und auch die Arsakiden haben sich dem geheimnisvollen, narkotischen Duft der griechischen Bildung nicht entziehen können und nennen sich noch auf ihren spätesten Münzen Philhellenen; daß an ihrem Hofe Euripides aufgeführt wurde, ist aus der Geschichte vom Ende des Crassus bekannt.

Am sichersten siegte der Hellenismus53 gerade da, wo die Kulturstufe der betreffenden Völker eine hohe gewesen war. Die Länder am Euphrat und Tigris waren überwiegend gräzisiert, Syrien so gut wie ganz, von Kleinasien zu geschweigen. Damit ist freilich nicht gesagt, daß die Landbevölkerung überall hätte ganz griechisch gemacht werden können. Das Griechische war die offizielle Ortssprache auch für die mit in den Städten wohnenden Barbaren und wurde in den Schulen gelehrt; daneben aber behaupteten sich die alten Nationalsprachen. So tun in der Apostelgeschichte (XIV, 11) die Leute von Lystra ihre Meinung über Paulus und[413] Barnabas auf lykaonisch kund, und in dem großphrygischen Kibyra sprachen die Leute nach Strabo (XIII, p. 631) pisidisch, solymisch, griechisch und lydisch. Während ferner die Juden in manchen Gegenden außerhalb ihrer Heimat das Hebräische vergessen hatten und selbst ihre heiligen Schriften und Ritualien nur noch griechisch können besessen haben, konnte es merkwürdigerweise in Syrien geschehen, daß in der christlichen Zeit das Syrische in völlig hellenisiert gewesenen Städten als kräftige Literatursprache wieder auftauchte, indem die dortigen Hierarchen für besser hielten, so zu reden und zu schreiben54. Dagegen die kleinasiatischen Heiligen, ein Basilius, Gregor von Nazianz u.a. haben nicht für gut gefunden, das Kappadokische oder etwas Ähnliches zu einer geistlich-literarischen Sprache zu erheben.

Daß das Griechische in diesem Orient gut gesprochen worden wäre, kann man freilich nicht verlangen. Die Barbaren, die zum Hellenismus gebracht wurden, konnten vielfach so wenig zu einer korrekten Aussprache gelangen als die Hellenen in den asiatischen Sprachen. Man klagte aber damals selbst in Attika darüber, daß wegen des Verkehrs mit Makedonien viele in der Sprache makedonisierten55.

Um aber auf die Städtegründungen zurückzukommen, so erlaubten sich die Diadochen solche sowie Umgründungen und Neubenennungen bestehender Städte auch in dem längst hellenisierten vordern Kleinasien und in Hellas selbst in Menge. Es wurde hier offenbar die Bevölkerung vielfach, selbst wenn man wohlmeinend verfuhr, mit Gewalt neu gemischt und nach politischen, militärischen und finanziellen Rücksichten auf beliebige Punkte verteilt, wobei der Zwang etwa durch Aussicht auf eine größere und bessere Feldmark versüßt werden mochte; Präzedentien für Synoikismen hatte man ja in Hellas genug56. So erwecken Antigonos und nach ihm Lysimachos das seit der lydischen Eroberung vierhundert Jahre lang nur dorfweise bewohnte Smyrna wieder, so daß es die schönste der dortigen Städte wird57, und jener siedelt auch die Skepsier und Kebrenier[414] samt andern in Antigonia (dem spätern Alexandria Troas) zusammen an. Dieselben hatten sich, wie dies unter solchen gewaltsam zusammengezogenen Bevölkerungen oft vorkommen mochte, früher schon nachbarlich gehaßt und werden wohl dauernd unverträglich gewesen sein; so kommt es, daß die Skepsier sich hernach von Lysimachos befehlen lassen, in ihr altes Skepsis zurückzukehren58. Auch der Sohn des Antigonos, Demetrios Poliorketes, gründet am Meere zwischen Nelia und Pagasä die wichtige Festung Demetrias vermittelst eines Synoikismos von acht dortigen Städtchen, die dann als Dörfer des Stadtgebietes weiter existierten59, und derselbe kann die durch ihn von einer ptolemäischen Besatzung befreiten Bewohner Sikyons dazu bewegen, den gegen den Hafen zu gelegenen Stadtteil aufzugeben, größtenteils in die geräumige und feste Akropolis umzusiedeln, ihre Stadt als Demetrias umzunennen und ihm, als dem Ortsgründer, jährlich Opfer und Agone zu feiern60. – Lysimachos ferner verpflanzt in sein Neu-Ilion die Bewohner der alten Städte ringsum, die bereits vielen Schaden erlitten hatten61, und ebenso in das neue Ephesos die meisten Bewohner von Lebedos und Kolophon, welch letzteres dann von seinem Iambendichter Phönix beklagt wurde62. Auch die Ephesier wollten übrigens nicht von ihrer damaligen, um den Artemistempel herumgelegenen Stadt an die von ihm gewünschte Stelle ziehen; da soll er sich durch einen eigentlichen Scherz geholfen haben, indem er bei einem Wolkenbruch die bisherige Stadt durch Verstopfung ihrer Kloaken überschwemmt werden ließ; die neue aber nannte er nach seiner Gattin offiziell Arsinoe, ohne übrigens den alten Namen verdrängen zu können63. Schließlich war auch das nach diesem Könige genannte Lysimachia für das von ihm zerstörte Kardia erbaut worden64.

Sehr bedeutend waren die Gründungen Kassanders, so schrecklich der Mensch sonst sein mochte. Vor allem bewies er seinen Scharfblick durch die Gründung des nach seiner Gemahlin, der Tochter Philipps, benannten Thessalonike, welches wichtig bleiben wird, solange es ein Europa gibt. An der Stelle des alten Therma angelegt, vereinigte es die Bewohner von sechsundzwanzig frühern Ortschaften der Landschaft Krusis und[415] des thermäischen Golfs65. Südlich davon erhob sich an der Stelle des alten Potidäa Kassandreia, wo er die Leute von der Pallene und nicht wenige von der Katastrophe des Jahres 348 gerettete Olynthier ansiedelte; da er dieser nach ihm benannten Stadt viel, und zwar gutes Gebiet zuwies und seinen Ehrgeiz in ihr Aufkommen setzte, nahm sie rasch einen großen Fortgang und wurde die stärkste in Makedonien66, was sie freilich nicht davor schützte, daß (um 280) der schreckliche Apollodor sich mit Hilfe des freien und unfreien Arbeiterproletariats der Tyrannis bemächtigte. Ganz philanthropisch-ambitios, zugleich aber mit einer Exekration des offen gehaßten Alexander verbunden war die Herstellung Thebens67. Auch hierher berief Kassander von überallher noch lebende Thebaner und fand den Anlaß herrlich, eine mythisch und historisch so berühmte Stadt zwanzig Jahre nach ihrer Zerstörung herzustellen und durch solches Verdienst sich unsterblichen Ruhm zu gewinnen. Er beredete zu diesem Zweck die Böotier und erhielt die Hilfe mehrerer anderer Städte, und zwar nicht bloß hellenischer, sondern auch sizilischer und italischer; die Athener hatten den größten Teil der Stadtmauer übernommen. Merkwürdig ist ferner auch, wie leicht er die mit ihm gegen die Ätoler verbündeten Akarnanen in einer Volksversammlung überredet, sich aus ihren kleinen und festen Orten in wenige Städte zu konzentrieren, damit sie bei plötzlichen Überfällen der Ätoler einander helfen könnten; freilich fiel bald darauf eine der so neu bevölkerten Städte dennoch in die Gewalt der Feinde68. – Endlich baute auch Alexarchos, ein anderer Sohn des Antipatros, am Athos eine (vielleicht gar rund angelegte) Stadt Uranopolis, die einen Umfang von dreißig Stadien hatte69.

Die Bewohner kleinasiatischer Städte konzentrierten auch seleukidische Herrscher in ihren Städten. So brachte der sonst treffliche Antiochos I. die von Kelänä nach Apamea70, und auch Seleukia am Kalykadnos war von den Leuten verschiedener Städte bevölkert; dergleichen mag manches bei Gebietsveränderungen und Abtauschungen einbedungen worden sein. Vollends scheute sich dann in späterer Zeit ein Sultan wie Tigranes nicht, sein Tigranokerta aus zwölf durch ihn geleerten Hellenenstädten zu bevölkern, oder die Einwohner des kappadokischen Bezirkes Mazaka gewaltsam ebendahin oder nach Mesopotamien zu schaffen; nach der Einnahme von Tigranokerta kam dann heim, wer konnte.71

[416] Ganz besonders stark vom Hellenismus ergriffen, ja ein Vehikel desselben sind die Juden72, die damals ein bewegliches, kosmopolitisches Element werden und sich vom Ackerbau ab- und dem Handel zuwenden. Von Nehemia an (der nach 432 stirbt) liegt auf ihrer Geschichte fast hundert Jahre tiefes Dunkel; man erfährt nur, daß Artaxerxes Ochos auf seinem Zuge gegen das empörte Ägypten auch einen Teil der Judenschaft zu Kriegsgefangenen machte und nach Hyrkanien und Babylonien verpflanzte. Zwangsweise hat dann auch ohne Zweifel Alexander zunächst in Alexandria Juden angesiedelt und samaritanische Krieger in die Thebais verpflanzt, während er durch Perdikkas Makedoniern Land in Samaria anwies73. Nach seinem Tode wanderten dann viele Juden wegen der Wirren in Syrien nach Ägypten und Phönikien aus, und später wurden während der Diadochenkriege viele nach Ägypten deportiert, Ptolemäos Lagi gab ihnen in Alexandria Bürgerrecht und brauchte sie in andern Städten zu Besatzungen; auch nach Kyrene wurden Juden verlegt; in Ägypten erfolgte eine starke Einwanderung von solchen noch 311.

Hier nahm das Volk ein griechisches Gepräge an. Wenn auch bei Griechen und Ägyptern gleich verhaßt, waren die Juden ein bedeutender Bestandteil Alexandrias, unter eigenen Ethnarchen, auch in einem eigenen Quartier, so daß diese Stadt als eine Rivalin Jerusalems erschien. Sie galten überall in den Diadochenländern und so auch hier als monarchisch gesinnt, d.h. sie hielten es überall mit dem Herrn des Landes und nicht mit den betreffenden Nationen und waren das stärkste Zersetzungsmittel gegen jedes Streben nach Behauptung und Herstellung der alten Nationalitäten. Demgemäß war ihnen ein Herrscher Ptolemäos Philadelphos, der auch sonst systematisch tolerant war, entschieden günstig; er soll hunderttausend jüdische Kriegsgefangene um 600 Talente von ihren Herrn losgekauft haben; Juden wurden damals Geldleute der Ptolemäer, und außerdem gab es jüdische Bauern; auch die Rücksicht auf das zwischen Seleukiden und Ptolemäern streitige Judäa trug zu dieser Politik das Ihre bei.

In Ägypten verlernten die Juden das Hebräische, und auch ihre Gelehrten verstanden es mit der Zeit nicht mehr. Zugunsten der großen Mehrzahl ihrer Landsleute, welche sich bereits ganz in das Griechische hinübergespielt hatten (nicht für den ptolemäischen König), unternahmen daher jüdische Hellenisten die Übersetzung erst des Pentateuchs, dann auch ihrer übrigen heiligen Schriften. Aus dieser sogenannten[417] Septuaginta, welche authentisch wurde, wie später die Vulgata, schöpften die jüdischen Behörden in Ägypten das nationale Recht; auch die Gerusie von Alexandrien erkannte sie an, und jedenfalls kam sie auch in die königliche Bibliothek74. Dabei mag man sich freilich fragen, wie den engen hebräischen Gedanken in dem weiten griechischen Gewande zumute gewesen sein mag; sie schickten sich aber darein und blieben darin stark, trotzdem sich der Geist nicht in ein neues Begriffssystem umsetzen konnte, ohne daß die Ehrfurcht vor der Überlieferung stellenweise nachließ und Alexandria ein Herd der Ketzerei und der Proselyten wurde. Es zeigt sich hier ein merkwürdiger Unterschied gegenüber dem Verhalten der Araber, die ihren unübersetzbaren Koran arabisch lesen müssen, wie auch die neuern Juden ihre hebräischen Schriften.

Einen schweren momentanen Haß erwies Ptolemäos Philopator (221 bis 204) den Juden, von denen man gerne wissen möchte, wodurch sie ihm verleidet waren; seine Absicht, alle gegen die heidnischen Opfer widerspenstigen von Elefanten zerstampfen zu lassen, soll durch ein göttliches Wunder vereitelt worden sein75; dagegen genossen sie wieder sehr die Gunst von dessen zweitem Nachfolger Philometor. Damals kommen Juden als ägyptische Generale vor; der jüdische Peripatetiker Aristobulos, einer der ersten Menger von orientalischen und jüdischen Philosophemen mit griechischen, ist Lehrer des königlichen Bruders Euergetes II. oder Physkon und dediziert dem Könige seinen allegorischen Kommentar, über den Pentateuch; auch erhält Onias, der priesterliche Führer einer durch ihre syrisch gesinnten Landsleute aus Palästina vertriebenen Judenpartei, die Erlaubnis, aus den Resten eines ägyptischen Tempels zu Leontopolis einen schismatischen jüdischen Tempel zu bauen.

Juden finden sich dann auch noch in vielen andern Diadochenländern. Auf seinem Zuge nach Asien (246-3) mögen solche den Ptolemäos Euergetes begleitet und durch Einwirkung auf die mesopotamischen Juden seine Eroberungszwecke befördert haben; wahrscheinlich machten sie auch als Lieferanten von Waffen und Lebensmitteln die ägptischen Seezüge nach Kleinasien und in die griechisch-thrakischen Gewässer mit; jedenfalls finden sie sich dann in Kleinasien, Makedonien, Griechenland und auf den Inseln auch angesiedelt76. Seit Seleukos fanden sich ferner welche in den neuen Städten, zumal auch in Antiochia, und zwar in guter Stellung. Unter Antiochos III., dem Großen, kommt es vor, daß 2000[418] jüdische Familien, weil zuverlässig, – denn der jüdische Eid galt mehr als der von Heiden – in die Festungen des meuterischen Phrygiens und Lydiens versetzt wurden und somit aus der syrischen in die griechische Diaspora traten. Zwischen diesen beiden Diasporen aber bestand insofern ein Unterschied, als die jenseits des Euphrat, obwohl auch hier die Städte im ganzen hellenisiert waren, mit dem Israel Palästinas Fühlung behielt und aramäisch sprach, während die Juden in den hellenischen Städten, besonders in Ephesos, wie wir dies schon bei den alexandrinischen Juden sahen, von den Griechen, mit denen sie vermischt lebten, ihre Sprache und Sitte lernten und auch ihre Philosophie, zumal die platonische, annahmen.

So dehnte sich das Judentum stark nach Westen aus, und nur die karthagische Welt scheint von ihm, wenigstens solange der karthagische Staat existierte, gänzlich frei geblieben zu sein, wahrscheinlich weil der Jude gegen den Karthager doch nicht aufkommen konnte. Aber schon mag es von Zeit zu Zeit auch Wutausbrüche gegen die Stadtjuden gegeben haben. Von einem solchen in Seleukia haben wir oben (S. 411) schon gesprochen; der Rest der nicht Erschlagenen rettete sich damals vor den syrischen und griechischen Angreifern in das parthische Ktesiphon. Wie groß aber der Haß gegen sie allmählich wurde, zeigt sich daraus, daß einem Seleukiden, der im Jahre 134 Jerusalem belagerte, der Rat gegeben wurde, sie völlig zu zernichten; denn dieses Volk allein habe keine Gemeinschaft mit den andern und halte alle für seine Feinde, seine Vorfahren seien wegen Aussatzes aus Ägypten vertrieben worden; sie machten den Haß gegen die Menschen traditionell usw.77

Später waren dann die Gemeinden hellenisierter Juden der wichtigste Herd für das Aufkommen des Christentums, soweit es in seinen Anfängen noch judenchristlich war.


Was die nördlichen und westlichen Vorposten des Hellenentums und ihre Schicksale und Verluste betrifft, so werden in der damaligen Zeit am Pontus die Skythen im Vorschreiten gewesen sein, und von den alten milesischen Kolonien konnten sich wohl nur die kräftigeren halten. Die Verteilung des griechischen Lebens durch den ganzen vorderen Orient konnte ihren Menschenbestand eher schmälern als steigern, und auch das große Getreidegeschäft mit Griechenland blieb schwerlich lange völlig im Gange. Einen Halt bot eine Zeitlang auf beiden Seiten des kimmerischen Bosporos das halb griechische, halb sauromatische Königreich, dessen Hauptstadt Pantikapäon (Kertsch) wurde. Hier wurden die Skythen[419] mit einem mäßigen Tribut ferngehalten und die Seeräuber erfolgreich bekämpft; auch konnte man im IV. Jahrhundert Athen reichlich mit Korn versehen, und ein König Namens Leukon, welcher der Dynastie der Spartokiden angehörte, wurde deshalb samt Kindern mit dem athenischen Bürgerrecht beschenkt78. Um 310 geht hier aus einem Bruderkrieg zwischen den drei Söhnen des Parysades der Usurpator Eumelos als Sieger hervor79. Dieser rottet die Familien seiner Brüder aus und übt, bis er Meister ist, alle Greuel, so daß man einen Zweckmäßigkeitstyrannen in der Art des Agathokles vor sich zu haben glaubt; hernach aber regiert er löblich und gemäßigt nach Gesetzen weiter, bestätigt den Bürgern Pantikapäons ihre alten Rechte, gewährt ihnen Steuerfreiheit, nimmt aus einer von König Lysimachos bedrängten Stadt tausend Bürger in sein Reich auf, bändigt die Piraten und würde, wie es heißt, wenn ihm nicht nur eine ganz kurze Regierung beschieden gewesen wäre, alle Völker am Pontus unterworfen haben. Aber freilich, wenn wir sehen, daß in den Händeln mit seinen Brüdern neben den auch hier unvermeidlichen griechischen Söldnern auf das erste Zeichen 20000 Skythen zu Fuß, 10000 zu Pferde und 42000 Thraker zu haben waren, dann ahnen wir, daß in jener Gegend mancher alten milesischen Kolonie das Lebenslicht ausgegangen sein muß, ohne daß wir etwas davon erfahren. Diese Völker mochten stoßweise kriegerischer und beutesüchtiger werden, als sie sonst gewesen. – Wie gefährdet dann gar in späterer Zeit der Zustand einer Stadtgemeinde am Pontus sein konnte, lehrt der (ins dritte oder zweite vorchristliche Jahrhundert gehörende) inschriftlich erhaltene Volksbeschluß von Olbia zu Ehren eines Magistrats Protogenes, der hier großartige Euergesie übte80. Ein König der zwischen Don und Dniepr ansässigen Saïer, Saitapharnes, verlangt danach von der Hellenenstadt, unter deren Schutze noch eine hellenoskythische Mischbevölkerung steht, einmal über das andere Tribut, und einmal wünschen die Skythen, Thisamaten und Saudaraten auf der Westseite des Dniepr, die ihrerseits von Galatern und den mit diesen verbündeten Skiren bedrängt sind, sich hinter die Wälle von Olbia flüchten zu dürfen, was viele von dessen Bewohnern zur Auswanderung bestimmt. Dabei ist die Stadtkasse beständig leer und auf die Aushilfe des reichen Protogenes angewiesen. Unter immerwährenden Gefahren und trotz mehrfachen Eroberungen hat sich die von den Barbaren umtobte Stadt dann aber doch bis in die Kaiserzeit erhalten, aus der wir über sie von Dio eine Schilderung besitzen.[420]

Darüber, wie lange sich im westlichen Becken des Mittelmeers bei den phokäischen und indirekt phokäischen Ansiedlungen griechische Sprache und Kultur erhalten haben, läßt sich fast nichts sagen; doch treffen wir immerhin auf einen Punkt, der manches erhellt. Der Anfang des zweiten Punischen Krieges nämlich knüpft sich daran, daß die Römer als Schützer des Hellenismus ein Bündnis mit Saguntum (Zakynthos) und Emporiä schlossen und Hasdrubal den Übergang über den Ebro verboten. Die Rhonegriechen, vor allem Massalia, wurden allerdings, nachdem sie mit ihrer Kultur die enormste Einwirkung auf die gallischen Kelten geübt hatten, zuletzt, wenn auch erst sehr spät, ihrerseits latinisiert; doch macht dies keinen großen Unterschied aus; denn die römische Kultur hatte sich selbst vollkommen hellenisiert, so daß das Lateinische die Hülle war, unter der das griechische Wesen weiter bestehen konnte.

Ähnlich ging es in Italien. Die griechischen Poleis sanken zwar tiefer und tiefer, und Kroton und Metapont waren durch Agathokles und Kleonymos, jenes auch durch einheimische Tyrannen, ruiniert; aber Rom, das schon bei Sentinum (295) Italien gegen Barbaren geschützt hat, fing an, Hellenen zu retten, noch bevor Pyrrhos kam. Es hatte zwar den Lukanern dafür, daß diese während des Samnitenkrieges Tarent paralysiert hatten, die Griechenstädte in ihrem Gebiet preisgegeben. Als aber diese Stämme dieselben einzeln unterwarfen und dabei schmählicherweise bei Tarent, wo man einen Bund mit den Italikern gegen Rom plante, keinen Widerstand fanden, nahm sich Rom des bedrohten Thurii an (282), und nun sahen auch kleinere nicht-dorische Griechenstädte in den Römern ihre Retter, und römische Besatzungen blieben in Lokri, Kroton und Rhegion. Der tarentinischeA4 Krieg und die Intervention des Pyrrhos, welche nun kamen, hatten dann den Erfolg, daß Tarent, und was noch von unteritalischen Griechenstädten nicht durch Römer oder Epiroten verödet war81, unter römische Tutel kam. Wenn man aber bei Syrakus und irgendeiner sizilischen Stadt zweifeln kann, ob sie damals noch den Namen einer Polis verdiente und darnach sittlich zu beurteilen sei, so hatte sich jedenfalls Tarent doch im schlimmsten Sinn griechisch benommen. Dahin gehört es schon, daß man hier mit den unteritalischen Halbbarbaren gegen griechische Städte zusammenhielt, besonders aber beweist der Überfall der nichts ahnenden römischen Flotte, die gemeine Beleidigung der römischen Gesandtschaft und der Verlauf der Volksversammlung, wo man sich mit Niederschreien aller besonnenen Elemente Pyrrhos in die Arme warf, die enorme Petulanz des dortigen Stadtvolks.[421] Freilich mußte man aus Furcht vor Roms Rache Pyrrhos dann nehmen, wie er war, wenn auch der Jammer der Bürger groß war, als er ihre Gymnasien und Hallen, wo sie Kriegspolitik zu treiben pflegten, und auch ihr Theater, d.h. ihre Volksversammlung, schloß, ihre Syssitien verbot, ihre Feste aufhob und sie unerbittlich kontrollierte, und viele wichen deshalb aus der Stadt, indem ihnen das jetzige Leben als Knechtschaft vorkam. Daß dieses tarentinische Wesen nicht weiter bestehen konnte, ist klar. In den Römern aber war damals die Überzeugung von ihrem Herrscherrecht über Italien erwacht82, sie rückten sofort mit ihren eigenen Kolonien vor und gründeten (273-263) Pästum, Cosa, Benevent und Äsernia, während sie die Gründung von Brundisium vorbereiteten, und schließlich hielten doch im zweiten Punischen Krieg die Griechenstädte nach Kräften an Rom fest, selbst das gleiche Tarent, wo man nach dem Pyrrhuskrieg lieber karthagisch geworden wäre, ziemlich lange; denn es war ein philhellenisches Rom, das hier seine Macht erweiterte.

In Sizilien hatte Agathokles, auf welchen wir später noch werden zurückkommen müssen, auf seine entsetzliche Manier das Hellenentum vereinigt und gerettet, wenn auch immerhin so, daß die Insel zwischen ihm und Karthago geteilt blieb. Aber von seinem Tode an (289) war dieselbe wieder die Beute von Revolutionen, Raubzügen, Söldnerfreveln und Tyrannen83. In Messana mordeten und verjagten die Mamertiner, d.h. campanische Söldner, die aus Syrakus entlassen waren, obwohl von den Bürgern gut aufgenommen, die Männer und behielten Weiber und Habe, worauf sie nach allen Seiten, auch nach Italien, Streifzüge unternahmen. Als nun die Karthager diese Lage benützten und Syrakus belagerten, riefen die Machthaber (278) Pyrrhos aus Unteritalien als Beschützer der Hellenen herbei. Dieser war siegreich, bändigte die Anarchie (außer in Messana) überall und beschränkte die Karthager auf Lilybäon; als er aber, um, wie einst Agathokles, nach Afrika hinüberzusetzen, für seine Rüstungen ernste Zumutungen stellen mußte, entwichen ihm die Sikelioten und wandten sich teils den Karthagern, teils den Mamertinern zu, so daß er, durch beide schwer beunruhigt, (276) nach Tarent zurückkehrte. Nach mehrjähriger Anarchie erhob endlich Syrakus (274) den als Offizier bei Pyrrhos zu Ansehen gekommenen trefflichen Hieron, der aus dem Hause des alten Gelon stammte, zum Strategen. Die Bürger hatten dabei zwar nur eine Wahl der Soldaten bestätigt; aber er opferte[422] dann die Söldner in einer Schlacht gegen die Mamertiner auf, um dafür das Bürgerheer zu retten, reformierte darauf das Kriegswesen völlig durch Herstellung der Bürgermiliz und Werbung neuer Söldner und griff nunmehr die Mamertiner ernst und mit Glück an, bis deren Minderzahl sich den Karthagern, die Mehrzahl den Römern in die Arme zu werfen beschloß. Nach kurzer Konfusion schloß er dann Frieden und Bündnis mit den Römern, deren bester Freund er nun im ersten Punischen Krieg wurde, und herrschte von da an sicher als König über Syrakus, wie Polyb sagt, ohne daß er einen Bürger getötet, verbannt oder geschädigt hätte; daß er die Herrschaft vierundfünfzig Jahre ohne Nachstellungen bewahrte und den Neid vermied, erschien mit Recht als das Allerwunderbarste an ihm84. Karthago aber, das ohne Rom am Ende doch die ganze Insel bekommen hätte und auch schon Lust nach Rhegion und Tarent zeigte, wurde jetzt gänzlich daraus vertrieben und Westsizilien wurde die früheste römische Provinz. Daß auch die östliche Hälfte zu diesem römischen Sizilien kam, hatte sie der unglücklichen Politik von Hierons Enkel, Hieronymos, zu verdanken, der sich von Karthago durch das Versprechen der Herrschaft über die ganze Insel betören ließ. Als 214 M. Claudius Marcellus vor Syrakus erschien, standen die Dinge so, daß die Stadt sich gerne gleich ergeben hätte, wenn nicht die nach der Ermordung des Hieronymus emporgekommenen Söldnertyrannen und die römischen Überläufer dies verhindert und die angesehenen Bürger ermordet hätten. Die Stadt fiel (212), und zwei Jahre nachher wurde auch das punisch gewordene Akragas zum römischen Agrigentum. Freilich war dann auch die römische Herrschaft keine freundliche. Der Preis, um den Sizilien vor dem Stamme Cham gerettet worden war, bestand darin, daß es fast ganz zu einer großen Plantage herabsank und schon im zweiten vorchristlichen Jahrhundert die entsetzlichsten Sklavenaufstände erleben mußte; auch wich das Griechische mit der Zeit dem Lateinischen; aber ein letzter Funke hellenischer Nationalität und hellenischen Geistes wurde doch auch so gerettet.

Sizilien war das Tyrannenland κατ᾽ ἐξοχήν gewesen. Der eherne Stier des Phalaris, von dem man sich zu Diodors Zeiten erzählte, daß er auf der Höhe Eknomos gestanden und dieser ihren Namen (Berg der Gewalttat) gegeben habe85, ist das wahre alte Symbol für seine Geschichte mit den furchtbaren Gewalttätigkeiten und den schrecklichen Menschenopfern von Griechen durch Griechen.


Nach diesem kurzen Überblick über die Abnahme und Zunahme des Griechentums in den verschiedenen Ländern wenden wir uns den Nachfolgern [423] Alexanders zu. Wenn auf die Nachricht von dessen Tode Demades in Athen das makedonische Heer mit dem seines Auges beraubten Kyklopen verglichen hatte86, so sollte es sich nun bald zeigen, daß dieser Kyklop vieläugig gewesen war. Denn von den Genossen Alexanders würde man einen jeden für einen König gehalten haben. Sorgfältig von Philipp und Alexander ausgelesen, waren sie alle schöne, gewaltige87, sowie auch geistig auserlesene Männer von höchst fürstlichem Aussehen, als wären sie nicht aus einem einzelnen Volk, sondern aus der ganzen Welt ausgewählt88. Meist waren sie von hohem makedonischem Adel; doch soll Lysimachos der Sohn eines thessalischen Penesten aus Philipps Umgebung und Ptolemäos der Sohn eines gemeinen Kriegers gewesen sein; daß er nicht ein Makedonier, sondern nur ein Hellene aus Kardia war, brachte dem gegen das Königshaus einzig loyalen Eumenes eigentlich den Untergang89. Aber auch göttliche Abkunft vindizierten sie sich gerne. So gab sich u.a. Seleukos sehr bald als Sohn Apolls90, und alle Seleukiden hatten die Figur eines Ankers am Schenkel, weil dieser Gott auf dem Lager seiner Mutter Laodike einen Siegelring mit dem Bilde eines Ankers zurückgelassen hatte; von Lysimachos wird angenommen91, daß er sich die Herkunft von Dionysos beilegte; beiden war die Herrschaft durch Omima vorbedeutet worden92. Ptolemäos dagegen wurde auch für einen Sohn Philipps gehalten, welcher dem Lagos die von ihm schwangere Arsinoe vermählt haben sollte, und es werden in der Tat von ihm Züge angeführt, als hätte er sich für einen Geblütsverwandten Alexanders wenigstens gehalten93. Einzelne Persönlichkeiten unter ihnen interessieren uns aufs allerhöchste. Was ist schon Antigonos für ein außerordentlicher Mann! Er und sein Sohn Demetrios werden hier die glänzendsten Erscheinungen[424] sein, sowie Seleukos der edelste Charakter und Ptolemäos am tüchtigsten als Fürst94. Am schrecklichsten steht Kassander da, der den Untergang der Olympias verursacht und Roxane nebst ihrem Knaben ermorden läßt, damit kein Erbe für das Königtum mehr vorhanden sei, während die Ermordung des Alexandersohnes Herakles von Polysperchon für ihn übernommen wird. Unter den Zeitgenossen erscheint dann als eine Seitenfigur zu Demetrios König Pyrrhos und als eine solche zu Kassander Agathokles von Syrakus. Es sind fast lauter Menschen, wie es zu allen Zeiten gegeben hat; man möchte sagen, es müsse damals für Individuen eine aparte Sonne geschienen haben.

Es nimmt sich bei Diodor ganz eigen aus, neben diesen Leuten Jahr um Jahr die einfachen, gleichartigen römischen Konsuln genannt zu sehen. Bei einem Diadochen, namentlich solange die SukzessionskriegeA5 dauern, hängt alles auf das entschiedenste von der persönlichen Tüchtigkeit, Größe, Waghalsigkeit und Ruchlosigkeit ab; ohne die letztere steht in eigentümlicher Größe nur der isolierte Eumenes da, den Antigonos schließlich hat umkommen lassen, nachdem ihn seine Argyraspiden ausgeliefert hatten95. Ganz außerordentlich ist aber bei den Diadochen zu allem andern auch die Lebenskraft. Lysimachos und Seleukos waren beide noch jugendlich unersättlich, als sie sich, jener vierundsiebenzig-, dieser siebenundsiebenzigjährig, bekriegten, und nachdem Lysimachos gefallen war, freute sich Seleukos, daß er allein vom ganzen Stabe Alexanders übrig geblieben sei, und fand, dies sei nicht mehr Menschenwerk, sondern ein Geschenk der Götter; auch Antigonos hatte übrigensA6 mit einundachtzig Jahren den Tod in der Schlacht gefunden96.

Bei der ersten Generation hat man es noch mit Generalen zu tun, welche zu Fürsten werden; in der folgenden dagegen sind es orientalische Gewaltherrscher, zum Teil noch (z.B. Antiochos I., Ptolemäos Philadelphos und Euergetes) von sehr ausgezeichneten Anlagen, aber mit allen Schattenseiten einer garantielosen, nur durch völlige Unbedenklichkeit aufrecht zu haltenden Gewalt. Immerhin hat diese Generation noch die Eigenschaft, das Furchtbarste nur zu tun, weil und wenn es nützlich ist; erst vom zweiten Jahrhundert an geht es dann jähe bergunter. Aber merkwürdig und charakteristisch ist, daß auch die verrufensten[425] Persönlichkeiten bei allem Sultanismus und Prassen doch nicht orientatalisiert sind. Noch die schlechtesten Ptolemäer und Seleukiden (ein Antiochos Epiphanes und andere noch schlechtere) sind entartete Griechen, nicht verkommene Orientalen; sie stechen noch immer ab neben Königen von Pontos, Armenien und Kappadokien; noch die spätesten Diadochen schaffen sich nach Kräften eine griechische Umgebung, und sogar die schreckliche Kleopatra von Syrien (um 140) schickte ihre Söhne zur Erziehung nach Athen und nach Kyzikos97. Daß nach Alexander die Fürsten keine Orientalinnen, sondern nur noch Diadochinnen heirateten, dürfte hiervon wohl die Hauptursache sein.

Unter den ersten Diadochen verdient aber noch eine besondere Betrachtung der Städtebelagerer Demetrios. Dieser wunderbar begabte Mensch repräsentiert einen im Altertum auch sonst (von Alkibiades bis Antonius) bekannten Typus in höchster Vollständigkeit: er ist nämlich heroisch und stellt zugleich als Schauspieler Heroen vor; was ihn und seinesgleichen dabei von Modernen unterscheidet, ist, daß sie mit ihrer Betörungsgabe ganz unmittelbar auf die Phantasie wirken wollen und daneben selber ein Stück von Phantasten sind. Schon äußerlich groß und von eigenartiger, an einen Heros erinnernder Schönheit, so daß ihm Fremde auf Weg und Steg nach- und entgegenlaufen, um ihn zu sehen, macht er im Gefühle seiner Erhabenheit keinen Unterschied zwischen der Menge, die er verachtet, und den Mächtigen und kann seiner Umgebung furchtbar werden, dann aber auch wieder sehr gewinnend sein, und ebenso ist er bald Genuß, bald wieder ganz Tätigkeit, so daß er im Kriege kräftig, nüchtern und allen voran erscheint, während er sich in ruhigen Zeiten in Gelagen stark gehen läßt und, wie es heißt, das Leben gerne wieder gehabt hätte, das nach der mythischen Vorstellung der Leute zu den Zeiten des Dionysos florierte98. Mit seinem barschen und stolzen Vater Antigonos, von dem aber Plutarch dochA7 auch einige edlere[426] Züge mitteilt99 (obwohl auf ihm immer der Untergang des Eumenes und der Mord einer Schwester Alexanders lasten wird), steht er auf bestem Fuß und hat hierbei auch schon frühe Gelegenheit, eine schlimme Torheit desselben gut zu machen100. Da er beim Tode Alexanders, an welchen er sich ohne Zweifel genau erinnerte, vierzehnjährig war, konnte er, im Lager erzogen, dessen Odyssee gleich von Anfang an mitmachen; indem er sie nach dem Tode des Königs fortsetzte, mochte er, beständig auf der Suche nach Königreichen, zu den großartigsten Abenteuern der Welt kommen. Nachdem er ein erstes Kommando (317) im Kriege gegen Eumenes bekleidet hat, überläßt ihm der durch das große Gegenbündnis aller übrigen Diadochen bedrohte Antigonos (313) den Befehl in Syrien gegen Ptolemäos; und nun ist es interessant, wie Diodor (XIX, 81) ihn bereits bei dieser Gelegenheit so einführt, daß nicht nur sein Heer, welches er vor der Schlacht bei Gaza (312) zu einer Ekklesie versammelt, sondern auch der Leser für den glänzenden jungen Helden Partei ergreifen soll. Freilich werden dann seine Krieger, die es in echter Spielerstimmung lieber mit dem jungen, unverbrauchten, als mit dem alten Führer versuchen wollten, geschlagen und reißen ihn trotz seiner Bitten in ihre Flucht mit; als er aber hernach das Heer des Ptolemäos aus Syrien zurückgeworfen hat, äußert der Vater doch seine ganz besondere Freude an dem Sohne, der sich selbständig aus schwieriger Lage gezogen, und hält ihn für königlicher Herrschaft würdig101.

Hierauf gelingt ihm zwar die Eroberung von Babylon gegenüber Seleukos nicht, wohl aber gegenüber Ptolemäos die von Halikarnaß und andern kleinasiatischen Städten, und jetzt unternimmt er von Ephesos aus seine berühmte Fahrt zur Befreiung des eigentlichen Hellas von der Tyrannei Kassanders, gegen das er, wie auch sein Vater, von einem merkwürdigen Idealismus erfüllt ist; er nimmt die Hafenstädte Athens und Megara und zieht in Athen selbst ein. Es hatte wohl keine große Wirkung auf die damalige Welt mehr, wenn man hörte, in welche Kosten sich die Phantasie der Athener versetzte, um ihn als ihren Befreier zu[427] feiern. Seiner eigenen Phantasie aber schmeckte der Schwindel, als erhaltende Gottheit von Athen gepriesen zu werden, wirklich; es war doch höchst angenehm, daß diese Stadt ihm ihren Kultus, ihren Mythus und ihre Genüsse entgegentrug; auch gewährte ihm dieser Aufenthalt eine Erholung zwischen das beständige Lagerleben und die ewigen Asiatengesichter hinein, zwischen welchen er so viele Jahre zugebracht. Und sodann haben doch Antigonos und er von allen Diadochen am ernstlichsten gewünscht, daß die Städte von Hellas ihnen frei- und gutwillig befreundet sein möchten, weil sie (zumal der Vater) am deutlichsten einsehen mochten, daß man für die Herrschaft im Osten die echten Hellenen und ihren Geist doch nicht entbehren könne, während eine eigentliche Herrschaft über dieselben nur mit großen Opfern zu behaupten wäre.

Im folgenden Jahre (306) gelingt es ihm, dem Ptolemäos Zypern zu nehmen. Die Schilderung seiner gewaltigen Tapferkeit in der Seeschlacht gegen diesen102, wie er, auf dem Hinterteil seiner Heptere stehend, in einem dichten Gewühl Speere schleudert und mit seinen Schutzwaffen Geschosse auffängt, lautet fast homerisch. Antigonos und er nennen sich nunmehr Könige, und jener überläßt die Führung der Kriege dem glücklichen Sohne, dem er sein Schwelgen nachsieht, nicht ohne einige hübsche Witze darüber zu machen103. Demetrios treibt es allerdings sehr toll. Während er von jungen Jahren an mit Phila, Antipaters Tochter, verheiratet ist und in Athen zu dieser noch Eurydike, die Witwe des von Agathokles ermordeten Ophellas von Kyrene geheiratet hat, ergibt er sich beständig einem ausgezeichneten Hetärenleben und ist in dieser Zeit ganz von der auf Zypern erbeuteten, famosen Flötenspielerin Lamia beherrscht, so daß er, obschon viel jünger als sie, einzig als ihr Liebhaber erscheint104. Und dies alles hindert ihn doch nicht an den gewaltigsten Unternehmungen. Seine Spezialität sind enorme Schiffe und, das Staunen aller Feinde: die Belagerungsmaschinen (ἑλεπόλεις). Trotz dieser kann er zwar Rhodos durch die berühmte Belagerung von 305/4 nicht nehmen105, erobert aber dafür in einem siegreichen Feldzug gegen Kassander[428] Chalkis und andere Orte und zieht zum zweiten Male in das hierdurch befreite Athen ein, um noch einmal auf die Schmeichelei der Athener vollständig einzugehen. Sie geben ihm jetzt den Titel eines Führers (ἡγεμών) von Griechenland, lassen ihn in ihrem Parthenon wohnen, weihen ihn in ihre großen Eleusinien ein usw., und der große Abenteurer scheint alles für bare Münze zu nehmen, führt aber nebenbei ein wüsteres Leben als je.

Auf die Kunde von der Quadrupelallianz des Kassander, Lysimachos, Ptolemäos und Seleukos kehrt er nach Asien zurück, und hier geht nach anfänglichen Siegen die Schlacht bei Ipsos (301) dadurch verloren, daß er einen Vorteil allzu eifrig verfolgt. Während die siegreichen Könige die Länder des gefallenen Antigonos teilen, will er sich als Flüchtling über Ephesos, dessen Artemision von ihm geschont wird, nach Athen zurückbegeben. Aber hier ist die Unbeständigkeit und das Bedürfnis nach stets neuer Aufregung größer als alle Dankbarkeit gegen den »Befreier«, der bei seinem letzten Aufenthalt auch eine starke Kontribution erhoben hat; man weist ihn schnöde ab, und erst, nachdem er sich durch Kämpfe gegen Lysimachos wieder zu einiger Macht geabenteuert und die Freundschaft des Seleukos gewonnen hat, dem er seine Tochter Stratonike zur Ehe gibt, kann er es von neuem, diesmal von dem inzwischen aufgekommenen Trannen Lachares, »befreien«, d.h. durch Aushungerung nehmen. Von Soldaten umgeben, tritt er in der Manier eines tragischen Schauspielers auf dem Theater auf, tadelt die dort versammelten Athener leicht und freundlich, schenkt ihnen Korn und ernennt die populärsten Leute zu Beamten, läßt sich aber zugleich Piräus und Munychia zudekretieren und besetzt außerdem noch das Museion (294).

Er würde jetzt auch Sparta genommen haben, da kommt die Nachricht, daß Lysimachos sich seiner thrakischen Städte bemächtigt und Ptolemäos Zypern überfallen hat, wo sich in dem belagerten Salamis seine Gattin und ein Teil seiner Kinder befindet. Und nun hat man den Eindruck, mit Demetrios wie in einem Traume herumzujagen; denn zugleich eröffnet sich eine Aussicht auf Makedonien, wo nach Kassanders Tod (297) einer von dessen Söhnen seine Mutter Thessalonike ermordet hat, und der andere, Alexandros, gegen den Muttermörder nach seiner und des Pyrrhos Hilfe begehrt. Da Pyrrhos von Epirus aus zuerst erscheint und gleich ein großes Stück von Makedonien für sich nimmt, hätte ihm nun, als er auch heranzieht, dieser Alexandros gerne begreiflich gemacht, daß er nicht mehr nötig sei, und begleitet ihn denn auch bis nach Larissa zum Lande hinaus, wobei man sich gegenseitig mit Mordplänen nachstellt. Das Ende ist, daß der junge Fürst samt einigen Begleitern niedergemacht wird, und hierauf bewegt Demetrios die Makedonier leicht, von dem andern, muttermörderischen Sohne Kassanders abzustehen und ihn selbst zum König auszurufen; als solcher wird er nunmehr[429] in Makedonien aufgenommen; zugleich hat er einen heranwachsenden, der Thronfolge fähigen Sohn von der Phila, Kassanders Schwester, bei sich.

Zunächst nimmt er nun Thessalien und das von Sparta zum Abfall aufgehetzte Böotien. Hier läßt er äußerste Milde walten, indem er z.B. einem gefangenen Rädelsführer zur Vernunft redet und ihn zum Polemarchen seiner Vaterstadt Thespiä macht, und auch bei einem nochmaligen Abfalle Thebens, welcher erfolgt, sobald er den Rücken wendet106, begnügt er sich mit dreizehn Todesurteilen und einigen Verbannungen und tut den übrigen nichts zu Leide. Aber nun bekommt er es mit den Ätolern und deren epirotischem Verbündeten Pyrrhos zu tun, dessen Schwager er früher bei Gelegenheit seines zweiten Aufenthalts in Athen durch seine dritte dynastische Ehe (mit der inzwischen verstorbenen Deidamia) geworden war. Während Demetrios selbst Epirus verwüstet und sich (in vierter Ehe) mit Lanassa, der Tochter des syrakusischen Agathokles und Herrin von Kerkyra, vermählt, welche früher mit Pyrrhos verheiratet gewesen war, sich aber mit ihm entzweit hatte, schlägt Pyrrhos seine Truppen in Ätolien, und jetzt beginnt auf einmal seine Reputation zu sinken, indem die Makedonier, welche noch den alten heroischen Maßstab der individuellen Waghalsigkeit haben, diese in Pyrrhos wirklich finden, während ihnen der rüde Trotz Alexanders von den übrigen Diadochen und besonders von Demetrios nur schauspielermäßig nachgeahmt erscheint. Und allerdings ist um Demetrios herum damals beständig, was der Grieche τραγῳδῖα (schauspielerische Feierlichkeit) nennt. Seine Tracht ist Purpur und Gold selbst bis auf die Schuhe, und auf der für ihn bestimmten Chlamys ist das Weltsystem eingewirkt. Auch schwelgt er wieder sehr, wird unum- und unzugänglich und erweckt z.B. dadurch, daß er einen ganzen Stoß Bittschriften ungelesen von der Axiosbrücke in den Fluß wirft, bei den Makedoniern das Gefühl, daß ihm das Kleine verleidet sei, und daß sie mehr von einer übermütigen Laune als von einer königlichen Regierung abhängig seien. Mit Pyrrhos verträgt er sich zwar zunächst nach Kämpfen von wechselndem Erfolge eine Weile; als er sich dann aber anschickt, mit 110000 Mann und 500 Schiffen das ganze große Reich seines Vaters wieder zu erobern und sich darauf sofort eine Allianz aller übrigen gegen ihn bildet, da geht seine Herrschaft aus den Fugen. Schon bei einem ersten Vorstoß gegen Lysimachos muß er sehen, daß seine Leute Miene machen, zu diesem überzulaufen, und als er glaubt, die Makedonier würden ihm wenigstens den Pyrrhos als einen Fremden nicht vorziehen, täuscht er sich erst recht;[430] denn sie halten den für den königlichsten, der in den Waffen der mächtigste sei, und lassen ihm, als beide Heere sich gegenüber lagern, sagen, er möge sich durch die Flucht retten, sie seien es satt, für seine Schwelgerei Krieg zu führen. Da vertauscht er im Zelt seine »tragische« Chlamys mit einer dunkeln und flieht (287) in der Stille nach siebenjähriger Herrschaft, indes sich Lysimachos und Pyrrhos in Makedonien teilen.

Über Kassandreia, wo seine Phila an seinem Glück und seinen Königschancen verzweifelt und sich vergiftet, erscheint er in Griechenland und geht als Privatmann in Städten, selbst in Theben, herum, hofft aber doch bald wieder und nimmt wieder königliche Formen an. Die Athener, die zunächst ihren niederträchtigen Trotz erneuern, rufen, als er nun wieder mächtiger erscheint, Pyrrhos zu Hilfe an, lassen ihn dann aber, da er ihre Stadt nun doch belagert, durch den Philosophen Krates begütigen. Und jetzt fährt er mit 12000 Mann nach Asien, um dem Lysimachos Lydien und Karien abzunehmen. Wirklich erobert er auch, zur Abwechslung mit einer jungen Ptolemäerin vermählt, Stadt um Stadt; Strategen des Lysimachos gehen zu ihm über, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß er hier noch ein Reich hätte gründen können, wenn nicht noch einmal der Abenteurer in ihm Reißaus genommen hätte, indem er von neuem nach Armenien, Medien und überhaupt der Macht in den östlichen Gegenden (τὰ ἄνω πράγματα) begehrt, wo selbst für einen Unterliegenden viele Zufluchtsorte wären. Aber nun ist sein Heer ob diesen Projekten in die Ferne unwillig, und als er nach starken Verlusten nach Tarsos kommt, muß er auf das Land des Seleukos verzichten und schreibt an diesen einen Brief mit Klagen über sein Schicksal und dringenden Bitten, sich des verwandten Mannes107 zu erbarmen, dessen Schicksal selbst Feinde rühren könnte. Seleukos läßt sich wirklich bewegen und befiehlt seinen dortigen Strategen, ihn königlich zu behandeln, wird dann aber wieder mißtrauisch gemacht und rückt mit einem Heer nach Kilikien, worauf Demetrios wünscht, man möge wenigstens geschehen lassen, daß er das Gebiet eines der autonomen Barbarenvölker nehme und dort, müde des Irrens und Flüchtens, auslebe; wo aber nicht, ihn doch über den Winter unterhalten und ihn nicht dürftig und bloß seinen Feinden zur Beute hinausstoßen. Da auch dieser gemütliche Apell an die alte Waffengenossenschaft im Agema keinen Erfolg hat, bricht Demetrios los, gewinnt einige Vorteile und wird an weiteren Siegen nur durch eine schwere Erkrankung gehindert. Nach der Genesung hätte er Seleukos beinahe noch durch einen nächtlichen Überfall erwischt, aber nachdem dieser mißraten ist, macht ihm Seleukos seine Truppen durch die Vorstellung,[431] er habe längst ihrer und nicht des Demetrios schonen wollen, abtrünnig, und nach einer letzten Flucht muß sich dieser bedingungslos übergeben (285).

Nach einigem Hin- und Herschwanken des Seleukos kommt es nun zu einer Halbhaft im syrischen Chersones (d.h. in der Gegend von Apamea am Orontes). Hier lebt Demetrios in sicherer Hut mit Jagd und guter Verpflegung aus, in Paradeisen und Alleen und im Umgang mit Fluchtgenossen. Er meldet nach Hause, man möge ihn und alles, was von ihm komme, wie wenn er tot wäre, ignorieren und alle Reste der griechischen Macht seinem Sohn Antigonos übergeben. Dieser trug Trauergewand und bot sich als Geisel für den Vater an, und viele Städte und Dynasten baten für Demetrios; nur Lysimachos bot große Gaben für seine Tötung. Seleukos aber bewahrte ihn der Stratonike und dem Antiochos, d.h. er wollte ihn wohl bei Tochter und Eidam ausleben lassen. Und nun ergibt sich Demetrios dem Trunk und Spiel und macht sich seine Philosophie über seinen frühern Ehrgeiz, stirbt indes schon nach zwei Jahren vierundfünfzigjährig (283). Seleukos aber bereut, ihn nicht edler behandelt zu haben und sendet seine Asche in einem prächtigen Triumphzug nach Korinth, von wo sie der Sohn in das thessalische Demetrias bringt und daselbst beisetzt.


Und nun als Variante der Mann, der nicht aus dem Kreise Alexanders, sondern aus dem Hause eines unbemittelten Bürgers von Rhegion stammt, der es auch in erster Linie nur mit der Herrschaft über verzweifelnde Hellenen zu tun hat und Barbaren sich nur als Feinde und momentan als Unterworfene gegenübersieht, der aber im höchsten Grade den Typus des furchtbaren, klaren, mit jedem Entschlusse vertrauten Spätgriechen darstellt, Agathokles von Syrakus. Nach einer merkwürdigen Kindheitsgeschichte108 gelangt dieser 361 geborene Mensch mit seinen Eltern[432] in das damals von Timoleon neu bevölkerte Syrakus und treibt daselbst in jungen Jahren das Töpferhandwerk109. Später wird er der Liebling eines reichen Syrakusaners, der als Stratege gegen Agrigent den durch schwere, riesige Rüstung, persönliche Kühnheit und behendes Wort auffallenden Jüngling bereits zum Chiliarchen befördert; auch wird er nach dem Tode des Gönners durch die Heirat der Witwe zum reichen Manne. Infolge einer Zurücksetzung durch die damaligen Stadthäupter Herakleides und Sosistratos, und nachdem er diese beim Volke vergeblich wegen Strebens nach der Tyrannis verklagt hat, hält er sich eine Zeitlang als Parteigänger und Söldnerführer in den italischen Griechenstädten auf und unterstützt zuletzt die von der Faktion Herakleides-Sosistratos bedrohten Rheginer. Endlich stürzt dieses Regiment, und er kann zurückkehren. Aber die geflüchteten Dynasten finden draußen nicht nur viele zur oligarchischen Partei der Sechshundert gehörige Parteigenossen, sondern auch karthagische Hilfe, und nun bewährt sich Agathokles zwar in den folgenden Kämpfen sowohl als Gemeiner wie als Mitanführer durch Erfindsamkeit und Tapferkeit, wird aber doch schließlich durch den in Syrakus zum Strategen gewählten Korinthier Akestorides, der ihm nicht traut, aus der Stadt gewiesen und entgeht den ihm nächtlich nachgesandten Mördern nur dadurch, daß er seinen stärksten Sklaven wie sich kostümiert und ihm seine Rüstung und sein Pferd gibt; während derselbe im Dunkel ermordet wird, kann er sich, in Lumpen gehüllt, durch eine unwegsame Gegend retten.

Der nunmehr mit Karthago geschlossene Friede führt nicht nur die Sosistratospartei nach Syrakus zurück, sondern auch Agathokles, der sich inzwischen als Flüchtling im Zentrum der Insel eine eigene Macht gesammelt und sich Karthagern wie Syrakusanern furchtbar gemacht hat, wird zur Rückkehr eingeladen. Er versteht sich dazu, den Bürgern im Tempel der Demeter zu schwören, daß er nichts gegen die Demokratie unternehmen wolle, und gewinnt darauf, indem er der Menge schmeichelt, die Stellung eines Strategen und eines »Hüters des Friedens«, welche solange dauern sollte, bis die in der Stadt Zusammengeströmten »wirklich einträchtig sein würden«. Den Hauptgegensatz aber gegen ihn bildet damals in der ganz in hadernde Parteien zersplitterten Bürgerschaft das Synedrion jener Sechshundert, welche zwar nicht mehr den Staat regieren und formell nicht mehr als eine Hetärie sind, aber die angesehensten und reichsten Bürger unter sich zählen.

[433] Unter dem Vorwand, eine im Binnenland sich sammelnde Gegenpartei zu bekämpfen, läßt er sich nun zu einem plötzlichen Aufgebot der ihm beliebendenA8 Truppen Vollmacht geben; dies sind aber außer den ärmsten und neidvollsten Leuten aus der Bürgerschaft vor allem 3000 Nicht-Syrakusaner, die früher im Binnenland unter ihm gekämpft haben und nicht nur die Sechshundert, sondern auch den ganzen Demos von Syrakus hassen. Diese entbietet er auf Tagesanbruch in das Timoleonteion, zugleich aber auch mit dem Vorgeben einer wichtigen Angelegenheit die Angesehensten der Sechshundert, deren etwa vierzig kommen, und nun verhaftet er diese vierzig mit der Behauptung, daß sie ihm nach dem Leben trachten, hetzt die Masse auf, so daß sie ihm zuruft, »er solle nicht mehr zögern«, läßt das Angriffssignal blasen und darauf die angeblichen Anstifter durch seine Soldaten sofort töten und nicht nur ihre, sondern auch die Habe der sechshundert mit ihnen »Einverstandenen« rauben. Schließlich verbreitet sich das Gemetzel quartierweise nach allen Seiten; der Pöbel in Waffen schont weder Freund noch Feind, sondern geht nur auf Beute aus, während andere mit blutigen Taten alten Haß stillen. Man dringt in die Häuser bis auf die Dächer; auch die Heiligtümer schützen nicht vor Mord, und dies alles taten, wie es heißt, mitten im Frieden, in der Heimat Hellenen gegen Hellenen.

So werden 4000 Syrakusaner, denen man nur den Vorwurf machen kann, daß sie feinere Leute (χαριέστεροι) als die andern sind, an einem Tage ermordet, während 6000 sich (meist nach Agrigent) flüchten können, wofür sich dann der Pöbel schändlich an ihren Familien vergreift. Und nun wartet Agathokles noch einen Tag und hält darauf Musterung über die Gefangenen, von denen er den wichtigsten, Deinokrates, wegen alter Freundschaft entläßt, die übrigen teils tötet, teils aus der Stadt jagt. Jetzt entbietet er auch die Volksversammlung, klagt die Sechshundert als Oligarchen an, rühmt sich, die Stadt von den nach Herrschaft Strebenden gesäubert zu haben, erklärt, er gebe dem Volke die Autonomie und wolle nun, der Mühen enthoben, ein privates Leben führen wie alle andern und vertauscht vor aller Augen das Kriegskleid mit dem gewöhnlichen Himation. Aber er weiß hierbei wohl, daß die an allem Mord beteiligte Masse einen andern gar nicht zum Strategen wählen kann, und in der Tat schreien die, welche die Habe der Unglücklichen geplündert, sogleich, er möge sie nicht verlassen, sondern die Fürsorge um das Ganze übernehmen. Dies tut er denn zögernd und auf erneutes Drängen; da er aber erklärt, in der Strategie nicht für das, was andere verbrechen, verantwortlich sein zu wollen, müssen sie ihn zum unumschränkten Strategen (στρατηγὸς αὐτοκράτωρ) wählen. Von da an ist er Herr. Er proklamiert[434] Aufhebung der Schulden und Verteilung von Land an die Armen und regiert nunmehr ohne Härte weiter, indem er die Leute mit Milde und gelinder Rede zu gewinnen sucht und keinen Anstoß durch Annahme des Diadems, Umgebung mit einer Leibwache, üppiges Leben oder unzugängliche Haltung gibt. Für die Finanzen, das Militärwesen und den Bau von Kriegsschiffen sorgt er gut und gewinnt die meisten Orte im Binnenland. Zugleich kommt die in Agrigent konzentrierte Flüchtlingspartei, der sich auch viele Bürger von Gela und Messana angeschlossen haben, hauptsächlich wegen der Untätigkeit und Unfähigkeit des elenden von ihr in Sold genommenen Akrotatos von Sparta zu keinen Kräften und muß schließlich unter karthagischer Vermittlung Frieden mit ihm schließen; Karthago erhält dabei Heraklea, Selinus und Himera (313).

Jetzt aber kommt für Agathokles die große Tyrannenprobe. Die Karthager fallen, von dem Flüchtlingsanführer Deinokrates gerufen, von neuem in sein Gebiet ein, und nachdem sie ihn am Himeras besiegt haben, wenden sich ihnen auch viele Griechenstädte zu; bei Gela hat er freilich durch Ermordung von über 4000 Bürgern und Ausraubung des Ortes zuvor dafür gesorgt, daß sie keine große Verstärkung mehr finden können. Und da er nun in Syrakus belagert wird, rüstet er mit Hilfe greulicher Konfiskationen und Tötung der Unbequemen eine Elite von 15000 Mann, fährt mit dieser in einem unbewachten Augenblick vom Hafen aus und landet zu Clupea in Afrika. Hier zieht er die Flotte ans Land, errichtet ein verschanztes Lager und kündigt dann, priesterlich geschmückt, dem Heere an, er werde die Schiffe der Demeter und der Kore weihen, worauf er sie sofort in Flammen auf gehen läßt. Mit dem also zwischen Sieg und Tod gestellten Heer besiegt er die Karthager, unterwirft zweihundert Städte und Flecken und ruft überall die Einwohner zum Abfall auf; in Karthago ist der Schreck so groß, daß man in dieser Not dem Moloch zweihundert Kinder von angesehenen Eltern opfert und nach Tyrus dem Melkarth die lange versäumten Geschenke schickt.

Während inzwischen auch die Syrakusier dem Agathokles das Haupt des von ihnen besiegten Belagerers Hamilkar, des Siegers vom Himeras, schicken, wagt zwar Agathokles auf die Stadt Karthago keinen Angriff, lockt aber unter dem Vorgeben, ihm das für Syrakus unnütze Afrika überlassen zu wollen, den Ophellas von Kyrene herbei, einen frühern Statthalter des Ptolemäos, der sich aber dann unabhängig erklärt hatte, läßt diesen und seine Getreuen verräterisch niederhauen und zieht seine Mannschaft von 10000 Mann mit Drohungen und Versprechungen in seinen Dienst hinüber110. Er hat nunmehr feste Hoffnung auf Gründung[435] eines afrikanischen Reiches und legt sich daraufhin den Königstitel bei, ohne freilich einstweilen den priesterlichen Kranz gegen das Diadem zu vertauschen111. Bald gelingt ihm auch die Einnahme von Utika, das sich in seiner Gegenwehr dadurch nicht hat hindern lassen, daß er dreihundert gefangene Utizenser an seine Belagerungsgerüste band; die Stadt wird aufs entsetzlichste ausgemordet.

Zunächst macht er nun mit 2000 Mann seinem Sizilien einen raschen Besuch. Obschon er hier Erfolge über die bereits im Unterliegen begriffenen, von Agrigent unterstützten Verbannten gewinnt, kann er doch nicht hindern, daß die Flüchtlingspartei unter Deinokrates gegen 20000 MannA9 entbehrungsfähige Leute sammelt. Immerhin aber trägt er noch einen großen Sieg über eine Syrakus blockierende karthagische Flotte davon, und auch die sizilischen Gegner werden durch einen seiner Feldherrn geschlagen. Und nun wird uns bei Anlaß der auf diese Siege folgenden Gelage sein Bild von Diodor (XX, 63) merkwürdig vervollständigt. Er legt nämlich bei solchen Gelegenheiten den Tyrannen ganz ab und zeigt sich wie einer der Geringsten. Von Natur ein sizilischer Farceur (γελωτοποιὸς καὶ μῖμος), etwa in epicharmischem Ton, kein Tragiker wie Dionys), unterläßt er es sogar in Volksversammlungen nicht, die Anwesenden zu verspotten und diesen oder jenen von ihnen nachzumachen; auch erscheint er öffentlich noch immer ohne Leibwache. Er tut dies alles aber nicht nur, um populär zu sein, sondern aus Tücke, um die Leute bei der Redefreiheit, die er gewährt, auszuhorchen, und lädt zuletzt solche, die im Trunke Abgunst gegen seine Herrschaft verraten haben oder auch sonst sich am meisten einbilden, zu einem Gastmahl, wo er sie alle – fünfhundert an Zahl – mit auserlesenen Söldnern umstellt und niedermachen läßt, damit sie nicht, wenn er wieder in Afrika ist, die Partei des Deinokrates verstärken.

Als er aber mit neuen Truppen nach Afrika zurückkommt, findet er, daß hier sein Glück sich inzwischen gewandt hat. Sein Sohn Archagathos hat Niederlagen erlitten und ist in eine Art Blockade geraten, auch er selber aber verliert jetzt eine Schlacht, und nach einer furchtbaren Nacht, da sowohl das karthagische als sein eigenes Heer durch panischen Schreck die größten Verluste haben, beschließt er angesichts des Abfalls aller libyschen Bundesgenossen, mit wenigen ein Schiff zu besteigen und sich nach Sizilien zu retten, das Heer aber nebst Archagathos, dem er nicht mehr traut, seinem Schicksal zu überlassen. Der Sohn, der dies Vorhaben merkt, denunziert den Vater den Soldaten, die ihn darauf in Fesseln legen;[436] nachher aber regt sich das Mitleid bei ihnen, sie lassen ihn frei, und er kann wirklich fliehen. Und nun ist die Entrüstung erst recht groß; die Soldaten morden Archagathos nebst seinem jüngern Bruder und vertragen sich mit Karthago; eine Anzahl, welche noch meint, Städte behaupten und die Prätensionen des Agathokles fortsetzen zu können, wird nachträglich noch von den Karthagern unterworfen und teils gekreuzigt, teils in die Sklaverei verkauft112.

In Sizilien angelangt, befestigt sich der Tyrann durch schrecklichen Terrorismus. Vor allem, weil er Geld braucht (und wohl auch, weil er von Afrika her grimmig ist), mordet er in dem verbündeten Egesta die Ärmern und foltert die Reichen schrecklich, so daß manche sich, um nicht in seine Hände zu kommen, lieber mitsamt ihren Häusern verbrennen, verkauft die Mädchen und Knaben an die Bruttier und gibt die Stadt, die er in Dikäopolis umnennt, Überläufern zu bewohnen; er wußte offenbar schon vorher, daß er die Bürgerschaft entweder ruhig lassen oder zernichten mußte. Ferner muß in Syrakus sein Bruder Antandros die Verwandten aller derer hinrichten, die in Afrika von ihm abgefallen sind. Weder Trauer noch Begräbnis ist gestattet; vielmehr sollen die Leichen unbegraben am Strande liegen. Und nun folgt erst der höchste Beweis seiner magnetischen Kraft. Wieder haben sich die Aristokraten um Deinokrates gesammelt, der 20000 Mann zu Fuß und 3000 Reiter besitzt. Da macht ihn Agathokles durch Unterhandlungen irre, bis er sich durch einen Frieden mit Karthago Geld und Lebensmittel verschafft hat, verdächtigt ihn dann bei den Seinen, zieht ihm entgegen und liefert dem viermal Stärkern eine Schlacht, in welcher ganze Scharen des Gegners zu ihm übergehen. Dann tritt er vor, mahnt von weiterm Kampf ab und verspricht allen, welche die Waffen niederlegen würden, sichere Heimkehr, worauf er die vier- oder siebentausend, die sich betören lassen, durch Bogenschützen umstellen und aus der Ferne zusammenschießen läßt113. Deinokrates aber, der schon früher nach der Herrschaft gestrebt hat und seiner offenbar würdig ist, schließt jetzt seinen Vertrag mit ihm und wird sein Gehilfe und Genosse.

[437] Nachdem die übrigen Griechenstädte den beiden unterlegen sind114, genießt Sizilien, fortan völlig zwischen Karthago und Syrakus geteilt, einige Erholung. Nach außen aber ist Agathokles rastlos tätig. Nicht nur raubt er (um 300) die harmlosen liparischen Inseln aus, von denen die Beute dann freilich im Meere untergeht, sondern er nimmt dem makedonischen Kassander Kerkyra und gibt es (299) seiner Tochter Lanassa bei ihrer Vermählung mit Pyrrhos zur Mitgift115, er erobert Kroton und durchraubt Bruttium; ob er nochmals gegen Karthago ziehen wollte, kann man nicht wissen. Das Ende ist, daß ihn sein Enkel Archagathos (289) durch den Sklaven Menon vergiften läßt, worauf der Zweiundsiebzigjährige, der Schmerzen halb und doch auch offenbar, um eine Vergöttlichung im Sinne des Herakles zu finden, den Scheiterhaufen besteigt. Die Verwirrung nach seinem Tode und der Umstand, daß in der Folge Pyrrhos als sein Eidam mit solchem Jubel empfangen wurde, beweisen, daß er ein außerordentlicher Mensch war und daß man ohne einen solchen kaum mehr auszukommen hoffte; aber die Sympathie Neuerer, welche an ihm alles ins Licht zu setzen wissen, ist und bleibt bedenklich.

Einen ganz besondern Anblick gewährt dann wieder Pyrrhos. – Dieser braucht sich vor allem nicht wie Demetrios zum Gotte erklären zu lassen; denn durch seine Stammväter Achill, Peleus und Äakos, den Sohn des Zeus, ist er göttlicher und heroischer Abstammung von vornherein gewiß116; er hat dadurch neben andern merkwürdigen Eigenschaften auch z.B. die Gabe, Milzsüchtige zu heilen. Die Herrschaft hatte er indes trotz seines Erbrechts lange nicht in sicherer Aussicht. Der Zustand in Epirus war noch von einer eigentümlichen Wildheit und die Hegemonie der Molosser über die übrigen epirotischen Stämme so unsicher[438] als das molossische Königtum selbst. Sein Vater Äakides wird, als Pyrrhos erst zweiA10 Jahre alt, ist in das böse Schicksal der Olympias, seiner nahen Verwandten, verwickelt und (316) durch einen Volksbeschluß abgesetzt und vertrieben, ein Vorgehen, welches in diesem Hause sonst unerhört gewesen sein soll117, und während im Lande Kassander mächtig ist, wird das Kind bei dem illyrischen Taulantierkönig Glaukias, zu dem man es geflüchtet hat, erzogen118. In jungen Jahren wird er einmal in sein Königreich zurückgeführt, aber bald wieder verjagt und macht nun als Verbannter die letzten Züge des Antigonos mit, der große Freude an ihm hat und auf die Frage, wer der beste Feldherr sei, die Antwort gegeben haben soll: »Pyrrhos, wenn er alt sein wird.« Nachdem er (301) bei Ipsos mit seinem Flügel, wenn auch umsonst, gesiegt hat, behauptet er für Demetrios, den Mann seiner Schwester Deidamia, die Trümmer von dessen Herrschaft in Griechenland und geht dann als Geisel für ihn nach Alexandria. Und hier beginnt sein Glück; denn, da er sich dem Ptolemäos auf Jagden und im Gymnasion und dessen Gemahlin Berenike durch Mäßigkeit im Leben empfohlen hat, bekommt er, vor mehrern andern Fürsten bevorzugt, die Antigone, eine Stieftochter des Königs, zur Gemahlin und Schiffe und Geld zur Heimkehr nach Epirus.

Zunächst muß er hier die Herrschaft mit dem vorgefundenen Prätendenten Neoptolemos teilen. Diesen aber, der ihn mit Gift bedroht, tötet er bei einem Opfermahl, wird, indem er die Epiroten für Einheit der Herrschaft begeistert, deren Alleinherr und erhält infolge des Bruderstreites der Kassandriden sogar Akarnanien, Amphilochien und Ambrakia. Wir haben bereits (S. 460 f.) gesehen, wie er darauf allmählich Streit mit dem nunmehrigen König von Makedonien, seinem Schwager Demetrios, bekommt und dabei den Makedoniern durch seine persönliche Tapferkeit imponiert. Ganz homerisch läßt er sich damals mitten in einer Schlacht von Pantauchos, dem Feldherrn des Demetrios, zu einem Zweikampfe fordern und besiegt ihn. Als er aber Makedonien durch den Abfall der Makedonier von Demetrios großenteils hat und behalten könnte, überläßt er es schon nach kurzer Zeit seinen innern Wirren und dem thrakischen Lysimachos und geht nach Epirus zurück. Daß er dann doch hier nicht ruhig sitzen kann, erklären wir uns einfach aus seinem Temperament. Für ihn hatte ganz wie für die mythischen Heroen, nicht der Besitz, sondern nur das Erwerben Reiz, es schien ihm, wie Plutarch119 klar[439] sagt, ekler Müßiggang, andern nicht Not zu machen noch von ihnen solche zu erleiden. So hält er denn die Strategie für die eigentlich königliche Kunst120 und ist Demetrios darin sehr ähnlich, daß er beständig seine Kräfte messen muß und Verlorenes leicht verschmerzt121; nicht einmal um Sieg, sondern nur um Gesundheit soll er bei seinen Gelübden und Opfern gebetet haben; denn damit finde sich Sieg, weite Herrschaft, Ruhm und Reichtum von selbst.

Und nun boten sich ihm als Objekt für seine kriegerische Tätigkeit im Westen unruhige Griechenstädte, tapfere italische Landbevölkerungen und vollends ein Rom. Er brachte zu dieser Aufgabe Eigenschaften mit, die an Alexander erinnerten; schon in Makedonien hatte sich das Urteil bilden können, in seinem Äußern und seiner Schnelligkeit und Bewegung gleiche er diesem; man sehe an ihm gewissermaßen einen Schatten von seiner kriegerischen Vehemenz und Macht, und während andere Könige ihn in prachtvollem Aufzug, Gefolge, Gesten und großen Worten nachahmten, stelle er allein ihn lebendig in der kriegerischen Kraft dar. Auch war er milde gegen seine Umgebung, im Gegensatz zu seinem mehr furchtbaren als majestätischen Gesichtsausdruck zurückhaltend im Zorn und generös gegen Spott und Schmähungen, zu Gunstbezeugungen aber ohne Rückhalt geneigt. Er hatte Freunde wie Kineas, einen Thessaler, auf welchem noch ein Abglanz davon ruhte, daß er einst Demosthenes gehört; daraus, daß vom sizilischen Zuge an Unwürdige an die Stelle dieses seines guten Genius traten, möchten wir schließen, derselbe habe damals nicht mehr gelebt. Worin es bei ihm entschieden anders als bei Alexander bestellt ist, das ist der Umstand, daß er weder einen Stab noch ein Nationalheer wie dieser hat; anfangs folgen ihm zwar noch epirotische Milizen und makedonische und ätolische Hilfsvölker, im ganzen aber hat er es mit Söldnern und unsichern Verbündeten zu tun.

Auf seinem italischen Zuge behandelt er nun die Tarentiner sogleich ohne alle Umstände. Aber beim Anblick der Römer erwacht sofort der objektive Kenner des Kriegswesens. Schon beim Auskundschaften ihres Lagers sagt er in Anlehnung an ein Dichterwort, diese Ordnung sei zwar von Barbaren getroffen, aber keine barbarische, und gleich nach dem Sieg bei Heraklea (280) findet er, mit diesen Kriegern zusammen müßte man Italien beherrschen können, ja die Welt wäre sein, wenn er ihr Feldherr[440] wäre. Er ist der erste Hellene hohen Ranges, welcher Rom entdeckt und offen bewundert, wie anderseits Rom in ihm den ersten großen Hellenen entdeckt. Aber vergebens will er die gefangenen Römer in seinen Dienst nehmen, vergebens sucht er einen schnellen und glänzenden Frieden und läßt die Römer sogar auffordern, mit ihm Italien zu unterwerfen; sein Kineas bekommt die Antwort, Rom unterhandle nicht, solange er noch in Italien stehe. Und als er, der bereits nach Präneste gedrungen ist und aus dessen Burg von ferne Rom erblickt hat, doch hernach nichts anderes vermag, als wieder Winterquartiere in Tarent zu beziehen, ist der Eindruck von Heraklea schon so viel als verloren und die Gentillessen des Königs gegen Rom (die Beurlaubung der Gefangenen zu den Saturnalien usw.) verfangen nichts122. Wohl siegt er dann noch (279) bei Ausculum, aber das römische Heer und die römische Bundesgenossenschaft lösen sich nicht auf, und die römischen Scharen füllen und ergänzen sich immer neu, »wie aus einer Quelle, die in der Heimat aufgebrochen ist«.

Und während er nun noch in Italien beschäftigt ist, erfolgt zu gleicher Zeit die Bedrohung Siziliens durch das mit Rom verbündete Karthago, welches Syrakus blockiert, und der Einfall der Gallier in Makedonien, wobei dessen damaliger Herrscher Ptolemäos Keraunos den Untergang findet. Pyrrhos, der durch die Gallier auch für sein Epirus bedroht und zugleich sehr tentiert ist, wieder König von Makedonien zu werden, tadelt die Tyche, daß sie ihm die größten Dinge zu gleicher Zeit darbiete123, muß sich aber nach einer Seite hin entschließen und wählt Sizilien, um daselbst seinen Sohn von der Lanassa, Alexandros, der des Agathokles Enkel ist, zum Könige zu erheben; jedenfalls ist er froh, nach einem Aufenthalt von zwei Jahren und vier Monaten auf anständige Weise aus Italien fortzukommen.

Von seinen sizilischen Erfolgen und deren kurzer Dauer ist bereits124 die Rede gewesen. Persönlich zwar tritt er jedenfalls auch jetzt sehr glänzend auf. So zieht er bei der Belagerung des Eryx seine volle Rüstung an, gelobt dem Herakles einen Agon und Opfer, falls er ihn den Sizilien bewohnenden Hellenen als einen seines Stammes und seiner Macht würdigen Kämpfer zeige, ersteigt dann – ganz wie Alexander in der Maller-Stadt – zuerst die Mauer, haut wie ein Soldat alles um sich nieder und[441] hält dann zum Schluß ein herrliches Siegesfest mit Agonen aller Art125. Aber nach drei Jahren kommt ihm bei dem allgemeinen Widerstande, welchem seine weitern Pläne in Sizilien begegnen, die Bitte doch wieder sehr willkommen, dem von Rom hart bedrängten Unteritalien von neuem Hilfe zu bringen, und mit seinem Scheiden fällt sein sizilisches Reich zusammen; er weiß und sagt, daß er die Insel den Karthagern und Römern zum prächtigen Kampfplatz hinterlasse.

Nachdem unterwegs seine Beuteflotte von den Karthagern bei der Überfahrt schwer geschädigt worden ist, muß er noch bei Lokroi ein mamertinisches Heer schlagen, wobei es wieder zum Zweikampf in der Schlacht kommt; er haut, obschon verwundet, einen gewaltigen Mamertiner, der ihn herbeikommen heißt, wenn er noch lebe, von oben herunter in zwei Stücke. Indes, da er nun wieder in Tarent ist, hat er zwar wohl noch 23000 Mann; es sind aber griechische Landstreicher und Barbaren, während seine tapfern Epiroten (die einst ohne Zweifel in Hoffnung auf guten Raub mitgegangen waren) lange tot liegen. Und nachdem er (275) bei Benevent unterlegen ist, hat er keine andere Wahl mehr, als nach Epirus zurückzukehren, bevor die karthagische Flotte ihn absperrt.

Vergeblich stellt er jetzt Hilfsbegehren an die Könige von Makedonien und Syrien, indem er sie vor Rom warnt; man fürchtet ihn im Osten nicht mehr und weist ihn ab, und Antigonos Gonatas vergleicht ihn damals mit einem Spieler, der trefflich würfelt, aber seine Würfe nicht zu benützen versteht. Da er nun aber zwar noch 5000 Mann zu Fuß und 500 zu Pferde nach Epirus gebracht hat, indes kein Geld mehr hat, um diese zu ernähren, muß er sich nach einem Krieg umsehen. Und als sich nun auch noch Gallier zu ihm schlagen, fällt er plündernd in Makedonien ein, nimmt mehrere Ortschaften, gewinnt 2000 Überläufer und greift Antigonos selbst an. Nachdem die mutigen Gallier, die auch dieser hat, umgekommen sind, und die Elefantenführer sich samt ihren Tieren ergeben haben, stürmt er gegen die Phalanx, streckt die Rechte aus, ruft Strategen und Taxiarchen mit Namen und macht dem Gegner sein ganzes Fußvolk abspenstig. Dem flüchtigen Antigonos bleiben nur noch die Hafenstädte, und Pyrrhos weiht die schönste Beute in den Tempel der itonischen Athene mit einem Doppeldistichon auf den Sieg über die Gallier und den Makedonierkönig, dessen Schluß darauf hinweist, daß die Äakiden jetzt wie vor alters Helden mit der Lanze seien. Aber, daß nun seine Gallier die Gräber der alten makedonischen Könige in Ägä plündern, kann er doch nicht hindern126, und bald sucht er, da seine Herrschaft[442] hier wieder keine Dauer verspricht, Herr des Peloponnes zu werden. In diesem spielen sich (272) seine letzten Schicksale ab. Er nimmt sich zuerst des schlechten, manquierten Spartanerkönigs Kleonymos an, aber ein Überfall von Sparta mißglückt, und beim Abzug aus Lakonien fällt sein ältester Sohn, Ptolemäos, dem er durch ein gewaltiges Gemetzel noch gewissermaßen ein Totenopfer darbringt. Dann rückt er in die Ebene von Argos ein, während Antigonos sich auf den Höhen hält und, auf die trotzige Einladung, zum Entscheidungskampfe herabzukommen, die höhnische Antwort zurückschickt, es ständen ja Pyrrhos viele Wege zum Tode offen, wenn er zum Leben keine Zeit habe. Im Straßenkampfe zu Argos stürzt dieser dann, von einer Frau mit einem Stein getroffen, vom Pferde, und ein Makedonier haut ihm das Haupt ab, aber zitternd und ungeschickt, weil ihn noch ein furchtbarer Blick des Gefallenen getroffen hat. Antigones aber zieht die Chlamis weinend über die Augen, schilt seinen Sohn einen ruchlosen Barbaren, da ihm dieser das Haupt hinwirft, und läßt Haupt und Leib mit allen Ehren verbrennen und bestatten127.


Nach diesem Blick auf die Persönlichkeit der Diadochen müssen wir noch die Ausbildung ihrer Reiche, ihre Politik und Regierung betrachten. Sie sind die ersten Griechen, welche sich großer Staaten bemächtigen, und haben dabei den Vorteil, daß die persische Regierung überall nur die Erinnerung an Ohnmacht und Abscheu hinterlassen hat, so daß selbst Persis keinen nationalen Retter mehr stellt. Und nun tragen sie mit einer einfachen Logik auf ihr Fürstentum die griechische Staatsidee über. Dem Staat war bei den Griechen gegen den einzelnen gar alles erlaubt gewesen, und den unterlegenen Gegner hatte die Polis (oder wer sich dafür ausgab) ohne alles Erbarmen zernichtet. Diesen Staat fühlt nun der einzelne Diadochenfürst samt allen Rechten in sich konzentriert; er ist die zum Individuum gewordene Polis und könnte so gut als Ludwig XIV. aussprechen: »l'état c'est moi.« Vielleicht mit voller Naivität begeht er dann alles das, was zur Befestigung seiner Herrschaft irgend zweckdienlich ist, auch, was immer entsetzlich bleibt, den konsequenten Wortbruch gegen Gegner, die sich auf Sicherung des Lebens hin ergeben; denn, was man heute unterließe, müßte man vielleicht in einem Jahre mit ganz andern Blutströmen nachholen oder selber untergehen. Rücksicht auf das Leben der Konkurrenten, Teilung der Macht in irgendeiner Art kommt diesen Fürsten nicht in den Sinn128; da sie aber wirklich nach der Zweckmäßigkeit[443] morden, so können sie auch später, sobald ruhige Zeiten da sind, nach der Zweckmäßigkeit regieren. Ihr Despotismus ist also wesentlich ein anderer als der der griechischen Stadttyrannen, welche zu Gegnern Bürger haben und aus der Gewaltherrschaft nie herauskommen und anderseits auch als der des altorientalischen Despoten. Es sind Gräko-Makedonier in großen Verhältnissen, und ihre Gegner sind andere Diadochen oder auch hie und da abfallende Bevölkerungen barbarischer Nationalität.

Es kann sich fragen, ob nicht von diesem Gesichtspunkt aus selbst für Kassander eine Art Ehrenrettung möglich wäre. Er hat zwar von Anfang an üble Prädikate des Übermutes und der Heftigkeit, und Antipater selber vermacht nicht ihm, sondern Polysperchon die Reichsverweserschaft. Aber er erhält diese in der Folge doch durch Philippos Arrhidäos oder vielmehr dessen Gattin Eurydike, und als nun, da er kaum den Rücken gewandt hat, Olympias in Makedonien erscheint und nicht nur an diesem Königspaar, sondern an hundert Anhängern, darunter auch einem Bruder Kassanders, furchtbare Rache nimmt, mag er fortan alles für erlaubt gehalten haben: die Tötung der Olmpias, die Vermählung mit Philipps Tochter Thessalonike, später, damit die Makedonier auch nicht mehr von deren Thronerhebung sprechen, den Mord des jungen Alexander und der Roxane, endlich durch den bestochenen Polysperchon den des Herakles, des Sohnes Alexanders und der Barsine; obA11 die Söhne Alexanders von Orientalinnen jemals fähig gewesen sein würden, Makedonien auch nur ein paar Monate zu regieren, ist freilich sehr zweifelhaft. Im übrigen muß Kassander, der (297) als König gestorben ist, nach seinen Kämpfen mit Demetrios zu schließen, ein Mensch von größter Kraft und Entschlossenheit gewesen sein. Was aber Verbrechen betrifft, so besinnt sich auch der sonst wegen Menschenfreundlichkeit sehr gelobte Ptolemäos Lagi keinen Augenblick, gefährliche Leute und solche, die es werden konnten, auf eigene Faust aus der Welt zu schaffen129; sein Sohn »Philadelphos« tötet Brüder130. Und Antigonos läßt nicht nur den des Abfalls verdächtigen Mithridates von Pontus töten, sondern auch die von Diadochen vielumworbene letzte Schwester Alexanders, Kleopatra131. »Mord oder Hochzeit« war offenbar der Spruch gegen die Frauen dieses Hauses.

[444] Den Anfang zur Entstehung der Diadochenreiche macht jenes ganz unerhörte Herumjagen, das man sich zu leicht mit der Schlacht bei Ipsos (301) als einigermaßen beendigt denkt. Man beginnt nach Alexanders Tode mit einem Notvertrage der Marschälle als Satrapan, wobei echt griechisch ist, daß sich sofort viele gleichberechtigt dünken132. Es geht aber nicht lange, bis der Eindruck vorherrscht, es seien Königreiche, nicht Statthalterschaften verteilt worden133. Und nun haben nacheinander Absichten auf das Ganze: Perdikkas, der bald ermordet wird, aber doch lange genug lebt, um sich mörderisch und gewalttätig zu zeigen134, Antigonos, der noch in seinem achtzigsten Jahre darnach strebt, nachdem er der erste gewesen ist, der offenkundig vom Königshaus abfiel, endlich Seleukos und sein Haus. Es müssen desperate Zeiten gewesen sein, da man in dieser hadernden Republik von Riesen der Sache gar kein Ende absehen konnte; und eigentlich hört, so lange die Einzelnen noch Kräfte haben und Rom das Monopol des Handelns noch nicht besitzt, der Kampf gar nie auf. Die Seleukiden z.B. kämpfen, solange sie können, gegen Ptolemäer, Pergamener, Abtrünnige aller Art, dann gegen Parther, Makkabäer, Staaten des nördlichen Kleinasiens usw.; ganz am Anfang haben sie es auch noch mit Indien zu tun. Vollends unglaublich bunt aber ist fünfzig Jahre lang von Alexanders Tode bis zum festen Besitz des Antigonos Gonatas die Geschichte Makedoniens. Hier geht durch den Fluch ob der Ausrottung des ganzen temenidischen Königshauses, welches immer eine Geschichte von der höchsten weltgeschichtlichen Tragik sein wird, das Geschlecht Antipaters und Kassanders unter135, und nun herrschen in dem unglücklichen Lande teils sukzessiv, teils nebeneinander: Demetrios Poliorketes, Pyrrhos, Lysimachos, Ptolemäos Keraunos, die Gallier, bis endlich die Antigoniden Meister werden. In der Galliernot lernten die Makedonier die großen Toten Philipp und Alexander wie Götter anrufen136; sie hatten sich aber lange einen Diadochen nach dem andern angesehen137, und die Leichtigkeit, womit Armeen und Volk zu einem neuen Herrscher übergingen, war erstaunlich; man konnte förmlich darauf spekulieren, einander die Mannschaft abzujagen.

[445] Was den Königstitel betrifft, so deutet Plutarch138 an, wie er (um 306) von Antigonos, Demetrios, Ptolemäos, Lysimachos und Seleukos wie mit einer Art von Scheu allmählich angenommen wurde; das Heer des Antigonos hatte das Signal gegeben, und die übrigen Fürsten folgten aus Rivalität nach139; nur Kassander wollte auffallenderweise nichts davon wissen, obwohl erst die von ihm anbefohlene Tötung der Roxane und des jungen Alexander den Diadochen die Möglichkeit gegeben hatte, in ihren Gebieten gewissermaßen eroberte Königreiche zu sehen140, und obschon die andern ihn mündlich und schriftlich König nannten. Der Titel brachte dann den höhern Ton und abgeschlossenen Umgang mit sich, indem man »wie tragische Schauspieler zugleich mit der äußern Tracht auch die Manier im Gehen und Sitzen und Reden und Grüßen änderte«. Je mehr es aber während dieser Kämpfe im ganzen vordern Asien eine ausgemachte Sache war, daß die Diadochen Souveräne seien, desto gewisser war es bei ihnen, daß sie weiter kämpfen müßten. Der Rang, den die einzelnen bei Alexander gehabt hatten, entschied bei diesen Herrschaftsfragen nichts mehr; vielmehr lebte gerade in den Tüchtigsten, wie Pyrrhos, eine von aller Legalität unabhängige Voraussetzung, daß Länder erobern und Reiche gründen dürfe, wer da könne; die militärische Persönlichkeit gab einstweilen den Ausschlag; was einer verlor, gewann gewiß und unvermeidlich ein anderer.

Nun kommt es zwar in diesen Kämpfen zu einzelnen ritterlichen Gentillessen, die für gewöhnliche Griechen ganz unverständlich sein mochten und einen eigentümlichen makedonischen Zug verraten, teilweise wohl auch daraus zu erklären sind, daß man sich noch vom Agema Alexanders her kannte. SelbstA12 von Antigonos wußte man einiges dieser Art141. Ptolemäos sendet dem jungen Demetrios, den er bei Gaza geschlagen, sein ganzes verlorenes Gepäck zu, »da sie ja den Krieg nicht um allen Besitz, sondern um Ruhm und Ehre führten«; Demetrios aber fleht hierauf zu den Göttern, sie möchten ihn nicht lange in des Ptolemäos Schuld[446] lassen und begräbt dann in der Tat als Sieger im Kampf um Zypern die Feinde herrlich und entläßt die Gefangenen. Er und der auch sonst noble Seleukos begegnen sich damals, als dieser die Stratonike in Empfang nimmt, höchst zutrauensvoll, und im Zelte des Seleukos sowie auf dem Schiffe des Demetrios finden gegenseitige Bewirtungen statt; durch jenen wird Demetrios auch mit Ptolemäos befreundet und zweitweise dessen Eidam; noch bei seinen letzten Angriffen auf Seleukos appelliert er beständig an dessen Gemütlichkeit142. Und dies alles war zwischen Persönlichkeiten möglich, die sonst sehr scharfer Entschlüsse fähig waren.

Aber dazwischen kommen die rücksichtslosesten Gewalttaten und Morde zwischen den einzelnen Dynasten und ganz besonders auch innerhalb der einzelnen Dynastien vor, und die Massen sind gegen diese Dinge so abgestumpft, daß z.B. das Heer des Seleukos den Ptolemäos Keraunos als Herrn von Thrakien und Makedonien anerkennt, nachdem dieser (280) den greisen König, dessen Begleiter er ist, auf dem thrakischen Chersones bei der Besichtigung des alten Argos-Altares ermordet hat. Als Lysimachos (292) in die Gefangenschaft des Getenkönigs Dromichaites geraten war, und dieser ihm seine und seines Volkes Armut und Genügsamkeit bewies, ihn mahnte, solche Männer nicht zu bekriegen, sondern zu Freunden zu haben, und ihn auch nach freundlicher Bewirtung als Freund entließ143, mag ihm zumute gewesen sein, als wäre er in einer bessern, edlern Welt und müßte nun wieder in ein Mordgetümmel zurück.

Zu einem eigentlichen politischen System oder gar »Gleichgewicht« kam es auch später nie. Während der Sukzessionskriege selber gab es nur Kriegsbündnisse und Friedensschlüsse des Augenblicks mit Grenzveränderungen und Prinzessinnenvermählungen, aber ohne die mindeste Sicherheit. Vielmehr ließen die Ansprüche der zwei größten Dynastien, nämlich die der Seleukiden, wenigstens auf das ganze diadochische Asien, und die der Ptolemäer auf Syrien, Palästina, Zypern, Karien, Kykladen und thrakische Positionen, sowie die Sorge aller Kleinern den Orient nie gründlich zur Ruhe kommen. In der Regel waren Makedonien und Asien gegen das Ptolemäerreich verbündet; denn die Ptolemäer, welche nach Polyb (V, 34) wenigstens anfänglich eine eigentliche auswärtige Politik hatten und auf dieselbe noch größern Ernst verwandten als auf die Regierung von Ägypten, und welche ferner sowohl durch den Besitz jener Außenposten als durch ihren entschiedenen Vorrang als Seemacht dieses[447] ihres Ägyptens sicher waren, hatten durch ihre Flotte die Möglichkeit, sich als Schutzmacht aller Kleinen zu geben144, und dies mußte zu beständigen Konflikten führen. Und doch haben dann die größten Kriege nur geringe Resultate von einiger Dauer. Als z.B. Ptolemäos Euergetes um 246 den größten Teil des Seleukidenreiches genommen hat und seine Heere bis Baktrien und Thrakien gedrungen sind, behält er zunächst doch nur Syrien, und auch dieses bleibt dann nicht lange ptolemäisch.

Von den Seleukiden rechnet wenigstens Antiochos III. noch einmal mit dem fernern Osten ab. Er erkennt nach mehrjährigen Kriegen seit 209 Parthien und Baktrien als unabhängig an und schließt Bündnisse mit ihnen, worauf ihn der Baktrier Euthydemos145 wenigstens noch einmal zu einem Plünderungszug auf Elefanten und Gold nach Indien unterstützt.

Den Angelpunkt des Schicksals für die auswärtige Politik aller Diadochenreiche bilden die Jahre vor und nach 200 v. Chr., da zuerst Philipp III. dem Hannibal rechtzeitig zu helfen versäumt, und dann Antiochos III. Philipp nicht gegen die Römer unterstützt. Nach Kynoskephalä (197) konnten dann die Römer von Antiochos die Freiheit aller Griechenstädte, die Räumung Europas und die Restitution von allem, was Ptolemäos und Philipp besessen hatten, verlangen. Sein Römerkrieg (192) kam zu spät, und nachdem er die Schlacht bei Magnesia am Sipylos verloren hat, muß er (189) Asien bis zum Taurus abtreten und außer einer enormen Kriegskontribution seine Elephanten und Schiffe hergeben. Seitdem müssen die Diadochen, wenn sie einander je angreifen wollen, immer erwägen, was Rom dazu sagen werde, und dieses hat es leicht, sie gegeneinander in tiefem Mißtrauen zu halten.


Was das Dynastische betrifft, so hätte die Erbfolge innerhalb der Königshäuser aus allen Kräften gesetzlich müssen gesichert und geregelt werden. Stattdessen aber finden sich in dieser Beziehung die erstaunlichsten Sprünge, und infolge davon geht es in allen Fürstenhäusern fast von Anfang an mörderisch zu. Um von entferntern Verwandten des königlichen[448] Hauses abzusehen, welche etwa als Statthalter Verrat üben und dafür fürchterliche Strafe zu leiden bekamen146, so erscheint gerade die nächste Verwandtschaft am schrecklichsten heimgesucht. Kinder, Mütter, Frauen werden mehrfach beseitigt, und der Brudermord ist beinahe wie ein mathematisches Postulat zugegeben147. Daß es freilich höchst gefährlich war, ältere Halbbrüder eines vorgezogenen jüngern am Leben zu lassen, lehrt die Handlungsweise des Ptolemäos Keraunos. Es war eine Ausnahme, daß Antigonos seinen mit dem Spieß von der Jagd heimkehrenden Demetrios herzlich begrüßte; er wies aber auch daraufhin, daß sie so zusammen ständen, und in der Tat blieb dieses Haus mehrere Generationen hindurch von Familienmord rein. Völlig war dies bei den Pergamenern der Fall; es war bekannt, daß auch Apollonis, die Witwe Attalos I. von Pergamon sich glücklich gepriesen hatte, weil ihr ältester Sohn, Eumenes, furchtlos unter seinen Brüdern verkehrte, wenn diese mit Schwert und Spieß bewaffnet waren148, sonst aber waren in den Familien beinahe die nämlichen Dinge wie bei den osmanischen Sultanen selbstverständlich.

Die Hauptursache hiervon sind die diadochischen Ehen, ein Unikum in der Monarchengeschichte von Orient und Okzident. Politische Ehen hatte es schon im alten Orient oft gegeben149, und auch zwischen griechischen Tyrannenhäusern waren solche vorgekommen. Jetzt heiraten die Diadochen, indem sie sich jedenfalls mit Absicht nicht mehr wie Alexander mit Orientalinnen verbinden, außer eigenen Schwestern nur sonstige Diadochinnen, so daß sich hier der Begriff der Ebenbürtigkeit in seinen Anfängen zu melden scheint; man rechnete, zumal bei politischen Allianzen, von Anfang an auf die Wirkung des Geblüts und gab daher bei Bündnissen, Friedenschlüssen, Grenzveränderungen und ähnlichen Anlässen die Schwester oder Tochter an den Paziszenten, der sie zur Garantie einbedungen hatte. Indes wandelten sich nun, abgesehen von der oft schrecklichen Persönlichkeit dieser Fürstinnen von Olmpias an und von der Untreue und Ausschweifung der Fürsten, in den ersten Dezennien nach Alexander die politischen Konstellationen sehr rasch, und ein Fürst konnte wünschen, eine Prinzessin, durch welche er einen Reichsanspruch erheiratet, nach erreichtem Ziel loszuwerden. Auf diesen Wegen[449] ging schon Perdikkas, indem er, um königliches Ansehen zu gewinnen, erstlich um jene später durch Antigonos beseitigte150 Kleopatra warb, die Schwester Alexanders des Großen und Witwe des Alexander von Epirus, zugleich aber, um leichter neue Truppen aus Makedonien zu erhalten, von Antipater eine Tochter wünschte. Antipater aber, der übrigens auch seinerseits gleich beim Ausbruch des lamischen Krieges dem Leonnatos, um von ihm Truppen zu erhalten, eine Tochter anbietet, merkte den Trug der Doppelwerbung, und Perdikkas erhielt keine von beiden151. Ganz entsetzlich aber ist es, wie Ptolemäos Keraunos gegen seine eigene Halbschwester Arsinoe, die Witwe des Lysimachos, verfährt. Um nämlich das Erbe des Lysimachos zu erhalten, heiratet er sie unter dem hohen, eidlichen Versprechen, ihre Söhne von Lysimachos zu adoptieren; ihm aber liegt nur an Kassandreia, welches sie noch innehat, und als sie ihm nun diese Stadt übergibt, empfängt er die ihm entgegengesandten Stiefsöhne scheinbar herzlich, läßt aber dann sofort die Burg besetzen und die Knaben in den Armen der Mutter ermorden, welche dieselben umsonst mit ihrem Leibe decken will; Arsinoe, die übrigens selbst ihren frühern Gemahl zur Ermordung eines Sohnes erster Ehe bewogen hatte, muß ins Exil nach Samothrake; sie wurde nachher noch die Gemahlin ihres Bruders Philadelphos.

Die gelindere Auskunft war die Polygamie, indem man bei einer neuen Konjunktur eine zweite und dritte Frau nahm. Wir finden dieselbe schon beim ältern Dionys, bei dem sie wohl auch schon einen politischen Grund gehabt hat, und im makedonischen Königshause war sie hergebracht und auch von Philipp und Alexander geübt worden. Aber nun kommt Demetrios und heiratet, wie wir gesehen haben, zu seiner Phila, der Tochter Antipaters und Witwe des Krateros, nacheinander Eurydike, die Witwe des Ophellas, Deidamia, die Schwester, Lanassa, die getrennte Gemahlin des Pyrrhos, und endlich noch eine Ptolemäerin. Phila ist zwar älter als er, aber Antigonos hat den Sohn bei dieser Verbindung den politischen Gewinn erwägen lassen, und als Mutter seines ältesten Sohnes, wie auch wegen ihrer Einsicht, muß sie dauernd viel bei ihm gegolten haben. Unter zahlreichen andern Beispielen der Polygamie wollen wir hier nur noch an die erstaunlich bunte Familie des Ptolemäos Lagi152 und an die dynastische Konfusion in der des Lysimachos153 sowie daran[450] erinnern, daß Pyrrhos nach dem Tode der ägyptischen Antigone eine päonische und eine illyrische Prinzessin und dann erst noch die erwähnte Lanassa heiratete, die ihm hernach aus Eifersucht auf jene Barbarenweiber durchging.

Auch Trutzwerbungen kommen vor. Als z.B. zwei Töchter des ersten Ptolemäos Gattinnen des Lysimachos und seines Sohnes wurden, warb Seleukos um Stratonike, die Tochter des Demetrios und der Phila. Daß er dieselbe dann seinem liebeskranken Sohn Antiochos abtrat, war kein großes Heldenstück, da sie ja im Seleukidenhause blieb154.

Endlich ist hier der Geschwisterehen Erwähnung zu tun. Auch hierin war der Hof von Syrakus vorangegangen, indem der jüngere Dionys sich mit einer Halbschwester verheiratet hatte, und auch Artemisia von Halikarnaß war die Schwester ihres Gemahls Mausolos gewesen155. Bei den Ptolemäern aber kommt die Sache mehrfach vor, und zwar von Anfang an; denn, wenn auch Berenike nicht einmal Stiefschwester des Gründers der Dynastie gewesen sein sollte, so ist doch jedenfalls die erwähnte Arsinoe Gemahlin ihres Halbbruders Keraunos und dann ihres leiblichen Bruders Philadelphos geworden. Auch bei den Seleukiden ist die Geschwisterehe nicht unerhört156.

Um aber auf die politischen Ehen zurückzukommen, so muß konstatiert werden, daß unter allen Umständen, ob man bei veränderten Konjunkturen die frühern Gemahlinnen beibehielt oder verstieß oder tötete, die Wirkung dieser Dinge auf den Charakter der Fürstinnen die schlimmste war; den Kindern aus den übrigen Ehen waren sie fast immer feind, und einem Stiefsohn gegenüber spielte die Diadochin da und dort die Rolle der Phädra. Sultaninnen darf man diese Frauen nicht nennen, insofern die moderne Sultanin im seltensten Falle als Tochter eines andern Hauses Ansprüche erhebt und überhaupt nicht öffentlich auftreten und Partei machen kann; ihr Einfluß geht nicht über die Schwelle des Harems hinaus. Die Diadochinnen dagegen bringen – hierin den Achämenidinnen, z.B. einer Atossa, gleichend – politische Ansprüche in die Ehe und handeln auch so, als hingen solche an ihrer Person. Sie und bisweilen auch die Gemahlinnen bloßer Stadttyrannen und Festungskommandanten haben so plötzlich eine höhere Bedeutung, als bisher Griechinnen[451] gehabt haben, und nun gehen von ihnen, indem das makedonische Geblüt und die asiatische Tradition zusammenkommen, Entschlüsse und Taten bisweilen furchtbarer Art aus. Mehrere erscheinen als mixta composita aus Olympias und Parysatis; man denke nur an die entsetzlichen Taten der Laodike, welche ihren Gemahl Antiochos II. (Theos) sowie eine andere (ptolemäische) Gemahlin desselben und deren Kind ermorden ließ und dann die böse Furie ihres eigenen Sohnes Seleukos II. Kallinikos wurde.

Wieweit die Diadochen in wichtigen Angelegenheiten das Volk, d.h. die gerade anwesenden makedonischen Truppen, um ihre Meinung befragten, möchten wir gerne wissen. Seleukos wenigstens soll dies getan haben, als er seinem Sohn Antiochos zu der Gemahlin Stratonike auch die östlichen Provinzen abtrat, indem er dazu eine vollzählige Ekklesie versammelte157. In Makedonien hielt sich Kassander an die Ekklesie, als es sich um die Verurteilung der Olympias handelte158, und anderswo befragte man etwa vor einer Entscheidungsschlacht die Armee. Im übrigen aber gab es jedenfalls keine innere Politik im alten Sinne; denn, wenn auch die Städte, zumal im Seleukidenreich, soweit sie hellenistisch waren, einen Schatten von lokalem Leben und Freiheit behielten, so ist doch der Diadochenstaat als solcher das Gegenteil einer griechischen Polis mit ihrem Leben und Leiden. Der Absolutismus, den z.B. der erste Seleukos mit dem Worte ansprach, daß immer das das Gerechte sei, was der König verfüge159, führt hier schon nahe zu einem Fürstentum wie später das mohammedanische; auch mit der der römischen Kaiser könnte man die Führung der Herrschaft vergleichen; nur sind eben diese Staaten improvisiert, und keiner hat einen Boden, wie die römische Republik gewesen war. Unter dem Fürsten kommt eine bürokratisch organisierte Beamtenschaft, deren Befugnisse sich weit erstrecken, so daß z.B. die Strategen des ptolemäischen Reiches Zivil- und Militärgouverneure zugleich, somit soviel als Paschas sind. Während in Makedonien einst ein Adel als Kriegsorganismus vorhanden gewesen war, gibt es jetzt höchstens einen Standesunterschied, der auf Etikette, aber keinen mehr, der auf Geburt beruht, keine möglicherweise an einen Stand sich anknüpfende spezielle Pietät und Treue, und wenn also eine oberste Rangklasse am ptolemäischen Hofe die »Anverwandten« (συγγενεῖς) heißt, so sehen wir darin einen bloßen Titel und glauben nicht an einen Erbadel160. Dagegen[452] muß am ptolemäischen und in dessen Nachahmung am seleukidischen Hofe ein Zeremoniell ausgebildet gewesen sein, wie es der Hofstaat und die Beamtenhierarchie verlangt, und zwar war die Etikette wohl nach persischem Vorbild geregelt161.

Bei der Inkonsistenz aller Diadochenhöfe und dem Mangel einer festen Hoftradition162 wäre das Wünschenswerteste nun jederzeit möglichste persönliche Tüchtigkeit der Fürsten gewesen, zumal wegen des Umstandes, daß die Macht einzig auf eine Soldarmee begründet war. In casu mußte man sich aber auf alle Weise behelfen, und so »ernennt« denn z.B. ein junger König wie Antiochos V. einen Reichsverweser und Vormund, wie später die seldschukischen Atabeks waren. Auch tauchen noch in der kräftigern Zeit schon ganz verruchte Verbrecher als Hauptminister auf, wie z.B. der Karier Hermeias, welcher den Hof Antiochos III., des Großen, zur Hölle macht, allen andern Fallen stellt, den König, nur um nicht seiner Ränke halber zur Rechenschaft gezogen zu werden, in Kriege verwickelt, Gegner durch fingierte Briefe, die er unter ihre Briefe mischt, stürzt und tötet usw. Sobald Antiochos einen Sohn hat, stellt er ihm selber, um für das Kind die Vormundschaft führen zu können, nach dem Leben und befördert seinen Zug nach Atropatene, wo er leicht den Tod finden kann. Endlich hilft ein Arzt, Apollophanes, dem schon völlig eingeschüchterten König ein Komplott gegen Hermeias einzufädeln; derselbe läßt sich auf einer Promenade bei Sonnenaufgang einzeln zwischen eingeweihten Begleitern des Königs haschen und niedermachen. Und jetzt wird Antiochos auf seiner Weiterreise überall mit Jubel empfangen, und in Apamea steinigen die Weiber und die Knaben die Gattin und die Knaben des Hermeias163.

Was die politischen Foltern und Strafen betrifft, für die es bereits während Alexanders Zug nicht an Beispielen fehlt, so genügt es schon, daß diese Fürsten Griechen sind, um sich gegen den Gegner alles zu erlauben; es kommt nun aber noch die vorgefundene Tradition des orientalischen Despotismus und etwa auch der griechischen Tyrannis hinzu. Dem orientalischen Stil ist z.B. die Strafe angenähert, die Achäos, der Vetter des nämlichen Antiochos findet, als er während dessen Zug nach Atropatene im Einverständnis mit Ägypten das Diadem genommen hat, nach[453] längerm Krieg aber durch Verrat in die Hände des Königs geliefert und nachts in dessen Zelt gebracht worden ist. Zuerst verstummt zwar Antiochos, der auch sonst generös sein konnte164, und weint ob der Größe des Schicksals seines Vetters; aber vor Tagesanbruch treten die Freunde ins Zelt, und nun wird Rat gehalten und beschlossen, dem Achäos zuerst Hände und Füße und den Kopf abzuschneiden und den Rumpf, in eine Eselshaut genäht, zu kreuzigen. Und so geschieht es165.

Kein Wunder, wenn politisch Bedrohte für sich und die Ihrigen den rechtzeitigen Selbstmord vorziehen. Der ebenfalls von diesem Antiochos abgefallene Satrap Molon von Medien tötet sich, nachdem er in einer Schlacht unterlegen ist, im Hinblick auf die ihm, wenn er lebend gefangen würde, bevorstehenden Foltern (αἰκίαι). Ähnlich machen es fast alle Mitverschworenen; Molons Bruder Neolaos aber flieht aus der Schlacht zu dem andern Bruder Alexandros und tötet ihre gemeinsame Mutter und Molons Kinder und dann sich selbst, nachdem er Alexandros bewogen hat, dasselbe zu tun. Molons Leiche aber läßt Antiochos ans Kreuz schlagen166.

Daß unter diesen Umständen die Geselligkeit an diesen Höfen eine gefährliche und der Aufenthalt daselbst für Literaten, Philosophen usw. unsicher ist, versteht sich leicht. Zwar muß man vor allem griechischen Umgang haben und liebt und wünscht bei den Leuten das böse Mundwerk167; aber wehe ihm, wenn es gewisse Schranken nicht innehält! Einem solchen kann es gehen wie am Hofe des Lysimachos dem Telesphoros (noch dazu einem Hyparchen), den der König wegen eines Wortspiels auf die vomierende Arsinoe in einer Marderfalle herumführen und so sterben ließ168. Der Zotendichter Sotades ferner, der, wenn er in Alexandria war, auf Lysimachos, bei diesem auf Ptolemäos Philadelphos und so anderswo auf andere Könige schmähte, glaubte sich vergebens sicher, als er verreist war, nachdem er in Alexandria den König wegen seiner Schwesterehe verhöhnt hatte; denn auf der Insel Kaunos packte ihn ein Stratege des Ptolemäos und versenkte ihn in einer bleiernen Kiste[454] ins Meer169. Überhaupt kommen eine ganze Anzahl von Hinrichtungen von Literaten vor. Wegen eines Distichons auf die pergamenischen Fürsten wurde der Grammatiker Daphitas gekreuzigt170. Schon den Demetrios von Phaleron hatte seine wissenschaftliche Bedeutung nicht vor der schweren Ungnade des Philadelphos geschützt. Über das sonstige Verhältnis der Diadochen zu den Philosophen und über das zum Theaterwesen soll später noch gesprochen werden. Hier möge nur noch erwähnt sein, daß es auch an diesen Höfen an Parasiten nicht fehlte. Von jedem hervorragenden Diadochen bis in die späte Zeit wird irgendein Hofparasit namhaft gemacht, dessen (oft fade) Witzworte wie die der bevorzugten Hetäre zitiert werden171; noch Mithradates hatte seinen Kolax Sosipatros und Crassus seinen Andromachus von Karrhä172.

Wieweit das Verwaltungswesen der asiatischen Diadochen wirkliche Verdienste hatte und über die bisherige persische und sonstige orientalische Routine hinausging, weiß niemand zu sagen. Ein Herrscher wie Antigonos hat als Herr über die Gegend des toten Meeres sofort den Gedanken, aus dem dortigen Asphalt eine Quelle von Einnahmen (πρόσοδος) zu machen173, und da die Schätze Alexanders bald versiegten, wird man immer sehr auf Ausbeutung aller möglichen finanziellen Hilfsmittel haben müssen bedacht sein. Das meiste Geld haben jedenfalls immer die Ptolemäer gemacht, und wenn behauptet wird, daß Philadelphos, wie auch andere Diadochen, die Staatswissenschaft eifrig gepflegt habe174, so dürfte dies hauptsächlich auf die Kunst, die Finanzen in Blüte zu erhalten, zu beziehen sein; das Söldnerheer und die Flotte machten dies dringend notwendig.

Hier kommen wir nun auf das Heerwesen. Dieses war von Alexander auf eine höchste Stufe der Vollkommenheit gebracht worden, und stolzere Truppen als sein Agema, welches nun ungefähr einem ersten Garderegiment entsprach, und seine berittenen Genossen (ἑταῖροι)175[455] gab es nicht, wie auch die von Philipp ererbteA13 Phalanx an Manövrierfähigkeit unübertroffen war; Makedonier, Söldner und eingedrillte Orientalen waren hier zu einem großen Heeresorganismus vereinigt.

Zunächst wirkt nun noch das durch Alexanders Großtaten ungeheuer gesteigerte Bewußtsein aller Mannschaften nach. Vor Schlachten zwischen Diadochen wird pathetisch daran appelliert. So sagt z.B. Seleukos in der Rede an seine Truppen, die er gegen das zahlreichere Heer des Antigonos ermutigen muß, Mitkämpfer Alexanders, die einst um ihrer Trefflichkeit willen von jenem befördert worden seien, sollten sich nicht bloß im Hinblick auf Menschenzahl und Geld, sondern auf Erfahrung und Einsicht entscheidenA14, durch welche jener seine wunderbaren Großtaten vollbracht habe176. Der einzelne Feldherr mußte diese Leute diskret behandeln und sich ihnen, um irgendeinen außerordentlichen Entschluß bei ihnen zu erreichen, noch sehr gleich stellen, wie es denn anläßlich der nämlichen Gelegenheit von Seleukos heißt, er habe mit ihnen auf dem Fuße der Gleichheit verhandelt (ἐπολιτεύετο), so daß jeder Scheu vor ihm empfand und sich die Gefährlichkeit des Wagnisses gerne gefallen ließ. Auch hatten während des Sukzessionskrieges die Truppen noch sehr vielen eigenen Willen. Gleich nach Alexanders Tode schon entzweiten sich die verschiedenen Waffengattungen177, und einem Korps wie den Argyraspiden schien jeder Dienst nach Alexander zu gering178; freilich wurden diese, nachdem sie in der berüchtigten Manier den Eumenes verraten hatten, durch Antigonos absichtlich aufgeopfert, »sintemal der Verrat den Herrschern angenehm ist, aber den sich dazu hergebenden einzelnen Verderben bringt«179. Aber auch später sind es eigentlich die Soldaten, welche darüber entscheiden, wer Diadoche sein könne und wer nicht. So verdankt Ophellas seine Herrschaft über Kyrene gewiß nur dem Umstande, daß sie in ihm einen der Freunde Alexanders sahen, die dessen Feldzüge mitgemacht hatten180. Wie begeistert Demetrios vor Gaza, als der noch junge und frische Anführer, von den an und für sich Veränderung liebenden Soldaten empfangen wurde, weil sich noch nicht aus mancherlei Vorwänden ein Gesamtvorurteil gegen ihn aufsummiert hatte, haben wir oben (S. 427) gesehen; man ahnt dabei, welcher Kritik der ältere Feldherr oft unterliegen mochte.

[456] Aus mehrern und einleuchtenden Gründen war es anfangs für jeden Diadochen höchst wesentlich, möglichst viele Makedonier in seinem Heere zu haben; schon Perdikkas sucht sich solche aus dem Stammlande zu verschaffen181, Seleukos reiht 311 die in dem mesopotamischen Karrhä angesiedelten teils durch Überredung, teils durch Zwang in sein Heer ein182. Ihre Zahl bei den Heeren wird gerne besonders angegeben; z.B. die Phalanx des Fußvolkes, das Demetrios bei Gaza kommandierte, bestand noch aus 2000 Makedoniern neben 1000 Lykiern und Pamphyliern und 8000 Söldnern; bei einer andern Gelegenheit hat Demetrios neben 10000A15 Söldnern und 4000 Reitern 5000 Makedonier zu Fuß. Da aber Werbung in Makedonien nicht möglich war, mußte mehr als ein Diadoche dringend wünschen, Makedonien selbst zu besitzen, daher man sich denn auch, wie gesagt, fünfzig Jahre lang um diesen Besitz gestritten hat. Gerne wüßte man sodann, wie lange die Werbung von Griechen noch ergiebig blieb; doch scheint eine bedeutende Steigerung des Reislaufens aus den Poleis in den diadochischen Dienst stattgefunden zu haben. Noch Antigonos, der in Sparta die Ermächtigung hierzu erhalten hatte, bekam aus dem bloßen Peloponnes 8000 Mann; Nebenkorps, wie Speerwerfer, Bogenschützen, Schleuderer bekam man von nahe und ferne leicht; für eine Spezialaufgabe wie das Mauerersteigen kommen z.B. ätolische Vorkämpfer (πειραταί) vor183; später waren das Söldnervolk κατ᾽ ἐξοχήν neben Thrakern, Kretern usw. die Gallier184. Schließlich waren während des Sukzessionskrieges auch Ausgehobene gewiß massenhaft in die Heere eingestellt; doch wird kaum sicher zu kontrollieren sein, wieviel deren jeder Fürst seinem Lande entnahm; die Hauptstütze waren doch die Geworbenen.

Je nachdem man in der Not Söldner brauchte, stellten diese exzessive Bedingungen. Als z.B. Antigonos Gonatas Gallier unter BideriosA16 warb, versprach er »Jedem« – für welche Zeitdauer ist nicht gesagt – ein makedonisches Goldstück und gab ihnen als Geiseln angesehene Leute. Nachdem er darauf eine Schlacht geliefert hatte, verlangten sie diesen Sold auch für ihre Weiber und Kinder, weil der Ausdruck »jedem Gallier« auch die Unbewaffneten einschließe, und drohten, wenn ihnen nicht nach ihrer Rechnung 100 Talente (statt 30) bezahlt würden, die Geiseln zu töten. Antigonos ließ ihnen darauf die volle Zahlung versprechen und sagen, sie möchten nur Boten schicken. Als aber die Barbaren, die sich ein[457] festliches Pathos aus dem Goldholen und Goldbringen machten, ihre besten Leute schickten, behielt Antigonos diese natürlich zurück, bis die Geiseln herausgegeben waren; dann zahlte er die 30 Talente185.

Überhaupt hingen die Diadochen von Anfang an sehr vom guten Willen der Soldaten ab; denn das Abfallen und das Überlaufen von dem einen zum andern lag diesen sehr nahe, und die Beispiele hierfür sowie die der Sorge davor sind nicht selten. So erscheint Seleukos, da er weiß, daß die Leute des Demetrios etwas mutlos sind, plötzlich mit einer auserlesenen Schar bei dessen Heer, wirft seinen Helm ab und fragt, wie lange sie noch so verrückt sein wollten, bei einem Hungerleider zu dienen, während sie doch den Sold eines reichen Königs genießen und selbst an einer vorhandenen, nicht bloß erhofften, Macht teilhaben könnten. Die Folge ist, daß sie Speere und Schwerter wegwerfen, die Hände emporheben und scharenweise zu ihm überlaufen186. Söldner eines Besiegten stellte der Sieger außerordentlich leicht in sein eigenes Heer ein; nur mußte man sie unter die übrigen Mannschaften mischen. Dies tat z.B. Demetrios mit den 16600 Mann der zyprischen Garnisonen des Ptolemäos und in kleinerm Maßstabe auch später187. Ein von Antigonos abfallender General, Telesphoros, aber verkauft seine Schiffe bei Korinth188 und läßt sich, indem er die Soldaten, die sich ihm anschließen wollen, mit sich nimmt, auf eigene Unternehmungen ein, welche darin bestehen, daß er Elis unterwirft und sich in dessen Burg festsetzt, den Tempel von Olympia plündert und aus den 50 Talenten, die er so gewonnen hat, weitere Söldner wirbt.

Wenn aber Söldner gefährlich zu werden drohten, entledigte man sich ihrer auch auf die unbedenklichste Weise. Lysimachos läßt 5000 Autariaten (offenbar Söldner aus einem illyrisch-dalmatischen Volk), die er in seinem Dienst hatte, einfach ermorden, weil sie in einer Schlacht gegen Demetrios ihr Gepäck verloren haben und nun zu fürchten ist, sie könnten sich empören189, und als Ptolemäos Philadelphos 4000 Galater bei der Absicht ertappt, indes er gegen Kyrene ziehe, seine Schätze zu plündern und Ägypten für sich zu besetzen, bringt er sie nach einer öden Insel, wo ihnen nur übrig bleibt, teils einander zu töten, teils Hungers zu sterben190. Glimpflicher wurde in einem Falle verfahren, welcher zugleich zeigt, daß[458] diadochische Kommandanten sich selbst mit Piraten gegeneinander einließen. Änetos, der Stratege des Demetrios, hielt Ephesos besetzt und durchstreifte die dortige Gegend mit vielen Piraten; da bestach Lykos, der Feldherr des Lysimachos, den Piratenhäuptling Andron mit Geld und bemächtigte sich durch List der Stadt und des Änetos; da man den Piraten aber wegen ihres Verrats an den vorigen Freunden doch nicht traute, löhnte man sie aus und schickte sie sogleich wieder fort191.

Die große allgemeine Veränderung aber, die sich seit Alexander im Heereswesen zeigt, besteht darin, daß dasselbe im völligen Gegensatz zu den Bürgerheeren der Polis plötzlich den Charakter der Massenhaftigkeit hat; der Krieg nimmt einen neuen Maßstab an, wovon die ältere Zeit nichts wußte. Solange die Schätze Asiens reichten, von denen besonders Antigonos noch viel besaß, waren Söldnermassen ohne Ende möglich; hätte man noch können »den Reichtum Karthagos rauben«, wie die Griechen im Heere des Ophellas meinten192, so hätte es vielleicht noch einmal solange gereicht. Jedenfalls lohnte es sich mit den jetzigen Mitteln und bei der jetzigen Aussicht auf dauernden Kriegszustand, den ganzen Krieg systematisch auszubilden. Man legte also an festen Punkten dauernde Depots an, häufte Vorräte auf, hatte gewiß in den Festungen auch Kasernen; auch fand es ein Antigonos, so weit er in Asien herrschte, vorteilhaft, Erleichterungen wie Feuersignale und Depeschenträger193 regelmäßig zu verwenden. Ob die Kunst des Festungsbaues und der Feldbefestigungen wesentlich zunahm, kann fraglich sein, weil hierin schon die altgriechische Zeit (z.B. bei Platää) Hohes geleistet hatte; doch ist für den Festungskrieg und für Minen, Gegenminen usw. die Belagerung und Verteidigung von Rhodos194 jedenfalls klassisch. Neu ist sicher die Anwendung der Großmechanik auf die Belagerungsmaschinen, dergleichen bei den kurzen frühern Feldzügen der Griechen kaum ernstlich vorkam, jetzt aber den besondern Ruhm des »Städtebelagerers« Demetrios195 wie später des Archimedes ausmachte, trotzdem der an Hoplitencarrés und Reiterei gewöhnte griechische Geist in der Artillerie zunächst[459] etwas Unbilliges, Unwürdiges erkannte196. Und nun nahm auch die Marine einen neuen Aufschwung. Größere Schiffe als Trieren hatte erstA17 der ältere Dionys gebaut197; jetzt aber folgen die Penteren, und der Haupterfinder auf diesen Gebieten, Demetrios, hatte bei Zypern sogar eine Heptere. Für die Rudersklaven, deren die enormen Flotten198 mit ihren Riesenschiffen eine Unzahl erheischten, hatte man eben jetzt das unbeschränkte Menschenmaterial, sowie man auch an Phönikien199, Kilikien, Zypern und dem Festland bei Rhodos für die Flotte Hauptländer hatte. Ob freilich die Flotte die gleiche Ehre genoß wie das Landheer, wissen wir nicht. Man wird einigermaßen an den Ton erinnert, womit der erste Napoleon Admirale zu behandeln pflegte, wenn man liest200, wie Antigonos den Schiffsführern zu verstehen gibt, ihre Bedenken seien nur Feigheit.

In den Landkriegen aber waren die damalige ultima ratio regum die Elefanten. Im Kriege von Ipsos z.B. brachte Seleukos deren 480 mit201; Demetrios nannte ihn spottweise nur den Elefantarchen202. Er und seine Dynastie bedienten sich der indischen, während die Ptolemäer äthiopische hatten203. Nur seinen sechzehn Elefanten hatte z.B. auch Antiochos Soter einmal die Verblüffung und Niederlage der gallischen Reiterei zu verdanken. Während seine Soldaten jubelten, soll er dies als Demütigung beklagt haben204. Bei dem hohen Alter, das diese Tiere erreichen205, mochte mancher diadochische Elefant Gründung und Vergehen vieler Reiche überleben.

[460] Was die einzelnen Staaten betrifft, so weiß man wohl am meisten von Heer und Flotte der Ptolemäer. Diese hielten die Eingebornen jedenfalls sorgfältig von den Waffen fern, obwohl dieselben in früherer Zeit, bei ihren Aufständen gegen Persien, wenn auch seit dem V. Jahrhundert stets durch griechische Söldner und Hilfstruppen verstärkt, die Waffen wohl zu führen verstanden hatten. Erst im syrischen Kriege Philopators fochten 20000 geborene Ägypter mit. Diese lernten sich aber dabei fühlen und setzten sich hernach als Empörer zu Lykopolis im Delta fest, wo sie zunächst mit Grausamkeit gebändigt werden mußten; die Sache flammte aber dann noch einmal unter Epiphanes auf206. Die Hauptkraft des Heeres waren die makedonischen, griechischen, gallischen, später auch libyschen und thrakischen Söldnern207, die meist in und um Alexandria stationiert, aber teilweise auch zu Zwecken der Verteidigung, Polizei und Beitreibung der Abgaben im Lande verteilt waren. Dazu kam die für die Außenbesitze und deren Behauptung unentbehrliche Mittelmeerflotte, neben der es noch eine zweite auf dem Roten Meere gab. Ungefährlich waren aber auch hier die Söldner nicht. Die sogenannten Makedonier bedrohten und mißhandelten auch wohl König und Hof; es kam zu einer ganzen Reihe von Rebellionen, und unter Ptolemäos Epiphanes mußte dem schon sehr entarteten Korps, das mit der Zeit nicht besser als die unkriegerischen Ägypter wurde, der Sold erhöht werden208.

Das alte Kriegswesen hielt man nach Kräften in Makedonien aufrecht, dessen nationale Phalanx noch das begeisterte Lob Polybs erhält209. Im Seleukidenreich gab es wohl jederzeit neben den Söldnern auch einheimische Truppen, und auch die Bürger der Städte, z.B. Antiochias, waren bewaffnet, wie ja diese Städte zum Unterschiede von Alexandria noch wirkliche Poleis waren. Aber wesentlich stützten sich auch die Seleukiden auf ihr »makedonisches Heer«210, d.h. auf ihre Söldner, die großenteils von Seleukos I. an in dem vom Orontes als Halbinsel umströmten[461] sehr sichern Apamea konzentriert waren, das nach dieser Bewohnerschaft sogar Pella genannt wurde. Hier, wo der Städtebelagerer Demetrios ausgelebt hat, waren die 500 Elefanten des ersten Seleukos, seine Kriegsrechnungskammer, alle seine Drillmeister und Instruktoren und die königliche Stuterei mit 30000 Stuten und 300 Hengsten und den nötigen Bereitern211. Aber dieses Heer meuterte gleichfalls oft und verfügte z.B. nach dem gewaltsamen Tode Seleukos III. Keraunos über den Thron, indem es dessen jüngern Bruder Antiochos III. (den Großen) erhob. Unter diesem Fürsten kam es dann zum Kriege mit Rom, den uns Livius so schildert, daß wir von der kriegerischen Fähigkeit des Königs wie des Heeres eine geringe Meinung erhalten sollen212. Gerade mit den Mitteln von Apamea konnte dann auch ein Usurpator wie Tryphon (von 145 an) seine der Dynastie höchst gefährliche Usurpation Jahre lang durchführen.

Im freien Griechenland hob sich damals das Kriegswesen durch den Aufschwung des ätolischen und achäischen Bundes. An Aratos und Philopömen hatte man Feldherrn, die wieder etwas vorstellten. Von dem letztern erfährt man, daß er sich in der Kriegstheorie und in der Militärliteratur stark umtat; seine Hauptlektüre waren die Taktik des Euangelos und die Geschichtsschreiber Alexanders; auf kriegsgeschichtliche Karten aber verließ er sich nicht, sondern studierte selbst das Terrain früherer Kämpfe auf Weg und Steg genau. Seine Achäer bewaffnete und kleidete er neu und erregte mit ihnen laute Bewunderung, als er bald nach dem Siege über Machanidas bei Mantinea seine Phalanx an den Nemeen vor den Griechen manövrieren ließ. Als er später einmal in kretischen Diensten stand, hatte er sich rasch auch die dortige Kriegsweise besser als die Kreter selbst angeeignet213.

[462] Und nun endlich noch ein Wort über den Soldaten in der Poesie. Statt eines sentimental verherrlichten »edeln Kriegers«, ja statt eines angenehmen leichten Zeisigs wie Georges in der dame blanche, findet sich in der Komödie durchweg nur der Prahler und Hurer, welcher überall gefoppt oder auch um seiner Brutalität willen gefürchtet wird. So kennen wir ihn nebst demA18 ihm helfenden Parasiten aus dem plautinischen miles gloriosus; wir wüßten gerne, aus welcher Armee dieser Typus stammt. Aber auch Theokrit im XIV. Idyll, dessen Szene in Sizilien ist, führt eine wenig anmutende Gesellschaft ein. Der rohe thessalische Reiter Apis bewirkt, daß sich die Liebe der Kyniska zu einem andern in Gegenwart ihres Liebhabers Äschines und eines andern Soldaten verrät; Äschines schlägt sie, es kommt darüber zum Bruche, und der Bereuende erhält von einem andern, dem er die Geschichte erzählt, den Rat, in ägyptische Dienste zu gehen214.


Kurz müssen wir noch auf das Verhältnis der Fürsten dieser Zeit zur Religion zu sprechen kommen, wobei wir zuerst Alexanders zu gedenken haben. Dieser ist selbst ein frommer und leidlich abergläubischer Grieche, welcher einen regelmäßigen griechischen Kult hat215, Opfer und Vorzeichen beachtet wie Xenophon, Dankopfer bringt, wenn etwas gelungen ist, und auf die Manteis, zumal auf seinen Aristander aus Telmessos hört216. In festem Glauben an den Zusammenhang mit der Mythenwelt verfolgt er die klassischen Spuren des griechischen Mythus und opfert Göttern und Heroen, wo er deren Heiligtümer antrifft, von den Gräbern des Protesilaos und Achilleus an217 bis auf den Berg Meros bei Nysa, den er mit den Genossen und dem Agema besteigt218. Man wird an das mystische Treiben der Olympias erinnert, wenn man liest, wie sie sich dort in dem herrlichen Wald aus dem längst nicht mehr gewohnten Epheu Kränze machen, dem Dionysos Hymnen singen und ihn bei allen seinen[463] Namen rufen, und wie viele vornehme Makedonier, vom Gotte ergriffen, in ekstatischen Jubel ausbrechen. Der spezielle göttliche Schutz, unter dem er sich glaubt, heißt wie bei andern Griechen »das göttliche Wesen« (τὸ ϑεῖον oder ὁ ϑεός).

Die ersten Akte der Theokrasie sind es dann, daß er in Memphis dem Apis und den übrigen Göttern opfert, für die Isis, wie wir gesehen (S. 427) haben, in Alexandrien einen Tempel bauen läßt und nach dem Ammonium zieht, für welchen Zug er sich übrigens, auch abgesehen von Lysander, auf seine eigenen Ahnen Perseus und Herakles berufen konnte. In Babylon befiehlt er dann auch die Herstellung der von den Persern zerstörten Heiligtümer, besonders des Belostempels, verfügt in Sachen der babylonischen Gottesdienste nach dem Gutachten der hier vorgefundenen Chaldäer und opfert dem Belos nach deren Vorschrift, wie er denn überhaupt fortan oft nach fremden Riten opfert, so daß es ausdrücklich bemerkt wird, wenn dies nicht der Fall ist. Ob er dabei die Götter der verschiedenen Nationen als Nationalgötter oder als ur-identisch mit den Griechengöttern aufgefaßt hat, wird nicht gesagt; jedenfalls aber handelt er hier, indem er das Gegenteil von dem tut, was die fanatische Ormuzd-Religion getan hatte, mit politischer Absicht, und zwar mit der gleichen, aus der er auch die große Kommunion von Opis219 vorgenommen hat. Wenn es sich mit seinem Vorhaben richtig verhielte, neben Uranos und Dionysos der dritte Gott der Araber zu werden, »da er ja nach Unterwerfung dieser nicht geringere Taten als der letztere würde verrichtet haben«220, so hätte auch die Selbstvergötterung für die Diadochen mit ihm schon begonnen; vielleicht hatte man ihm über die arabische Religion Nachrichten beigebracht, die so etwas wie diese immerhin merkwürdige Trinität hätten zweckmäßig erscheinen lassen. Sicher beginnt der Kult des fürstlichen Lieblings mit Hephästion. Alexanders Frage an Ammon, ob er diesen als Heros verehren solle, wird bejaht221, worauf der Bau eines prächtigen Heroons in Alexandria beschlossen wird. Der König selbst aber wollte bei Ammon begraben sein.

Als Herren orientalischer Länder konnten auch die Diadochen kaum anders als irgendwie auf deren Religion eingehen, während sie zugleich überallhin die griechischen Kulte verbreiteten. Hierbei kam ihnen die alte Neigung der Griechen zugute, Verwandtschaft und Identität ihrer Götter mit denjenigen anderer Völker aufzusuchen222; opferte man doch im Ausland[464] fremden Göttern bis zur Zudringlichkeit und ließ sich durch deren abweichende mythische Gestalt und Kunstform gar nicht irre machen, und auch in Griechenland selbst hatten Fremdgötter längst einen, wenn auch nur bedingten, Eingang gefunden.

Vor allem kommen hier die Ptolemäer in Betracht. Schon Ptolemäos Lagi verrät ein sehr tiefes Eingehen auf die Theokrasie, und zwar bei der Angelegenheit des Serapis, welchen er, durch eine von dem Eumolpiden Timotheos aus Eleusis gedeutete Traumerscheinung gemahnt, aus Sinope am Pontus nach Alexandria kommen läßt. Wie man auch die dunkle Sache ansehe, ein Unterweltsgott, der in Sinope als Pluton galt und ohne Zweifel griechische Kunstform hatte (Kerberos und eine Schlange waren mit abgebildet) wird nach Alexandria transloziert und (wirklich erst hier?) als Serapis erkannt, d.h. als eine in Ägypten seit alter Zeit bekannte Gestalt des Osiris, die dem griechischen Pluton entsprechen sollte223. An der Stelle, wo jener Serapis mit Isis zusammen ein altes Heiligtum gehabt hatte, erhob sich nun das Serapeum, und Serapis wurde für Alexandria der große Stadtgott und hatte später seine Verehrung in 42, freilich fast lauter unterägyptischen Städten224.

Aber auch zur sonstigen Landesreligion wußten sich diese höchst einsichtigen Fürsten im Interesse ihrer Sicherheit und ohnehin als akkommodationsfähige Griechen gut zu stellen. Sie mochten wissen, wie sich die Perser mit ihrem Ormuzddünkel den Besitz von Ägypten erschwert und beständige Empörungen hervorgerufen hatten, und hatten die Wahrheit ergriffen, daß in Ägypten die Nationalität sich wesentlich in der Religion verkörpert hatte. Darum gingen sie, trotzdem sie die ägyptische Sprache nicht beherrscht zu haben scheinen225, auf den ägyptischen Stil und Tempelbau ein, machten große Schenkungen an die Priester, gewährten ihnen Steuererlasse usw., wußten es daneben aber doch so zu machen, daß die alten Tempel von ihrem Überflusse vieles an sie abgeben mußten; sie beschützten die Religion und brandschatzten sie daneben nicht wenig. Dabei vergaßen sie aber auch ihrer eigenen Vergötterung nicht, worin ihnen freilich die Pharaonen recht sehr und in hohem Grade[465] vorangegangen waren, und ließen sich Tempel bauen, Götterstatuen weihen226 und Päane singen227. Schon der erste Ptolemäos und seine Berenike wurden als die »rettenden Götter« (ϑεοὶ σωτῆρες) erklärt, und die Priester, indem sie so die makedonischen Könige für heilig und unverletzlich erklärten, statteten ihnen für die erwiesene Gunst Dank ab und erwarben sich neue Gunst, ohne doch wahrscheinlich die mindeste theologische Konzession zu machen228. Für dieses freundliche Verhältnis spricht es z.B., daß das dankbare Ägypten dem dritten Ptolemäos, welcher bei seinem großen asiatischen Beutezuge sehr sorgfältig die einst von Kambyses geraubten Götterbilder aufsuchte und wieder nach Ägypten brachte, den Namen Wohltäter (Euergetes) gab; und seinem Enkel Epiphanes zu Ehren ist für das viele, was er durch Bildwerke, Ausbesserungen und Neubauten für den ägyptischen Tempeldienst tat, die Inschrift von Rosette in hieroglyphischer, demotischer und griechischer Schrift gesetzt worden; für den nämlichen scheint auch die feierliche Königsweihe im Tempel des Phtha zu Memphis eingeführt worden zu sein229. – Neben diesem allen aber konnte noch etwas Internationales wie ein recht prächtiger Adoniskultus in dem gemischten Alexandria gewiß nach griechischer, phönikischer und sonstiger asiatischer Seite hin populär und am Ende auch den Ägyptern verständlich sein.

Während die Ptolemäer den einheimischen Kultus aufs höchste schonen, müssen die Seleukiden mehr die griechische Religion oben halten. Über Völker von verschiedenen Religionen herrschend und nicht nur auf ihre makedonischen Söldner, sondern auch auf ihre makedonisch-griechischen Reichsstädte sich stützend, sind sie in einer andern Lage als jene, und so kommt es denn höchtens vor, daß Seleukos Kallinikos (vor 226) in[466] Antiochia, wo überhaupt eine Art von Göttersammlung bestanden zu haben scheint230, ein Isisheiligtum baut, wozu Ptolemäos Euergetes das Bild der Göttin stiftet; auf Münzen aber erscheinen in diesem Staat nur Griechengötter. Auch die orientalische Vergötterung der lebenden Könige scheint hier nicht vorzukommen. Antiochos I. ließ einen Tempel mit einem Temenos ringsum, welches Nikatoreion hieß, zu Seleukia über der Asche seines Vaters bauen231; dies kann aber auf Heroenkultus gehen, und wenn später Antiochos II. »Gott« (ϑεός) heißt, so ist ihm diese Vergötterung nicht von seiten der Syrer zuteil geworden, sondern durch Beschluß der Milesier, die er von einem Tyrannen befreite. Jedenfalls ungünstig aber war das Verhältnis der seleukidischen Herrschaft zur Religion der Magier. Alexander scheint mit ihnen in Frieden und Einvernehmen gelebt zu haben; aber gleich gegen Seleukos beweisen sie sich falsch, indem sie den Versuch machen, diesen bei der Gründung von Seleukia am Tigris die rechte Schicksalsstunde versäumen zu machen, und zwar aus Angst, ihre Macht könnte verschwinden, wenn ein anderes, stärkeres Geschlecht sich neben sie setze232. Und da nun (um 235) die Parther sich eines großen Teils von Mesopotamien bemächtigen und die Seleukiden auf den Westen ihres bisherigen Reiches beschränken, finden sie sich sofort auf der Seite dieser neuen Macht, welche auch in religiöser Beziehung die größte Reaktion gegen das Hellenentum darstellt, ja das Aufkommen des Partherreichs muß teilweise geradezu ihr Werk sein.[467] Wenn also auch die Seleukiden die Zendreligion wohl geduldet haben würden, so waren doch die Repräsentanten dieser Religion ihre Feinde, und demgemäß mußte sich ein eigentümlicher religiöser Gegensatz bilden.

Mit der Zeit scheinen die Seleukiden sich nun freilich den asiatischen Kulten gegenüber auch nicht mehr geniert zu haben. Antiochos III., der Große, machte, vom Römerkriege her finanziell erschöpft (187), einen Plünderungszug gegen den Tempel des Belos in Elymais und wurde dabei samt seiner Mannschaft erschlagen. Sein Sohn und zweiter Nachfolger aber, Antiochos IV. Epiphanes, ließ sich zunächst von einer hellenistischen Partei unter den Juden dahin berichten, daß Palästina ihm nur dann sicher sein würde, wenn die strengen Anhänger des Judentums – die zugleich die Anhänger der Ptolemäer waren – unterdrückt würden, und außerdem lockten ihn die Schätze des Tempels von Jerusalem (ohne welchen Umstand er die jüdische Religion selbst wohl in Ruhe gelassen hätte). Durch seine Zwangseinführung von griechischer Kultur und griechischem Gottesdienst und die dabei geübten (wenn auch vielleicht in den Berichten stark übertriebenen) Dragonaden usw. hat er dann den heldenmütigen Widerstand der Makkabäer wachgerufen; er stirbt gleichfalls in Elymais bei der Heimkehr von einem neuen, wieder mißglückten Zuge gegen einen Tempel der Anaitis.

In Hellas selbst ist indessen die alte Religion im Bewußtsein der Menschen in zunehmender Zersetzung begriffen. Angesichts der theoretischen Unhaltbarkeit des Polytheismus gegenüber der Reflexion beginnen monotheistische, pantheistische und atheistische Weltanschauungen die Denkenden zu erfüllen, und auch der Rationalismus des Euhemeros, der ein Freund oder Beamter Kassanders war, gewinnt Boden. Hellenentum und Philosophie werden fast synonym; wo Barbaren wie die alexandrinischen Juden von jenem durchdrungen werden, lernen sie auch diese kennen233; aber anderseits dringen Baal und Astarte, die große Mutter und Attis, sowie der persische Mithras in die griechische Religion ein, und gerade diese Mischgottheiten werden überall sehr prachtvoll gefeiert. Das alles vollzieht sich, man weiß nicht wie; wie groß die Mischung war, kommt dann im Verlauf der römischen Zeit zutage.

Damals meldet sich auch, als ein wesentlich neues Element, das früher nur sporadisch ins griechische Leben hineinspielte, die Astrologie, während[468] zugleich von einer Befragung Delphis und anderer Orakel durch die Diadochen kaum mehr die Rede ist. Wir können für diese Sache, wodurch der griechische Geist auf ganz falsche Bahnen gelenkt worden ist, auf eine frühere Stelle dieses Werkes234 verweisen. Was dagegen echt griechisch bleibt, das ist die Freude am Mythus. Durch Übertragung griechischer Mythen (neben der überall selbstverständlichen der Namen) machte man sich die Städte des vordern Orients förmlich wohnlich. Dies ging mit Unterägypten schon von Homers wegen leicht, indem Proteus, Theonoe, Odysseus, Menelaos und Helena dort schon heimisch waren. Erst alexandrinisch dagegen wird z.B. die Sage von Kanobos sein, dem schönen jungen Geliebten Theonoes, der, am Bisse einer Schlange gestorben, von Menelaos und Helena an der Stelle begraben wird, wo jetzt die Stadt dieses Namens steht235; man hatte offenbar ein Begräbnis des Osiris-Adonis auf ihn übertragen. Aber auch in das Seleukidenreich folgt der Mythus dem Griechen nach. Die Quelle des Flusses Aborras (d.h. des Chaboras, der bei Kirkesion in den Euphrat mündet), soll nach Aussage der Eingeborenen dieselbe sein, in welcher Hera sich nach der Vermählung mit Zeus badete; dort ist Wohlduft weit umher verbreitet, und im Wasser hüpfen Scharen zahmer Fische236. Wie die Sage von Daphne und deren Verwandlung in den Lorbeer nach Antiochia verlegt wurde, und wie man dort griechische Heroen lokalisierte, haben wir oben (S. 411 f.) gesehen; auch eine Kastalia gab es dort, woselbst Apoll durch das Aufwallen und Aufbrausen des Wassers seine Offenbarungen gab, welche die Priester dann deuteten237.


Und nun die Griechen in der Heimat. Man kann bei Betrachtung der frühern griechischen Geschichte auf die Anschauung kommen, daß keine Potenz in der ganzen Weltgeschichte ihr Leben so furchtbar teuer bezahlt haben möchte, wie die griechischen Poleis. Vom Eindringen der Demokratie an herrscht in ihrem Innern die beständige Verfolgung gegen alle diejenigen Individuen, die etwas bedeuten können und zeitweise als Beamte, Strategen usw. bedeuten müssen, ferner die Unerbittlichkeit gegen das Talent, es mag so treu und ergeben dienen, als es will, die periodische Hetze gegen die, welche etwas besitzen, und endlich bei den Verfolgern das durchgebildete Bewußtsein: man habe es den Leuten so gemacht, daß jeder, der etwas sei, notwendig innerlich empört und daher bei gegebenem Anlaß ein Verräter sein müsse. Diese Zustände waren alt, und[469] die Vorstellung ist kindisch, als wären es die eines Tages gekommenen bösen Makedonier, die den Griechen die Freiheit und jeden höhern Wert geraubt hätten. Aber freilich, solange die Griechenwelt noch relativ geschlossen, die Abwesenheit von der Heimat ein Unglück, das Bürgertum trotz aller Mißhandlungen das Eins und Alles war, ging es noch so weiter. Nun aber war die Welt in unerhörter Weise geöffnet, die ganze Existenz beweglich, die Apolitie der Ausgezeichnetsten die Regel, und von verschiedenen Königshäusern her wurde auf die Städte losgearbeitet; sollten diese unter solchen Umständen nicht abdizieren und sich einem größern Staatsganzen, etwa Makedonien, anschließen?

Dies wäre um des persönlichen Glückes willen im modernen Sinne hundertmal das »Zweckmäßigste« gewesen. Die Polis aber ist ein furchtbar starker Organismus, der sich gegen eine furchtbareA19 Krankheit solange als möglich wehrt, und so behauptet und erneut man bis in alles Elend und allen Untergang hinein immer wieder die »Autonomie«. Für diese wehren sich die seit zweihundert Jahren meist zehnmal durch Mord, Umsiedelung und Neumischung veränderten, ja mit völlig neuen Bewohnern versehenen sizilischen Städte noch gegen Agathokles aufs wütendste; sie ist das Heiligtum der Hellenen, wie für andere Völker dieser oder jener Tempel. Der einzelne freilich – man denke an den Verfasser der aus frühmakedonischer Zeit stammenden pseudo-platonischen Dialoge Hipparch und Minos – geniert sich wenig, die Monarchie zu vergöttern, und hat manchmal ein wahres Genie des Kriechens vor gewissen Diadochen; auch ganze Städte verstehen sich darauf; aber in ein größeres Staatsganzes sich zu fügen (wobei sie ja noch hätten Bedingungen stellen können), ist ihnen total unmöglich, es mag in ihrem Innern noch so jämmerlich aussehen, und gar das stumpfe und unbesehene Übergehen moderner Städte von einem Staat an den andern kennen auch diese spätesten freien Griechen nicht; die orientalischen Diadochenstädte aber sind gleich als Teile größerer Staaten entstanden.

An der Autonomie hängt eben die Gleichheit, und der Ehrgeizigste muß sich darein fügen, ein Privatmann zu sein, als einer der vielen gezählt und bei den Wahlen von einem Beliebigen an Glück überholt zu werden238. Daß dies der gewollte Zustand war, hatte z.B. der genauste Kenner der Griechen, Philipp von Makedonien, sehr deutlich gewußt und u.a. Thessalien danach behandelt. Er gewann es nicht etwa durch handgreifliche Unterwerfung, sondern in den Fehden von Stadt gegen Stadt nahm er Partei für die, welche ihn riefen; wo er siegte, trieb er die Überwundenen nicht aus, ließ sich die Waffen nicht ausliefern und zerstörte[470] die Mauern nicht; die innern Zwistigkeiten unterhielt er eher, als daß er ihnen ein Ende machte, sorgte für die Schwächern, stürzte die Stärkern, war überall der Freund des Demos und hegte die Demagogen. Hierdurch, nicht durch die Waffen, war er Herrscher Thessaliens gewesen239.

Gesetzt aber auch, die innere Unmöglichkeit des Anschlusses an einen größern Staat hätte nicht bestanden, so war doch gerade der gegebene Staat, gegen dessen Herrschaft die übrigen Diadochen nichts hätten ausrichten können, nämlich Makedonien, in sich selbst viel zu zerrissen, um dieser Aufgabe gewachsen zu sein; denn bis auf Antigonos Gonatas, unter dem es wieder einigermaßen in festen Händen war, jagten sich die Dynastien hier wie Schatten, und man wußte die längste Zeit nicht, wer das Land dauernd vertreten würde. Gewollt und befohlen aber wurde den Griechen von hier aus sukzessive das Verschiedenste, und inzwischen hatten die Ptolemäer Zeit, sich im halben Archipel zu etablieren. Auch dieses Makedonien macht eben lange den Eindruck, als könnte es unter der Last ungeheurer Erinnerungen nicht sterben.

Daß die Hellenen auch nicht imstande waren, sich untereinander mehr als bloß momentan zu einigen und durch ihre also vereinte Kraft wieder eine Rolle zu spielen, beweist der Verlauf gleich des ersten, was nach Alexanders Tode begonnen wurde, des lamischen Krieges. Als die Todesnachricht kam, war die Aufregung ungeheuer240; man beschloß in Athen sofort, die makedonische Herrschaft mit Aufbietung aller Kräfte abzuschütteln, und fand auch die meisten übrigen Griechen hierzu bereit. Wie aber überhaupt in den Städten die mächtig waren, welche nichts zu verlieren hatten und daher leicht zu Krieg, Parteiung und Abfall trieben, so waren diese auch diesmal an der Spitze, während die Besitzenden von der Bewegung abmahnten241. Und nun endete nach glücklichem Beginn auch diese Erhebung gegen Antipater infolge der bald ausbrechenden Uneinigkeit so unglücklich als möglich; die Hellenen waren, wie Demosthenes (oder Phokion) sagte, nur noch dem gewöhnlichen Wettlaufe, nicht aber mehr dem Dauerlaufe gewachsen242, und von da angeraten die Poleis, nachdem sie sich zuerst einzeln dem Antipater unterworfen,[471] an den Schweif der Diadochenparteiung, und speziell für Athen beginnt die Zeit der großen Misere, da es von einem Gewalthaber an den andern übergeht.

Zunächst verlangt Makedonien von der gedemütigten Stadt eine andere Art Majorität als die bisherige und auferlegt ihr zu diesem Zweck eine timokratische Verfassungsänderung; alle diejenigen, welche unter 2000 Drachmen besitzen, werden des Aktivbürgerrechts beraubt, weil sie zu Unruhen und Krieg geneigt seien; deren sind etwa 12000; die übrigen nur noch 9000 aber werden nun Herren von Stadt und Gebiet und leben nach Solons Gesetzen, ein Zustand, den Phokion, weil der Demos keine Exzesse mehr begehen konnte, gar nicht so übel fand; – aber freilich mußte man sich dabei eine makedonische Garnison auf Munychia gefallen lassen, und diese war der siegreiche Staat nicht zurückzuziehen gewillt. Als die Athener einige Jahre später (319) durch Demades darum ersuchen ließen, kam dabei nur heraus, wie übel ein athenischer Diplomat, welcher einmal hatte puissancieren wollen, zwischen die Räder geraten konnte. Der große Redner ohne jegliche Grundsätze, der sich von Alexander beständig hatte bestechen lassen, hatte unglücklicherweise früher den Perdikkas gegen Antipater zu hetzen versucht; daß dem letztern die betreffenden Briefschaften zuhanden gekommen waren, kostete nun ihm und seinem Sohne Demeas das Leben243.

Als dann aber Antipater gestorben war, tat der neue Reichsverweser Polysperchon sofort das gerade Gegenteil von dem, was sein Vorgänger getan hatte. Im Kampfe mit Kassander und als Vormund der Königsfamilie wollte er die griechischen Poleis zu freien Verbündeten haben und anstelle der von Antipater eingesetzten Oligarchien Demokratien einrichten244 und führte zu diesem Zweck alle Verbannten in ihre Poleis zurück. In Athen brachte dieser Umschwung der makedonischen Politik den Untergang der ehemaligen Antipaterpartei und besonders Phokions. Dieser hatte insofern sehr gefehlt, als er Kassanders Kommandanten Nikanor zu lange traute und nicht rechtzeitig verhinderte, daß derselbe sich von Munychia aus im Piräus festsetzte; höchst bezeichnend aber ist doch die Aufführung der Athener gegen ihn, ja man kann sagen, daß das wieder »frei« gewordene Athen sich hier in seiner tiefsten Gemeinheit zeigt. Nachdem Polysperchon die zu ihm Geflüchteten an das wohlfeil[472] wütend gewordene Volk ausgeliefert hat, ist keine Rede mehr von einer regelmäßigen gerichtlichen Verhandlung; Phokion und seine Freunde, um deren Schonung er umsonst gebeten hat, müssen alle »nach der Väter Sitte« den Schierling trinken; das Pathos dieses Athens bedarf wieder einmal eines erlauchten Opfers245. Und Athen war nicht der einzige Ort, wo es zu blutigen Verfolgungen kam; auch im Peloponnes ließ Polysperchon den Städten sagen, sie sollten die von Antipater eingesetzten Oligarchen töten und dem Demos die Autonomie zurückgeben.

Bald mußte dann freilich Athen seinen Frieden mit Kassander schließen, wobei wieder die makedonische Besatzung auf Munychia und die Beschränkung der bürgerlichen Rechte, diesmal auf die Besitzer von zehn Minen, einbedungen war; dazu sollte ein Athener, den Kassander ernannte, Vorsteher (ἐπιμελητής) der Stadt werden. Und hier verschaffte der sonst überall böse Kassander den Athenern nun durch die Wahl des[473] Demetrios von Phaleron doch zehn glückliche Jahre; denn dieser suchte zu helfen, indem er die Demokratie nicht abschaffte, sondern besserte. Nur wuchsen dann doch der Neid und die Feindseligkeit gegen die Herrschaft weniger so heran, daß auch dieser beim ersten Kommen des Städtebelagerers Demetrios (307) nach Ägypten fliehen mußte; man verurteilte ihn natürlich auch zum Tode, und die 300 ihm gesetzten Bilder und Statuen wurden zerstört und eingeschmolzen246. – Die Einschränkung der Demokratie gelang erst nach 146 den Römern leicht, dann allerdings mit einem ungleich ärmern und müdern Griechenland.

Dazwischen kommen immer wieder die glänzendsten Hoffnungen, indem die Diadochen um die Wette den Griechen schön tun. Schon Kassander tut das mögliche für sein Kassandreia und baut und bevölkert Theben wieder247. Hieraus machte ihm freilich Antigonos vor einer Heeresversammlung ein Verbrechen, weil er »diese von Makedoniern zerstörte Stadt wiederhergestellt habe«; der nämliche Antigonos aber erklärte selbst, die sämtlichen Hellenen sollten frei, ohne fremde Besatzung und autonom sein, und nun schrieb auch sein Gegner Ptolemäos ganz Ähnliches, damit die Griechen inne würden, daß er ihre Autonomie nicht weniger als Antigonos bezwecke248. Dies alles hindert aber nicht, daß ein Feldherr Kassanders zu Argos 500 Männer von der Partei des jetzt zu Antigonos haltenden Polysperchon im Prytaneion einschließt und lebendig verbrennt. Und wer nicht selber grausam ist, braucht bloß die Parteien machen zu lassen: In das arkadische Orchomenos eingelassen, gibt Kassander den »Bürgern« die Erlaubnis, gegen die in das Artemisheiligtum geflohenen Leute der Polysperchonpartei zu verfahren, wie ihnen beliebe, und diese reißen sie von den Altären und morden sie alle »gegen die gemeinsame Sitte (τὰ κοινὰ νόμιμα) der Hellenen«249, von der einem nachgerade zu lesen verleidet. Auch kann ein Feldherr des Antigonos, der Aigion erobert hat und die »Freiheit der Aigier herstellen« will, deshalb nicht dazukommen, weil seine Soldaten die Stadt plündern und ausmorden und zum Teil zerstören250; kurz, wenn irgendeine Stadt aus der Obödienz eines Prätendenten in die eines andern gelangt, folgen immer[474] Greuel der Ausrottung251. Dazwischen sendet dann Antigonos, damit man ihm wenigstens zutraue, es sei ihm Ernst mit der Autonomie der Hellenen, Mannschaften zur »Befreiung« der peloponnesischen Poleis aus252, und später (307 und 304) erfolgen die Städtebefreiungs-Touren seines Sohnes Demetrios, welcher glaubt, daß diese Autonomie ihm großen Ruhm bringen werde, dadurch aber auch ziemlich bedeutende griechische Städtekontingente erhält, wie ja auch sein Vater speziell gemeint hatte, die Griechen würden nützliche Vorkämpfer im Kriege für ihn werden253. Als er dann wegen des Krieges von Ipsos nach Asien zu seinem Vater muß, bedingt er in dem Vertrage, den er mit Kassander schließt, noch aus, daß die Griechenstädte nicht nur in Hellas, sondern auch in Asien frei sein sollen254.

Immerhin sind diese Antigoniden, Griechenlands zeitweilige Oberherren, vielleicht doch die kräftigste aller Diadochendynastien und, wie wir gesehen haben, von den übrigen Diadochen schon insofern verschieden, als das Haus sich mehrere Generationen hindurch von Familienmord rein hält. Den Griechen gegenüber geht ihre Politik im wesentlichen auf das Gewinnen aus. Dies bezweckt der Glanz, mit dem Demetrios nicht bloß in Athen, sondern u.a. auch an den Heräen zu Argos auftritt, wo er einem panhellenischen Agon vorsitzt, und auf dem Isthmos, wo er sich zum Anführer von Hellas ausrufen läßt. Von Hellas erwarten sie ihren Ruhm; schon Antigonos sagte, derselbe werde von hier aus wie mit Feuersignalen über die ganze bewohnte Erde verbreitet; um diesen Hellenenruhm behaupten sie denn auch das Gut, das ihnen die Erniedrigung der Barbaren eintrug, an die Hellenen zu wenden255. Auch versteht Demetrios sowohl nach dem zweimaligen Abfall Thebens als nach dem Athens große Milde walten zu lassen. Wie Alexander schrecklich gegen Theben und dann wieder absichtlich milde gegen Hellas gewesen war, so ist dann freilich später auch ein merkwürdiger Wechsel im Verfahren dieses Hauses zu beobachten: neben aller Hilfe, die sie den freien Poleis angedeihen lassen, halten die Antigoniden doch in Griechenland Garnisonen[475] und unterstützen Tyrannen, und auch der für ritterlich geltende Antigonos Gonatas braucht etwa ziemlich schmähliche Mittel256. Sobald es aber ein Rom gibt, sind sie doch die frühsten Vertreter des hellenischen Pathos gegen dieses Rom; zum steigenden Unglück von Griechenland haben sie hierin bis auf Mithridates auch unter andern Diadochen Nachfolger gehabt.

Die Diadochen überhaupt scheinen das Gefühl gehabt zu haben, daß sie für alle in ihren Regierungen und Ländern nötige Intelligenz auf die Griechen angewiesen seien. Daher erklärt sich die Euergesie, welche die pergamenischen Fürsten und die Ptolemäer gegen Athen walten lassen, und die geradezu enorme Freigebigkeit fast sämtlicher Diadochen gegen das (um 226) durch ein Erdbeben erschütterte Rhodos257. Aber solange es mächtige Diadochen gibt, schwanken auch die griechischen Städte im Verhalten gegen dieselben zwischen Widerstand und unsinniger Schmeichelei und tragen die Folgen hievon; nur eines ist ihnen, wie gesagt, nicht gegeben: sich in ein Untertanenverhältnis mit Ruhe und Pietät zu fügen. Von ihren souveränen Rats- und Volksversammlungen können sie einmal nicht lassen, jenen contiones, welche noch Cicero in der Flaccusrede verhöhnt, und denen gegenüber die einander noch gleichenden römischen Senatoren einem Kineas wie eine Versammlung von Königen erschienen.


Makedonien mit seinen teilweisen Okkupationen griechischen Landes war doch wenigstens eine völlig griechische Macht, welche nicht am Untergang, sondern an der Vorherrschaft über Griechenland ein Interesse hatte; auch hatte es, solange es kräftige Regierungen besaß, die Griechen gegen Barbaren gedeckt; schon die Siege Philipps und Alexanders über Illyrier und Triballer waren vielleicht tatsächlich Rettungen der Nation gewesen. Nun kamen aber die Jahrzehnte zwischen dem Tode Kassanders (297) und dem Ende des Pyrrhos (272), da hier selbst die blutigste Verwirrung herrschte, und in dieser Zeit hätte Griechenland noch sehr viel jämmerlicher fahren können, als es gefahren ist. Eine momentane, ganz große Gefahr war der Einbruch der Gallier (279); doch lag diesen weniger an der Einnahme von Städten, als am Schatze von Delphi, von dem sie angeblich etwas bekommen haben258. Daß sie nicht[476] in Griechenland neue Sitze suchten, mag weniger von der Gegenwehr der Griechen hergekommen sein, über welche wir grenzenlos (zugunsten Athens) verlogene Berichte haben259, – denn lügen konnte man noch immer – als daher, daß Griechenland bei seinem damaligen Zustande wenig Einladendes hatte. Bekanntlich haben Trokmer, Tolistobojer und Tektosagen dann in Kleinasien, welches weite, fruchtbare Fluren bot, eine Herrschaft gegründet, und lange haben diese Gallierschwärme auch als ein neues Söldnervolk mit den Griechen konkurriert.

Schon lange ehe die Gallier erschienen, war aber im griechischen Norden eine andere Heimsuchung für Hellas ins Leben getreten, und zwar in Gestalt des ätolischen Bundes, welcher, wie hier gleich gesagt sein möge, etwas wesentlich anderes als der spätere achäische Bund und mit diesem gar nicht zu parallelisieren ist. Mit dem Sinken des höher zivilisierten Hellas und der Abnahme und Bedrohung des griechischen Menschenkapitals im IV. Jahrhundert waren die zurückgebliebenen, weniger bedeutenden Völker überhaupt wieder kecker geworden, wie ja solche elementare Kräfte noch da sein und »interessant« werden können, auch wenn man sie vergessen hat oder diszipliniert zu haben glaubt; hier hatte ihnen offenbar das Söldnertum wieder Wert und Bedeutung gegeben, begegnen wir doch vielen ihrer Leute schon in Xenophons Anabasis. Nun aber tut sich einer der größten dieser Stämme, ein großes Stück halbentwickelten Hellenentums, zu einer rohen politisch-militärischen Organisation zusammen, zunächst um sich Makedonier und andere Feinde vom Leibe zu halten, und wendet sich dann, nach diesem gerechten Widerstande munter geworden, dem Räuberleben im großen zu, um als Horde periodisch über die müden und zerrütteten Polis herzufallen; es sind vorherrschend Bauern und Hirten und Einwohner von kleinen festen Orten, welche sich an verkommenen Bürgern gütlich tun. Schon im lamischen Kriege spielten die Ätoler neben Athen die größte Rolle260. Damals zogen261 Antipater und Krateros mit 32500 Mann gegen sie; sie aber stellten unerschrocken 10000 Mann auf, brachten Weiber, Kinder, Greise und Habe in die Gebirge, gaben die offenen Orte preis und besetzten dafür die festen Plätze stark. Gleichwohl wären sie vielleicht diesmal[477] dem Winterfeldzug des Krateros erlegen, wenn nicht durch die Ankunft des Antigonos beide Angreifer bewogen worden wären, sich nach Asien gegen Perdikkas zu wenden; mit den Ätolern gingen sie eine Sühne ein, behielten sich aber heimlich vor, dieselben einst sämtlich in das fernste und ödeste Asien zu verpflanzen (321). Auch diese hielten sich aber nicht an das Abkommen, sondern kämpften siegreich gegen Antipaters HeerA20 weiter, wobei sie die gefangenen Gegner teils verkauften, teils brandschatzten, und setzten auch die Akarnanen in Schrecken, als diese gegen sie gehetzt wurden262. Sie behaupteten sich dann fortwährend und mit allen Mitteln gegen den jeweiligen Herrn von Makedonien. Im Kampf gegen Kassander, der sich, weil sie es mit Antigonos hielten, gleichfalls der Akarnanen bediente, kommt bereits ein treuloser Kapitulationsbruch gegenüber einer akarnanischen Bürgerschaft vor, welche samt und sonders ermordet wird; doch kämpfen Kassanders Heere auch mit Glück gegen sie263. Später finden wir sie mit Pyrrhos gegen Demetrios verbündet264, und ihr Glanzmoment, auf den sie sich später beriefen, ist (279) die starke Verteidigung gegen die Gallier, wobei sie von den Griechen offenbar das Beste geleistet haben.

Von da an aber geht dieses kräftig barbarisch gebliebene Altertum fast hundert Jahre gegen die spätere Bildung auf Beute aus, und gegenüber dieser ätolischen Manier hilft den unglücklichen Griechenstädten keine Demokratie noch Aufklärung; denn hochzivilisierte Gegenden, welche politisch und sozial bankrott sind, müssen zum Objekt für Banden irgendwelcher Art werden, und so ist denn auch gegen diese Räuber eine Polis desto hilfloser, je mehr sie demagogisch ruiniert ist. Ob sie nur alle Hellenen waren, läßt sich noch fragen; wenigstens von den Stämmen der AgraerA21, Apodoten und Amphilocher sagt Polyb (XVIII, 5) ausdrücklich, daß das nicht Hellas sei265. Ihr Bundeswesen mit einer jährlichen Landsgemeinde zu Thermon (dem Panätolion), einem ständigen Ausschuß (den Apokleten) und je einem Strategen, Hipparchen und Schreiber als Beamten erhebt sich nicht weit über den Organismus einer Räuberschar. Und nun ist Kaperei zu Wasser und Raub, zumal allgemeiner Viehraub, zu Lande bei ihnen an der Tagesordnung; ihre Beute verkaufen sie dann offen an irgendeinem festen Punkt, den sie gerade okkupiert haben.[478] Ihre Kriegsführung ist schändlich und ehrlos; sie brechen ihrer plötzlichen Handlungsweise gemäß ohne Kriegserklärung ein, und die Art, wie sie sich dafür verantworten, ist bloßer Hohn und Lüge. Wenn sie sich einer Stadt bemächtigen, kommt es vor, daß sie zunächst diejenigen niederstoßen, die ihnen die Tore aufgemacht, und dann Geld und Kostbarkeiten plündern und erfoltern. Tempelraub wird nur vermieden, wenn man ihnen gutwillig Wertsachen aus dem Tempel gibt, und die »Herden einer Göttin« treiben sie ohne Skrupeln mit sich fort; auch zünden sie Ortschaften bloß darum an, weil sie sie nicht behaupten können und einem andern nicht gönnen266.

Und dieses Volk, das zu einem, wie früher die Gallier, mit Schnappsäcken herumziehenden Mordpöbel geworden ist, nötigt doch allgemach viele Städte zum Beitritt und reißt sogar die Aufsicht über das delphische Heiligtum an sich, wofür es sich auf sein einziges Verdienst um Hellas, nämlich den Widerstand gegen die Gallier, berufen konnte. Wie sehr aber doch die höhere hellenische Lebensform die bäurischen Räuber erbittert, zeigt sich bei der Zerstörung des makedonischen Dion, wo auch das Gymnasion, die Tempel und alle Statuen der Könige sinken, und bei der Einnahme von Dodona, wo sie die Stoen verbrennen, viele Anatheme ruinieren und das »heilige Haus« zerstören. Freilich üben sie auch Kunstraub: als Philipp III. in Thermon, ihrem Fest-, Wahl- und Marktort eindrang, war dort nicht nur alles mit Vorräten und Kostbarkeiten vollgepfropft, sondern auch die Stoen waren voller Anatheme, und es fanden sich 2000 zusammengeplünderte Statuen, welche nun die Sieger ihrerseits zur Rache für Dion umwarfen und, soweit sie nicht die Aufschrift oder Gestalt eines Gottes trugen, zerstörten267. Bei den Hellenen aber war der Ruf der Ätoler schließlich ein solcher, daß Attentate wie der kecke Mordversuch eines ätolischen Hauptmannes gegen Ptolemäos Philopator »ätolische Wagnisse« und renommistische Reden »ätolische Prunkworte« hießen.

[479] Endlich kommt dann ihr Bündnis mit Rom, das sie früher einst während des ersten Punischen Krieges durch eine insolente Antwort auf die Forderung, akarnanische Städte zu räumen, beleidigt hatten268. Scheinbar war dasselbe gegen den auf Hannibals Seite stehenden König Philipp von Makedonien gerichtet, tatsächlich aber gegen die meisten Peloponnesier, die Böoter, Euböer, Phokier, Lokrer, Thessaler und Epiroten, und zwar in dem Sinne, daß die Ätoler deren Land und Städte behalten sollten, während die Römer die Leute und das mobile Gut an sich nähmen. Von da an stehen sie überhaupt bei den Kämpfen Philipps gegen Rom auf seiten des letztern; ein Reformprojekt für ihren Bund aber, das damals aufs Tapet kommt, ist in den Händen ihrer durch Prassen tief verschuldeten Hauptpersonen und offenbar von der bedenklichsten Art. Das Ende war dann, daß sie auch mit Rom zerfielen, weil dieses ihnen nach dem Frieden von 197 keine weitern Vorteile gönnte, und es 192 mit Antiochos, 172 mit Perseus hielten, worauf sie von ihrem ganzen bisherigen Treiben abgeschnitten wurden. Und nun zeigte es sich erst recht, daß sie »in ihren Gemütern vertiert« waren: als sie nach außen keinen Schaden mehr anrichten konnten, kam es unter ihnen selbst zu den gräßlichsten Metzeleien; »Alles war voll Rechtlosigkeit, Gewalttat und Mord, und sie handelten ohne Vernunft und Zweck, als wäre ein Sturmwind in sie gefahren«269.

Daß die ätolische Sphinx, wie dieses auf seinen Bergen hausende Raubwesen in dem Ithyphallikos auf Demetrios Poliorketes270 genannt wird, sich so lange behaupten konnte, hängt teilweise auch damit zusammen, daß das benachbarte Epirus nach dem frühen Tode der Enkel des Pyrrhos dynastielos, demokratisch und schwach geworden war; noch weiter jenseits aber wurden nun die räuberischen Illyrier, vor welchen früher Makedonien die Hellenen geschützt hatte, gegen alles übrige munter, unternahmen Raubzüge zu Land und zur See und wagten sich bis nach Sparta271. Mit der Zeit bekamen auch sie es dann glücklicherweise mit Rom zu tun.


Hier wäre nun zunächst noch über die Spätgestalt der Tyrannis zu sprechen, wie sie in Sizilien, dem Tyrannenlande κατ᾽ ἐξοχήν, im Peloponnes[480] und an den Grenzmarken machtloserer Diadochenstaaten auftritt. Indes können wir hiefür auf frühere Stellen dieses Werkes verweisen272 und wenden uns nun vor allem zur Betrachtung des damaligen Athen und der Poleis im allgemeinen. Wenn die Griechen zu jener Zeit ihre Bestimmung erfüllten, aus einem Bündel von Poleis zu einem Bildungsferment für die ganze Welt zu werden, so lebten in der Heimat die Poleis doch wohl oder übel als solche fort; auch stammten die in Kunst, Poesie und Bildung ausgezeichneten Individuen immer noch fortwährend wichtigernteils aus diesen alten Städten und den Kolonien der frühern Zeit; das frühmakedonische Athen aber speziell ist im wesentlichen der Schauplatz der neuern Komödie, der Hintergrund von Alkiphrons Briefen, der Hauptsitz der Philosophie, was es immer geblieben ist, und noch stets haften auf ihm die Blicke aller Außengriechen.

An politischen Persönlichkeiten aber wird die Stadt seit dem Tode des Demosthenes und des Phokion erstaunlich arm, und nicht bloß an diesen, sondern der schon 342 in einer attischen Kleruchenfamilie auf Samos geborene Epikur ist überhaupt der letzte weltgeschichtlich wichtige Athener. Dies hängt mit dem Aussterben der bekannten Familien zusammen, welches vom Peloponnesischen Krieg an zu verfolgen ist273 und höchstwahrscheinlich, wie auch anderswo, seinen Grund darin hat, daß der Demos diese Familien aus Vergnügungsgier durch Steuern, Konfiskationen, Hinrichtungen und zahlreichen Mord aufzehrte. Es waren dies aber zufälligerweise gerade die Familien von geistiger und sittlicher Tradition, in jedem Sinne der höhere Stand gewesen, und ihr Wegfall war weder für das Griechentum noch für die Nachwelt gleichgültig. Und[481] nun ist vom lamischen Kriege an in dem korrumpierten Athen alles möglich, und wenn nur etwas geht, ist dem von seiner Komödie her an alles gewöhnten Volke auch der wahnsinnigste Jux, natürlich im Gewande des Pathos, recht. Vor allem feiert man jetzt Individuen statt der Götter. Dies tritt schon bei den übertriebenen Ehrungen zutage, wodurch der von Kassander eingesetzte Vorsteher Demetrios von Phaleron gefeiert wurde. Aber mit den diesem gesetzten 300 Statuen ist das Maß der Schmeichelei noch lange nicht, wie man hätte denken sollen, erschöpft. Als der Städtebelagerer Demetrios den Athenern (307) ihre Demokratie wieder gab und ihnen Korn und Schiffbauholz von seinem Vater versprach, nannten die Athener die beiden, ehe es die übrige Welt tat, Könige und dann rettende Götter, nahmen sie in die Reihe der eponymen Phylenheroen auf, beschlossen Agone, Prozessionen und Opfer zu ihren Ehren, ließen ihre Namen in das Gewand der Pallas weben, stifteten da, wo Demetrios aus dem Wagen gestiegen war, einen Altar des niedersteigenden Demetrios, fügten zu ihren zehn alten Phylen eine Antigonis und eine Demetrias, bezeichneten Boten an Demetrios als Theoren, nannten den Monat Munychion Demetrion und stellten die goldenen Statuen von Vater und Sohn auf einenA22 Wagen neben die Gruppe der Tyrannenmörder, alles freilich im Grunde, abgesehen davon, daß sie auch einen Geldbeitrag von 200 Talenten beschlossen, ohne große Kosten; der Haupterfinder solcher unnützer Wohldienereien war ein gewisser Stratokles; es wird freilich auch bemerkt, daß daraufhin alles schief ging, der Peplops zerriß und ein Frostjahr erfolgte274. Mit diesem allen aber hatte man sich erst noch nicht ausgegeben, sondern verstand noch drei Jahre nachher, nachdem Demetrios Athen von dem es bedrängenden Kassander befreit hatte, diesmal mit den allerschnödesten Huldigungen, neu zu scheinen. Jetzt durfte er – obwohl ein sonderbarer Gast für eine Jungfrau – den Opisthodom der Pallas bewohnen, die er selbst seine ältere Schwester nennen ließ; er führte daselbst sein allerwüstestes Leben, erhielt aber nichtsdestoweniger Einweihung in die eleusinischen Mysterien, und man mußte zu diesem Zwecke, um die Vorbereitungszeit zu kürzen, die Monate zusammenschieben, wogegen nur der Daduche Pythodoros Widerspruch wagte; man errichtete drei Heiligtümer der Aphrodite mit den Beinamen seiner Gattin Phila und seiner Hetären Leäna und Lamia und mindestens Altäre und Heroa seiner drei Hauptschmeichler Burichos, Adeimantos und Oxythemis, denen man Spenden darbrachte und Päane sang, so daß er selbst verwundert fand, es gebe zu seiner Zeit keinen großen und herzhaften Athener mehr. Ihn selbst hatte man mit Weihrauch, Kränzen, Spenden,[482] Prosodien usw. empfangen, indem das Volk an den Straßen stand und tanzte und sang, er allein sei wahrer Gott, die andern Götter seien im Schlaf, in der Ferne oder überhaupt nicht vorhanden, er sei Sohn Poseidons und Aphrodites; dazu betete man ihn mit aller Inbrunst an275. Diesen Inhalt hat in der Tat der erhaltene Ithyphallikos, welchen diese »Marathonkämpfer« nicht bloß öffentlich, sondern auch in ihren Häusern sangen; derselbe endet mit dem Gebete um Befreiung von der ätolischen Sphinx276; die attischen Kleruchen auf Lemnos aber bauten ihrerseits dem Seleukos und Antiochos Tempel und nannten bei ihren Gelagen den letzten Becher den des rettenden Seleukos277.

Und trotz allem gibt es damals zweierlei Athen. Neben dem korrumpierten, wahnsinnig schmeichlerischen, dessen Demagogen, Strategen usw. nicht des Nennens wert sind, ist noch ein besseres da, welches sich (304) gegen Kassander hält, bis Demetrios als Befreier erscheint, sich auch 287 noch einmal unter Führung des Olympiodoros von den Makedoniern befreit, später eine, wenn auch in der Überlieferung stark übertriebene, Rolle in der Verteidigung gegen die Kelten hat und noch gegenüber Antigonos Gonatas zwar ohne Glück, aber nicht ohne Ehre den chre monideischen Krieg (269-262) führt. Antigonos ließ damals noch einmal in Athen einmarschieren; doch gestattete er den Athenern nunmehr, da dies unschädlich geworden war, sich demokratisch zu regieren278. Nur überwog dann doch wieder die Schwäche. In der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts hält sich die Stadt mehr und mehr beiseite und beutet, indes Sparta einem Machanidas und Nabis anheimfällt, die Gunst der alexandrinischen und pergamenischen Könige aus. Von der Zeit um 217 heißt es bei Polyb (V, 106), Athen habe an den hellenischen Dingen keinen Teil mehr genommen, sondern sich allen Königen, besonders einem Ptolemäos Philopator, rückhaltlos hingegeben und mit wenig Rücksicht auf das Schickliche Volksbeschlüsse und Kundgebungen jeder Art auf sich genommen. In der Folge findet es sich auf römischer Seite und duldet dabei einige Verwüstung seines Gebietes, bekommt dafür aber nach Kynoskephalä zum Trost etliche Inseln.

Während das Wissen der spätem Griechen über Athen für die demosthenische Zeit noch reichlich vorhanden ist, wird es über die erste Diadochenzeit[483] schon spärlicher und erlischt über die Zeit etwa von 250 an fast völlig. Und so ist es nun überhaupt: das innere Leben der Poleis wird mehr und mehr unbekannt. Die vorhandene Literatur bezieht sich nicht mehr auf sie; während Rhetorik und epideiktische Rede über fingierte Fälle in hohem Grade weiter wuchert, ist keine Staatsrede mehr erhalten, ausgenommen etwa bei Historikern279; der letzte berühmte Redner war nach Ciceros280 Zeugnis Demetrios von Phaleron gewesen. In den Erzählungen bei Plutarch im Aratos und anderswo machen sich am ehesten noch die Berichte über Komplotte und über Strategeme breit; die Psephismen, die etwa erhalten sind, beziehen sich fast ausschließlich auf den Ruhm von Unwürdigen und auf Machenschaften der politischen Ohnmacht.

Selbstverständlich ist für die Poleis dieser Zeit, da jede mögliche sogenannte »Reform« im Annullieren der Schulden und im Aufteilen der Feldmark besteht, ein allgemeines Sinken des materiellen Wohlstandes und, dadurch bedingt, eine bedeutende Steigerung des Reislaufens in den Solddienst der Diadochen. Mit der Zeit hört man denn auch wenig mehr von den Choregien, Trierarchien und sonstigen Leiturgien aller Art; durch eine merkwürdige Metastase des Lokalpatriotismus tritt an ihre Stelle bis zu einem gewissen Grade die städtische Euergesie der Privatleute, die dann in der Kaiserzeit als eine offenbar wesentlich freiwillige, auf dem Ehrgeiz beruhende Sache eine große Rolle spielt. Was aber die politischen Zustände betrifft, so lehren die in ihrer Ekklesie versammelten Tarentiner mit ihrem gemeinen Benehmen gegen die römischen Gesandten, wie es in der Volksversammlung mancher Griechenstadt aussehen mochte281. Verhängnisvoll waren schon die jetzt wohl überall zum Lokal derselben gewordenen Theater, wo man überwiegend Possen und Zoten zu sehen und zu hören gewohnt war; auch der weise Meton kann sich in Tarent nur mit solchen Scherzen Gehör verschaffen, da er vor dem Bruch mit Rom warnen will. Cicero aber sagt von den griechischen Volksversammlungen282: »Wenn sich das unerfahrene, aller Staatsgeschäfte unkundige Volk im Theater versammelt hatte, dann unternahm es unnütze Kriege, dann betraute es unruhige Köpfe mit der Führung des Staates, dann verbannte man hochverdiente Bürger. Und wenn das in[484] Athen geschah, welche Mäßigung wird dann wohl anderswo (in diesem Falle in Phrygien) geherrscht haben? Unsere römischen Contionen bringen oft Leute dieser Völkerschaften in Unordnung. Wie werden sie es erst treiben, wenn sie unter sich sind?« Auch das Urteil des aus alexandrinischer Zeit stammenden pseudoplatonischen Axiochos über das demokratische Wesen ist für die Zeit des Verfassers sehr bezeichnend. Sokrates bedauert daselbst den unglücklichen Staatsmann aufs tiefste, der sich nach den Launen des Demos zu richten und darunter zu leiden hat. »Denn um den Demos ist es ein undankbares, veränderliches, grausames, boshaftes, ungebildetes Ding, gewissermaßen zusammengewürfelt aus einer wüsten Masse und aus gewalttätigen Schwätzern, und wer sich mit ihm einläßt, ist noch viel unglücklicher«283.

Aber, soweit man kann, prahlt man auch jetzt noch mit Helden. Nicht nur tun dies die Athener mit ihren Taten gegen die Gallier an den Thermopylen, sondern bezeichnenderweise müssen selbst die Argiver den bei ihnen eingedrungenen und getöteten Pyrrhos verewigen, weil er doch wenigstens wieder einmal eine Zelebrität gewesen war. Ein weiß-marmorner Bau erhob sich an der Stelle, wo seine Leiche (wahrscheinlich unter Pomp und Rührung) verbrannt worden war; seine Kriegsmittel und Elefanten waren daran abgebildet, und die spätern Argiver bildeten sich ein, daß dies ein Tropäon zur Erinnerung an den Sieg über ihn sei284.


Wie für die Tyrannis, so verweisen wir auch für das Sparta dieser Zeiten auf früher Gesagtes285. Was speziell den Reformversuch der Könige Agis und Kleomenes betrifft, so mußten damals allerdings, wenn man nicht der Plünderung und Verheerung von Ätolern und Illyriern ausgesetzt sein wollte, an der Fortdauer des Staates wieder mehr Menschen interessiert werden. Aber diese letzte Reform war doch in sich bodenlos und wäre auch ohne die Schlacht von Sellasia unterlegen; auch hatte sie den Übelstand, zu sehr an das sonst übliche »Schuldenannullieren« und »Feldmarkteilen« zu erinnern und dazu aufzumuntern, und Aratos warf dem Kleomenes nicht so ganz mit Unrecht das Stürzen des Reichtums und die Erhebung der Armut vor286. Indem wir uns also nur vorbehalten, die Frauen vom Hause dieses Königs als die letzten kenntlichen Dorerinnen größern Stils später noch zu erwähnen, wenden wir[485] uns nun zur Betrachtung der vorherrschenden offiziellen Form des damaligen Griechenlands, des achäischen Bundes.

Früher eine nicht der Rede werte Vereinigung kleiner achäischer Städte, die ein wenig fruchtbares Gebiet und einen an Seehäfen armen Strand besaßen, konnte dieser Bund stärker hervortreten, nachdem ihm das dorische Sikyon beigetreten war. Dieses hatte der in früher Jugend durch die Tyrannis des Abantidas nach Argos vertriebene Aratos (251) von dem damaligen Tyrannen Nikokles befreit, nachdem er sich in einer Zeit, da im Peloponnes Beute- und Freischarenzüge (κλωπεῖαι καὶ καταδρομαί) an der Tagesordnung waren287, sozusagen am hellen Tage gerüstet und u.a. auch die Hilfe des größten Räuberhauptmannes, eines gewissen Xenophilos, nicht verschmäht hatte, und die Verknüpfung der Dorerstadt mit dem achäischen Bund war, abgesehen von einer großen Subvention des Ptolemäos Philadelphos, für den Befreier der einzige Ausweg gewesen, um der Verwirrung und Entzweiung Herr zu werden, welche durch die sich kreuzenden Ansprüche der zurückgekehrten Flüchtlinge verschiedener Generationen entstanden war. Nun ist nicht zu leugnen, daß dieser Bund von den griechischen Städten, die teils der Demagogie verfallen waren, teils makedonische Garnisonen hatten, teils unter Tyrannen mit makedonischer Konnivenz standen, viele gebessert und gerettet und manche Parteiung, die sonst zum Bürgerkrieg hätte führen müssen, abgeschnitten hat; speziell die Erhebung gegen Tyrannen darf als seine eigentliche Aufgabe betrachtet werden, und die Befreiung Korinths von der makedonischen Besatzung auf Akrokorinth, welche Aratos (243) gelang, kann Plutarch, sowohl was den Mut als was den Erfolg betrifft, für die letzte hellenische Großtat halten288. Indes ist auf freiwilligem Bundeswesen bei den Griechen doch niemals anders als höchstens momentan einiger Segen gewesen; wahre Hegemonien hatte es einst nur mit halbem oder ganzem Zwang gegeben, und so war auch diese Organisation, sobald es nach außen Ernst gelten sollte, eine bloß scheinbare Macht und eine im Grunde recht lahme Sache. Schon aus dem relativ leichten Anschluß geht ihre Schwäche deutlich hervor; hätte man wirklich fürchten müssen, sich schwer und untrennbar zu verpflichten, so wäre man nicht so leicht beigetreten. Und ferner beweist sie schon durch ihre Dauer den Tod der alten Polis. Wäre diese noch am Leben gewesen, und hätte noch irgendein Bewußtsein vom Wert ihres politischen Daseins[486] bestanden, so hätte man sie für einen solchen Zusammenhang gar nicht oder nur auf kurze Zeit gewinnen können, und selbst die Tyrannen, welche sich dem Bund fügten, Aristomachos der Jüngere von Argos, Xenon von Hermione, Kleonymos von Phlius, hätten, wenn sie sonst noch einige Aussicht auf Behauptung ihrer Macht gehabt hätten, nicht abdiziert289. Aratos selbst war nun zwar der Meinung, daß die an und für sich schwachen Städte durcheinander gerettet würden, indem sie in das gemeinsame Interesse gewissermaßen eingespannt wären; aber eine Addition von Schwächen ergab damals so wenig eine Stärke, als sich bei der protestantischen Union nach der Schlacht am Weißen Berge eine solche ergeben hat. Dazu konnten diese Achäer nie ohne ein Abhängigkeitsverhältnis zu einzelnen Diadochen auskommen, wie denn schon um die Zeit von Korinths Befreiung Ptolemäos Euergetes von Aratos zum Bundesgenossen und Oberfeldherrn zu Wasser und zu Lande ernannt wurde; allmählich wird der Bund gar nur eine Art Briefträger von außer ihm liegenden Mächten. Auch führte er seine Kriege wesentlich mit Söldnern, die aber für minder zuverlässig als die Tyrannensöldner galten, weil die Freistaaten ihre Scharen nach der Gefahr abzudanken pflegten290. Wenn wir uns dies alles vergegenwärtigen, so kann uns Verfassung und Organismus des Bundes schließlich ziemlich gleichgültig sein, und speziell das allgemeine achäische Bürgerrecht, das Aratos proklamiert zu haben scheint291, erscheint uns hauptsächlich als der stärkste Beweis für die Elendigkeit des Bürgertums der einzelnen Poleis.

[487] So hält denn dieser Bund das erste Mißgeschick nicht aus. Als er auf seinem scheinbaren Höhepunkt angelangt ist, indem die Makedonier aus Akrokorinth verjagt und die Spartaner unter Agis geschlagen sind, der erkaufte makedonische Kommandant die Hafenorte Athens292 geräumt hat und Mantinea den Lakedämoniern weggenommen ist, als der ganze Peloponnes außer Sparta, Elis und einigen Teilen von Arkadien sich angeschlossen hat, und man auch mit Athen, Megara und Ägina alliert ist, da braucht der Spartaner Kleomenes sich bloß mit den Ätolern gut zu stellen, um Erfolg auf Erfolg zu gewinnen; ja, sowie Aratos bei Dyme geschlagen ist, geht das ganze achäische Gemisch von ruinierten Demokratien und Tyrannien offenbar in sofortige Gährung über, und Aratos muß sogar um sein Sikyon fürchten und ist nicht zu gut dazu, dortige Gegner des Bundes zu töten293. Und so bleibt denn bei dem allgemeinen Abfall, wenn man nicht dem Spartanerkönig die Führung des Bundes geradezu überlassen will, Aratos nichts übrig, als Antigonos Doson zur Hilfe herbeizurufen und auf dessen Bedingung, daß man ihm Akrokorinth zurückgebe, einzugehen294. Jetzt treten allerdings die seither abgefallenen Städte295 dem Bunde wieder bei, aber unter makedonischen Auspizien. Die Achäer aber beschließen für Antigonos Opfer, Prozessionen und Agone und geben dem wiedereroberten Mantinea, dessen alte Bevölkerung auf schreckliche Weise teils ausgemordet, teils in die Sklaverei verkauft wurde, den Namen Antigoneia296.

[488] Seinen Sieg bei Sellasia benützte Antigonos nur zu einem ganz mäßigen Bundesverhältnis mit den griechischen Staaten. Nachdem er aber im folgenden Jahre schon (221) gestorben war, durften sich sogleich die Ätoler aufs verderblichste regen. Ihr Bund war eine starke Verbindung zu Raub und Genuß, während der aus Reflexion entstandene achäische eine schwache zum gegenseitigen Schutz und Aneinanderlehnen war. Und so fielen sie denn voll Verachtung gegen die tatlosen und an fremde Hilfe gewohnten Bundesstaaten wieder weit in den Peloponnes ein, und die Achäer ließen sich richtig schlagen und mußten dankbar sein, als der nunmehrige König von Makedonien, Philipp III., auf einem Tage zu Korinth allgemeinen Krieg gegen diese Feinde beschließen ließ. Schlecht unterstützt, handelte dieser dann aber nach eigener Konvenienz, hetzte die Mitglieder des Bundes gegeneinander und hatte die Blicke meist auf Rom gerichtet, und nachdem er (213), wie man glaubte, Aratos sowie dessen Sohn durch Gift hatte wegräumen lassen, figurierten die Achäer im Kriege gegen die italische Großmacht (211-205) als seine Notverbündeten, während Ätoler, Sparta und Elis es mit Rom hielten; die Poleis parteiten sich also wieder einmal kläglich auf beiden Seiten.

Erst Philopömen, der 208 Stratege wurde und im folgenden Jahre den spartanischen Tyrannen Machanidas vernichtete, konnte dem Bunde ein größeres Selbstgefühl einflößen, so daß derselbe, wie Plutarch297 stark betont, jetzt endlich auf das Präsidium auswärtiger Fürsten verzichtete. So hielten die Achäer in Philipps neuem Römerkrieg nicht mehr mit diesem, ja 198 traten sie in Freundschaft mit Rom und bekamen nach Kynoskephalä die ihnen entrissenen Städte wieder. Aber Korinth hatte nun statt der makedonischen eine römische Garnison, und der von den Römern zu dem Zwecke, daß er die Achäer im Schach halte, begnadigte, schreckliche Nabis fing bald wieder Streit an und verbündete sich mit den Ätolern298. Und als nach dessen Untergang (192) das nur auf kurze Zeit für den Bund gewonnene und dann wieder abgefallene Sparta von Philopömen hart heimgesucht werden mußte, plädierten beide Parteien vor den Römern, welche den Bund deutlich zu schwächen suchten. Philopömen wurde 183 beim Versuche, die abgefallenen Messenier zu demütigen, gefangen und getötet. Diese konnte sein Genosse Lykortas dann wohl dem Bunde wieder unterwerfen; aber derselbe blieb mehr und mehr schwach und bedroht.


Hier möge mit kurzen Worten auch des damaligen Patriotismus Erwähnung getan sein. Auch wenn Makedonien und die sonstige DiadochenparteiungA23[489] die Griechen machen ließ, konnte sich doch kein Staat mehr an die Spitze des Ganzen stellen, weder Sparta, noch Theben, noch Athen; doch kommen im Einzeldasein der Städte noch hie und da achtbare und heldenmütige Anstrengungen vor. Zwar der Darstellung des Kampfes gegen die Gallier, die Pausanias gibt, ist, wie bereits (S. 477) gesagt, wegen der starken Aufschneidereien, zumal in den Zahlen, nicht zu trauen299. Doch haben sich hier die nördlichen Griechen immerhin gewehrt, während die Peloponnesier sich, weil die Gallier keine Schiffe hatten, mit der Verschanzung des Isthmos begnügten und der gemeinschaftlichen Verteidigung entzogen. Eine prächtige Stadtverteidigung ist die von Rhodos gegen Demetrios (305/4), und von der Verzweiflungstat der Abydener, die ihre Stadt nicht überleben konnten, ist früher300 die Rede gewesen. Freilich herrscht auch viel affektierter Patriotismus in Worten, was stets ein schlimmes Zeichen für die Wirklichkeit ist. So dürfte die moderne Motivierung alles Tuns, welche sich in einem großen Teil der altmessenischen Geschichten des Pausanias findet, besonders der direkte Enthusiasmus in den Schlachten und der öfter überflüssige EdelmutA24, aus dieser Zeit stammen301.

Und nun die Spätgestalt des tugendhaften Panhellenen. Auch dieses Ideal erhebt sich mit Hilfe von Vorbildern wie Epaminondas302, mit Hilfe ethischer Reflexionen und unter einem gewissen Einfluß von Philosophen noch stellenweise zur Wirklichkeit, obwohl unter bedeutend geringern Chancen als im IV. Jahrhundert; denn die Welt ist diadochischer, d.h. gieriger und gewaltsamer geworden als je vorher und die Poleis, auf deren Zusammenwirken ja doch die Hoffnungen des Panhellenen beruhen mußten, jede einzeln schwächer und zerrütteter. Wir haben es also – ganz im Gegensatz zu einem Themistokles, welcher in allem original sein will – bei den vereinzelten großen Männern mit solchen zu tun, die sich auf das Nachstreben verlegen; dahin gehört in seinen bessern Zeiten Aratos und besonders Philopömen.

[490] Jener gibt sich als Knabe zu Argos, wohin er geflüchtet worden ist, eine palästrische Erziehung und gewinnt im Pentathlon Sieg und Kranz, während er sich, wie es heißt, für einen künftigen Politiker um Beredsamkeit zu wenig bemüht. Es wird ihm dann später zu großem Ruhm angerechnet, daß er sich in seinen ersten Zeiten – wie ja auch Epaminondas tat – dem jeweiligen Strategen der Achäer gleich dem ersten besten zur Verfügung stellte, auch wenn es nur ein Dymäer oder Triteer oder sonst ein Mann aus einem kleinen Neste war. Weil er weiß, daß Phokion und Epaminondas einst den Ruhm der gerechtesten und edelsten Männer durch Zurückweisung großer Geschenke erworben haben, bringt er, da es sich um die Gewinnung von Akrokorinth handelt, ohne jemandes Wissen große Opfer und setzt sich selber dazu den größten Gefahren aus. Daneben scheint zu diesem Typus eine gewisse prosaische Verständigkeit zu gehören: Aratos verläßt sich nicht stark auf Opferzeichen und Orakel, sondern braucht sein Nachdenken. Trotz der schwachen Stunde, die er hatte, als er die Makedonier um Hilfe anflehen mußte, bestatten ihn die Sikyonier schließlich doch wie ein übermenschliches Wesen303.

In höchster Geltung bei den Griechen wegen seiner Gesinnung wie wegen seiner Taten war Philopömen304. Wie Epaminondas in Theben unter pythagoreischem Einfluß aufwuchs, so übernehmen seine Erziehung absichtlich zwei akademische Philosophen, beständige Verschwörer gegen Tyrannen und Männer, welche die Ordnung in Kyrene neu hergestellt haben, um aus ihm durch Philosophie eine gemeinsame Wohltat für ganz Griechenland zu machen. Für Wettkämpfe verschmähte er sich auszubilden, trieb aber dafür außer der Kriegswissenschaft305 Landbau, Jagd, Philosophie, letztere freilich nur, soweit sie ihn in der Tugend zu fördern schien, und ging in allem auf Nachahmung des Epaminondas aus, den er an Tatkraft, Einsicht und Unabhängigkeit vom Gewinn erreichte, während er allerdings seinen Zorn nicht gleich gut beherrschen konnte und daher mehr für eine soldatische als für eine politische Natur galt; auch war er sich dessen bewußt, daß es seiner Art völlig zuwider sei, Befehle von andern entgegenzunehmen. Seine wahrhaft ängstliche Uneigennützigkeit zeigte sich, als er das Geschenk von 120 aus dem Vermögen des ermordeten Nabis erlösten Talenten, das ihm die Spartaner anboten, abwies, weil er beim achäischen Bunde nur dann für sie wirken könne, wenn er völlig reine Hände habe; derjenige seiner spartanischen Gastfreunde, welcher dazu gepreßt war, ihm die Gabe anzuzeigen, war[491] deshalb zweimal nach Megalopolis gereist, ohne ihm davon zu reden, und hatte dies erst bei der dritten Reise gewagt. Dafür besserte er sein Hauswesen durch den Ertrag seines Ackerbaus, »der ehrlichsten Art des Erwerbes«. So liebte denn, wie Plutarch306 sagt, Hellas ihn ganz besonders und erhöhte seine Macht durch den (ihm bei Lebzeiten gegönnten) Ruhm. Ein Lob aus römischem Munde aber nannte ihn den letzten der Hellenen, indem Hellas nach ihm keinen großen und seiner würdigen Mann mehr geboren habe.


Nachdem so Epaminondas noch einen Reflex in diese jammervollen Zeiten hineingeworfen hat, wird es in dieser Nation allmählich dunkel; es erfolgt die definitive Zerrüttung der Poleis. Während die Städte der Diadochenlande wenigstens ein ruhiges ökonomisches Dasein führten und nur die größten (Antiochia, Alexandria, Seleukia am Tigris) sich etwa zu momentanen Krawallen erhoben, wankt in einer ganzen Anzahl alter griechischer Poleis der Boden unaufhörlich. Schon im Verlauf des Peloponnesischen Krieges hatte die schlimme alte Tradition, daß das Aufkommen der Demokratie soziale Gewaltsamkeiten mit sich führen mußte, daß dieselbe dann fortwährend unbillige, aber legal erklärte Anforderungen an die Besitzenden und Erwerbenden stellte, und daß man diesen noch außerdem illegal auf alle Weise zusetzte, die furchtbarsten sogenannten oligarchischen Reaktionen hervorgerufen. Aber der unvernünftig gesteigerte Begriff vom Rechte der Polis gegenüber den einzelnen hatte sich behauptet und die wechselnden Hegemonien Spartas, Thebens und Makedoniens überlebt. Und jetzt geht neben aller Parteiung zwischen Makedoniern, Achäern und Ätolern die Ausartung des Staates ihren Weg unerbittlich weiter in Tyrannien spätester Bildung mit schrecklicher Söldnerwirtschaft und in gewaltsamen Oligarchien und Demokratien, welche sich durch Gemetzel, Verbannungen und Aufteilungen des Grundeigentums manifestieren. Die unvermeidliche letzte Konsequenz jeder Demokratie, der Hader um den Besitz, führt zu einem wahren Höllenleben; immer wieder tritt der Kommunismus auf, und beide Parteien nehmen jede Allianz an, die zum Ziele führt, und erlauben sich alle Mittel. Indem allgemach alles, was geschieht, in immer schlechtere Hände fällt, vollendet sich der Bankrott der griechischen Staatsidee, der im Grunde mit jenem unsinnigen Emporschrauben des Bürgertums begonnen hatte. Echt griechisch ist zwischen dies alles hinein die Wonne, womit etwa eine Konspiration mit allen möglichen Finessen vorbereitet und durchgeführt wird307; aber man gerät in sonderbare Stimmung, wenn[492] man daneben die gewaltige innere Festigkeit des vordringenden Rom in Betracht zieht, wo die Individuen vom Staat noch nicht innerlich losgelöst sind, einander auch noch nicht verfolgen, sondern zusammenwirken.

Angesichts von Polybs Schilderung der letzten zwanzig Jahre des III. Jahrhunderts sollte man glauben, daß damals der größte Menschenverlust über die Nation gekommen sei, wenn man nicht wüßte, was schon vorher und dann wieder später geschah. In dieser Zeit, zumal als, wie oben S. 489) gesagt, der nach Cannä mit Hannibal gegen Rom verbündete Philipp III. die Achäer, Rom aber die Ätoler, Elis und den Spartaner Nabis auf seiner Seite hat, herrscht in Griechenland tatsächlich wieder voller Kriegszustand. Damals findet z.B. zu Kynätha in Arkadien, das längst durch Mord, Verbannung und Teilung zerrüttet war, unter achäischer Vermittlung eine Versöhnung statt, wobei 300 Heimkehrende die höchsten Sühneide schwören und doch gerade in diesem Moment die entsetzlichsten Entschlüsse fassen. Denn, sobald sie wieder am Staat Teil haben, rufen sie die Ätoler herbei und öffnen ihnen unter Ermordung der Polemarchen von der andern Partei die Tore, finden dann aber die gehörige Strafe, indem die Eindringenden zunächst die niederstoßen, die ihnen aufgemacht, sodann überhaupt morden, plündern und foltern und endlich, da sie von ihrem weiter ausgedehnten Zuge zurückkommen, die ganze Stadt anzünden308.

Schauderhaft waren die Zustände auf Kreta, wo sich die Verruchtheit der Denkart von selbst zu verstehen schien309. Ein zur Unterdrückung aller übrigen Städte zwischen den Knosiern und Gortyniern abgeschlossener Bund hatte die Folge, daß die ganze Insel in zwei Parteien gespalten war. Dabei kam u.a. vor, daß die Knosier, die in Erfahrung gebracht hatten, daß die Lyttier einen Auszug unternommen hatten, Lyttos überraschten, die Weiber und Kinder nach Knosos sandten und die Stadt verbrannten und zerstörten. Als dann die Lyttier zurückkehrten, mochten sie gar nicht mehr in den unglücklichen Ort hinein, sondern zogen rings um denselben herum, indem sie über sein und ihr Los laute Klage anstimmten, und fanden dann ihr Unterkommen in der Stadt der Lappäer. In dem Parteistreit Kretas aber intervenierten auf knosischer Seite die Ätoler, auf der andern Philipp und der achäische Bund310.

[493] In Messene ferner, wo von dem durch Philipp aufgewiegelten Volke 200 angesehene Männer ermordet und viele in die Flucht gejagt worden waren, bestand eine Demokratie, wobei der Staat in der Gewalt derer war, die den Grundbesitz der frühern Eigentümer eingezogen und unter sich geteilt hatten; auch Fremde hatten diese Demokraten herbeigezogen311. Ähnliche Zustände herrschten in dem bithynischen, zum ätolischen Bunde gehörigen Kios. Die Kianer hatten nämlich in kommunistischer Neigung immer die Schlechtesten erhoben und die, welche diesen Widerstand leisten wollten, gezüchtigt. Damit kam Molpagoras empor, ein Demagoge und Egoist. Dieser schmeichelte der Menge und verleumdete die Wohlhabenden beim Pöbel, tötete die einen, ächtete die andern und zog ihre Habe ein, um sie an die Massen zu verteilen, wobei er bald monarchische Gewalt bekam. Polyb bemerkt zum Schicksale dieser Stadt, welche Philipp später einnahm und nach grausamer Behandlung seinem Schwager Prusias I. in Trümmern überließ, man könne jede Bevölkerung über den sichern Ruin verblenden, wenn man ihr Hoffnung auf Besserung ihrer Lage durch Beraubung der Mitbürger mache312. Für eine Zeit, da dies förmlich als durchschnittliche und unwiderstehliche Gewohnheit bezeichnet werden kann, nehmen sich dann die Delikatessen eines Philopömen313 merkwürdig aus.

Besonders groß ist die Verkommenheit in Böotien. Nachdem man hier schon lange vom Ruhm und Wohlbefinden der früheren Zeit heruntergekommen war, war man 245, weil man die Ankunft des verbündeten Aratos nicht abgewartet hatte, von den Ätolern bei Chäronea geschlagen und daraufhin so mutlos geworden, daß man sich nicht mehr entschließen konnte, sich um irgendetwas Ruhmvolles zu bewerben oder sich an irgendeiner gemeinsamen hellenischen Unternehmung auf gemeinsamen Beschluß hin zu beteiligen, sondern sich auf Wohlleben und Völlerei verlegte und nicht nur körperlich, sondern geistig erschlaffte. Das heißt also: ein griechisches Volk verlor durch Niederlagen sein Pathos und fing an, sich zu Tode zu leben. Nachdem sie dann förmlich zum ätolischen Bunde getreten waren, ließen die Böoter auch diesen in seinen Kriegen gegen Demetrios II. im Stich und unterwarfen sich, als derselbe mit Heeresmacht erschien, Makedonien ohne Kampf; eine antimakedonische Partei, deren Dasein gewissermaßen ein letzter Funke des Vorfahrenruhmes gewesen war, ging bald bis auf wenige unter. Die Verrottung aller öffentlichen Angelegenheiten aber war so weit gediehen, daß fast fünfundzwanzig[494] Jahre hindurch kein Prozeß, weder in Staats- noch in Privatsachen, durchzuführen war. Die Behörden selbst verhinderten das Rechtsprechen, indem sie immer, wenn Gerichtsverhandlungen stattfinden sollten, Garnisonsdienste und Auszüge ansagten; auch erstatteten einige Strategen den Dürftigen Sold aus dem Gemeingut. Und da lernte die Masse, daß sie denjenigen die Ämter geben müsse, durch die sie nicht wegen Missetaten und Schulden in Untersuchung würde gezogen werden, sondern wo vielmehr Aussicht wäre, durch die Dankbarkeit der Regierenden vom Staatsvermögen zehren zu können. Dazu kam aber noch eine andere schlimme Manier, indem nämlich die Kinderlosen beim Sterben ihre Habe nicht mehr den nächsten Verwandten vermachten, sondern zugunsten von Schmausereien und Gelagen ihrer Freunde testierten, und auch viele, welche Nachkommenschaft hatten, doch den größern Teil ihrer Habe an die Syssitien kommen ließen, so daß für manche Böoter der Monat mehr Schmäuse als Tage hatte. Als sich dann die Megarer, die sich mit Zustimmung der Achäer an Böotien angeschlossen hatten, aus Unwillen über dies Treiben in der Zeit nach 200 wieder den Achäern zugewandt hatten, fielen ihnen die Böoter, über solche »Mißachtung« erzürnt, mit voller Heeresmacht ins Land und belagerten Megara; da aber ein panischer Schreck über sie kam, weil es hieß, Philopömen ziehe mit den Achäern heran, ließen sie die Leitern an den Mauern stehen und flohen in aufgelöster Flucht davon. Erst als nach dem Frieden zwischen Rom und Antiochos (189) den Neuerungssüchtigen in Böotien alle Hoffnungen abgeschnitten waren, nahmen die Staaten eine andere Richtung an, und es hieß jetzt, die so lange liegengebliebenen Prozesse müßten entschieden werden; aber auch hierüber erhob sich viel Hader, weil die Heruntergekommenen viel zahlreicher als die Wohlhabenden waren; und vollends, als Rom die Restitution gewisser Flüchtlinge verlangte, konnte man sich darein nicht finden314.

Inzwischen kommen doch auch in dieser Diadochenzeit dadurch, daß das Schwergewicht des Handels verlegt wird, einzelne Städte erst recht empor, und dies sind dann diejenigen Stellen, wo noch irgendwie wirkliche Freiheit herrscht. So legt der Niedergang von Athen und Milet und später besonders die Freundschaft mit den Attaliden und mit Rom den Grund zum Wohlstand der Halbinselstadt Kyzikos an der Propontis. Dieselbe hatte schon um 365 ihre persische Besatzung vertrieben, hatte sich[495] befestigt und sehr verschönert und in den Diadochenkämpfen – u.a. glänzend gegen den Satrapen Aridäos315 – ihre Unabhängigkeit behauptet. Auch Byzanz hob sich damals. Es hatte seine herrliche Lage und das höchst fruchtbare Landgebiet – auch auf asiatischem Ufer besaß es ein kleines Territorium – durch die häufige Brandschatzung der umwohnenden Thraker und Bithynier von jeher teuer bezahlen müssen, und im III. Jahrhundert war noch eine starke Bedrängnis durch diejenigen Galater hinzugekommen, welche um Tyle am Hämus ein Reich gegründet hatten. Da die Stadt von diesen zuletzt jährlich um 80 Talente gebrandschatzt und von den Griechen (denen sie doch den freien Bosporos sicherte) trotz ihren Bitten nicht unterstützt wurde, half sie sich endlich durch einen Sundzoll und bekam darob freilich 220 Streit mit Rhodos. Aber besonders der Getreidehandel blieb sehr in Blüte, und so verlebte sie während der folgenden Kriege der Römer mit Makedonien, Syrien und den griechischen Koalitionen und noch später ihre glücklichste Zeit; auch ließ ihr Rom ihre eigenen Gesetze und ein ansehnliches Gebiet316.

Am merkwürdigsten ging es mit Rhodos. Dieses hatte gleich nach Alexanders Tode die makedonische Besatzung vertrieben und hatte dann als die mächtigste und bestregierte aller Hellenenstädte gegolten, auch zum Besten aller Hellenen das Meer von Piraten gesäubert. Seine Hauptverbindung hatte es mit Ägypten, weil sein Handel hauptsächlich dahin ging, hielt aber sorgfältige Neutralität gegenüber allen Diadochen, bis Antigonos dieselbe durch rohe Prätensionen störte. Und nun erfolgte die berühmte Verteidigung gegen Demetrios (305/4). Man hatte hiefür, als man seine Kräfte zählte, nur 6000 Bürger zur Verfügung, was für eine so wichtige Stadt auffallend wenig ist und wohl auf eine sehr zahlreiche Sklavenschaft schließen läßt. Dazu kamen noch 1000 Einsassen und Söldner, sowie tapfere, von ihren Herrn freigekaufte Sklaven, denen man das Bürgerrecht versprach. Den Mut der Leute hob man dadurch, daß man ihnen für den Fall des Todes öffentliches Begräbnis und liberale Versorgung ihrer Angehörigen in Aussicht stellte, und so herrschte Eintracht und allgemeiner Wetteifer, indem die Wohlhabenden ihr Geld opferten, die Gewerbsleute ihr Wissen und Können aufboten usw. Auch von einem Söldnerhauptmann genoß die Stadt volle Treue, so daß Demetrios ihn nicht verlocken konnte. Der Pöbel aber hatte in dieser rhodischen Demokratie noch so wenig das große Wort, daß diejenigen, welche die Statuen des Antigonos und Demetrios umzustürzen rieten, nur Tadel erfuhren. Im gefährlichsten Moment, als der Hafen drohte eingenommen[496] zu werden, boten die Prytanen auserlesene Freiwillige auf und füllten mit diesen drei Schiffe, welche dann unter heftigem Hagel von Geschossen das Entscheidende taten, indem sie die schwimmenden Maschinen des Demetrios versenkten. Nachdem es sodann Ptolemäos, Kassander und Lysimachos geglückt war, die Belagerten mit Proviant zu versehen, und diese nochmals durch glänzende Gegenwehr einen Sturm zurückgeschlagen hatten, erfolgte endlich der Friede. Eine frühere Vermittlung Athens und anderer hellenischer Städte war erfolglos geblieben, jetzt aber wünschte Antigonos selbst, daß sein Sohn einlenke, und anderseits gab Ptolemäos den Rhodiern den gleichen Rat. Und nun mußten diese allerdings in die Bundesgenossenschaft des Antigonos treten und diesem hundert Geiseln stellen, konnten sich aber vorbehalten, daß sie nicht dürften zum Kriege gegen Ptolemäos gezwungen werden, blieben autonom und ohne fremde Besatzung und behielten ihre eigenen Einkünfte. Nach diesem im Grunde höchst glänzenden Abkommen ehrte Rhodos, wie es versprochen, seine Tapfern, stellte die Statuen des Kassander und Lysimachos auf und weihte dem Ptolemäos auf Anfrage beim Ammon sogar ein Temenos, das sogenannte Ptolemäon, wie einem Gotte317. Es blieb nun eine gemäßigte Demokratie318 mit ausgebreitetem Handel und einem so musterhaften Seewesen, daß Rom von ihm seine Seegesetze entlehnte. Auch wurde es ein großer Kunstort und zeigte als solcher Neigung für das Imposante und Kolossale und für glänzende Wirkungen; es bildete sich eine rhodische Beredsamkeit aus, und die Geschichtsschreiber Zenon und Antisthenes trieben ihre Historiographie, wie Polyb sagt, nicht um des persönlichen Nutzens, sondern um des Ruhmes willen, und weil es sich für politische Männer schicke, nur war Zenon zu eifrig auf den Schmuck des Ausdrucks bedacht319.

Welche Gunst diese Stadt genoß, zeigte sich besonders bei dem großen Erdbeben (um 226), bei welchem u.a. der Koloß des Helios zusammenstürzte. Dieses Unglück wurde von den erfahrenen Rhodiern so benützt, daß sie weniger Schaden als Vorteil davon hatten; denn ihre um Hilfe bittenden Gesandten traten so vornehm und imponierend auf, daß[497] sie Städte und Könige nicht nur dazu brachten, ihnen gewaltig viel zu schenken320, sondern ihnen noch obendrein dankbar zu sein, was alles gewiß nicht aus bloßer Herzensgüte, sondern daraus zu erklären ist, daß Rhodos für sie war, was man französisch ein intérêt majeur nennt. Das Interesse und die Freiheit der Städte betrachtete dasselbe aber auch Philipp III. gegenüber (um 201) als seine eigene Sache und wurde darum dessen erklärter Feind, indem es zu Attalos und den Römern hielt. In diesem Kriege lernt man den trefflichen rhodischen Admiral Theophiliskos kennen, der nach der günstig verlaufenen Schlacht bei Chios noch seinen Bericht an die Vaterstadt schrieb und dann tags darauf an seinen Wunden starb321.


Diese Ereignisse gehören zu den Vorspielen des zweiten römisch-makedonischen Krieges. Philipp, der sich im Einverständnis mit Antiochos die ptolemäischen Vorposten in Thrakien, Ionien, Karien usw. zu nehmen angeschickt hatte, führte damals einen abwechslungsreichen Krieg gegen Ägyptens Verbündete, zumal Byzanz, Rhodos und das pergamenische Reich, wobei ihm u.a. die Einnahme von Kios und später (200) auch die von Abydos gelang. Jetzt klagten Ägypten, Pergamon und Rhodos gegen ihn in Rom, und durch das von ihm und den Akarnanen gleichfalls angegriffene Athen wurde der Senat schließlich zum militärischen Eingreifen veranlaßt. In dem nun folgenden dreijährigen Kriege (200-197) brachte Kynoskephalä die Entscheidung, und an den Isthmien des Jahres 196 verkündete T. Quinctius Flamininus den Griechen, von denen die Achäer sich inzwischen auf Roms Seite gestellt hatten, die neue Freiheit. Allein das gleiche Jahrzehnt führte auch noch den Antiochos nach Griechenland, dem die laute Erhebung oder stille Teilnahme der griechischen Städte sofort entgegenkam. Daß dieser durch die[498] Schlacht bei den Thermopylen nach Kleinasien getrieben und durch die bei Magnesia aufs Haupt geschlagen wurde, brachte ihm den Verlust seines ganzen kleinasiatischen Besitzes, der nun an Roms Alliierte kam, und beraubte auch ihn der Möglichkeit, auf die griechischen Verhältnisse weitern Einfluß auszuüben; zugleich aber führte der Umstand, daß die Ätoler diesmal auf seiner Seite gestanden hatten, deren erste tiefe Demütigung herbei, und endlich fallen in diese und die nächstfolgende Zeit die von wechselndem Erfolge begleiteten Unternehmungen der Achäer gegen Sparta und Messenien, woselbst Philopömen 183 den Schierling trinken muß.

Bei dem allen geht die Zerrüttung der Poleis ihren Gang weiter. Wenn der Hader zwischen ihnen einmal im ganzen eine Weile nachließ, wie das um 190 der Fall soll gewesen sein, so lag der Grund hiervon nur in ihrer tödlichen Schwäche322. Die Nation aber war so heruntergekommen, daß, wie Polyb bei einem zufälligen Anlaß sagt, niemand in Hellas mehr etwas umsonst tat, sondern die Bestechlichkeit immer das erste war, woran man denken mußte323. Nur in schrecklicher Rache und bei Trauerfeierlichkeiten kommt das alte Pathos noch zutage, wie denn bei der Bestattung Philopömens die messenischen Gefangenen an dessen Grabe gesteinigt wurden324. Sonst aber buhlte man nach Kynoskephalä und dann wieder nach Magnesia um Roms Gunst, und Massendeputationen gingen bald von hier, bald von dort an den Senat; einmal waren bei einer solchen Audienz allein von Sparta vier Parteien durch solche vertreten325. Als dann 179 König Philipp, an dessen Hofe im geheimen schreckliche Verhältnisse geherrscht hatten, aus Gram darüber gestorben war, daß er auf die Intrigen des Perseus hin in die Ermordung seines andern Sohnes, Demetrios, hatte willigen müssen, und der schon von ihm geplante neue Krieg mit Rom nun näher bevorstand, soll es der Hauptfehler des Perseus gewesen sein, daß er sowohl Könige als städtische Politiker nicht einmal auch nur mäßig, geschweige denn freigebig bestach, was er doch von Geldes wegen wohl gekonnt hätte326. Dafür hatte er gleich anfangs den Griechenfreund damit zu spielen begonnen, daß er durch Ausschreibung[499] in Delos, Delphi und dem Tempel der itonischen Athene in Böotien die schuldflüchtigen oder wegen irgendwelcher Verbrechen geächteten Griechen nach Makedonien lud und ihnen Schuldennachlaß und Amnestie in Aussicht stellte327, und nun regte sich in den tiefverschuldeten Griechenstädten eine desperate Umsturzpartei, und nachdem die Ätoler mit dem Schuldenabwerfen den Anfang gemacht hatten, ging (etwa 172) das anarchistische Treiben nach Thessalien über, und beinahe an jedem Orte kam es infolgedessen zu Aufständen und Bürgerkriegen, so daß der römische Senat die Machenschaften des Perseus hieran erkannte328. Damals geschah auch das Schlimmste, was selbst in dem übel berüchtigten329 Kreta vorkam. Die Kydoniaten nämlich, welche mit den Apolloniaten nicht nur in Freundschaft, sondern in Bundesgenossenschaft standen und Gemeinsamkeit mit ihnen in allem hatten, was bei den Menschen Recht heißt, auch darüber einen Vertrag beschworen hatten, der im Tempel des idäischen Zeus zu lesen war, überfielen die alten Freunde arglistig, töteten die Männer, raubten die Habe und verteilten und behielten Weiber, Kinder, Stadt und Feldmark330.

Perseus wurde (168) bei Pydna geschlagen und geriet in römische Gefangenschaft, nachdem er erst noch seinem nächsten Vertrauten gegenüber einen Beweis seiner tiefsten Bosheit gegeben hatte331, und in der Folgezeit kann Polyb einige Besserung bei Ätolern, Böotern und Akarnanen konstatieren, indem in allen drei Ländern etliche der schlimmsten Individuen gestorben waren332. Indes war doch gerade dies die Zeit, da nicht nur den Städten im allgemeinen der Vorwurf gemacht werden konnte, sie nähmen mit kleinen Almosen von den Königen vorlieb und[500] würfen für beliebige Verdienste ihre höchsten Ehren an sie weg333, sondern da ein Athen (156), »durch den Perseuskrieg auf den höchsten Grad der Armut geraten, mehr notgedrungen als aus eigenem Entschluß« über das böotische Grenzstädtchen Oropos herfiel und es ausplünderte. So weit also war man gekommen. Doch machte dies dann immerhin Aufsehen; Rom forderte Rechenschaft, und so schickte der Demos bezeichnenderweise drei Häupter seiner damaligen philosophischen Hauptschulen an den Senat, um sich von der Strafe loszubitten334. Die Kreter aber fuhren in der gleichen Zeit nach Siphnos und brachten dasselbe teils durch Überraschung, teils durch Betörung dazu, daß sie in der Stadt aufgenommen wurden; und, während sie sich verpflichtet hatten, nichts Böses zu tun, machten sie mit dem gewohnten kretischen Frevelsinn die Bewohner zu Sklaven, raubten die Tempel aus und fuhren schwer mit Raub beladen zurück; freilich straften die Götter sie darauf durch einen Sturm, in dem sie meist untergingen335. Es war, als ob der letzte Rest von Treue und Glauben aus den Menschen geschwunden wäre.

Zu den moralischen Folgen des Perseuskrieges gehörte ferner das schandbarste Denunziantentum. Nach Pydna wurde alle Welt angeklagt, es mit Perseus gehalten zu haben, und die Römer nahmen diese Klagen von Griechen gegen ihre Landsleute an und schafften tausend angesehene Männer vom achäischen Bund nach Italien, von denen nur dreihundert nach langen Jahren die Heimat wieder zu sehen bekamen. Besonders betrübend aber ist auch die Servilität, womit sich die Rhodier gegen Rom benahmen. Sie hatten im Kriege gegen Antiochos klüglich auf Seite Roms gestanden und waren dafür mit Stücken von Lykien und Karten beschenkt worden; im Perseuskrieg aber hatten sie sich kompromittiert und darauf Roms Ungunst erfahren, das ihnen vor allem die festländischen Besitzungen abdekretierte. Und nun sehen wir sie erst die Perseusfreunde verfolgen, foltern und ausliefern, und dann führt ihr Gesandter in einer wahren Jammerrede aus, wie man ihnen nicht bloß genommen habe, was man ihnen gegeben, sondern auch diese und jene Stadt, die sie gekauft oder sonstwoher erhalten, und wie durch die Erklärung von Delos zum Freihafen ihr Hafenzoll fast auf den siebenten Teil gesunken sei; und doch seien die wenigen Römerfeinde durch den Demos selbst dem Verderben geweiht worden, und man strafe nur noch Unschuldige. Rom gewährte schließlich das erflehte Bündnis, und nun beschloß das[501] etwas erholte Rhodos (163) gar, es sollte im Tempel der Athene ein 30 Ellen hoher Koloß des römischen Demos errichtet werden336.

Wer aber Nichtrömer war, hatte in dieser Zeit des Rückganges alle Muße, sich mit Lernen und Forschen abzugeben und mit alexandrinischer Vielseitigkeit der römisch werdenden Weltkultur zu dienen. Zu seinem und der Weltgeschichte größtem Glück gelangte gerade damals, da es in Griechenland für einen Staatsmann nichts mehr zu tun gab, als einer jener tausend Achäer Polyb nach Rom, wo er in große Verbindungen kam, sich einen gewaltigen Gesichtskreis verschaffen und die Geschichte dieser Zeiten schreiben konnte. Er ist es denn auch, der, im Begriffe, seine eigenen mühsamen Forscherreisen in Iberien, Libyen, Gallien und dem äußern Meere zu erwähnen, die Tatsache zuerst offen heraussagt, daß die Männer der Tat jetzt der kriegerischen und politischen Beschäftigungen ledig geworden seien und daraus die größte Veranlassung gewonnen hätten, sich mit der wissenschaftlichen Forschung abzugeben337. Mit andern Worten: der Grieche ist kein Mann der Polis mehr, sondern hat die neue große Bestimmung gewonnen, ein Bildungselement für die ganze Welt zu sein. Jetzt konnten auch, wie er selbst es wünscht (XII, 28), Staatsmänner die Geschichte schreiben, und er selbst hat denn auch das Entscheidende über Rom und seine Geschichte gesagt.

Aber in Hellas trieb man der letzten Entscheidung zu. Dieser zitterte, vielleicht ohne daß die eine oder die andere Partei in besonders hohem Grade schuld gewesen wäre, das ganze aufgelöste Hellenentum entgegen, und am Ende handelte es sich nur darum, welches die Gelegenheit dafür sein werde. Um 150 wurde es im Zusammenhang mit dem dritten Punischen Krieg wieder recht herzhaft unruhig. In Makedonien erhob sich, da man dort noch einmal etwas bedeuten wollte, ein falscher Philipp, und nun war es zwar nicht daran, daß die Griechen für diesen besonders eingenommen gewesen wären; aber das verlotterte, den heftigsten Leidenschaften anheimgegebene Volk kam dabei doch in Bewegung, und so brach denn, während Q. Cäcilius Metellus in Makedonien ein Ende machte, der Hader in Griechenland und der letzte achäische Krieg aus.

Welch eine grauenvolle Sozietät damals in den Poleis das Heft in die Hände bekommen hatte, lernt man bei den Schilderungen kennen, die[502] Polyb vom Anhang des Kritolaos und Diäos macht338: es ist überall die Auslese der Schlechtesten, der den Göttern Verhaßten, der Urheber jedes Verderbs, also die nämlichen verlorenen Menschen Griechenlands, die schon dem Perseus zugelaufen waren. Diese bereiteten sich jetzt durch den Terrorismus, den sie mit der größten Vehemenz ausübten, geradezu einen gewissen Genuß. Bei seiner Rundreise durch die Städte wies Kritolaos die Behörden an, keine Schuldner mehr zu betreiben und keine Schuldgefangenen mehr in Haft zu nehmen; auf der achäischen Tagsatzung zu Korinth wurde den römischen Gesandten das Wort abgeschnitten und sie wurden mit Hohn von der Rednertribüne vertrieben, »war doch eine Masse von Arbeitern aus den Werkstätten und von Banausen versammelt worden, so groß wie sonst nie«, und alle Bürgerschaften, besonders aber die korinthische, waren gänzlich verblendet. So konnte denn Kritolaos durch Hohn auf die bisherigen Autoritäten und Denunziationen gegen alle nicht Einverstandenen, sowie durch Erregung törichter Hoffnungen auf Hilfeleistung auswärtiger Könige und Freistaaten, die Achäer gegenüber einer handgreiflichen Überlegenheit der Römer in den verderblichen Krieg mitreißen339. Nach seinem bald erfolgten Untergange aber schrieb Diäos, um den nutzlosen Widerstand gegen Rom fortsetzen zu können, an die Städte, man solle 12000 hausgeborene Sklaven freilassen, bewaffnen und nach Korinth schicken, was natürlich auch unter den übrigen Sklaven eine Gärung hervorrief, indem diese nun ebenfalls auf baldige Freilassung hofften340. Und indem hierzu noch Zwangsanleihen und ein allgemeines Aufgebot kamen, waren die Städte voll von Verwirrung und Mutlosigkeit, und man pries die Umgekommenen und bejammerte die Ausziehenden. Ja schon vor der Einnahme Korinths verliefen sich viele ziellos aus den Städten; man schleppte einander zu gegenseitiger Denunziation vor die Römer; manche kamen mit Ölzweigen, klagten sich selbst als wortbrüchig an und verlangten ihre Strafe zu wissen, ohne daß jemand sie zur Rede gestellt hätte. Die Thebaner verließen von selbst ihre Stadt, so daß sie öde stand, alles war voll von solchen, die sich in die Brunnen und von den Felsen herunterstürzten, es war ein Anblick, der auch einen Feind hätte erbarmen können, und neben diesem allem tobte der letzte Terrorismus des Diäos, der sich mit Verhaften, zu Tode Foltern und zu Tode Peitschen der Gemäßigten half, um teils Geständnisse, teils auch die letzten Geldmittel zu erhalten. Das Glück im Unglück war noch die schnelle Besiegung, so daß[503] die Römer nicht weiter erbittert wurden und man die Truppen aus Afrika nicht mehr brauchte, auch die Terroristen nicht weiter wüten konnten. Alle sagten damals (mit einer ursprünglich von Themistokles stammenden Wendung): »Wenn wir nicht rasch untergegangen wären, hätte es keine Rettung für uns gegeben.« Die Rettung aber, die es gab, war nun allerdings damit verbunden, daß die Griechen fortan von dem römischen Statthalter der neuen Provinz Makedonien abhängig waren.


Und nun haben wir von der quantitativen Abnahme der Nation zu sprechen, einem Faktum, das bisweilen übersehen oder nicht genug betont wird, das aber in erstaunlichem Grade vorhanden war. Fragen wir nach den allgemeinen Tatsachen, die ihr zugrunde liegen, so bietet sich vor allem der von Polyb dafür angeführte Umstand, daß die in Großtuerei, Habsucht und Vergnügungssucht verfallenen Menschen nicht mehr heiraten und, wenn sie es je taten, keine oder höchstens ein oder zwei Kinder haben wollten, um diese in aller Üppigkeit aufziehen und reich zurücklassen zu können; das Unglück sei binnen kurzem unbemerkt so groß geworden, daß der erste beste Krieg oder Krankheitsfall nun gleich das Haus veröde; man sollte also die Sinnesart ändern oder durch Gesetze das Aufziehen der erzeugten Kinder befehlen341. Wir möchten indes bezweifeln, ob damals wirklich noch die Vergnügungssucht die Menschen in diesem Punkte hauptsächlich bestimmte und nicht eher die Desperation, die ja doch ihre Gründe hatte. Die unseligen Eltern wußten in dieser, da Bodenaufteilung und Schuldenerlaß an der Tagesordnung waren, gar zu gut, was der Kinder warten würde; der Polis aber, welche reich zu werden glaubte, wenn sie den Besitzenden das Ihrige nahm, gingen zu spät die Augen darüber auf, daß man auf diese Weise immer ärmer werden, ja daß das Leben zuletzt erlöschen mußte.

Ferner pflegt man als Gründe der Abnahme den Abzug der Bevölkerung in die Diadochenlande, die Kriege mit den Römern (resp. die römischen Kriegswellen, die bis zur Schlacht von Actium über Griechenland gingen) und die Einfälle der überhandnehmenden Seeräuber namhaft zu machen342. Aber dies alles ist nicht das Wesentliche. Hätten nicht Griechen sich vor Griechen retten müssen, so wäre die Auswanderung nach Syrien, Ägypten usw. schon gar nicht in solchem. Maße erfolgt. Die Kriege mit Rom ferner und die römischen Bürgerkämpfe in Griechenland waren von kurzer Dauer; abgesehen von Haliartos, das im Perseuskriege geschleift wurde, und von dem 146 zerstörten Korinth wurde von[504] den Römern eigentlich systematisch nur Epirus und das Illyrierland, beides ursprünglich volkreiche Landschaften, zur Sicherung der Apollonia mit Makedonien verbindenden via Egnatia verödet, so daß man hier, weil die Städte zerstört waren, dorfweise und in Trümmern wohnte und überall römische Garnisonen lagerten343; auch was im mithridatischen Kriege durch Sulla geschah, ist wenig und läßt sich kontrollieren344. Und was den Seeraub betrifft, so kam derselbe beim Verfall der Diadochenreiche allerdings stark auf; das verwilderte, durch Bürgerkriege ruinierte Kreta345 wurde piratisch, und bald war es auch Kilikien, während im Westen die Piraterie von Illyrien aus früh in Blüte stand, und überall waren die Seeräuber zugleich Sklavenfänger und Sklavenhändler; daß dergleichen aber furchtbar werden konnte, ist ein Beweis dafür, daß die Küstenlandschaften bereits arm an Menschen waren, und nicht die bewirkende Ursache der großen Abnahme. Die Hauptursache ist vielmehr die, welche Plutarch beiläufig da nennt, wo er mit dem Rückgang der Bevölkerung das Erlöschen vieler Orakel motiviert346: es sind die frühern Bürgerkämpfe (αἱ πρότεραι στά σεις). Wenn zu Plutarchs Zeiten ganz Hellas kaum 3000 Hopliten hätte stellen können, und wenn sich bei Dio Chrysostomos das Bewußtsein findet, daß die alten echten Griechen eine ganz seltene Spezies geworden seien, so hatte sich eben hier erfüllt, was der alte Seher vom Ausgang seines fünften Menschengeschlechts geweissagt hatte347: Allgemeine Zwietracht, auch innerhalb der Familien, werde sich[505] erheben, einer werde die Stadt des andern ausplündern; nichts werde mehr das Halten der Eide und das Gerechte und Gute gelten, sondern den Übeltäter und Frevler werde man ehren; das Recht werde in der Faust sein und keine Scham werde es mehr geben; der Schlechte werde den Bessern mit trügerischen Worten schädigen, die er mit Eiden bekräftige. »Kain, wo ist dein Bruder Abel?« hätte sich die Nation können fragen lassen. Es waren eben zusammengekommen die beständigen Innern Wirren mit dem periodischen Ausmorden der Besitzenden und die Überfälle (καταδρομαί) von Stadt gegen Stadt. War man hierdurch schon recht gründlich geschwächt, so konnte der Kultur dadurch ein Ende gemacht werden, daß Sklaven und Tiere weggeschleppt wurden348. Man war jetzt nicht mehr reich genug, um sie durch Kauf zu ersetzen; selber arbeiten wollte und konnte man nicht mehr, wie man auch zu erschöpft war, um das Land von neuem mit Freien zu bevölkern, und so wurde man durch das Ödelassen des Landes gemäß einem gegebenen circulus vitiosus erst vollends arm. Demnach wenden sich denn schon kurz nach Alexander große Beutelustige wie Ophellas und sein griechischer Anhang deshalb gegen Libyen und Karthago, weil die Dinge in Hellas durch die beständigen Kriege schwach und armselig (ἀσϑενῆ καὶ ταπεινά) geworden sind349, und Polyb führt aus, daß zu seiner Zeit (nach 146), da doch der Peloponnes sich wieder erholt habe, auf der ganzen Halbinsel von der beweglichen Habe (wenn man nicht etwa die Menschen noch als Sklaven verkaufte) keine 6000 Talente zusammengebracht werden könnten350. Hellas endete also mit allgemeiner Verarmung, vielleicht zum großen Staunen der damaligen Politicians, welche auf Genuß mögen gehofft haben351; durch die angebliche Freiheit mit ihrer faktischen Despotie[506] war es demselben Aussterben zugeführt worden wie im XVII. Jahrhundert die spanische Nation durch die sogenannte Despotie, d.h. den monarchischen Steuerdruck, nur daß Spanien nicht demokratisch verpöbelt wurde.

Und nun die Zerstörung und Verödung von Städten, wobei die Fälle ganz außer Betracht kommen mögen, da solche den häufigen lokalen Erdbeben zum Opfer fielen; würden doch tätige Bevölkerungen durch diese nicht von stets neuem Anbau abgeschreckt worden sein. An die Stelle desjenigen Reichtums von städtischen Anlagen (ἐυκτίμενα πτολίεϑρα), von demA25 uns schon der Schiffskatalog der Ilias ein so deutliches Bild gibt, trat mit der Zeit ein Zustand, den uns Dio Chrysostomos mit dem Worte anschaulich macht: »Strömt nicht der Peneios durch ein einsames Thessalien und der Ladon durch ein verwüstetes Arkadien?... Welche Städte sind jetzt öder als Kroton, Thurioi, Metapont und Tarent?... Zu Pella in Makedonien bemerkt man keine Spur mehr von einer Stadt, ausgenommen die vielen Ziegelbruchstücke352«.

Es ist der Mühe wert, sich diesen Zustand durch eine Betrachtung der Ruinenwelt bei Strabo und Pausanias näher zu vergegenwärtigen353, und zwar wollen wir mit einer der Landschaften beginnen, welche am frühsten eine Anzahl solcher Ruinen geschaffen hat: mit Argos. Wie dieses sich seinen unglücklichen Landstädten gegenüber benahm, haben wir früher gesehen354. »Wo es Mykenä also erging, darf man sich nicht wundern, daß jetzt auch einige der als argivischeA26 Untertanenstädte angeführten Orte spurlos verschwunden sind«, sagt Strabo355; ein Argos hatte nicht anders gekonnt, als sie mit der Zeit »wegen Mangels an Fügsamkeit« (ἀπειϑούσας) durch sukzessive Exekutionen zu zernichten und mit ihren Bewohnern die Bevölkerung des Hauptortes zu vermehren.[507] Und mit all diesem Menschenhunger ist doch so wenig mehr aus Argos geworden! Pausianas sah also in der Argolis von Mykenä, Hysiä, Tirynth und Asine die Trümmer; von Orneä waren noch zwei Tempel da; von Midea, wo einst Elektryon, der Vater der Alkmene, geherrscht hatte, stand kein Stein mehr auf dem andern; in Nemea wurden zwar von den Argivern noch die Nemeen gefeiert, aber der »namhafte, sehenswerte« Zeustempel in dem dortigen Zypressenhain hatte ein eingestürztes Dach und kein Bild mehr, und auch auf ihrer eigenen Akropole duldeten die Argiver den Tempel des Zeus Larissäos ohne Dach, und das hölzerne Kultbild stand nicht mehr auf seiner Basis. Selbst der Hafenort Nauplia war öde; übrig waren noch Ruinen der Stadtmauern, ein Poseidonstempel, die Häfen und die Quelle Kanathos, wo Hera sich einmal im Jahre zur Jungfrau badete; diese Quelle, welche die Stadt überlebte, war einst vielleicht die Ursache ihrer Gründung gewesen356.

Folgen wir unsern beiden Führern zunächst nach Lakedämonien und den westlichen Peloponneslandschaften, so erfahren wir357, daß jenes im Verhältnis zu seinem frühern Menschenreichtum stark entvölkert war; während es einst das hundertstädtige hieß, waren der übrigen Städtchen außer Sparta jetzt noch etwa dreißig; von den bei Homer genannten Orten waren die einen zerstört, von den andern waren noch Spuren vorhanden, wieder andere hatten neuere Namen. Wohl noch auf Rechnung der alten lykurgischen Revolution mochte die Verödung oder das Herabsinken zu Dörfern bei Pharis, Bryseä, Helos, Pellana und andern Orten kommen358; aber Zarax war durch denjenigen Kleonymos zerstört worden, welcher den Pyrrhos ins Land rief359, und in Sellasia hatten nach der Schlacht von 222 die Sieger, und zwar die Achäer, die gewiß völlig unschuldigen Bewohner zu Sklaven gemacht360. Ob sich der Ort jemals wieder hat bevölkern können, wissen wir nicht; mit dem bloßen Fortschleppen der Leute in die Sklaverei mochte in jenen Kämpfen unter Griechen bald diese, bald jene Stadt auf immer verödet werden. Auch die Ruinen von Kyphanta und Hippola sah Pausanias in Lakonien; dort floß noch der Quell da, wo Atalante, auf der Jagd dürstend, den Fels mit dem Speer getroffen hatte, hier war noch ein Athenetempel, wie überhaupt solche einsame Tempel, bisweilen ohne Dach, von dem Periegeten im dortigen Lande verschiedene angetroffen wurden361. Von[508] den messenischen Ruinenstädten läßt sich annehmen, daß sie meist schon aus den alten messenischen Kriegen herrührtenA27; Pausanias sah daselbst die Trümmer von Andania und von Dorion362. Wandte man sich aber nordwärts, gegen Triphylien, so erfuhr man, daß die Lakedämonier nach dem dritten messenischen Krieg (um 460) den Lepreaten zu Gefallen Pylos (das dabei wohl demoliert wurde) in Lepreon synoikisiert und auch sonst dort viele keckere Ortschaften zerstört hatten363, und kam man dann nach einem langen Weg durch Sand und Fichtenbestände in das Alpheiostal, so fand man die Ruinen von Skillus, dessen Einwohner, lange bevor Xenophon daselbst seinen Besitz erhalten hatte, von den Eliern vertrieben worden waren, weil sie es mit den Pisaten gehalten hatten364. Im pisatischen Gebiete war vor allem Pisa selbst (schon um 570) durch die Elier gänzlich zerstört; weder Stadtmauern noch andere Reste waren mehr vorhanden und die ganze Stätte mit Wein bepflanzt; von der auf einem steilen Hügel gelegenen Stadt Phrixa sah man noch Trümmer und den Altar eines Athenetempels und von Harpine gleichfalls Trümmer und Altäre365; auch das pisatische Dyspontion war von seinen Einwohnern »verlassen« worden, indem diese größtenteils nach Epidamnos und Apollonia zogen366. Von dem elischen Hyrmine heißt es: »es war einst ein Städtchen, besteht aber nicht mehr«367; von dem dortigen Pylos waren noch Ruinen sichtbar, und von Letrinoi, ehemals einer kleinen Stadt, standen noch wenige Wohnungen und ein Tempel368.

Im Norden des Peloponnes waren zwar Helike und Bura durch die Katastrophe des Jahres 373 vom Meere verschlungen worden; mehrere andere Orte Achaias aber lagen mit oder ohne den Willen der Bewohner verlassen, indem man sie zum Synoikismos in eine Nachbarschaft bewogen oder gezwungen hatte. So war Ägä in Ägira, Olenos in Dyme aufgegangen; das letztere zeigte man noch zwischen Dyme und Paträ, und ein angesehener Asklepiostempel stand in dem öden Ort. Auch Rhypes war nicht mehr bewohnt und das Gebiet den Leuten von Ägion und Pharä anheimgefallen. In Dyme hatte Pompeius, wahrscheinlich weil es auch hier (trotz des Synoikismos von Olenos) an Bevölkerung mangelte, einen Haufen begnadigter Piraten angesiedelt369.

[509] Und nun die Mittellandschaft des Peloponnes, Arkadien. Strabo sagt an der Hauptstelle, die sich bei ihm über dieses Land findet, die arkadischen Völker (Azanen, Parrhasier u.a.) schienen die ältesten der Hellenen; aber wegen der gänzlichen Verwüstung (κάκωσις) der Gegend würde es sich nicht ziemen, umständlich von ihnen zu handeln; denn die früher ruhmvollen Städte seien durch die fortwährenden Kriege vertilgt worden, und die Bebauer hätten das Land schon von den Zeiten an verlassen, da der Synoikismos in die sogenannte »Große Stadt« (Megalopolis) stattfand; jetzt verhalte es sich auch mit dieser nach dem Wort des Komikers: »eine große Einsamkeit ist die große Stadt«; für Herden aber sei hier reiche Weide, besonders für Rosse und für Esel, welche als Beschäler bei Rossen dienten. Übrigens seien auch das durch Epaminon – das berühmte Mantinea und Orchomenos und Heräa und Kleitor und Pheneos und Stymphalos und Mänalos und Methydrion und Kaphyeis und Kynätha entweder gar nicht mehr oder nur noch in Spuren vorhanden; Tegea existiere noch einigermaßen, sowie der dortige Tempel der Athene Alea, etwas weniges werde auch noch der Tempel des Zeus Lykaions auf dem hohen Lykaion geehrt; einige bei Homer genannte Orte zu finden wäre schwer und für den Findenden wegen ihrer Verödung nutzlos370.

Hier waren doch nicht die Römer die Zerstörer gewesen, sondern, soweit nicht der Synoikismus von Megalopolis schuld war, der 38 oder 40 Ortschaften, aber damit immerhin nur einen kleinen Teil des alten Arkadiens betroffen haben soll371, erfolgte der Tod durch lauter innere griechische Fehden. Besonders beschäftigte die Spätern das Schicksal von Megalopolis, welches Kleomenes bloß deshalb, weil er hier in den drangvollen Zeiten keinen Parteigänger und Genossen seiner Hoffnungen, also keinen Verräter, hatte finden können, so zurichtete, daß damals niemand an eine Wiederbevölkerung hätte denken können372. Notdürftig wiederhergestellt, hatte dieser einst mit größter Hingebung der Arkader und unter den lebhaftesten Hoffnungen der Hellenen gegründete Ort doch alle seine Zier und seinen frühern Wohlstand verloren und lag zu den Zeiten des Pausanias großenteils in Trümmern. Dieser knüpft hieran eine zusammenhängende Betrachtung über das Sinken und den Untergang von Städten373. Statt das öde Motiv vorzubringen, daß das Schicksal eben die Veränderung liebe, hätte er an die Einzelursachen denken dürfen. Wer hatte hier so gehaust, wenn nicht die Griechen selbst?[510] Von den Ortschaften aber, die an dem großen Synoikismus teilgenommen hatten, weiß er sieben zu nennen – darunter das früher durch eigene Olympioniken berühmte Methydrion –, die noch als Dörfer existieren374, ja Pallantion war durch Antoninus Pius wiederum zur Polis erhoben worden, und noch stand auf dem Gipfel des Hügels über der Stadt, wo vor alters die Akropolis gewesen war, der Tempel der geheimnisvollen Eidesdämonen, welche die Reinen (Καϑαροί) hießen375; die andern Orte aber waren öde, wobei z.B. an Kromoi noch etliche Trümmer, auch an Charisia etliche Bauten, an Trikolonoi ein Poseidonheiligtum in einem Hain, an Zoitia ein Tempel der Demeter und der Artemis erinnerten; auch von Paroreia, Makareä und Daseä gab es noch Ruinen. Und nun kennt der Perieget aber auch noch eine große Anzahl von Trümmerstätten, für die Megalopolis die Verantwortung nicht trug: Brenthe und Basilis, ein Ort von erlauchter mythischer Gründung, wo sich noch ein Tempel der eleusinischen Demeter fand, Thyraion und Hypsus, die beide von Lykaon, dem mythischen Urkönige Arkadiens gegründet waren, sodann Phalanthos, Peräthos mit einem noch bestehenden Pans- und Lykoa mit einem Artemisheiligtum, ferner Sumetia und Mänalos, wo außer den Resten eines Athenetempels solche eines Stadions und eines Hippodroms waren, und man auf einem Berge gleichen Namens noch die Hirtenpfeife des Pan hörte; dazu kommt Akakesion, wo Lykaons Sohn Akakos den Hermes erzogen hatte; von der Urstadt Lykosura waren noch der Mauerumfang und wenige Bewohner vorhanden, halb verödet war Thelpusa, dessen früher genau in der Mitte gelegene Agora jetzt am Rande, und dessen Zwölfgöttertempel eingestürzt war; zwischen Tegea und Megalopolis traf man auf die Ruinen von Hämoniä; Oresthasion hatte noch die Säulen eines Tempels der Artemis Hiereia, Ringmauerreste fanden sich von der einstigen Akropolis von Asea, dachlose und sonst ruinierte Tempel bald hier, bald da. Ganz wehmütig aber klingt es, wenn vom Panheiligtum am Lykaion, wo auch noch ein Stadion und ein Hippodrom vorhanden war, gesagt wird, einst hätte man hier den Agon der Lykäen abgehalten, und es fänden sich dort auch noch Basen von nicht mehr vorhandenen Statuen, wovon eine durch ihre Inschrift Astyanax einen Nachkommen des Arkas nenne. Mit dem Volk waren auch die Spiele verschwunden376.

Zur Zeit des Pausanias kann der größte Teil von Arkadien, soweit es nicht völlig menschenleer war, nur noch von Hirten bewohnt gewesen sein, von denen wir gerne wüßten, wem ihre Herden gehörten. Gewiß[511] waren die Wälder noch nicht ausgeholzt, sondern noch reichlich vorhanden und mit ihnen die Quellen. Wenn daher irgendwann ein Stück der Welt das Bild der Landschaft eines Poussin und Claude verwirklicht hat, so war es nicht das frühere Arkadien, welches ein stark bebautes Ackerland mit vielen Poleis gewesen sein muß, sondern das damalige, mit seinen Ruinen, Tempeln und Hirten und seinem wahrscheinlich wieder vordringenden Wald377.

Verließ man etwa über das zur Zeit des Städtebelagerers Demetrios auch sehr verkleinerte Sikyon378 den Peloponnes, so fand man zu Strabos und Pausanias Zeiten Korinth durch Cäsars Verdienst wiedererstanden, nachdem es 146 von der römischen Kaufmannspartei dem Untergang geweiht worden war und hundert Jahre lang in Trümmern gelegen hatte. Es hatte immerhin große Ehrfurcht vor allem, was Tradition war, oder große Empfindungslosigkeit verraten, daß man auch angesichts der Ruinen von Korinth die Isthmien nicht eingehen ließ, sondern den Sikyoniern den Agon abzuhalten übertrug379; dies werden die Festlinge durchgesetzt haben, welche am Ende der Zeiten immer mächtig sind. Die Dinge mochten gehen, wie sie wollten, die Turnerei ging allem vor, und an den Anblick von Ruinenstädten war man ja gewohnt.

Selbst Attika hatte eine solche, und zwar durch eine Schandtat der Athener in makedonischer Zeit. Salamis war den Athenern 318 abhanden gekommen, indem die Bewohner aus absichtlicher Feigheit, wie man sagte, sich an Kassander übergaben, und nun hatten die Athener geschworen, den Salaminiern auf alle Zeiten des Verrats eingedenk sein zu wollen. Später aber besetzte auch Demetrios die Insel, und sie blieb bei Makedonien, bis sie 229 durch Aratos wieder an Athen kam. Und nun ließ dieses den vollen 89 Jahre lang aufgesparten Ärger in wohlfeiler Art los, indem es die Salaminier vertrieb und Grund und Boden an attische Kleruchen gab, von der alten, gegen Ägina hin gelegenen Stadt sah Pausanias noch die Trümmer der Agora und einen Tempel des Aias. Sonst war in Attika auch von Myrons ehemaliger Heimat Eleutherä nichts als die Mauern und Trümmer von Häusern übrig; dafür, daß Munychia und der Piräus auf kleine Ansiedelungen beschränkt waren, kann man etwa noch Sulla anklagen380.

[512] In Böotien war Theben von Kassander wieder erbaut worden; sein Bürger aber, der Kyniker Krates, hatte es bald darauf mit der Begründung verlassen: »Ich brauche keine Stadt, die ein neuer Alexander zerstören wird«381. In der Tat kam später, im mithridatischen Krieg, das Unheil durch Sulla, der den Thebanern die Hälfte ihrer Feldmark nahm. Wenn sie diese hernach auch zurückbekamen, so waren sie doch von jener Zeit an verarmt; die ganze Unterstadt mit Ausnahme der Tempel war aufgegeben und nur die Akropolis noch bewohnt, die jetzt ihrerseits Theben und nicht mehr Kadmeia hieß. Im gleichen Verhältnis waren auch die übrigen Städte heruntergekommen oder zerstört. Nicht bloß das, wie schon gesagt, im Perseuskrieg geschleifte Haliartos, dessen Feldmark an Athen gekommen war, existierte nicht mehr, sondern im platäischen Gebiet lagen die Trümmer von Hysiä und Erythrä, jene mit einem halbfertigen Tempel des Apollon und einem Brunnen, der denen, die daraus tranken, die Gabe der Mantik verlieh; ein unfertiger Tempel war auch in den Trümmern von Skolos; er war der Demeter und Kore geweiht gewesen; bei den Trümmern von Glisas war das Grab argivischer Epigonen zu sehen; Harma, einer der Orte, wo die Amphiaraossage lokalisiert war, war ein verlassenes Dorf geworden; in Mykalessos hatten Athens thrakische Söldner schon im Peloponnesischen Krieg die ganze Bevölkerung ausgemordet; Askra, von dem man noch einen Turm sah, war vor der Zeit des Aristoteles von den Thespiern zerstört worden, und die Orchomenier hatten die geretteten Einwohner aufgenommen und hernach auf ein Orakel hin auch die Gebeine Hesiods zu sich herübergeholt; aber auch Orchomenos lag später gänzlich darnieder; zu Strabos Zeiten waren Tanagra und Thespiä, in welch letzteres man einst gegangen war, um den Eros des Praxiteles zu sehen, die einzigen noch lebenden Orte Böotiens; im ganzen wird der Zustand des Landes sich von dem Arkadiens nicht stark unterschieden haben382; es gab hier Gegenden, wo man einen ganzen Tag über kaum einen Hirten antraf.

Was Phokis betrifft, so waren seine teilweise bei Homer erwähnten Städte, in denen schon das Heer des Xerxes einst arg gehaust hatte, nach dem heiligen Kriege bis auf den Boden zerstört und die Einwohner in Dörfer zerteilt worden, mit Ausnahme von Abä, das an dem Tempelfrevel keinen Teil genommen hatte. In der Folge – und zwar noch vor Chäronea – wurde durch die Athener und Thebaner der größere Teil wieder hergestellt, bei einigen aber, die von jeher schwach gewesen oder damals[513] zu arm waren, wurde dies unterlassen, z.B. bei Parapotamioi, dessen Lage man später nicht einmal mehr kannte, obwohl es die Heimat eines Pythioniken gewesen war. Das Volk, um welches es schade gewesen sein muß, kämpfte dann bei Chäronea und im lamischen Kriege und aufs eifrigste auch, um die alten Vorwürfe zu widerlegen, gegen die Kelten. Pausanias kannte in dem Lande noch die Ruinen des alten Ledon, das für die Schuld seines Mitbürgers Philomelos hatte büßen müssen; die Stadt war »aus Schwäche« aufgegeben worden, und ihren Namen trug nun eine Ansiedelung von nur siebenzig Menschen an einer andern Stelle. Geschleift sah Strabo das am euböischen Meere gelegene Daphnus383. Der letztere gibt auch von den epiknemidisch-lokrischen Städten die Notiz, daß sie mit Ausnahme einiger weniger nicht der Rede wert seien. Das bei Homer erwähnte Kalliaros war, obwohl fruchtbar gelegen, nicht mehr bewohnt. Bessa und Augeiä existierten nicht mehr; unter den ozlisch-lokrischen Orten genoß das einst (339) durch den Spruch der Amphiktyonen zerstörte Amphissa wieder einer gewissen Blüte384. Von der nördlich davon gelegenen dorischen Tetrapolis am Parnaß indes (Erineos, Boion, Pindos, Kytinion) erfährt man, daß sie einst, obwohl die Orte klein und der Boden schlecht waren, ein gewisses Ansehen genossen habe, im heiligen Krieg aber und durch die Angriffe der Makedonier, Ätoler und Athamanen dergestalt heruntergebracht worden sei, daß man sich wundern könne, wenn eine Spur von ihnen bis auf die Römer weiterlebte; Ätoler und Akarnanen zusammen hatten auch die Änianen ausgetilgt; die Athamanen aber, welche die Plage der Dorerstädte waren, sind ein später Auszug der Epiroten, der sich wahrscheinlich besonders zur Zeit Philipps V. unter einem König Amynander über das erschöpfte Mittelgriechenland herwarf, wie im XIII. Jahrhundert die Albanesen; auch diese Räuber waren übrigens, nachdem sie das Mögliche angestiftet, ausgestorben385.

Auch von Thessalien heißt es bei Strabo, daß außer Larissa wenige seiner Städte das alte Ansehen erhalten hätten. Nicht nur waren kleine, halbbarbarische Völkerschaften, wie die Talarer und Äthiker, daselbst verschwunden, ohne daß man wußte, ob sie ausgerottet worden seien oder nur ihre Selbständigkeit und damit ihren Namen verloren hätten, sondern von den Perrhäbern, deren Stadt Elone am Fuße des Olymp zerstört lag, war kaum mehr eine Spur vorhanden, und in den nördlichen Völkerchen kennt Strabo sich nicht mehr aus, weil durch die beständigen Veränderungen und Mischungen der Staaten Namen und Völker durcheinandergekommen waren. Zerstörte Städte waren Pyrasos und Iolkos,[514] von wo einst Iason ausgefahren war; wie dieses, so hatten Bürgerkämpfe und Tyrannenherrschaften auch Pherä heruntergebracht, welches mit seinen Tyrannen zugleich sank; auch Demetrias, welches durch den von Demetrios Poliorketes anbefohlenen Synoikismos in unmittelbarer Nähe der Trümmer von Iolkos angelegt war, war heruntergekommen, obwohl es sich von den übrigen Orten der Halbinsel Magnesia noch immer unterschied. In Skotussa hatten sich die wenigen, die sich bei der Ausmordung der Bürgerschaft durch Alexander von Pherä hatten retten können, wieder angesiedelt; aber bei dem unglücklichen Krieg der Hellenen gegen die Makedonier (offenbar dem lamischen) verließen auch diese »wegen Schwäche« die Stadt. Es muß, wenn irgendwo zu wenige waren, um eine Polis vorzustellen, ein Vorteil dabei gewesen sein, auszuwandern und anderswo als Metöke zu leben, trotzdem man Erbe der ganzen Feldmark war oder sein konnte386.

Zur Pferdezucht geschickt war, wie Arkadien, so jetzt auch die »Einsamkeit der Ätoler und Akarnanen«. Ätolien war seit der Züchtigung durch M. Fulvius Nobilior und den darauffolgenden inneren Kämpfen verödet; Kalydon und Pleuron, vor alters ein Schmuck von Hellas, waren unbedeutend geworden, Olenos war geschleift, und es waren nur noch Spuren davon vorhanden; auch das nahe gelegene Lysimacheia, wie sein Name sagt, eine relativ neue Stadt, war vertilgt, und Pylene hatte fast dasselbe erlitten wie Olenos. »Sowohl Akarnanen als Ätoler sind durch die beständigen Kriege aufgerieben und erschöpft, wie auch viele andere Völker«, sagt Strabo387.

Kam man dann in das rauhe, gebirgige Epirus und Illyrierland, so fand man diese, wie oben388 gesagt, durch die Römer entvölkert; aber viele Stadttrümmer waren auch an der ursprünglich thrakischen Küste, z.B. die von Singos, nach dem eine Bucht der Chalkidike ihren Namen hatte, von Stageiros, der Heimat des Aristoteles, die doch einst ihr Zerstörer Philipp II. wiederhergestellt hatte, den Städtchen Ägospotamoi und Krithote389.

Und auf dem kleinasiatischen Festland war es nicht viel anders. Überall gab es verödete Städte, wie z.B. in der Troas Pedasos und Marpessos am Ida, wo Pausanias noch etwa sechzig Bewohner fand, und in Mysien Lyrnessos und Thebe am Plakos, die Stadt des Eetion, auch das alte Chrysa, von wo der Kult des Apollon Smintheus durch Methidrysis in[515] die gleichnamige spätere Stadt bei Hamaxitos übertragen war390. Von den dreißig äolischen Städten lagen nicht wenige, z.B. Larissa unweit Kyme, öde391, von den ionischen, die freilich vielfach durch Erdbeben zu leiden hatten, war Myus wegen Bevölkerungsmangels mit Milet vereinigt392.

Für den Zustand mancher Inseln des Archipelagos ist eine Stelle Älians393 bezeichnend. Dieser erzählt von dem Vogel Kyanos (der Blauamsel), er niste nur in völliger Einsamkeit und meide gerne sogar das Festland und die fruchtbaren Inseln, komme aber wohl auf Skyros vor und wo sonst noch ein gar zu klägliches und unergiebiges und der Menschen gemeiniglich entbehrendes Eiland sei. Und dieses Skyros hatte mit Lemnos und Imbros seit dem vierten Jahrhundert den Außenbesitz Athens ausgemacht! Von Strabo wissen wir, daß von den vier Städten von Keos Koresia in Iulis, Poieessa in Karthaia »hinübergeschlüpft« waren; bei jenem stand noch ein Tempel des Apollon Sminthäos, bei diesem ein von Nestor auf der Rückfahrt von Troia gegründeter der Athene Nedusia. Auf Lesbos war Pyrrha zerstört und nur noch eine Vorstadt am Hafen bewohnt. Ikaria war verlassen, hatte aber Weiden und wurde von Samiern bewirtschaftet; von Karpathos ist wie in stiller Voraussetzung völliger Verödung die Rede, während es doch einst vier Städte und einen ziemlichen Namen gehabt hatte, so daß das Meer nach ihm hieß394. Selbst Delos, an das nach 146 ein großer Teil des Marktes von Korinth gekommen war, war nach einer Verwüstung durch die Truppen des Mithridates so öde, daß die von Athen zur Bewachung des Heiligtums hingesandte Mannschaft seine einzige Bevölkerung war395. Und auch dem Festland ganz nahe gelegene Inseln waren verlassen: nicht nur eine ungenannte unweit der äolischen Küste396, wo noch ein Heiligtum des Apollon war, sondern auch die meisten der Attika vorgelagerten Inselchen: Phabra, Eläussa, Hydrussa, Helene u.a.397 Von den großen Inseln mögen, wie wir schon früher sahen398, die ärgsten Zustände auf dem zu Homers Zeiten hundertstädtigen Kreta geherrscht haben. Man wird dort oft, wenn der Pöbel nach neuer Landverteilung schrie, eine liebe Nachbarstadt nur um ihrer Feldmark willen zernichtet haben, oder man legte[516] auch auf diese nur Beschlag, ohne sie selbst recht zu bebauen, nur damit die Überwundenen oder Verscheuchten nie mehr sollten kommen können. So war Prasos, eine eteokretische Stadt mit dem Tempel des Zeus Diktäos, einmal von den Hierapytniern geschleift worden; Phästos hatten die Gortynier zerstört und das Gebiet behalten, mit Miletos hatten es die Lyttier, mit Lykastos die Knosier ebenso gemacht, und am Ende hatten die Knosier auch Lyttos und die Kydoniaten Apollonia aufs schändlichste vertilgt399. Auch Euböa hatte verschiedene Städtezerstörungen und Verlegungen von Städten erfahren. Man sah daselbst z.B. die Ruinen von Ägä mit seinem hochgelegenen Poseidontempel, die von Styra, das im lamischen Krieg durch den attischen Strategen Phädros geschleift worden war, von Tamynä u.a.400. Im Venator des Dio aber erhalten wir das Bild dieser Insel, wie sie großenteils zur Einöde geworden ist, da man die Natur sich selber überlassen hat. Ein reicher Gutsbesitzer ist durch Verfolgungen etwa unter Nero getötet worden, und nun sind von seinen frühern Untergebenen noch zwei durch Verwandtschaftsbande miteinander verknüpfte Familien auf dem Gebirge geblieben, wohin man dessen Herden im Sommer zu treiben pflegte, und führen da mit Jagd, Ackerbau und Reben in ihrer Armut ein glückliches Dasein. Natürlich kommen auch hierher die Beamten, und einer dieser Leute muß eines Tages nach Chalkis, um sich zu verantworten. Und wie sieht es hier in der Stadt aus? Ein Theater für die Volksversammlung ist noch da; aber auf die Agora werden die Schafe getrieben und im Gymnasion steht das Korn so hoch, daß man gerade die Köpfe der Statuen noch darüber kann hervorragen sehen. Man konnte hier offenbar das Getreide in den Gassen bauen. Etwas besser mochte immer noch das nicht demokratisch regierte Rhodos dastehen; das einst zur See mächtige, aber durch Kriege und Tyrannen heruntergekommene Kerkyra war durch Rom zur Zeit des T. Quinctius Plamininus befreit worden; ein derber Spottvers lehrt, daß die Zustände daselbst trotz dieser Freiheit nicht glänzend waren401.

Man blickt in eine große, allgemeine Misere hinein, die es verständlich macht, daß mit der Zeit die Verproviantierung Griechenlands aus den Pontusländern sich nicht mehr lohnte402, und daß ein Antonius vor Actium trotz der rücksichtslosesten Matrosenpresse seine Rudermannschaften[517] hier nicht mehr genügend ergänzen konnte403. Aber alle diese Orte, von denen noch ein Tempel oder Trümmer oder auch gar nichts mehr vorhanden war, hatten doch einst einen Grund ihres Daseins, eine Lage für eine Stadt gehabt, und dies alles hatte man mit Füßen getreten. Auf Missetaten, wie sie Argos sich bald nach den Perserkriegen erlaubte, waren die Zerstörungen gefolgt, die der Konflikt zwischen Sparta und Athen, zumal der Peloponnesische Krieg mit sich brachte; auch die mehrjährigen Kriege, die auf diesen folgten, der korinthische und der thebanische, können viele Ortschaften auf immer zernichtet haben; dann kamen die Zerstörungen Philipps II. und die Auflösung der phokischen Poleis, und weiterhin im dritten Jahrhundert, während die Makedonier bis auf den Jüngern Philipp wohl keine Städte zerstörten und auch kaum irgendwo die Bewohner wegschleppten, die Hauptzerstörungen durch die Ätoler, welche mit Brand, Mord und, um hohen Loskauf zu erreichen, mit Wegschleppung der Leute vorgingen. Nehmen wir hiezu noch, was die illyrischen Seeräuber und die furchtbaren Spätlinge des Raubens, die Athamanen, taten, so begreift sich leicht, daß manche Polis verschwinden konnte, ohne daß ein erhaltener Autor es meldet. Aber die Hauptsache haben doch in den schrecklichen Zeiten bis 146 Griechen andern Griechen zugefügt. – Und dazwischen dürfen wir, wo es sich um das Verschwinden von Städten handelt, auch der Synoikismen nicht vergessen. In dieser Zeit mag es – abgesehen von den Konzentrationen, welche Diadochen verfügten – hie und da solche der äußersten Not gegeben haben; bei der allgemeinen sonstigen Abnahme der Bevölkerung gingen viele Einwohner der Dörfer und kleinen Städte schon darum in die größere, feste Polis, weil es draußen vor Land- und Seeräubern zu unsicher wurde; die verlassenen Orte mochten dann, wie anderswo durch Sieger, welche nur die Vernichtung goutierten, so in diesem Falle, weil man die Bausteine am neuen Orte brauchte, oder auch, damit sich nicht Räuber oder Piraten einnisteten, nachträglich demoliert werden. Nach 146 soll für das unglückliche Land allerdings eine Erholung eingetreten sein; aber dies ist wohl nur relativ zu verstehen; von einigen bevorzugten Stellen, wie Neu-Korinth, abgesehen, blieb die Ruinenwelt sich gleich, und Strabo und Pausianas haben sie gesehen, wie das zweite Jahrhundert sie hinterlassen hatte.

Ganz herrlich wurde in diesen Zeiten die Jagd. Die Spätgriechen sind gewaltige Jäger gewesen, nicht nur auf Hasen, sondern auf Hirsche und Wildschweine, die Freunde der Verödung und Einsamkeit, deren Überhandnehmen geradezu darauf schließen läßt, daß der Mensch zurückgewichen war und ihnen keine Konkurrenz mehr machte. Hätte der[518] Ackerbau noch wie früher geblüht, so würde man davon so wenig etwas wissen als von den schönen arkadischen Pferdeweiden404.

Wie einander aber angesehene Griechen noch zur Kaiserzeit traktierten, lehrt die von Plutarch405 berichtete Geschichte aus dem Badeort Ädepsos auf Euböa. Hier war man durch Parteiung um Tänzer und Kitharöden in Zwist geraten und stritt sich dann weiter um die Schwimmbassins, Hallen und Säle, und eine Partei schnitt der andern die Wasserleitungen ab, und endlich gerieten sie in solche Verwilderung und Verderbnis, daß sie, von dem Tyrannen (Domitian?) jeglicher Habe beraubt, flüchtig, verarmt und nahezu zu andern Menschen als früher geworden, nur in dem gegenseitigen Haß dieselben blieben.


In dieser Zeit des allgemeinen Rückganges kommt dem Griechentum und seiner Kultur ein weltgeschichtliches Phänomen ersten Ranges zu Hilfe406: Roms Philhellenismus. Daß das sonst so harte und trockene Römervolk, das so Weniges geliebt hat, hier einen Idealismus und ungewohnten Enthusiasmus hat verspüren müssen, darf uns als ein wahres Wunder erscheinen; wenn wir aber nach einer Erklärung suchen, so mögen wir uns daran erinnern, daß zwischen Griechen und Italikern eine uralte Verwandtschaft bestand, und daß speziell Rom schon in alter Zeit Beziehungen zum Hellenentum hatte. Jedenfalls hatten die Römer von früh an etwas griechisch gekonnt. Die sibyllinischen Bücher, ein Falsum aus dem sechsten oder fünften Jahrhundert, welches Rom zu seinem fatidiken Organ erkor, waren griechische Chresmen, und in späterer Zeit, aber schon am Beginn des dritten Jahrhunderts weist der Umstand, daß A. Postumius vor den Tarentinern griechisch spricht und Kineas im Senat mit griechischer Rede verstanden wird, auf eine geläufige Handhabung des Griechischen bei den höherstehenden Römern hin407. Teils durch Vermittlung Etruriens, teils direkt von Hellas aus fand von früh an eine beständige Einwirkung statt, ja, man kann sagen, daß die Griechen es gewesen sind, die den Italikern ihre Gedanken und Gefühle ausgedeutet haben. Besonders die italische Religion war als bloßer Polytheismus der Fusion mit der griechischen Götterwelt völlig offen, zumal in Gestalt der griechischen Poesie, und jedenfalls war ihr etruskischer Bestandteil[519] zur Abwehr nicht stark genug. So drangen die griechischen Kulte und der griechische Mythus, dem keine italische Nation einen selbst hervorgebrachten entgegensetzen konnte, durch alle Poren ein. Schon die populäre Umgestaltung der griechischen mythologischen Namen (z.B. Latona, Herkules, Ulixes) beweist, daß man dieselben häufig im Munde führte408; auch hätte Livius Andronicus griechische Mythen nicht auf das Theater bringen können, wenn sie nicht früher bereits etwas Geläufiges gewesen wären. Die anfänglich etruskisch gewesene römische Kunst, zumal die Architektur, wartete förmlich auf eine Hellenisierung und sehnte sich überhaupt nach Läuterung und Verklärung durch die griechische409. Und schon kommt am Ende des vierten Jahrhunderts in Rom auch Kenntnis der pythagoreischen Weisheit vor; wenigstens kannte Cicero410 ein Gedicht des Appius Claudius Cäcus, welches Ähnlichkeit mit den pythagoreischen Dichtungen hatte; daß einst unter den Zuhörern des Weisen selbst auch Römer gewesen seien, ist nicht durchaus undenkbar.

Ferner vernimmt man von verschiedenen nach Griechenland abgeschickten Gesandtschaften. Schon 454, da es sich um eine Gesetzgebung handelt, die ewig und für alle Römer gelten soll, werden auf den Rat des T. Romilius vom Senate drei Gesandte ernannt und teils an die Griechenstädte in Unteritalien, teils nach Athen geschickt, um sich die besten und am meisten zu Roms Lebensverhältnissen passenden Gesetze zu erbitten und sie nach Rom zu bringen; auf diese Weise wurde die Gesetzgebung der zwölf Tafeln vorbereitet411. Sodann werden verschiedene Anfragen an den Apoll von Delphi gerichtet, der darauf denn auch alle möglichen hellenisch lautenden Ratschläge gibt. Als der albanische See (398) überströmt, versöhnen die Römer zuerst die Götter und Dämonen der Gegend und fragen die Manteis des Ortes aus, ob sie ein Mittel dagegen wüßten; da aber der See nicht nachläßt, raten ihnen diese Manteis selbst die Befragung von Delphi, offenbar als etwas Selbstverständliches, an412. Sodann wird nach Vejis Fall (396) in Erfüllung eines Gelübdes als Zehnten der Beute ein herrlicher goldener Dreifuß nach[520] Delphi gestiftet, wohin er freilich erst nach großen Fährlichkeiten gelangte, weil er unterwegs Seeräubern von den liparischen Inseln in die HändeA28 fällt413. Im Kriege mit den Samniten weist Delphi den Senat an, den Herkules nach griechischem Ritus zu verehren, und beim übeln Fortgang des Krieges kommt von dort auch der Bescheid, dem weisesten und dem tapfersten der Griechen Statuen zu setzen, worauf der Senat (wohl auf unteritalische Eingebung hin) den Pythagoras und den Alkibiades auf das Forum setzte414. Daß sich weiterhin im Jahre 323 eine römische Gesandtschaft zu Alexander nach Babylon begeben habe, wird bestritten, erscheint uns aber wiederum nicht unmöglich415. Sicher ist, daß am Anfang des III. Jahrhunderts Antiaten, welche sich noch als römische Untertanen dem Seeraub widmeten und dabei von den Leuten des damaligen makedonischen Königs, Demetrios Poliorketes, aufgegriffen worden waren, mit dem Vermelden an die Römer zurückgeschickt worden: man lasse ihnen die Leute zwar der Verwandtschaft zwischen Hellenen und Römern zuliebe am Leben, finde es aber unschicklich, daß die nämlichen Männer die kriegerische Führung Italiens hätten und daneben Piratenschiffe aussendeten usw., worauf der Senat der Sache abhalf416. Eine ähnliche Beschwerde hatte schon Alexander erhoben; diese aber ist dadurch besonders merkwürdig, daß hier ein Diadochenfürst dreist an die Römer als Halbgriechen appelliert; wenn Demetrios so konnte schreiben lassen, so muß er dazu seinen Grund gehabt haben. Mit Rhodos finden wir ferner Rom schon 306 in Handelsbeziehungen, die zu einem Vertrage führen; nach dem Pyrrhoskriege (273) kommt es zu einem freundschaftlichen Gesandtschaftswechsel mit König Ptolemäos Philadelphos, und sieben Jahre später erscheint zu Rom eine Gesandtschaft der Apolloniaten, wahrscheinlich im Unterstützung gegen Alexander, den Sohn des Pyrrhos, zu erbitten. Um eines besondern gottesdienstlichen Zweckes willen war von Rom 293 eine Gesandtschaft von zehn Männern nach Griechenland gegangen. Als Hunger und Pest herrschten, hatten die sibyllinischen Bücher befohlen, aus Epidauros den Äsculapius zu holen. Wirklich kam der Gott in Gestalt einer Tempelschlange auf ihr Schiff und verschwand alsdann bei der Ankunft in Rom auf der Tiberinsel, wo sich hierauf sein Tempel erhob. Schließlich gehört auch diejenige Anknüpfung an den griechischen Mythus, welche Rom[521] von Troia abstammen ließ, einer ziemlich alten Zeit an. Man nahm dieselbe spätestens in der Mitte des dritten Jahrhunderts sehr ernst und unterstützte demgemäß die Akarnanenstädte gegen die Ätoler mit der Motivierung, daß die Akarnanen einst allein von den Griechen keinen Zuzug gegen Troia geleistet hätten417.

Wie Rom ferner vor Pyrrhos und sodann durch den Krieg mit ihm die unteritalischen Griechenstädte (soweit sie noch so heißen konnten) in seine Tutel bekam, und wie es im ersten Punischen Kriege, nachdem es sich bald mit Hieron befreundet hatte, die Karthager völlig aus Sizilien vertrieb und die Insel dem Stamme Iaphet rettete, haben wir früher bei unserm Blick auf die Westgriechen418 gesehen. Als dann später der illyrische Seeräuberkönig Agron und seine Witwe und Nachfolgerin Teuta ihre Scharen und Raubflotten aussandten, letztere, indem sie für deren Führer jedes Land zum voraus als Feindesland erklärte, erlöste es durch mächtige Intervention 229 Kerkyra, Apollonia und Epidamnos aus deren Klauen und sicherte damit auch die Küste von Elis und Messenien, die von diesem unbedingten Korsarentum beständig waren heimgesucht worden. Es war die Zeit, da Makedonien und die beiden Bünde sich gegenseitig schwächten, und da es bei der Ermüdung der Griechen und der Antigoniden nicht außerhalb aller Möglichkeit gelegen hätte, daß der hellenische Westen den Illyriern, Dakern usw. zur Beute gefallen wäre; dafür, daß Rom diese Gefahr abwandte, wurden seine Bürger seitdem zu den isthmischen Spielen und eleusinischen Mysterien zugelassen. Und bald fing darauf der zweite Punische Krieg damit an, daß die Römer als Beschützer des Griechentums ein Bündnis mit Saguntum und Emporiä schlossen. Freilich mußten sie im Verlaufe dieses Krieges das früher so enge verbündete Syrakus belagern; aber der Sieger von Clastidium und Nola, dem diese Aufgabe zufiel, war ein Freund der hellenischen Bildung und Beredsamkeit419, er empfand Schmerz über die bevorstehenden Leiden der Stadt und beschränkte die Gewalttat auf Geld und Sklaven, während alle freien Syrakusaner unberührt bleiben sollten, verabscheute auch den Mörder des Archimedes und ehrte dessen Hinterlassene. Für Rom ist überhaupt das parcere subiectis et debellare superbos keine bloße Phrase gewesen. Da es ja ein Reich gründete, wollte es, daß die Unterworfenen unschädlich wären und weiterlebten, während die Griechen trotz Platos Warnung fortfuhren, einander gegenseitig zu zernichten und[522] bei Überwundenen, wie dies zwischen Polis und Polis Sitte war, das Ausrotten (ἀναστάτους ποιεῖν) übten420; die Legionäre begannen also nach der Eroberung freilich in der Regel rite mit der Tötung eines jeden, der ihnen begegnete; auf ein bestimmtes Signal aber hörte das Töten auf und das höchst regelrechte Plündern begann421.

Allerdings war nun in Syrakus, wo sonst, wie gesagt, noch milder als sonst verfahren wurde, der zum ersten Male422 und zwar auf förmlichen Beschluß, daß man nichts zurücklassen wolle, unternommene vollständige Kunstraub eine bedenkliche Sache. Polyb (IX, 10) führt aus, die Römer hätten damals und seither hierin nicht richtig gehandelt. Denn, wären sie mit der Kunst emporgekommen und ein mächtiger Staat geworden, dann würden sie solche Dinge billigerweise nach Rom verpflanzen; sie seien aber so fern als möglich von solchem Luxus und solcher Pracht groß geworden und hätten nun die Denkart des Siegers verlassen und die des Besiegten angenommen ... Und nun würden die Beraubten gleichsam zur Schau der Beute nach Rom geladen, was die Stimmung gegen die Sieger notwendig bitterer machen müsse ... Gold und Silber zu nehmen habe am Ende noch seine Räson, weil man der Dinge nicht mächtig werden könne, ohne andere machtlos zu machen; was aber außerhalb von diesen Machtmitteln liege, hätte man samt dem daranhängenden Neid an seiner ursprünglichen Stelle lassen und das Vaterland nicht durch Gemälde und Bildwerke, sondern durch würdevolle und großartige Gesinnung ruhmvoller machen können, statt mit dem syrakusanischen Privateigentum das Privatleben und mit dem öffentlichen Tempel und Staatsgebäude zu schmücken423. Der Kunstraub blieb aber von da an üblich und wurde z.B. auch von M. Fulvius Nobilior 189 bei der Einnahme Ambrakias, der einstigen Prachtresidenz des Pyrrhos, welches voll von Weihegeschenken, Statuen und Gemälden war, großartig geübt424.

[523] Auch zum ersten tatsächlichen Eingreifen in Griechenland selbst kamen die Römer (214-205) noch während des Hannibalkrieges. Damals sehen wir sie im Bunde mit Ätolien und als Feinde des Achäerfreundes Philipp; aber im zweiten makedonischen Krieg (200-197), der, als Philipp sich an das Verbot eines Angriffskrieges gegen griechische Staaten nicht gekehrt hatte, auf ein Hilfegesuch Athens hin begonnen wurde, konnten sie völlig philhellenisch auftreten, und namentlich Athen kam ihnen mit großem Pathos entgegen, zumal da Attalos, der diadochische Wohltäter (εὐεργέτης) der Stadt, es ihnen weislich überließ, die erste Rolle im Philhellenismus zu spielen425. Das Bedeutungsvollste aber war, daß Rom in diesem Kriege, da es den Hellenen ihre »Fußfesseln« (d.h. die makedonischen Besatzungen von Akrokorinth, Chalkis und Demetrias) abnahm, einen Feldherrn hatte, in dem der Philhellenismus förmlich verkörpert war. Man begegnete hier »einem jungen Mann von freundlichem Aussehen und hellenischer Stimme und Ausdrucksweise und einem Freunde wahrer Auszeichnung, dem schon seine Art, wie er sich, etwa im Gehen, die Sachen ruhig vortragen ließ und fragte und diskurierte, die Griechen gewann«, und so wurde von T. Quinctius Flamininus alles bezaubert, und die Städte erfüllten sich mit Wohlwollen für ihn426. Auch ließ er es an Anerkennung des griechischen Wesens nicht fehlen, indem er z.B. vor Kynoskephalä seine Soldaten damit anfeuerte, daß sie in Hellas als auf dem ehrenvollsten Schauplatz sich mit den besten Gegnern (den durch Alexander berühmten Makedoniern) zu messen im Begriffe wären427. Nach dem Siege ließ er den makedonischen Staat, wenn auch mit sehr verringerter, bis zur Unschädlichkeit herabgebrachter Macht, nicht nur als Vormauer gegen Thraker und Galater weiter bestehen, sondern damit nicht bei einem gänzlichen Sturze Philipps die Ätoler, über deren nachlässiges und räuberisches Verhalten bei Kynoskephalä wie über ihre Ansprüche auf die Hauptehre des Tages er sich bereits genug[524] geärgert hatte428, als Herren von Griechenland übrigblieben, und alle Insolenz half ihnen hiergegen nicht429. Und nun kamen die Isthmien des Jahres 196, wo der Herold, nachdem mit der Trompete Stille geboten war, ausrief,. »daß die Römer und ihr Imperator T. Quinctius nach vollständigem Sieg über König Philipp und die Makedonier für frei und nicht zur Aufnahme einer (römischen) Besatzung oder zur Entrichtung eines Tributs verpflichtet und auch für berechtigt nach ihren eigenen Gesetzen zu leben erklärten: die Korinthier, Lokrer, Phokier, Achäer, Phthioten, Magneten, Thessaler, Perrhäber«. Nachdem dies im Stadion vor Lärm erst nicht von allen verstanden worden war und es der Herold hatte wiederholen müssen, erhob sich ein bis ans Meer hörbarer Freudenschrei, so daß nach einer für das nervöse griechische Wesen bezeichnenden Übertreibung Raben, die über das Stadion flogen, tot darein niederfielen und Flamininus, um nicht erdrückt zu werden, sich davonmachen mußte. Dieselbe Freiheitsverkündung (Nero hat sie später in Korinth parodiert) erfolgte dann nochmals an den Nemeen, für die Flamininus zu Argos als Agonothet proklamiert war; auch Städte in Asien wurden frei gemacht, und dann zog der Befreier als Versöhner und Zurückführer von Verbannten von Stadt zu Stadt, so daß die Befreiung noch als die geringere von seinen Wohltaten erschien. Sein Hochgefühl sprach aus den Weihinschriften des goldenen Kranzes und der silbernen Schilde, die er nach Delphi stiftete430; eine Schattenseite aber war es, daß er, nur um selber mit den griechischen Dingen allein fertig zu werden, und vielleicht auch aus Neid auf Philopömen, der ebenso gepriesen wurde, dem Nabis einen Vertrag gönnte, so daß die spartanischen Verbannten nicht restituiert werden konnten431. Auch waren bald bedenkliche Anzeichen die vielerlei Ansprüche, welche von Staat gegen Staat auf Gebiete erhoben wurden, die Unzufriedenheit der Ätoler und der petulante Makedonismus, den Böotien noch lange zur Schau trug, und gegen den sich die dortigen Römerfreunde von Flamininus noch ganz naiv eine MorderlaubnisA29 erbaten432. Dieser ermahnte (194) noch einmal die Boten aller Staaten in Korinth zum vernünftigen Gebrauch der Freiheit und verlangte[525] als einzige Gabe die Auslieferung der während des zweiten Punischen Krieges nach Griechenland verkauften Italiker. Mit diesen zog er, als bereits Antiochos in der Nähe war, heim, nachdem er noch die letzten Festungen geräumt hatte; er bewirkte später auch in Rom noch für Philipp den Nachlaß von 1000 Talenten an seinem Tribut und die Aufhebung der Geiselschaft seines Sohnes Demetrios.

Aber unmittelbar darauf konnte sich Antiochos der Große wieder einbilden, er sei von allen Griechen ersehnt. Indem derselbe nach Europa kam, meinte er zunächst, er begehre nur das »Seinige« wieder, d.h. die von den Ptolemäern und Antigoniden besetzten Gebiete, die ehemals den Seleukiden gehört hatten, und das Auftreten römischer Gesandter und deren Einmischung bei der Herstellung seines seleukidischen Gesamtstaats war ihm offenbar unbegreiflich. Diese aber war unvermeidlich, weil er, statt Griechenland in Ruhe zu lassen, mit der Prätension auftrat, die Griechen zu befreien, die, soeben frei und autonom geworden, dessen gar nicht bedurften433. Und nun war die psychologische Lage der Einwohner Griechenlands am Vorabend des Antiochoskrieges die, daß zwar jeder vernünftige Mensch, der etwas zu verlieren hatte, zu den Römern hielt, daß es aber gar viel mehr Menschen gab, welche nichts zu verlieren und dabei alle möglichen Ansprüche von früher her hatten434; es ist diejenige Sorte, die sich auch später, sogar bis zum Kriege von Actium mit jedem Feinde Roms und auch mit römischen Einzelparteien verbündet hat, wenn nur Änderung zu hoffen war. Verrückt waren zumal die Ätoler, welchen zunächst noch Flamininus selber umsonst zusprach; der letzte Bescheid ihres Strategen Damokritos lautete: man werde den Römern den Beschluß nächstens von einem Lager am Tiberufer aus einhändigen435. Wenn diese wenigstens ihre Existenz wagten, so sah Hannibals Menschenverstand in betreff der Euböer, Böoter und Thessaler um so sicherer, daß sie, ohne eigene Kraft, es mit den Stärkern halten und sich, sobald ein römisches Heer da sei, Rom wieder zuwenden und dessen Verzeihung finden würden. Hannibal, den Antiochos für untergeordnete Aufgaben vernutzte, drang in dem Kriegsrate zu Demetrias, wo man ihn endlich einmal zu hören bekam, mit diesen Bedenken sowie mit seinen sonstigen Ratschlägen nicht durch436, zumal entschloß man sich auch[526] nicht, Philipps Bundesgenossenschaft zu suchen, und so blieb Makedonien wie Eumenes von Pergamon, Rhodos, Byzanz, der achäische Bund, Athen und auch der durch einen Brief der Scipionen über Roms Politik beruhigte Prusias von Bithynien auf römischer Seite. Und nun wurde Antiochos, nachdem er den Winter von 192 auf 191 untätig in Chalkis zugebracht, in der Schlacht bei den Thermopylen aufs Haupt geschlagen, und der Sieger Manius Acilius Glabrio, der in seiner Anrede an die Truppen vor dem Kampfe die Befreiung Griechenlands von den Ätolern und Antiochos einen prächtigen Ruhmestitel genannt hatte, verfuhr wirklich gegen die Griechen sehr gnädig, indem er nur an einem Orte etwas plündern ließ, die Böoter wegen ihres Undanks nach so vielen Wohltaten nur mit Worten tadelte und auf den Zuspruch des als Legat anwesenden Flamininus selbst die übel kompromittierten Chalkidier begnadigte437. Sogar den Ätolern ließ er noch einmal zusprechen, sie möchten das von ihnen besetzte Heraklea übergeben und vom Senat Verzeihung für ihren Wahnsinn oder ihren Irrtum erflehen. Daß sie dies nicht taten und noch später den mit Scipio abgeschlossenen Waffenstillstand brachen, brachte dem Bunde 189 den Verlust vieler Städte, die Auferlegung einer großen Kontribution und das Ende der politischen Selbständigkeit.

Inzwischen war der Krieg mit Antiochos nach Asien hinüberverlegt, und in Ilion war, als die Römer hinkamen, die Erinnerung an die Verwandtschaft in einer großen Rührszene aufgefrischt worden438. Und als sie nun auch bei Magnesia gesiegt hatten, waren vielleicht die ersten, welche Roms Fatum, die Welt zu leiten, aussprachen, Zeuxis und Antipatros, die Gesandten des gedemütigten Königs. Diese ersuchten die Römer vor den Scipionen und ihrem Kriegsrat, von ihrem Glücke einen milden und großherzigen Gebrauch zu machen, weniger um des Antiochos als um ihrer selber willen, »weil ihnen das Schicksal die Herrschaft und Gewalt über die bewohnte Erde in die Hände gegeben habe«, worauf dann freilich Scipio erwiderte, die Römer seien im Siege noch nie übermütiger geworden439. Das Resultat war, daß das Seleukidenreich nunmehr auf das Land jenseits des Taurus beschränkt und stark gebrandschatzt, die vordern Diadochenstaaten vergrößert, eine ganze Anzahl asiatischer Poleis, welche treu geblieben waren und dies durch ihre Boten in Rom sehr geltend machten (vor allem Rhodos, dann auch Klazomenä, Milet, Chios, Smyrna, Erythrä, Phokäa u.a.) stark begünstigt wurden;[527] für sich behielt Rom nur Kephallenia und Zakynthos; aber das ganze Mittelmeer stand nun, nachdem Karthago, Philipp und Antiochos ihm den Gefallen getan hatten, sich als Feinde hübsch sukzessiv zu melden, unter seiner Kuratel.

Von den zahlreichen Gesandten an den römischen Senat aber verstand es am besten der Sprecher der Rhodier, den Römern Angenehmes zu sagen. »Ihr verfolgt ein anderes Ziel als andere Menschen«, sprach er, »andere wollen Städte, Einkünfte, Schiffe gewinnen, wenn sie sich aufmachen; euch dagegen haben die Götter solches Bedürfens enthoben, dafür aber die ganze Welt unter eure Macht gegeben. Was bedürft ihr nun noch, und worauf habt ihr den Blick am festesten gerichtet? Offenbar auf Lob und Ruhm bei den Menschen, was so schwer zu erwerben und noch schwerer zu behaupten ist«440. Als dann Rom noch (189) die Galater züchtigte, rettete es auch hiermit die asiatischen Poleis, welchen nunmehr die Furcht vor den Barbaren und deren Frevel und Gesetzlosigkeit benommen war; sie freuten sich darüber noch mehr, als daß sie die Steuern, Garnisonen und Kabinettsbefehle des Antiochos losgeworden waren441.

So endete dieser Krieg, den sich Rom teilweise durch die von Flamininus gegen die Hellenen geübte Milde zugezogen hatte442, für die Nation noch recht gnädig; nur glaubte sich noch nach dem Untergange des Nabis der achäische Bund durch Roms Gunst gegen das jeweilige »freie Lakedämon« schikaniert, indem er z.B. 184 vom Senate darum getadelt wurde, weil er Spartas Mauern zerstört hatte443. Schließlich konnte die Griechen doch, nachdem sie für Roms Gunst jedesmal Verständnis gezeigt und gejubelt hatten, der erste Beste wieder zum Gegenteil bekehren, und so gab es denn, als Perseus auftrat, überall eine Partei für ihn, und Rom mußte ihm 172 den Krieg schon deshalb erklären, weil er sonst die Hegemonie über Hellas würde erhalten haben444. Übrigens führten die Römer den Krieg diesmal anfangs schlecht und dabei grausam; auch sie richteten jetzt Bürgerschaften hin oder verkauften sie als Sklaven, und erst im vierten Jahre (168) erfocht L. Ämilius Paulus bei Pydna den entscheidenden[528] Sieg. Dieser gab sich als ein zweiter Flamininus: er wandte sich nach Pydna der Betrachtung von Hellas und einer rühmlichen und menschenfreundlichen Tätigkeit zu, stellte Verfassungen her, schenkte den Städten aus makedonischen Vorräten Getreide und Öl, ließ in Delphi seine Statue auf die große für Perseus bestimmte Basis stellen, besuchte Olympia und erklärte hier das in vier Republiken zerteilte Makedonien frei und autonom, und zwar so, daß es jetzt an die Römer als Grundsteuer nur die Hälfte der Summe entrichten sollte, die es bisher den eigenen Königen bezahlt hatte. Aus den Königsschätzen hielt er Agone, Opfer und Gastmähler, während er sich selbst aus der Beute nur zuhanden seiner bildungsfreundlichen Söhne mit den Büchern des Königs bediente, und schied dann mit einem freundlichen Abschiedsgruß an die Hellenen und einem Zuspruch an die Makedonier, um – auf Senatsbefehl das epirotische (nicht eigentlich griechische) Molosserland einer furchtbaren Verwüstung preiszugeben, wobei 70 Städte zerstört und 100000 Menschen zu Sklaven gemacht wurden445. Es ist, als hätte Rom noch vom Pyrrhoskriege her einen Rest von Schrecken vor dem Molosservolke gehabt und die Ausrottung der kräftigsten Elemente desselben gern gesehen, während es die Griechen nicht fürchtete und für seine Bildung brauchte. Auch die Piratenflotte des Illyrierkönigs Genthios wurde damals an griechische Küstenstädte geschenkt, während dessen Land – ähnlich wie Makedonien – in drei Republiken geteilt wurde.

Aber trotz allen diesen Freundlichkeiten gegen die Griechen war doch im Senat bereits die Unschädlichmachung auch der befreundeten griechischen Staaten beschlossen446. Als Eumenes seine Sache in Rom vertreten wollte, wurde er in Brundisium zurückgewiesen; Rhodos verlor seine festländischen Besitzungen und mußte erleben, daß durch die Erklärung von Delos zum Freihafen sein Hafenzoll von einer Million Drachmen auf 100000 sank, und der Eroberungspolitik des Antiochos Epiphanes gegenüber Ägypten setzte das bloße Wort des römischen Gesandten C. Popillius ein Ziel. Polyb (III, 4) urteilt gewiß richtig, wenn er das Aufhören der makedonischen Monarchie unbedingt als denjenigen Termin bezeichnet, von wo an es eine zugestandene Sache war, daß nichts anderes übrig sei, als auf die Römer zu hören und sich nach ihren Befehlen zu richten.

Von dem großen Denunziantentum unter den Griechen, den Hochverratsprozessen und der Deportation von tausend angesehenen Achäern nach Italien, was alles sich an diesen Krieg hängte, war bereits die Rede447.[529] Auch durfte damals (um 157) in Epirus der entsetzliche Charops als sogenannter Römerfreund auf die grauenvollste Weise schalten448. Im Peloponnes herrschte um dieser Dinge willen tiefer Haß gegen diejenigen achäischen Staatsmänner, welche die Spione für Rom gemacht hatten: in Sikyon mußte, wo sie gebadet hatten, das Bad ausgegossen werden, ehe ein anderer hineinging, bei Festen wurden sie ausgezischt, und die Gassenbuben riefen ihnen »Verräter« nach449. Indes auch die römische Philhellenie kam damals durch den zunehmenden Einfluß der Kaufmannspartei partiell zu Schaden, welcher vielleicht schon bei der für so geringe Verschuldung auffallenden Härte gegen Rhodos im Spiele war. Ganz direkt philhellenisch stellt sich dann wieder Roms mächtige Hilfeleistung an Massalia (154) dar, welches nebst Nikäa und Antipolis von den Ligurern bedrängt war und nun teilweise das Land dieser seiner Feinde erhielt450, und auch in Unteritalien soll sich das griechische Element völlig behauptet haben, während das übrige Land sich latinisierte451.


Daneben ging die Hellenisierung der gebildeten Römer in Dichtung, Kunst, Familie und Religion mit Riesenschritten vor sich, und zumal gewann auch die Philosophie Boden, anfänglich noch in Gestalt des unteritalischen Pythagoreismus, bald in der der Stoa. Es war sehr wichtig, daß gerade seit der römischen Intervention Griechenland eine so ehrbare Philosophie zu Gebote stand, welche durch Abwesenheit müßiger Spekulation, durch praktische Tendenz, sittliche Strenge, geschlossene Form, Verstandesmäßigkeit und bei allem noch durch religiösen Positivismus den Römern besonders zusagen und bald eine wichtige Stellung in ihrem Leben erhalten mußte. Nun erstand freilich dieser griechischen Bildung auch ihr Gegner, und zwar in M. Porcius Cato. Auch er war in seiner Jugend nicht ohne griechische Einwirkung geblieben: als Fabius Maximus Tarent einnahm, war er mit dabei gewesen und hatte damals den Pythagoreer Nearchos zum Gastfreund gehabt, von dem er das Leben von der strengsten Seite ansehen lernte, indem derselbe – ganz wie Plato – lehrte, die Lust sei der stärkste Köder zum Bösen, der Leib das erste Unglück für die Seele usw.452. Aber im ganzen war er doch in der griechischen Bildung ein Spätstudierter (ὀψιμαϑής). In Athen, wohin ihn der Antiochoskrieg als Gesandten führte, sprach er, obwohl der Sprache mächtig, durch einen Dolmetsch zum Volke, nur um nicht selber dem Griechischen[530] die Ehre anzutun453. Dasjenige griechische Wesen aber, das in Rom eindrang, war ihm ein wahrer Greuel. Als der affektierte Gräzist A. Postumius, der dasselbe auch sonst durch seine abgeschmackte Manier angesehenen Römern wieder verleidete, in der Einleitung seines griechisch geschriebenen Geschichtswerkes allfällige Stilfehler mit seiner römischen Herkunft entschuldigte, erfuhr er seinen gehörigen Hohn454. Volle Entrüstung aber hatte er für die Zauberwirkung, welche die um der elenden oropischen Sache willen455 von Athen als Gesandte an den Senat geschickten Philosophen, Karneades von der Akademie, Diogenes von der Stoa und Kritolaos von den Peripatetikern auf die junge Welt ausübten; er wollte, man sollte sie schleunigst wegschicken456, sie möchten nur ja recht bald wieder zu den Söhnen der Hellenen reden, die jungen Römer aber sollten wie früher auf die Gesetze und die regierenden Männer Roms hören. Seinem Volke weissagte er für den Fall, daß es sich mit griechischer Literatur erfüllte, den Verlust seiner Weltstellung, Sokrates war ihm ein Schwätzer, Isokrates nicht minder, und auch die griechischen Ärzte waren seinem Hasse verfallen, er kurierte sich und die Seinigen mit Hausmitteln457. Daß er bei diesem allen engherzig urteilte, läßt sich nicht leugnen; aber zu sehr von der komischen Seite sollte man ihn nicht nehmen; er war ein klarer Kopf, der perfekt wußte, was er wollte, und wird ewig einer der interessantesten Römer sein.

Aber das Griechische in all seinen Formen und Farben und narkotischen Düften strömte in das römische Wesen wie eine längst ersehnte Ergänzung hinein, und eine Masse von Griechen, die, durch griechische Eloquenz und stoische Philosophie genügend empfohlen, nach Rom kam, half es verbreiten, so daß man wegen der Lehrer nicht mehr in Verlegenheit war. Auch gab es Familien, die dies alles mit höchstem Ernst betrieben, wie wir denn von Ämilius Paulus erfahren, daß er als ein trefflicher Vater seinen Kindern zwar die römische Erziehung gab, aber daneben noch eifriger die griechische; denn nicht nur Grammatiker und Sophisten und Rhetoren, sondern auch Plastiker und Maler und Reitmeister und Aufseher der Jagdhunde und Lehrer der Jagd von hellenischer Nationalität waren um die jungen Leute458. Wenn solche Männer[531] dem Hellenismus derartige Huldigungen darbrachten, so mag dabei allerdings auch entscheidend die Einsicht gewirkt haben, daß Rom auf dem Wege des Sieges weitergehen und sich bleibend in die Herrschaft über den hellenistischen Orient einlassen müsse. Schon darum mußte man die jungen Leute auf den Stand der hellenischen Bildung bringen.

Freilich wurde das für alle Zukunft hochwichtige Bewußtsein von einer Kontinuität der Weltentwicklung, welches wir dem Philhellenismus der Römer verdanken, von diesen selbst teuer bezahlt, indem sie jetzt mit dem Guten das Schlimme in den Kauf nehmen mußten; wenn ein genialer, aber gründlich verdorbener Erstgeborner durch einen kräftigern Jüngern unter Tutel gebracht werden muß, lernt eben etwa auch der Jüngere manches Böse dabei. So kann Polyb459 für diese Zeiten den Anfang derjenigen Bestechlichkeit konstatieren, von der man bisher in Rom nichts, wohl aber in Griechenland viel gewußt hatte, und ebenso begann damals ein böses Durcheinander von hellenistischer Gottlosigkeit und hellenistischem Aberglauben auf Rom zu wirken: 204 wurde das Steinidol der Großen Mutter von Pessinus herbeigeschafft und Italien so mit den Gegenden am Pontus in religiösen Kontakt gebracht, 186 mußte die bekannte furchtbare Untersuchung wegen des wüsten nächtlichen Kultus der aus Unteritalien eingeschleppten Bakchanalien erfolgen, 181 wurden die gefälschten Bücher Numas auf dem Ianiculus entdeckt; den Perseuskrieg gibt Polyb (XXXII, 11) als das feste Datum dafür an, daß die jungen Römer begannen, sich in Männerliebe, Hetärenwesen, verfeinertem Symposion und allem Lotterleben gehen zu lassen; hierfür hätten ihnen die aus Makedonien nach Rom gebrachten Schätze die Mittel geliefert, indem auch der Reichtum der Privaten stark zugenommen hatte. Noch mehr als der große Besitz möchte freilich die eigentümliche Ansteckung von seiten der Griechen gegenüber der alten Sitte auflösend gewirkt haben. Und nun war schicksalsvollerweise für Rom wie auch anderswo Zentrum und Hauptausdruck des hellenistischen Treibens das, was mit den Schauspielen zusammenhing460. Wir werden von diesen später noch[532] zu sprechen haben; daß den Römern die Stücke der mittlern und viel mehr noch der neuen griechischen Komödie samt allen ihren Prämissen durch eine Übersetzungsliteratur, wie wir sie uns besser nicht denken können, in Masse vermittelt werden konnten, und daß Rom nicht etwa damit anfing, sich auf der Bühne vorzugsweise selber darzustellen, sondern das dargestellte Athen interessant fand, ist noch um einen Grad kurioser als die moderne Parallelerscheinung, daß in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts die Zustände des jetzigen Paris, von der Bühne herab auf deutsch verkündigt, ein deutsches Publikum entzückt haben; wir müssen daraus auf eine enorme Sympathie für das griechische Wesen schließen; wenn irgendwo sich eine gewollte Affinität dafür offenbart, so ist es hier461.

Plautus (254-184) und Terenz (185-159) sind aber überhaupt für uns die erhaltenen Vertreter einer römischen Literatur, welche seit dem III. Jahrhundert durch und mit Kenntnis der griechischen entstanden war, zum Teil noch mit Hilfe von unteritalischen Halbgriechen, indem man anfänglich wohl noch keine wirklichen Hellenen hätte bekommen können. Dahin gehört schon der tarentinische Grieche Livius Andronicus (284-204) als Übersetzer der Odyssee in saturnischem Versmaß, daneben aber auch griechischer Dramen in griechischen Maßen, ferner dessen jüngerer Zeitgenosse Cn. Naevius, der zwar in seinem Epos, worin er den ersten Punischen Krieg in Saturniern darstellte, durchaus national war, in seinen (teilweise auch nationale Stoffe behandelnden) Tragödien und seinen Komödien aber doch auch die griechische Form vorzog, und dann besonders der eigentliche Hellenist Q. Ennius (239-169), ein Mann von messapischer Herkunft, der sich nur griechischer Metren bediente und darin außer seinem Hauptwerke, der großen römischen Verschronik, Tragödien und Komödien, sowie Gedichte vermischten Inhalts (sogenannte saturae) verfaßte. Mit diesen Dichtern, denen wir noch die Tragiker[533] Pacuvius, Statius, Cäcilius und andere beifügen könnten, präsentierte sich das Griechische, ehe es direkt kam, in römischem Gewande. Umgekehrt schrieb der Geschichtsschreiber des zweiten Punischen Krieges, Fabius Pictor, noch griechisch, und erst seit dem Vorgange Catos gab es auch lateinische Darstellungen nationaler Geschichte. In nicht zu ferner Zeit sollte Rom auch Übertragungen der griechischen Wissenschaft, Rhetorik462 und Philosophie erhalten; auch die Kunst hellenisierte sich immer stärker; auf allen Gebieten bereitete sich eine völlige Fusion der griechischen und römischen Kultur vor.

Zu erobern verstanden die Römer die Welt von sich aus, sie erkennen lernten sie erst von den Griechen. Auf diese waren sie a priori für jede Anschauung des Geistigen und für jede Äußerung desselben im Wort als auf ihre Lehrer angewiesen. Der ganze Übergang vom Rassevolk zum Individualismus der einzelnen mußte und konnte nur unter griechischer Einwirkung erfolgen; deshalb beginnen die individuell interessanten Römer auch erst von der Berührung mit dem Hellenismus im III. Jahrhundert an.


Aber die griechische Nation konnte Rom, das sie ohne Zweifel im deutlichen Bewußtsein ihrer nunmehrigen geistigen Unentbehrlichkeit gerne gerettet hätte, nicht vor sich selber retten. Elend und Hader und gegenseitige Beraubung dauerten hier fort463, und nun kompromittierten sich zwar die Griechen noch nicht beim Kriege des Pseudophilippos (149 bis 148), welcher den Erfolg hatte, daß Makedonien römische Provinz und für immer passiv wurde, aber an die Feindschaft des achäischen Bundes gegen Sparta, da beide Parteien sich auf Senatsentscheide beriefen, knüpfte sich dann der letzte Krieg. Aus der anfänglichen Milde der Römer schloß man, die Sachen Roms mit Karthago und Viriathus ständen schlecht und brach, entgegen ihrem Verbot, gegen Sparta auf, und die Boten des Metellus überschrie man in Korinth, indem Kritolaos erklärte, man wolle die Römer zu Freunden, nicht zu Herrn. Hierauf machten denn Metellus und Mummius leicht und kurz ein Ende. Aber auch jetzt ließen, abgesehen von Korinth, wo die römische Kaufmannspartei eine Ausnahme durchsetzte, die Römer ganz außerordentliche[534] Milde walten. Zwar fielen bei Chalkis arge Greuel vor, und dasselbe verlor, wie auch Theben, seine Mauern; auch raubte man diesmal wieder Kunstwerke in Menge, und zwar wurden mit solchen außer Rom auch italische Landstädte bedacht. Aber sonst begnügte man sich damit, die Bünde, besonders den achäischen, aufzulösen, den einzelnen Griechen den Grundbesitz in mehr als einer Polis zu untersagen, den Städten eine feste Abgabe an Rom aufzuerlegen, innerhalb der Gemeinden die Regierung einem Rat aus den Besitzenden zu übergeben und sie im übrigen der Oberleitung des Statthalters von Makedonien zu unterstellen; auch hielt man in den Strafgerichten Maß, indem man die über die Gemeinden verhängten Geldbußen nicht in die römische Kasse fließen ließ, sondern für die geschädigten Städte bestimmte, ja sie später sogar zum Teil erließ und das Vermögen, das man Hochverrätern konfiszierte, an deren Eltern oder Kinder gab464. So erwarben sich Mummius und die ihm beigegebenen zehn Senatoren ein gesegnetes Andenken; der römische Feldherr wurde auf seiner Rundreise durch die Städte überall mit verdienten Ehren empfangen und seine Enthaltsamkeit und Milde um so höher geschätzt, als man wußte, daß er eine gewaltige Vollmacht hatte, zu verfahren wie er wollte465; wenn man bedachte, wie Griechenlands Behandlung zu der der barbarischen Länder Afrika und Spanien kontrastierte, fand man allerdings Grund, sich noch glücklich zu preisen.

In Rom hatten einsichtige Männer nach der Vernichtung Karthagos und Korinths das Bewußtsein, daß man zu mächtig geworden sei; Nasica fand damals, jetzt stehe es für den Staat erst recht unsicher, da man weder solche, die man fürchten, noch solche, vor denen man Scheu empfinden könne, übriggelassen habe466, und in der Tat hatte ja damals die Zeit begonnen, da Rom sehr ungleich wurde und zwischen gewaltigen einzelnen Streichen und großen Pausen der Mediokrität und Schlechtigkeit abwechselte. Im ganzen aber empfand man jedenfalls in politischen Dingen vor den Griechen keine besondere Scheu. Schon Fabius Cunctator hatte mit einem Seitenblick auf sie gesagt, daß die Trefflichkeit nicht in den Psephismen, sondern im Herzen eines jeden liege467, und solche Reflexionen kehrten oft wieder; auch war man überzeugt, daß Roms Taten mehr wert seien als alle ihre Ethik und Rhetorik468. Sie selbst lernten Roms Beruf zur Weltherrschaft von der schönen und erhebenden Seite betrachten469; nur beim niedern Pöbel, hier allerdings noch lange,[535] konnte man den Römerhaß noch aufregen, wie denn z.B. noch im ersten Jahrhundert in Athen die unruhigen Elemente des Demos sich charakteristischerweise als Philhellenen aufreden ließen, während alle ansehnlichen Leute freiwillig zu den Römern hinausflüchteten470. Und bei diesen dauerte der Philhellenismus weiter. Schon der Umstand, daß viele ihre Studien in Athen machten, fesselte sie an das Land; eine der letzten Propositionen des geschlagenen Antonius an Octavian konnte z.B. sein, man möchte ihn in Athen als Privatmann ausleben lassen471. Und schließlich trat sogar eine wahre Verzärtelung und lächerliche Idealisierung der Griechen ein. Nachdem sie sich gegenseitig nach Kräften zernichtet hatten, konnte Brutus472 – derselbe, der übrigens von den kyprischen Salaminiern einen jährlichen Zins von 48 Prozent verlangte –, da es sich um Beibringung griechischer Schauspieler handelte, die Seinen anweisen, »man möchte dies durch Überredung tun; denn es gehöre sich nicht, einen Hellenen zu zwingen«; Antonius, den übrigens Plutarch ausdrücklich mit Demetrios Poliorketes vergleicht, glich diesem auch in der Art, wie er in Athen den Philhellenen spielteA30473; was man noch unter den Kaisern mit Griechenland und Griechen für Komplimente zu machen in Übung hatte, lehrt der Brief des jüngern Plinius (VIII, 24) an einen nach der Provinz Achaia abgehenden Beamten, dem er zu bedenken einschärft, daß es die freisten Menschen (d.h. römischen Untertanen) wären, zu denen er gehe, und daß diese das von der Natur ihnen verliehene Recht durch ihre Trefflichkeit, ihre Verdienste und ihre Bundestreue gewahrt hätten; alle mythischen und historischen Erinnerungen sollten ihm vor Augen schweben, und wenn er nach Athen komme oder in Sparta Befehle erteile, solle er doch ja wissen, daß es grausam und barbarisch sei, ihnen den Schatten und Rest ihrer Freiheit zu rauben; er solle daran denken, was jede Polis gewesen sei, so werde er vergessen, daß sie aufgehört habe, es zu sein.


Vom zweiten Punischen Krieg an, der mit dem Kriege Philipps und seiner Bundesgenossen gegen die Ätoler, mit dem des Ptolemäos Philopator und des Antiochos um Kölesyrien und mit den spätern Zeiten des Aratos in eine Zeit fiel, datiert Polyb (I, 3 f.) die Verflechtung der großen[536] Weltschicksale, eine ganz veränderte Weltlage; auch hier ist es also der Grieche, der die Sache im Zusammenhang und als Kontrast gegen das Bisherige schaut und konstatiert, ja diese und andere griechische Räsonnements mögen erst recht das Bewußtsein der Römer über sich selbst geweckt haben. Polyb erkennt, daß in den bisherigen Zeiten die Ereignisse auf der Welt gewissermaßen verzettelt (σποράδες), sowohl durch Anfang als durch Schluß und durch Örtlichkeit voneinander geschieden waren, daß aber von dieser Zeit die Geschichte sozusagen ein organisches Ganzes (σωματοειδής) wird, so daß italische und libysche Dinge sich mit den asiatischen und hellenischen verflechten und alle nach einem Ziele hin tendieren, und daß demgemäß das römische Ausgreifen nach dem Osten an dem Siege über Karthago hängt. Wie nun das Schicksal die Dinge auf der Welt konvergieren läßt, so muß auch seine Darstellung für alles eine große Übersicht schaffen. Ja dies ist es hauptsächlich, was ihn zum Schreiben bewogen hat, abgesehen davon, daß kein anderer seiner Zeitgenossen sich dieser Aufgabe widmete. Und zwar scheint ihm dies große Gesamtschicksal eine überaus herrliche und nützliche Fügung; denn während die Tyche vieles erneuerte und sich beständig im Leben der Menschen tummelt, hat sie nie ein so gewaltiges Meisterwerk geschaffen, wie zu seiner Zeit. Polyb ist hier völlig ergriffen von dem großen Zusammenhang der Ereignisse; kein Wunder, daß er auch den Römern gegenüber den Griechen alle Gerechtigkeit widerfahren läßt und z.B. in einer wichtigen Aussage den physischen Vorrang des römischen Soldaten über den griechischen ohne weiteres anerkennt474.


Hier ist nun noch ein kurzer Blick auf die spätern Diadochen bis zur Mitte des II. Jahrhunderts zu werfen. – Das Diadochentum hatte seine spezifischen Kräfte in Staatseinrichtungen, Kriegsmacht und Kultur wesentlich im III. Jahrhundert entwickelt und sogar ausgegeben. Mit demselbenA31 erschöpft sich auch so ziemlich die Bedeutung und Zelebrität seiner Individuen; später – und nicht bloß durch das gleichzeitige gewaltige EintretenA32 Roms – zeigt sich teils Schwäche und Abgestandenheit475,[537] teils eine wahre Ausartung der Ausartung, dies alles in der nämlichen Zeit, da auch in Griechenland das Leben der äußersten Zerrüttung verfällt.

Zwar hält sich das makedonische Geblüt durch die Heiraten zwischen den Herrscherhäusern so ziemlich ungemischt, auch die Bösesten können noch Rassemenschen gewesen sein, und eher nur ausnahmsweise kommt die Schattierung des Herrscherwahnsinns vor, der sonst die Logik der orientalischen Gewaltherrschaft ist, d.h. jenes Mixtum von Grausamkeit und Üppigkeit, welches aus unbedingter und doch zugleich sehr bedrohter Macht zu entstehen pflegt; in der Regel behalten die Diadochen ihren Verstand und bleiben berechenbar. Immerhin aber ist es noch viel, daß ihre Dynastien als solche es solange getrieben haben und nicht aller Orten durch Usurpation und Soldhauptleute verdrängt worden sind, wozu es sich bisweilen anzulassen scheint, wenn man sie in den Händen ruchloser Minister, Vormünder usw. findet, wie Hermeias bei Antiochos III., Sosibios bei Ptolemäos Philopator war476. Mit der Zeit sind sie dann als römische Klienteldynasten halbwegs geschützt; man könnte sie freilich stürzen, würde aber schwerlich einen Genuß davon haben. Und Rom hetzt dann auch wohl, wenn ihm dies dient, Verwandte gegeneinander und protegiert etwa einen notorisch Untergeschobenen.

Im Vergleich zur Freigebigkeit früherer Fürsten, die sich 226 nach dem Erdbeben von Rhodos so großartig äußerte, klagt Polyb (V, 90) über die Kargheit (μικροδοσία) der Diadochen seiner Zeit, welche etwas Großes getan zu haben meinten, wenn sie einem Volk oder einer Polis vier oder fünf Talente schenkten; es entsprach ihr freilich, wie wir oben (S. 500) sahen, auf der andern Seite eine ebenso jämmerliche Armseligkeit im Nehmen (μικροληψία). Zu größeren Geschenken mochte man Veranlassung haben, wenn es zu der Zeit, da die vornehmen Römer bestechlich zu werden begannen, durch solche den Untergang zu verzögern galt.

In verschiedenen Dynastien häuften sich nun aber die Gewalttaten, und der natürliche Tod wurde schon eine Ausnahme. Und zuletzt stürzen die Ereignisse wie in einem wüsten Traum durcheinander; die einzelnen Fürsten sind kaum mehr individuell kenntlich; es nimmt ein allgemeiner Typus des Spät-Diadochen überhand; nur da und dort überraschen[538] noch besonders arge Züge und Missetaten oder irgendein isolierter hellenischer Charakterzug.


Die kräftigsten unter den Spätdiadochen sind jedenfalls die letzten Antigoniden, und unter ihnen steht zuvorderst Philipp III. (oder V.) (221 bis 179), der Sohn des Demetrios (239-229) und Vetter seines Vorgängers Antigonos Doson (229-221), des Siegers von Sellasia. Er hatte sich anfangs aus Verräterhänden emporzuarbeiten; und nun wird ihm freilich Schuld gegeben, mit Hilfe seines Strategen Taurion den Aratos, der ihm in seinen ersten Regierungsjahren ein väterlicher Freund gewesen war, mit einem langsam wirkenden Gifte getötet, dessen Schwiegertochter verführt, auch deren Mann, dem jüngern Aratos mit Gift zugesetzt und gegen Philopömen Mörder ausgesandt zu haben477, und auch sonst ist viel von seiner Tyrannei und Schwelgerei die Rede. Allein, was man auch von ihm und seinem ältern Bastard Perseus denken mag, hier wurde wenigstens beständig und konsequent für die Behauptung der Herrschaft gehandelt, und zwar aus einer großartig gemeinten Überzeugung von der Würde Makedoniens. Aus dieser gingen die Römerkriege hervor. von denen Philipp wenigstens den zweiten gerne vermieden hätte478; ja selbst die Tötung seines ehelichen Sohnes Demetrios auf Perseus Antrieb könnte ihre genügenden Gründe gehabt haben, wenn Makedonien fortdauern und sich wieder erheben sollte479. Und wenn Philipp entgegen der sonstigen Art seines Hauses ausgeartet und ein Lüstling geworden ist, so dürfte dies nicht nur daraus zu erklären sein, daß die ursprüngliche Natur bei ihm durchbrach480, sondern wir möchten eher glauben, daß die tödliche Verbitterung über das Schicksal, das ihn traf, einen guten Anteil daran hatte. Er ist eine tragische Figur, während Antiochos dies nicht ist. Ja auch bei Perseus ist das (ihm zuletzt so bitter vorgeworfene) Hangen[539] am Leben (φιλοψυχία) vielleicht doch nur darin begründet, daß er noch einmal Makedonien wieder zu bekommen hoffte, was dann freilich zunichte wurde, indem man ihn zu Alba am Fucinersee durch Schlafentziehung tötete. Dieses Haus ist untergegangen, aber nicht verfault.


Bei den Ptolemäern beginnt die Abnahme rasch und entschieden mit Philopator (221-204). Dieser glaubt sich nach außen sicher und ist es auch wenigstens für Ägypten von dem Siege bei Raphia über Antiochos den Großen (217) an. So läßt er denn die auswärtige Politik völlig liegen, wirdA33 unzugänglich und dem schändlichen Minister Sosibios, »einer gewandten, erfahrenen, unheilstiftenden Kreatur« untertan, der gleich zu Anfang der Regierung Mutter und Bruder des Königs sowie der Spartaner Kleomenes zum Opfer fallen482. Und daneben taucht das saubere, von der eigenen Mutter Oinanthe dem Philopator preisgegebene Geschwisterpaar Agathokles und Agathakleia auf483, unter dessen Einfluß wildes bakchisches Treiben, Gelage und Hurenleben aller Art mit Mordtaten wechseln; auch wurde Agathokleia neben der königlichen Schwestergattin Arsinoe zur Nebengemahlin erhoben. Als Arsinoe zuletzt, auf Anstiften der schändlichen Hofklique beseitigt, und gleich darauf Philopator selbst gestorben war, kam es bei der Thronbesteigung des erst vierjährigen Epiphanes zu einer ganz großen Krisis. Der Tod Philopators und Arsinoes wurde zugleich proklamiert, das Kind mit dem Diadem bekleidet und ein falsches Testament des verstorbenen Königs verlesen, worin Sosibios und Agathokles zu Vormündern ernannt waren. Hieran aber knüpft sich nun wegen Arsinoes Tod der große Tumult der Alexandriner. Während Agathokles die bedeutendsten Leute mit Aufträgen wegschickt, auf eine große neue Werbung sinnt und die Gemeinsten und Frechsten der Hoflakaienschaft zu »königlichen Freunden« befördert, findet sich für die Volkswut als Haupt der Kommandant von Pelusion Tlepolemos. Schon mißlingt es Agathokles, sich bei den Makedoniern anzubiedern, bei denen er, wie es scheint, von Kaserne zu Kaserne[540] geht, und er muß auf Flucht oder Tyrannis denken; da erheben sich der Pöbel und die Makedonier unter der Firma »Rettung des königlichen Kindes«, und es entsteht jener für Alexandrien wahrhaft klassische Loyalitätskrawall ersten Ranges, wobei Epiphanes gerettet und, indem man ihm den Kopf vorwärts stieß, zum Untergang jener Leute »ja« zu machen bewogen wurde. Die Hauptszene fand im Stadion statt. Nachdem bei der Volksmasse durch eine erste Tötung der Appetit geweckt worden war, wurde sukzessiv die ganze Sippschaft auf entsetzliche Weise umgebracht, indem der Pöbel auf sie los biß und stach und ihre Körper zerriß.

Epiphanes (204-181) kam zunächst unter die Herrschaft des Tlepolemos, und später folgte an seinem Hofe ein allmächtiger Wesir auf den andern, stets mit Gewalt. Der kombinierte Angriff Philipps III. auf Ägyptens Vorposten am Archipelagos und Antiochos des Großen auf Kölesyrien führte die Einmischung Roms und die Aufnahme des Kindes in römische Tutel herbei (200). Epiphanes blieb aber ein solches; der durch furchtbare innere Aufstände bezeichneten Regierung dieses unendlich abhängigen Wesens wurde von Freunden ein Ende gemacht, die sich mit Wegnahme ihres Raubes bedroht sahen und es vergifteten.

Wieder ein etwas besserer Mensch war dessen Sohn Philometor (181 bis 145). Kölesyrien wieder an Ägypten zu bringen gelang ihm zwar nicht, aber Antiochos IV., welcher darauf Ägypten durchraubt hatte, mußte es (170) doch wieder räumen und wurde bei einem zweiten Einfall (168) von Popillius auf die bekannte Weise aus dem Lande gewiesen. Dann aber geriet Philometor in einen unaufhörlichen Konflikt mit seinem jüngern Bruder Euergetes II. (oder Physkon), gegen den er wiederholt Roms Hilfe anrufen mußte, das zwischen den Brüdern vermittelte, dann aber doch den Streit zwischen ihnen schürte. Nachdem der König auf einem Eroberungszug nach Syrien in einem siegreichen Kampfe durch einen Sturz vom Pferde verunglückt war, gelangte dann dieser Euergetes, der sich bisher mit Kyrene hatte begnügen müssen, wirklich zur Alleinregierung (145-116), ein kleiner, dickbäuchiger, schwelgerischer Mensch, der vor keiner Grausamkeit und keinem Durcheinander von Scheußlichkeiten zurückschrak. Den Sohn Philometors ließ er sofort hinmorden, während er Philometors Witwe, Kleopatra, die gemeinsame Schwester, heiratete; diese verstieß er484, um sich mit ihrer von ihm geschändeten Tochter zu verbinden, und am Ende hatte er beide zugleich. Und dies war derselbe Mann, welcher später gelehrte Kommentare mit wichtigen[541] Notizen für Länder- und Völkerkunde verfaßte und als Schüler Aristarchs (den er freilich zuletzt vertrieb) homerische Textkritik übte, auch wohl die alexandrinische Bibliothek vermehrte und die Ausfuhr des Papyrus aus Eifersucht auf die bücherliebenden pergamenischen Fürsten verbot. Aber am Anfang war seine Alleinherrschaft schrecklich. Nachdem die Alexandriner einen Entrüstungsaufstand gemacht hatten, suchte er sie durch einen allgemeinen Terrorismus, verbunden mit spezieller Verfolgung der Anhänger seines Bruders, gefügig zu machen und ließ mehrfach, wenn er von Aufruhr bedroht war, durch seine Söldner auf sie einhauen. Die Folge war, daß der griechische, räsonnierende Bestandteil der Bevölkerung großenteils aus der Stadt floh, und dies muß eine sehr wichtige Tatsache der hellenischen Kultur gewesen sein, indem Grammatiker, Philosophen, Geometer, Musiker, Maler, Erzieher und Ärzte als Flüchtlinge in Masse nach Hellas kamen, wo infolge der beständigen Kriege die allgemeinen Kenntnisse (ἐγκύκλιος παιδεία) vielfach ausgestorben waren. Dadurch, daß sie lehrten, was sie wußten, und treffliche Schüler bildeten, bewirkten diese Ausgewichenen nun eine sekundäre Auffrischung der ganzen Bildung485. Euergetes aber lud dann durch Erlasse neue Ansiedler in die verlassene Stadt, und es fanden sich, durch die Aussicht auf gute Geschäfte angelockt, wirklich wieder solche, er machte es aber auch diesen nicht viel besser.

Die weitern Ptolemäer, die ihre Regierung unter beständiger Einmischung Roms führten, zeigen den Verfall in seinen schlimmsten Formen; nur zuletzt kommt noch eine Gestalt, die dem Blick imponiert; es ist Kleopatra.


Während das Antigonidenhaus auf der Scheide der Zeiten seinen Philipp III. hatte, weist das seleukidische Antiochos III., den Großen (223-187), auf. Dieser ist, abgesehen von sonstigen bessern, sittlichen Eigenschaften, woran es ihm nicht fehlte, jedenfalls ein Mensch von höherer Energie und verdient dadurch Sympathie. Er hatte sich aus einer horribel verruchten Umgebung heraufzuarbeiten, wurde aber ein tüchtiger Krieger und machte seine Feldzüge unter den größten Anstrengungen selbst mit, so daß man in ihm das alte makedonische Wesen deutlich wieder aufblühen sah. So gelang es ihm, die östlichen Satrapien, freilich nicht für lange, durch seinen indischen Feldzug wiederzugewinnen und nicht nur diese, sondern auch die Seestädte und die Dynasten diesseits[542] des Taurus, und so seine Herrschaft zu befestigen und nicht bloß die Asiaten, sondern auch die Europäer in Erstaunen zu setzen486. Hiermit hätte er es sollen bewenden lassen, statt alt-seleukidische Ansprüche auf Ägypten und das ganze vordere Kleinasien zu erheben; denn er hätte eigentlich hinlänglich mit der Bändigung der Galater und der Einzeltyrannen im Innern von Kleinasien zu tun gehabt. Aber sein Dünkel scheint ihn in den verderblichen Krieg mit Rom gebracht zu haben, der so leicht vorauszusehen gewesen wäre. Und nun hatte er mit zunehmendem Alter stark abgenommen und blieb hinter den Erwartungen der Fernerstehenden zurück487, und Hannibal mit seinem großartigen Plane, wonach man ihn mit Flotte und Heer nach Karthago und dann nach Italien gesandt hätte, war bald durch die syrische Hofkamarilla, die dem König vor Verdunkelung durch den Punier bange machte, beseitigt worden488. Seit Magnesia (190), welches überhaupt der dies fatalis für alle Diadochengröße ist, war dann die seleukidische Herrschaft schwer erschüttert, Pergamon und Rhodos wurden durch die Römer tückisch vergrößert, Armenien fiel ab; wie der König selbst bei seinem Unternehmen gegen den Tempel des Belos ein unrühmliches Ende fand, haben wir bereits (S. 468) gesehen; bald finden wir dann Seleukiden in Rom als Geiseln.

Eine eigentümliche Physiognomie in diesem Hause ist noch Antiochos des Großen jüngerer Sohn und zweiter Nachfolger, Antiochos Epiphanes (175-164)489. Dieser will den König vergessen und den liederlichen griechischen Privatmenschen spielen, ja gelegentlich auch noch den Bürger (als wäre damals noch ein Genuß dabei gewesen, ein griechischer Polites zu sein); nur geht Antiochia dem armen ennuyierten König auf alles dies nicht sonderlich ein. Es wird von ihm erzählt, daß er Umgang mit den Leuten aus dem Volke pflegte und mit anwesenden Fremden, selbst den Geringsten, zechte. Wo immer ein Gelage von jüngern Leuten war, erschien er mit seinem Orchester, so daß die meisten erstaunt aufstanden und flohen. Oft trieb er sich ohne alles Gefolge herum, oft auch kam er ohne königliches Gewand, im bloßen Bürgerkleide auf die Agora, badete auch in öffentlichen Bädern, wenn sie voll gemeinen Volkes waren, und ließ sich dahin die kostbarsten Salben bringen. Am meisten fand man ihn[543] in den Gold- und Silberwerkstätten, wo er mit den Toreuten und andern Künstlern kennerte. Auch zeigte er sich öffentlich als Amtsbewerber, gab den einen die Hand und umarmte die andern, um ihre Stimme als Agoranom oder Demarch zu erhalten, und setzte sich, wenn er dann das Amt hatte, nach Römersitte auf einen Elfenbeinstuhl, wo er nun die Marktstreitigkeiten anhörte und mit allem Eifer schlichtete; da hielten ihn denn die einen für einen Biedermann, die andern für verrückt, und diese hatten Recht. Auch in seinem Schenken war er konfus: in den Opfern, die er an die Städte sandte, und in den Ehrenbezeugungen an die Götter überbot er alle frühern Herrscher, wie schon aus dem Olympieion in Athen und aus den Statuen um den Altar zu Delos hervorging. Als er bei seiner zweiten Invasion von Popillius aus Ägypten weggewiesen worden war, tröstete er sich damit, daß er durch seine in Daphne abgehaltene Agone und seinen Festzug die von Ämilius Paulus in Makedonien abgehaltenen Feste an Pracht zu überbieten suchte, d.h. der arme Seleukide, der dem asiatischen Begriff des Pompes verfallen ist, hält diesen für ein siegreiches Argument gegenüber von Römern, welche noch dazu Philhellenen sind; nur bringt er es dabei freilich nicht über eine kolossale Revue, zu welcher, damit alle Herrlichkeit einen Monat lang in Antiochien angehäuft sei490,[544] offenbar sein ganzes Reich von Leuten und Geld entblößt werden muß. Wie dieser König nebenbei die Juden plagte, wissen wir aus den Büchern der Makabäer; gegen die Gesandten Roms, das heimlich beständig gegen ihn wie gegen Eumenes die Galater begünstigte, trug er bei tiefem Haß die gesuchteste Deferenz zur Schau. Davon, daß er, wie sein Vater beim Heimweg vonA34 einer mißlungenen Tempelplünderung in Elymais starb, war schon (S. 468) die Rede; schlimme Vorzeichen hatten ihn zuvor wegen dieses gottlosen Vorhabens geängstigt.

Unter seinen Nachfolgern erhält Rom dauernde Zwietracht und stellt ihnen die ärgsten Zumutungen. Selbst zu dem von ihm anerkannten Thronfolger des Epiphanes kommt eine Gesandtschaft mit dem Auftrag, zuerst die Kriegsschiffe zu verbrennen, dann die Elefanten zu lähmen und überhaupt die königliche Macht zu mindern, und so geschah es auch491. In der Folge beschützt Rom wissentlich einen Untergeschobenen, den angeblichen Sohn des Epiphanes, Alexander Balas. Wie die Familie ausartete, erhellt z.B. aus der Möglichkeit einer Königin, wie die syrische Kleopatra war. Dieses entsetzliche, mörderische und dabei mit einer gewissen Intelligenz begabte Weib, die Tochter des Ptolemäos Philometor, war zuerst die Gemahlin dieses Balas, dann nach dessen Sturze die des Demetrios II. Nikator und nach dessen Gefangennehmung durch die Parther die seines Bruders Antiochos VII. Sidetes. Als dieser gegen die Parther gefallen war und Demetrios mit einer parthischen Prinzessin heimkam, aber von einem Usurpator geschlagen wurde, ließ sie ihn ermorden und tötete in der Folge eigenhändig ihren Sohn von ihm, Seleukos V., mit einem Pfeil, aus Furcht, er möchte ihr Orestes werden; als sie auch ihrem zweiten Sohne, Grypos, nach dem Leben stellte, nötigte dieser sie endlich, das für ihn bereitete Gift zu trinken492. Während es[545] aber mit den Seleukilen abwärts geht, werden die Parther immer mächtiger, und anderseits nehmen im Zusammenhang mit ihrer Schwäche das Piratenwesen und der Menschenhandel, besonders von Kilikien aus, den erstaunlichsten Umfang an493.


Bergabwärts ging es auch mit den zwei vordern kleinasiatischen Staaten. Bithynien finden wir unter Prusias II. (185-149), dem Verräter Hannibals. Dieser kostümierte sich schon zum Empfang von römischen Gesandten völlig als Freigelassenen mit Pileus, Toga und Schuhen und kam 166 nach dem Perseuskriege in dieser Tracht auch mit seinem Sohne Nikomedes nach Rom. Hier fiel er vor dem Senat auf der Schwelle nieder und verehrte die sitzenden Senatoren mit der Anrede: »Seid gegrüßt, rettende Götter.« Und sie wußten die tiefe Selbstwegwerfung zu schätzen und gaben ihm eine freundliche Antwort494. Später überfiel er auf schmähliche Weise Attalos II. von Pergamon und benahm sich dabei so, daß Polyb ihn für wahnsinnig hält; denn er konnte abwechselnd vor den Göttern niedergeworfen winseln und sie dann wieder berauben und Tempel zerstören; jedenfalls war er ein häßlicher, feiger Barbar ohne alle Bildung, der ein sardanapalisches Leben führte495. Seinen Sohn Nikomedes verbannte er nach Rom und wollte ihn dort töten lassen; derselbe kehrte aber nach Bithynien zurück und erhob mit pergamenischer Hilfe einen Aufstand wider den Vater, worauf die Römer zur Vermittlung zwischen beiden eine lächerliche Ambassade schickten, die Catos Spott herausforderte; denn sie bestand aus einem Podagrischen, einem Mann, dem ein herabgefallener Ziegel den Kopf entstellt hatte, und einem Stumpfsinnigen496. Das Ende war, daß Nikomedes den Vater stürzte und im Zeustempel zu Nikomedien ermordete und auch alle seine Brüder töten ließ.


Von der pergamenischen Dynastie haben wir früher (S. 481) gesehen, daß sie durch das musterhafte Verhältnis, das zwischen Brüdern zu herrschen pflegte, eine Ausnahme gegenüber andern Diadochenhöfen bildete. Hier[546] finden wir in dem von Polyb (XVIII, 41) wegen seiner Siege über die Gallier, seiner edeln Haltung im Reichtum, seines sittlichen Familienlebens und seiner hellenischen Gesinnung gerühmten Attalos I. (241 bis 197), sowie in dessen Sohn Eumenes II. (197-159) Römerfreunde, die sich, wenn sie auch ihr Heil in Rom erkannt haben, doch nicht wie die Könige von Bithynien wegwerfen. Noch nach dem Antiochoskriege bekam Eumenes aus der Beute mächtige Stücke. Später aber ließen sich die Römer einreden, er hätte sich doch mit Perseus zu tief eingelassen. Man wies ihn, als er sich nach Pydna zu Rom verantworten wollte, in Brundisium zurück und gönnte es ihm auch, daß ihn die Gallier bedrängten, welche, wenn auch nicht direkt, doch ganz eigentlich von Rom begünstigt wurden, ja ein römischer Legat, C. Sulpicius Gallus, thronte zehn Tage im Gymnasion von Sardes und nahm in boshafter Weise alle möglichen Klagen von Asiaten gegen ihn an497. Besser verfuhren sie gegen seinen Bruder und Nachfolger Attalos II. (159-138), einen noch immer guten, wenn auch später erschlafften Fürsten; wenigstens nötigten sie Prusias wegen seines zerstörenden Einfalles in das pergamenische Gebiet zu schwerem Schadenersatz und zur Abtretung von Städten. Mit seinem Neffen Attalos III. (138-133), dem Sohne des Eumenes, aber kommen furchtbare Züge zum Vorschein: er ist ein Wüterich gegen Verwandte und Freunde und versinkt dann von Zeit zu Zeit in finstere Schwermut, so daß er Haar und Bart nicht scheren läßt, sich von der Regierung zurückzieht und sich nur noch mit Gärtnerei, Bildhauerei und Gießkunst beschäftigt498. Da er schlimme Zeiten kommen sah, hat er, um ruhig ausleben zu können, sein schönes und blühendes Reich an die Römer vermacht, bei denen es zur Provinz Asia wurde.

Von halbbarbarischen Diadochenhäusern, die man an den äußern Rändern der römischen Geschichte kennen zu lernen pflegt, wie dem von Kappadokien, von Pontus und den Galatern, sowie von dem meisten Diadochentum nach der Mitte des II. Jahrhunderts ist hier nicht zu handeln.


Indem wir uns nun der damaligen Kultur im engern Sinne des Wortes zuwenden, möchten wir vor allem gerne wissen, wieweit das Sinken der Poleis und der Abschmack am Bürgertum den intellektuellen Dingen[547] wirklich große Begabungen zuführte, und ob überhaupt die hohe Anlage zu- oder abnahm. Indes ist es beim Dürftigwerden aller Tradition, die sich nicht auf Diadochen, Philosophen oder sonstige Literaturleute oder auf Skandäler bezieht, rein unmöglich, darüber etwas Befriedigendes zu sagen. Daß man sich vom Staate weg und dem Wissen und Forschen zuwandte, sagt Polyb499 deutlich, und auch die Philosophie gewann so gewiß an Anhängern. Was aber die Künste betrifft, so ist es sehr zweifelhaft, daß ihnen von dieser Seite viele Kräfte zuströmten. Sie hatten und behielten ihre Leute sowieso und wir greifen es mit Händen, daß in der Skulptur und Malerei noch immer das Herrlichste geschaffen wurde. Aber es ist eine garstige Lücke in der damaligen Tradition, daß selbst über die größten Künstler das Schweigen waltet und die berühmten Namen überhaupt aufhören, wie man denn die Namen der rhodischen und pergamenischen Bildhauer jedesmal nur zufällig bei Anlaß eines Werkes erfährt und nicht als die sonst weitbekannter Meister. Auch die Namen z.B. der berühmten Schauspieler hören in der Literatur so ziemlich auf, und doch könnten viele höchst vorzügliche noch immer gewirkt haben, die nicht mehr erwähnt werden, weil es so viele gab.

Auf andern Gebieten steht unserer Erkenntnis das Fragmentarische der Erhaltung im Wege. So lange wir z.B. aus der ganzen asiatischen und ägyptischen Diadochenwelt außer Theatern kein einziges gut erhaltenes Gebäude kennen, ist uns jedes eigentliche Urteil über das Baufach jener Zeit völlig untersagt. Und auch die Poesie ist nur äußerst fragmentarisch erhalten, und mit Ausnahme von Theokrit das Beste gerade nicht. Ganze Gattungen, wie die chorische Lyrik, mögen freilich beinahe erloschen gewesen sein, während nicht einzusehen ist, weshalb nicht treffliche individuelle Lyrik sollte geblüht haben, nur vielleicht gerade nicht in Alexandrien.

Auf das stärkste bezeugt ist das allgemeine Leben des griechischen Geistes durch das der Philosophie in ihren drei Hauptrichtungen: Stoa, Epikureismus und Skepsis. Und jedenfalls ist es noch ein großes Zeugnis für die Kraft des damaligen Griechentums, daß es den vordern Orient hat wirklich hellenisieren können, und das gewiß nicht bloß durch den von den makedonischen Regierungen zu seinen Gunsten geübten politischen Druck, sondern durch innere Superiorität und Leben. Ob daneben die Durchschnittsmasse der gebildeten Griechen im Vergleich zu früher äußerlich weibisch und weichlich erschien, wäre wichtig zu wissen; doch können wir es nicht entscheiden500.

[548] Wie war es nun mit den Idealen der hellenischen Nation beschaffen, mit jenen leuchtenden Dingen, welche die frühern Hellenen zu erfüllen schienen, vor allem mit dem Ruhm? Was diesen betrifft, so fehlt es auch in dem traurigen III. Jahrhundert nicht ganz an Menschen, die ihm nachstreben. Zwar haben die wenigen in Staat und Krieg berühmten Männer des sogenannten freien Hellas, ein Aratos, Philopömen und andere, ihre bedeutenden Schwächen und Lücken, und der letzte Kleomenes erwies sich nicht erst nach Sellasia individuell ungenügend, sondern seine ganze Reform roch bereits zu sehr nach der damaligen griechischen Auflösung. Indes wurde bei Anlaß dieser Männer doch noch im alten Sinne pathetisch gesprochen und geschildert, und gerade Kleomenes muß noch Leute um sich gehabt haben, die ihn als einen großen Mann individuell beobachteten und es z.B. genau beschrieben, wie er in Sparta nach der Niederlage die Pflege einer Sklavin abweist und weder trinkt noch sich setzt noch den Harnisch löst, sondern nur, mit der Linken an eine Säule gelehnt und das Haupt auf den Ellenbogen gestützt, eine Weile ausruht und nachsinnt, bis er dann doch an das Meer flieht501. Mag er am Ende hier noch geschauspielert haben, so ist doch sein Ende in Ägypten einer Tragödie. Hier sollte mit aller Absicht noch ein Spiegelbild des alten Spartanerruhmes fixiert werden.

Auch einzelne Diadochen haben noch Ruhmessinn. Dieser mag oft falsch geleitet sein, und man kann finden, daß mehr Eitelkeit und Ruhmeswahnsinn sie bestimmen; aber eine Ausnahme macht doch z.B. der Gegner des Kleomenes, Antigonos Doson, der, nachdem er erst Sparta begnadigt und ihm alle seine Einrichtungen gelassen hat, obwohl krank, nach Makedonien heimeilt, um dort im Kampfe gegen die eingefallenen Illyrier den Genuß echten Heldentodes zu finden. Er starb mitten im Siege zu Pferde am Blutsturz (wie man in den Leschen wohl hinzudichtete) mit dem Worte: »Welch ein schöner Tag!«502.

Allein im ganzen ist das Sinken des wahren Ruhmessinnes doch kenntlich. Vor allem ist der agonale Ruhm am Aussterben, wie wir durch eine wichtige Aussage in Plutarchs Philopömen (3) erfahren. Der große Stratege lernte, weil von Jugend an soldatisch, alles, was zum Kriege gehört. Nun gab ihm, da er auch im Ringen trefflich erschien, seine Umgebung den Rat, er solle auch Athlet werden. Als er darauf fragte, ob ihm diese Übung nicht für die militärische Ausbildung hinderlich sei, sagte man ihm der Wahrheit gemäß, Leib und Lebensweise des Athleten seien von denen des Kriegers völlig verschieden; jener bedürfe vielen Schlafes, beständigen[549] Essens und genau vorgeschriebener Bewegung und Ruhe, und jede Abweichung bringe ihn leicht zum Wanken, während das Leben des Soldaten voll Herumirrens und Unregelmäßigkeit und Gewöhnung an Hunger und Schlaflosigkeit sei. Da verstieß und verspottete Philopömen das Athletentum und verscheuchte es später sogar mit Hohn und Strafen, soweit an ihm lag, aus seiner Heeresschar, indem es die tüchtigsten Leiber zu den notwendigsten Kämpfen unbrauchbar mache, machte aber den eigenen Leib durch Jagd und Ackerbau kräftig503.

Verehrt und vergöttert wurde nunmehr, was mächtig und auch was verächtlich war, wofern es eine gewisse Nervenaufregung über die Leute bringen und die Kuriosität erregen konnte. Schon zu Anfang dieser Epoche konnte Harpalos den Griechen in der Heimat zumuten, seine Hetäre Pythionike, der er das große Monument am heiligen Weg nach Eleusis errichten ließ, als »Pythionike Aphrodite«504 mit Temenos und Altar göttlich verehrt zu sehen; dann kommt das erlauchte Beispiel des Demetrios von Phaleron, von dem die Athener so entzückt waren, daß sie ihm – für uns zum Beweis, wie wertlos die Ehrendenkmäler geworden waren505 – 300 Statuen auf einmal setzten, die dann freilich bei seinem Sturze ein sehr übles Schicksal hatten506. Aber gleich darauf wird, wie wir oben (S. 482 f.) sahen, der Städtebelagerer Demetrios erst recht ins Gesicht vergöttert, und nun meldet sich überhaupt die göttliche Verehrung verschiedener Diadochen, nicht bloß in ihren Staaten, wo man keine andere Wahl hatte, sondern auch im freien Griechenland. Statuen aber werden jetzt auch bloßen Amüsementsleuten gesetzt. So in Athen dem Karystier Aristonikos, einem Mitballspieler Alexanders; der Umstand, daß man ihn »wegen seiner Kunst« auch zum Bürger machte, schließt den Gedanken aus, daß es sich nur um Verewigung einer hübschen Attitüde gehandelt[550] hätte. Und wäre es nur dabei geblieben! Aber einmal setzte man auch dem Puppenspieler Eurykleides eine Statue zunächst denen der großen Tragiker, während man seinem Kollegen Potheinos wenigstens dieselbe Bühne überließ, auf welcher Euripides und seine Kollegen das Volk begeistert hatten. Indem sich die jedesmalige Nervosität ihren Ausdruck in dem Psephisma schaffte: »dem und dem soll eine Statue gesetzt werden«, kam z.B. in den Theatern von Hestiäa und Oreos der Taschenspieler Theodoros zu solchen, um von Musikerstatuen, wie der des Kitharspielers Archelaos zu Milet oder der des Sängers Kleon in Theben (wo daneben eine Statue Pindars fehlte) kein Aufheben zu machen507. Bei dem großen Mangel an echten Zelebritäten darf es dann nicht wundern, daß schließlich, wie bei Älian und Athenäos die Verzeichnisse von magern, kleinen, dicken usw. Leuten, von Dummköpfen, großen Fressern und Säufern lehren508, Berühmtheit auch durch bloß physisch auffällige oder geradezu odiöse Eigenschaften zu gewinnen war.

Eine Reaktion gegen das wohlfeile Berühmtwerden ist der unbedingte Tadel, als dessen Vertreter der chronologisch nicht genau fixierbare, aber am ehesten der Zeit des Philadelphos angehörende Zoilos dasteht. Er stammte aus dem damals makedonischen Amphipolis und schrieb (auf seine Manier auch als ein Makedonier) nicht nur gegen Homer, sondern auch gegen Plato und Isokrates, liebte überhaupt das Übelreden, und zwar, wie er sagte, weil er nicht in der Lage war, Übles zu tun, und verfeindet sich durch seine auch gegen Lebende geübte Bosheit mit allen. Der Name dieses literarischen Thersites, oder, wie man ihn nannte, des rhetorischen Zynikers, ist denn auch sprichwörtlich geworden509.

Im Vordergrunde der damaligen Zelebrität aber stehen außer den Diadochen die Philosophen und die Hetären. Wie die Athener den Stoiker Zenon ehrten, werden wir später sehen; eine vergoldete Statue widmeten ihm auch, um sich selber zu ehren, seine Mitbürger in Kition auf Zypern, und als Karneades starb, sollte gar eine Mondfinsternis eingetreten sein und die Sonne sich verdunkelt haben510. Auch von den Gelehrten wird noch gesprochen, während über die Künstler (wofern uns die Nachrichten nicht verloren sind), wie gesagt, fast völlig geschwiegen wird. Was aber die Hetären betrifft, so waren die der Diadochen und die einzelner[551] Philosophen wie Epikurs offenbar ein Hauptthema alles Gesprächs511, und überhaupt steht die Hetäre nicht nur als Typus im Vordergrund, sondern ist im Besitz großer Einzelzelebrität. Wenn auch ihre Witze und die Anekdoten über sie, die das Gedicht des Alexandriners Machon aus der Zeit des Philadelphos und Euergetes enthält, meist ziemlich fadenscheinig und zotig sind512, so erkennt man aus dieser (immerhin einfach eleganten) Darstellung diese Tatsache doch deutlich. Nur ist es hier, wie mit dem Diadochentum überhaupt, welches seine individuellen Kräfte in seinen ersten hundert Jahren völlig aufbraucht; es scheint nach 200 keine berühmte Hetäre mehr zu geben.


Wie mußte nun in dieser spätern hellenistischen Zeit dem wirklich Ehrgeizigen und Ruhmsüchtigen zumute sein? Welche letzte Gestalt konnte der agonale Hellenenwille noch annehmen? Macht und Reichtum gehörten im ganzen den Höfen; die Polis, wo sie noch existierte, war sozusagen ein abgenagter Knochen, und mehr nur lokal konnte später, zumal in der ruhigen Kaiserzeit, der Reichgebliebene wieder durch Euergesie berühmt werden; die öffentliche Exhibition als Künstler aber (als Kitharöde, Tänzer, Ballspieler usw.) verlangte eine sehr besondere Begabung und konnte nicht jedes Ruhmsüchtigen Sache sein. So mochte denn einstweilen der Glanz nur noch durch dasjenige, was bis zu einem gewissen Grade durch Bildung zu gewinnen war, nämlich durch Redekunst, zu erreichen sein, und zwar jetzt durch lauter epideiktische Rede, woneben es Sache des einzelnen war, wie weit er noch die Vertretung einer Philosophensekte mitnahm. Damit war aber jetzt notwendig ein Wanderleben verbunden; denn pikantes Bücherschreiben um Geld gab es nicht, und die Reklame hatte, beim besten Willen, noch keine Presse zur Verfügung und mußte überall in Person geübt werden. So erklären sich unter den Kaisern, da alle politische Streberei absolut unmöglich und die literarische Laufbahn für den griechisch Schreibenden kaum lohnend war, Existenzen in der Art der philostratischen Sophisten mit ihrer epideiktischen, ans Politische nur anklingenden Rede. Der Hauptstreber aber mußte Goët und Religionsstifter werden, wie Apollonios von Tyana und Alexander und Abonuteichos; ein solcher konnte am Ende, wenn auch gewöhnlich gleichfalls zum Wanderleben gezwungen, dadurch, daß er einen neuen Kultus stiftete, andere Leute an den Ort hinziehen, wo er war. Von dem Äußersten, wozu es der Ruhmsinn der spätern[552] Zeiten brachte, nämlich dem Feuertode des Peregrinus Proteus zu Olympia haben wir bei früherer Gelegenheit gesprochen513.


Wenn eine Zeit sich durch dasjenige charakterisiert, was sie offiziell oder doch usuell verehrt, so ist doch außerdem wünschbar, daß auch noch ihr tägliches Leben durch gleichzeitige Schilderung bekannt sei. Nun wäre eine Türe, woran wir in dieser Beziehung um Auskunft anklopfen möchten, die neuere Komödie, wie wir sie freilich fast nur aus den römischen Nachbildungen kennen. Indes ist hier die Ausbeute nicht so groß, als man denken sollte; denn wir lernen nur ein einseitiges Athen in verhältnismäßig wenigen Typen kennen, deren Allgemeinheit trotz vielen Winken aus der damaligen Sitte nicht ein eigentliches Lebensbild auf sie zu gründen gestattet514. Ganz anders faßt aber nun ein berühmter Philosoph die Sache, und dies ist Theophrast, dessen Charaktere etwas viel Bedeutenderes sind als die nur auf dem Tisch vorgezeigten Puppen der Komödie. Dieses Werk, in dem zwar der Verfasser die ewigen Züge der unguten Menschheit, aber doch vielfach im charakteristischen Gewande seiner Nation und seiner Zeit gibt, ist jedenfalls erst im III. Jahrhundert, nach dem Proömium im neunundzwanzigsten Lebensjahre Theophrasts, verfaßt, und zwar mit der kühnen Hoffnung, auf das jüngere Geschlecht bessernd zu wirken. Die Tugendhaften bespricht der Autor nicht, und auch im Schlimmen gibt er nur das völlig Ausgesprochene, ja das Exzessive und läßt alle Halbtöne, alle gemischten Wesen völlig weg. Auch viele Charaktere, die man erwarten könnte, z.B. der miles gloriosus, der Sykophant, der Wucherer, der schlechte Dichter usw. fehlen; allein es scheint, daß Theophrast den einzelnen Lebensständen sorgfältig aus dem Wege geht, um sich streng an die ethischen Schattierungen zu halten, an das, was bei einer bestimmten Anlage gleichartig aus dem Innern kommt. Die Grundabsicht ist eine philosophisch-philologische; er will sich (zum Teil auf Grund von Aristoteles Nikomachischer Ethik) Rechenschaft darüber geben, welche einzelnen Lebenszüge zu jeder Eigenschaft gehören, und beginnt darum mit einer kurzen Definition derselben (womit dann die Kommentatoren meist nicht völlig zufrieden sind). Es scheint, daß er bestimmten Individuen, die er einmal als Typen erkannt, im Leben nachging; denn aus bloßer allmählicher Beobachtung an vielen wären wenigstens seine besten Kapitel schwerlich hervorgegangen. Das tatsächliche Resultat aber ist nur, daß wir außer der Schilderung einiger Toren und[553] Ungebildeten wesentlich eine Galerie sämtlicher Spezies von odiösen Kerlen erhalten, die es in Athen gab.

Und nun ist hier der allgemeine Eindruck der, daß man sich in Athen sehr gehen ließ, namentlich im Lügen und Betrügen, ohne sonderlich auf guten oder schlimmen Ruf zu achten; es besteht die Präsumption einer allgemeinen Frechheit. Ferner war die Beobachtung in der Fülle, wie sie sich bei Theophrast findet, nur bei der völligen Öffentlichkeit des attischen Lebens möglich. Die Athener waren beständig en scène und im Verkehr miteinander und der allgemeine Schmollis schuf eine Umgangsfarbe, die von der neuern völlig verschieden ist, so daß z.B. der Schmeichler (κόλαξ) eine viel nähere Zudringlichkeit ausübt; als jetzt möglich wäre. Zugleich aber finden wir unter diesen Charakteren die reichste Spezialisierung, indem solche, die uns als Einheiten erscheinen würden, nach ihren feinern Nuancen aufgelöst erscheinen. So kennt Theophrast zwei Arten von Schmeichlern: den eiteln, der nicht aus Absicht einem, sondern aus Temperament oder Manier aller Welt schön tut (ἄρεσκος), und den, der sich nur um des eigenen Vorteils willen bei einem einzelnen insinuiert (κόλαξ), und ebenso ist unter den Schwätzern der trivial langweilige, der gedankenlos den ganzen Tag den Mund nicht stillehält und lauter längst bekannte und zweifellose Dinge sagt (ἀδολέσχης), von dem zudringlich widerwärtigen (λάλος) wohl unterschieden515.


Wenden wir uns nun aber von dem Athener dem Untertan der Diadochen zu, so finden wir, daß dieser endlich einmal etwas für sich hat, was man im Griechenland nicht hat: er ist, was auch der Steuerdruck sein mag, der auf ihm lastet, wenigstens der Polis entronnen, welche bei den sogenannten freien Griechen nur noch in mörderischer Truggestalt[554] existiert. Wohl sind die Städte der Diadochen bis zu einem gewissen Grade auch noch Poleis; aber es ist in ihnen mit etwas städtischem Behördentum und einiger Euergesie durchzukommen, und jedenfalls sind die Zumutungen an den Bürger als solchen nicht mehr die alten; auch die periodischen Unruhen in Städten wie Seleukia, Antiochia, Alexandria usw. sind etwas wesentlich anderes als die bürgerlichen Krisen in Hellas.[555]

Man kann nun wohl sagen, der frühere Polites sei ein anderer Mensch gewesen als der diadochische Untertan; aber er war nun einmal nicht mehr da, keine Erdenmacht konnte ihn wieder erwecken. Die »Einheit des Stiles«, die früher alle Äußerungen der Bildung in Staat und Kunst als Ganzes umfangen, hatte sich für immer aufgelöst. Für das alte Bürgertum hatte man nun aber das Privatleben, das zwar teuer erkauft war, das man aber doch endlich genoß. Soweit das Individuum ökonomisch[556] frei war, war es überhaupt frei und völlig derjenigen Tätigkeit fähig, die einem jeden zusagte. Jedermann ging also jetzt den Weg, den seine eigene Individualität ihm wies, reiste z.B., soweit die Mittel reichten, ohne tödlichem Verdacht ausgesetzt zu sein, und verwandte seine Kräfte nach Belieben. So schieden sich die Berufszweige, wie früher bei den Griechen nie, und besonders im ptolemäischen Reiche unterscheidet man deutlich einen Soldatenstand und einen Beamtenstand, während Künstler und Gelehrte[557] exklusive Fachmänner werden und – worauf schon längst die Apolitie der Philosophen516 hingewiesen hatte – den Zusammenhang mit einem bestimmten Staat aufgeben. Was die Menschen zusammenführt, ist jetzt statt des politischen Interesses die private Tätigkeit; ob die Gelehrten sich im Museion von Alexandrien oder die Schauspieler in ihren Synodoi vereinigen, sie sind nicht weniger kosmopolitisch als etwa die damaligen Söldnerscharen es sind517.

Nationalgriechisch aber bleibt das Griechentum ohne die Polis, welches wir Hellenismus nennen, auch im Orient. Wenn wir z.B. die 131 Redeweisen (proverbia) durchmustern, welche Pseudo-Plutarch als bei den Alexandrinern heimisch anführt, so finden wir, daß eine einzige (97) sich auf Ägyptisches und sonst noch eine (119) auf eine Gegend in Libyen bezieht; alles übrige stammt entweder aus dem allgemein griechischen Sprichwörterschatz, oder es sind Beziehungen aus der griechischen Mythologie oder Lebenszüge aus Griechenland, und zwar zum Teil solche, welche kaum durch die Konversation allein, sondern unvermeidlich durch Lektüre müssen vermittelt gewesen sein; zumal die bisherige grichische Geschichte muß in Alexandrien eine förmliche Pflege genossen haben518; freiwillig wendet sich, wie man hier durchweg sieht, der[558] Blick nur nach Norden. Während aber das Hellenische sich erhält, erscheinen zum Unterschied von den frühern Kolonien, die wenigstens genau gewußt hatten, welchem Stamme sie vorherrschend angehörten, und sich zu diesem bekannten, die alten griechischen Stämme völlig durcheinander gerüttelt, und auch sonst fragte man der Herkunft der Leute vielfach nicht nach; besonders an den Höfen mag es von Aventuriers und Parvenus aller möglichen Herkunft gewimmelt haben519.

Wie weit nun die alte Bildung in den Normalgegenständen (ἐγκύκλιος παιδεία), welche die Gymnastik einschloß, in diesen Diadochenstädten noch in Fortdauer blieb, möchten wir gerne wissen. Gewiß war als »Bürger« niemand mehr daran gebunden; auch kann das Leben, besonders in den Großstädten, selbst bei den Freien, bei weitem nicht mehr die nötige Muße dargeboten haben. Denn von diesen denken wir uns die größte Masse als ein arbeitendes Proletariat, dessen sehr wohlfeil zu habende Arbeit bereits besser als die von Sklaven konvenierte, und über dem dann, etwa wie jetzt, eine Schicht von Besitzenden, Prinzipalen,[559] Kaufleuten, Gebildeten, usw. kam520. So wird denn die Bildung allgemein gewiß nur soweit gepflegt worden sein, als dies das vom Hellenentum her vererbte Vorurteil verlangte. Und daneben schied sich jetzt fachmäßig von ihr die auf das Sammeln ausgehende und auf Schutz und Besoldung von oben angewiesene Gelehrsamkeit aus, deren einzelne Disziplinen »durch eine ganz einseitig konzentrierte Tätigkeit ausgebildet wurden, welche den Alten sicher banausisch erschienen wäre«521; man durfte nun aber eben endlich herzhaft Spezialist, d.h. Banause, sein.

Unvermeidlich schwach war in den Diadochenstädten die Religion, soweit sie nicht, sowohl was die Götter als was Lehren betraf, durch orientalisch-ägyptische Kulte ersetzt war; denn hier fehlte es ihr an den uralten lokalen Kulten, die bei den frühern Griechen ihr stärkster Anhalt gewesen waren; auch der Mythus aber war damals schon in Hellas innerlich soviel als aufgegeben, und wenn er auch hie und da absichtlich und mit Liebe akklimatisiert wurde522, faßte er schwerlich tiefere Wurzeln; was man davon auf dem Theater sah, pflanzte keinen Respekt, und dazu kam, daß bei manchen die philosophischen Systeme die Religion vertraten.

Bei dieser Lage der Dinge ist es zu verwundern, daß man in dieser Zeit soviel als nichts von losgebundener Genialität in Poesie und Kunst hört; im Leben mag sie freilich vorhanden gewesen sein, und hie und da dürfte philosophisches Vagabundentum und auch religiöse Gaukelei ihre Stelle vertreten haben. Jedenfalls aber gehen nun die Individuen und ihre äußern Physiognomien weit auseinander. Während früher infolge der gleichmäßigen Ausbildung in den Griechen etwas Gemeinsames gewesen war, scheiden sie sich jetzt in eine Menge von Charaktertypen, und neuere Komödie, Bukolik und bildende Kunstbemühen sich, dieselben bis tief in alles Genre in ihrer Besonderheit vorzuweisen523; man wird sagen dürfen, die griechische Menschheit sei extensiv reicher geworden.

[560] Und nun die Frauen. Hier müssen wir zuerst einen Blick auf die letzten lebendigen Gestalten von Dorerinnen werfen, die uns in dem Handel der Könige Agis und Kleomenes entgegentreten. Nachdem hundert Jahre vorher, nach Leuktra, die Spartanerinnen gejammert haben und im heiligen Kriege die Königin Deinicha am Raube teilgenommen hat, stellen sich in den reichen Erbinnen, die in diesen Zeiten eine Rolle spielen, keine unwürdigen Persönlichkeiten dar. Agis gewinnt seine Mutter Agesistrata und seine Großmutter Archidamia, die ihn sonst in Reichtum und Wohlleben erzogen haben und die Reichsten im Lande sind, für seine Ideen, so daß sie ihn nach anfänglichem Bedenken jetzt erst recht vorwärts treiben und unter den übrigen Frauen eine, weil diese sich für ihren bisherigen Reichtum wehren, freilich vergebliche Propaganda machen. Beide werden dann bei der Katastrophe des Agis gleich nach diesem mit schauderhafter Tücke im Gefängnis ermordet, Agesistrata, nachdem sie noch die Mutter abgehängt und neben den toten Agis gelegt hat; »wenn dies nur Sparta hilft«, ist ihr letztes Wort524. Dagegen Chilonis, die Tochter des von Agis vertriebenen Leonidas und zugleich die Gattin von dessen Nachfolger Kleombrotos, kann es bei ihrem Vater, da dieser nach seiner Rückkehr gegen den Eidam ganz besonders ergrimmt ist, durchsetzen, daß er ihn entwischen läßt, worauf sie freiwillig mit den Kindern dessen Exil teilt, obschon sie sein Benehmen gegen den Vater nicht gebilligt hat525.

Hernach bekehrt die Witwe des Agis, Agiatis, eine sehr reiche Erbtochter und die schönste Griechin ihrer Zeit, nachdem Leonidas sie zur Vermählung mit seinem noch ganz jungen Sohne Kleomenes gezwungen hat, den neuen Gemahl zu den Ideen des untergegangenen Agis, und auch die Mutter des Kleomenes, Kratesiklea, geht nach dem Tode des Leonidas völlig auf die Gedanken des Sohnes ein, hilft angesehene Spartaner gewinnen und heiratet im Interesse des Sohnes einen der mächtigsten526. Agiatis stirbt während des Krieges mit Antigonos, von ihrem Gatten, der zu ihrer Leiche nach Sparta eilt, tief betrauert. Kratesiklea aber gibt sich, da Ptolemäos Euergetes sie und die Kinder des Kleomenes[561] für die in Aussicht gestellte Hilfe als Geiseln verlangt, und sie dies nach langem Zaudern des Sohnes erfährt, laut auflachend auf das bereitwilligste dazu her, sintemal es Sparta nütze, und beschwört Kleomenes vor dem Abschied im Poseidontempel auf Tänaron um Haltung, »damit niemand uns weinen oder Spartas unwürdig sehe; denn dies allein hängt von uns ab, die Schicksale aber vom Dämon«. Gefaßten Antlitzes schreitet sie dann mit den Enkeln nach dem Schiffe, und noch aus Ägypten läßt sie dem Sohn, von dem sie erfahren, daß er Gelegenheit hat, sich ohne Rücksicht auf Ptolemäos mit den Achäern zu rangieren, die Weisung zukommen, er möge nicht um einer einzigen alten Frau und kleiner Kinder willen in beständiger Angst vor Ptolemäos sein527. In Ägypten wird sie schließlich mit ihren Enkeln und ihrem weiblichen Gefolge in den Untergang des Kleomenes hineingezogen528. Unter ihren Frauen aber bietet nun die junge und sehr schöne Gattin des Panteus das wahre Gegenbild vom Tode ihres Gemahls, dem sie unter besondern Gefahren gefolgt ist. Diese führt die von den Soldaten ergriffene Kratesiklea an der Hand zum Richtplatz, und nachdem dort die Kinder des Kleomenes in Gegenwart der Großmutter ermordet sind, die ihnen nur noch nachruft: »O Kinder, wohin seid ihr gegangen!« und dann diese selbst und die übrigen Frauen den Todesstreich empfangen haben, gürtet sie sich das Himation, erweist jeder der Sterbenden noch nach Möglichkeit Pflege und legt ihre Gewänder zurecht, schmückt und verhüllt sich dann selbst sorgfältig, so daß sie nach dem Tode niemandes mehr bedarf, der ihr diesen Dienst tut, und findet, indem nur der Henker ihr nahe kommen darf, ein heroisches Ende.


Diese Lakedämonierinnen, von denen ausdrücklich gemeldet wird, daß sich ihnen die Männer immer untergeordnet und ihnen einen noch größern Einfluß auf die öffentlichen als sich selber auf die privaten DingeA35 gegönnt hätten, und die zudem in Sparta den größten Besitz hatten529, bilden nun allerdings in der griechischen Welt eine Ausnahme; auch war die Zeit nicht ferne, da Nabis sie bei seiner systematischen Ausrottung des Spartanertums mit ihren bisherigen Heloten vermählte. Im übrigen stehen im Vordergrunde des Lebens die Hetären. Phryne und Glykera lebten wenigstens noch zu Anfang des III. Jahrhunderts, und nun kam so recht die Zeit, da ihresgleichen der regelmäßige Mittelpunkt der geselligen[562] Vergnügungen der Jugend wurde. Feingebildet und witzig, wie sie sich z.B. in den wenigstens nach hellenistischen Vorbildern geschriebenen Briefen Alkiphrons darstellen, ziehen sie Feldherrn, Staatsmänner, Literaten und Künstler an sich, so daß fast bei jeder bedeutenden Persönlichkeit des Hellenismus Beziehungen zu bekannten Hetären nachweisbar sind. Vor allem treten, wie schon (S. 551 f.) gesagt, die der Diadochen selbst stark hervor. Der Lamia und Leäna des Demetrios Poliorketes erbauten Athen und Theben Tempel als Aphroditen, und die der Ptolemäer waren so bekannt, daß der zweite Euergetes (Physkon) in seinen Kommentaren von ihnen handeln konnte. Zur Zeit Polybs waren die schönsten Häuser in Alexandria mit den Namen berühmter Flötenspielerinnen und Hetären bezeichnet, und Porträtstatuen von solchen standen in Tempeln und andern öffentlichen Gebäuden neben Feldherrn und Staatsmännern530. Auch auf den Vasen dieser Zeit ist ihr Treiben sehr häufig dargestellt. Wir haben aber bereits gesagt, daß sie doch vom II. Jahrhundert an nicht mehr eigentlich berühmt werden, und zwar hat dies den einfachen Grund, daß damals auf den Thronen der Diadochen auch der Mann fehlte, der dies hätte bewirken können; wo die Fürsten so heruntergekommen sind, wird auch das Hofleben wenig Interesse mehr einflößen.

Was die übrige Frauenwelt betrifft, so ist an ihren engbegrenzten Lebenseinrichtungen noch keine Veränderung zu bemerken531. Weder an gemeinsamer Tafel noch in gemeinsamen Zusammenkünften bei Schauspielen und im Theater konnten die Geschlechter – wie dies doch später in Rom der Fall war – eine galante Geselligkeit entwickeln; noch immer gingen ehrbare Frauen nur von argwöhnischen Duennen begleitet auf die Straße und zu Götterfesten; ihr Leben, im Hause vielleicht zu immer größerer Macht über den Gatten ausgebildet, verfloß doch völlig in den abgetrennten Weibergemächern532; vollends die Jungfrau, das »eingeschlossene Mädchen«, wie ein Dichter sagt, war aus der eifersüchtigen[563] Haft des eingezogenen Lebens noch immer nicht befreit; das zarte und leidenschaftliche Werben des Jünglings, das sich bei den damaligen Dichtern findet, konnte schwerlich dem Leben entnommen sein533; einen Brautstand gab es nicht; man sah die Gemahlin erst bei der Trauung, und die Verlobung wurde noch immer durch die Väter abgeschlossen, die etwa wegen der unüberlegten Wahl einer völlig Unbekannten getadelt werden. Wenn also an dem Vorhandensein reiner und starker Liebe in dem damaligen griechischen Leben auch nicht zu zweifeln ist, so ist es doch schlechthin unbeweisbar, daß diese sich ihre Rechte auch in den Einrichtungen des bürgerlichen Lebens errungen habe. Daß das Los der Frauen als unglücklich galt, spricht unzweideutig aus den bedenklichen Versen, die aus dem »Hermaphroditen« des Poseidippos (erste Hälfte des III. Jahrhunderts) überliefert sind, wonach einen Sohn ein jeder, auch der Arme, aufzieht, ein Mädchen aber selbst der Reiche aussetzt534.

Immerhin gab es Unterschiede. Während in Hellas selbst, abgesehen von jenen letzten Dorerinnen, kaum eine Frau namhaft wird535, in der ganzen Geschichte des achäischen Bundes z.B. keine als »Stauffacherin« eingreifend auftritt und für Athen schon die wenig individuelle Charakteristik, welche die neuere Komödie ihnen gewährt, ihre große Einschränkung beweist, erscheinen sie in den Großstädten der Diadochenstaaten freier gestellt, individueller entwickelt und von den Männern mehr berücksichtigt. Das Leben an den Höfen von Alexandria, Antiochia und Pergamon war reich an feiner Bildung und Genuß; auch die Königinnen und ihre Damen nahmen daran Teil, und diese Verhältnisse wirkten auf[564] weitere Kreise. Wenn Theokrit der Gattin seines Freundes Nikias in Milet eine Spindel schickt und dies Geschenk mit einem Gedicht begleitet, so ist dies eine Gemütlichkeit, die noch hundert Jahre früher unmöglich gewesen wäre. Besonders aber wären die Adoniazusen desselben Dichters in Athen kaum denkbar. Hier wird uns ein Stück Städteleben der merkwürdigsten und lehrreichsten Art vorgeführt, und zwar bei Gelegenheit des Adonisfestes, das in den Hallen des königlichen Palastes begangen wird, wobei ein prachtvolles Bild des Adonis auf silbernem Lager, von schwebenden Eroten umgeben, und neben ihm die klagende Aphrodite in einer Blumenlaube zu sehen sind. Unter dem Publikum aber, das sich dahin in Masse drängt, sind zwei Freundinnen dorischen Stammes aus Syrakus, die Frauen alexandrinischer Einwohner aus dem Mittelstande, die sich mit einer Sklavin hergewagt haben, und einem Anwesenden, der sie wegen ihres breiten Dorisch höhnt, frisch herausgeben; diese drücken sich durch den Portikus hinein, können die große Funktion und die argivische Sängerin bewundern und scheiden endlich, im höchsten Grade erbaut. Wenn man dies Gedicht liest, glaubt man sich in eine moderne Großstadt versetzt; eine Athenerin aber wäre in diesem Gedränge gewiß nicht mitgegangen536. Davon, daß in demselben Alexandria und auch an andern Diadochenhöfen die Königinnen zeitweise eine große politische Tätigkeit entfalteten, ist bei Gelegenheit der diadochischen Dynastien die Rede gewesen537; die furchtbare Olympias hat freilich keine Diadochin erreicht.

Nun konstatiert man in der damaligen Zeit in Leben und Poesie Anfänge von Galanterie der Männer auf der einen und von Koketterie der Frauen auf der andern Seite538. Jene äußert sich, wenigstens gegen Fürstinnen, in den erhaltenen Epigrammen auf Bilder von zwei Bereniken und in der Schmeichelei des Astronomen Konon, der ein Sternbild als Haar der Berenike benannte; auch will Polyphem bei Theokrit (XI, 55) die Hand der Galatea küssen, und bei einem andern Dichter küßt Achill die der Deidamia; kokett aber benimmt sich bei Theokrit nunmehr auch Galatea gegenüber Polyphem, tritt anderswo im Idyll eine prätentiöse Städterin einem verliebten Rinderhirten gegenüber, und liebäugelt auf dem Bilderschmucke eines Bechers eine Person mit zwei sie umwerbenden Männern539; daß sich in dieser Richtung die Hetären am meisten[565] auszeichneten, ist selbstverständlich. Überhaupt wird das Verhältnis beider Geschlechter nun der Hauptgegenstand der drei lebendigen poetischen Gattungen: der Elegie, des Idylls und der neuern Komödie540, wenn auch in letzterer nicht sowohl die Liebe als die Intrige, das schlaue Erringen, vorherrscht und der Inhalt meist das Widerstreben des Jünglings gegen die ihm gedrohte Ehe ist und das Streben der Hetäre, ihr Verhältnis zu ihm zu behaupten oder auch in eine Ehe zu verwandeln541. Jetzt werden auch die milesischen Märchen eine bestimmte Literaturgattung. Auch spüren die alexandrinischen Literaten nach verliebten Legenden und Sagen, die bisher nur mündlich überliefert waren, und bessern alte Mythen mit erotischen Motiven aus: bei Duris von Samos (in der Zeit des Philadelphos) meldet sich die Liebe Achills und Iphigeniens, die früher (bei Euripides) absolut ehescheue Atalante wird jetzt Meleagers Geliebte, und sogar Galatea wird später die des Polyphem, während sie ihn früher verschmäht und bei Theokrit einstweilen mit Werfen von Äpfeln noch geneckt hatte; der wahrscheinlich von alexandrinischen Dichtern bei arkadischen Bauern aufgespürte Daphnemythus wird so gegeben, daß Apoll die männerscheue Jägerin durch Musik zu gewinnen sucht; in Poesie sowohl als bildende Kunst greift die tändelnde Erotenwirtschaft um sich, und auf den Vasen (besonders den unteritalischen) ist die Darstellung des Verkehrs von Männern mit dezenten Frauen und Mädchen im Zunehmen542.

Sicher wird in der alexandrinischen Zeit ein Zug des Gefühls wach, den wir früher nicht finden. Jetzt erst mag eine Juno Ludovisi entstanden sein, welche ihrer Majestät bewußt und dabei gütig ist. Ja dieser Zug steigert sich gerne zur Sentimentalität, von der wir es dahingestellt sein lassen, wie weit sie ein Zeichen der Alterung ist; der Hellenismus hatte darin bis zu einem gewissen Grade schon an Euripides einen Vorgänger543. Sicher beginnt man jetzt häufiger in den früher meist so zurückgehaltenen Empfindungen zu schwelgen: bei den Bukolikern und Elegikern ist von Tränen, Liebesschmerz und Verzweiflung viel die Rede, pathologische Schilderung der Liebeskrankheit, auch Anekdoten, wie die von Antiochos und Stratonike, werden beliebt; besonders müssen wir hier wieder daran erinnern, welche überflüssige Sentimentalität Apollonios von Rhodos beim Abschied Iasons von seiner Mutter zur Verfügung hat, und wie er mit seiner Medea dem Mythisch-Furchtbaren absichtlich aus dem Wege geht, um dafür tief auf die Belauschung des weiblichen Gemütes[566] einzugehen544. Auch in den Porträts von Diadochen, wie auch von Alexander selbst, findet sich oft ein wehmütiger Zug, ja sogar in Idealtypen wie nicht-ikonischen Athletenköpfen, einzelnen Köpfen der Pallas, dem Apollo Giustiniani545, und die nämliche Vorliebe für Darstellungen schmerzlicher Gestalten findet sich auch in der Malerei546.

Als echte Ergänzung stellt sich dann gegenüber der Sentimentalität das Raffinement der Sinnlichkeit ein547. Der herrschende Ton war der frivole, liederliche, wie er sich in den Hetärenwitzen ausspricht, etwa noch im Gewande der aus dem IV. Jahrhundert ererbten Heiterkeit und Hedonik, freilich auch hin und wieder mit einem schmerzlichen Bedauern verbunden, daß man sich auf den Tod bekämpfe, da man es doch so gut haben könnte548. Im übrigen mehren sich in Poesie und Kunst die üppigen Darstellungen. Wie die Dichter sich gerne bei der Schilderung weiblicher Nacktheit aufhalten, so stellen sie die Künstler mit einer Absichtlichkeit dar, die in starkem Gegensatz zu den Darstellungen des Nackten in der frühern Zeit steht, und auch im Leben sind die lüsterne, halbe oder ganze Entblößung549 und die durchsichtigen Gewänder beliebt.

Mit der Knabenliebe mag es sich in praxi wie früher verhalten haben; dagegen hört sie, da es keine Polis und keinen gemeinsamen Kriegsheroismus mehr gibt, worauf man sich bei der Bildung des Geliebten beziehen könnte, gänzlich auf, sich mit höherer Ethik, Politik und erziehender Kraft zu motivieren. Zum letzten Male dürfte sie sich in der Freundschaft des jüngern Kleomenes und des Panteus pathetisch geben550; später gibt es keine berühmten Verhältnisse zwischen Liebhaber und Geliebtem mehr, auch nicht bei den Diadochen, von denen doch Demetrios Poliorketes hierbei einst noch Pathos entfaltet haben könnte; der Geliebte existiert jetzt nicht mehr als Element der Gesellschaft und als zugestanden, sondern nur noch als Werkzeug des Vergnügens, und die Sentimentalität wendet sich vorzugsweise auf das Verhältnis zu den Frauen. In der Poesie verwandte Phanokles das Motiv noch in gelehrter Weise für ätiologische[567] Darstellungen, sonst aber wird die Sache meist zur künstlerisch behandelten Zote551, und wo dies nicht der Fall ist, nehmen die betreffenden Epigramme etwa die Art von heimlichen Seufzern an; gemütlich ist vielleicht nur noch Theokrit in seinen Knabengedichten (παιδικά) und nach ihm keiner mehr gewesen.


Eine weitere Neuerung im Gesichtskreis der damaligen Griechen ist das Aufkommen des landschaftlichen Nafurgefühls552. Daß freilich auch schon das alte Griechenland für die Herrlichkeit der Landschaft Sinn hatte, wissen wir aus Homer. Indes tritt nun etwas Neues ein: indem nämlich der Polytheismus vor der Reflexion sinkt und damit die Natur entgöttert wird, also daß nicht mehr wie früher Nymphen, Satyrn und Pane Gebirg und Wald bevölkern, beginnt die Natur ohne das frühere persönliche Medium unmittelbar auf den Geist zu wirken und zu ihm zu sprechen, und dies zu der gleichen Zeit, da durch die Erschließung des Orients die Weltkunde sowohl geographisch als naturgeschichtlich auf das erstaunlichste wächst und u.a. eine wissenschaftliche und akklimatisierende Botanik mit sich bringt.

Diese Steigerung des Naturgefühls, die in einem natürlichen Zusammenhang mit der Richtung der Zeit auf Sentimentalität und Wehmut überhaupt steht, läßt sich aus der starken Zunahme der Landschaftsmalerei erweisen, wie wir sie vornehmlich aus den pompejanischen Nachbildungen kennen. Aber auch sonst weiß man, daß die Griechen jetzt den schönen Aussichten nachzugehen begannen. Früher als sie hatten die Perser solches getan, deren Natursinn nicht nur aus den Nachrichten von den herrlichen Parkanlagen (παράδεισοι) ihrer Könige und von der Ehrung einer schönen Platane durch Xerxes bekannt ist553, sondern durch die interessante Notiz belegt wird, daß König Dareios sich auf die kyaneïschen Inseln übersetzen ließ und von hier aus die Aussicht über den Bosporos betrachtete554. Bei den Griechen kommt dies erst jetzt. Die erste erweisliche Bergbesteigung um der Aussicht willen ist die des Hämus[568] durch den jüngern Philipp von Makedonien555, schon einige Jahrzehnte vorher aber hatte Apollonios von Rhodos dergleichen als poetisches Motiv gebraucht: er läßt (I, 1103 ff.) seine Argonauten, als sie bei Kyzikos angelangt sind, das Dindymon zwar wohl zu dem Zwecke besteigen, um daselbst der Kybebe ein Opfer darzubringen; aber man sieht leicht, daß bei dieser Exkursion auf einen hohen Berg die schöne Aussicht die Hauptsache ist; ebenso findet sich bei Apollonios (III, 164) die Schilderung des Panoramas vom Olympos; auch ist auf den Sinn dieses Dichters für Beleuchtungen und Meteorologisches aufmerksam zu machen556.

Ferner drängt sich die Landschaft in die nunmehr tonangebenden neuen Großstädte hinein, indem der Großstädter ein Bedürfnis nach der Natur fühlt und seine Herrscher diesem dadurch entgegenkommen, daß sie große Naturanblicke in den Städten nachahmen. So hatte Antiochia am Orontes seine herrlichen Promenaden mit Wasserkünsten und in dem anstoßenden Daphne einen wundervollen Park. Auch in Alexandria waren die Häusermassen durch Gärten und Haine unterbrochen, und in der Mitte der Stadt erhob sich das Paneion, ein künstlicher Hügel, welcher durch einen bequemen, in vielfachen Windungen gezogenen Weg zugänglich war, und von dessen Höhe man das Panorama der ganzen Stadt überschaute; man mochte den Altägyptern damit dartun, wieviel schöner so etwas sei als eine bloße Pyramide. Daneben umfaßte auch der ptolemäische Palast zahlreiche Gartenanlagen, und im Museion befand sich ein mit Bäumen bepflanzter schattiger Spazierplatz, wo sich die Gelehrten ergingen. Zu gleicher Zeit wurde in Knidos die erste pensilis ambulatio errichtet, und zwar von Sostratos, dem Erbauer des alexandrinischen Leuchtturms. Anderseits aber sorgte man auch bei der Anlage von Häusern dafür, daß man von ihnen gute Aussichten hatte; Vitruvs oecus Cyzicenus, ein Raum des Hauses hellenistischer Großer, ist auf dreiseitigen Ausblick ins Freie berechnet.

Auch die damalige Steigerung der Jagdleidenschaft, welche im alten Hellas vielfach durch die Gymnastik usw. verdrängt gewesen sein dürfte, mag ihren Grund teilweise in dem Drange der Städter nach der freien Natur gehabt haben; besonders aber sprechen für dessen Vorhandensein einzelne literarische Erscheinungen: die Bukolik eines Theokrit lebt förmlich von der Sehnsucht des Gebildeten nach dem Land als einem verlorenen Paradies; ähnlich mag auch in Liebesromanen die landschaftliche Szenerie eine wesentliche Stelle eingenommen haben557, und auch die[569] Epigramme aus der Diadochenzeit geben landschaftliche Eindrücke wieder. Aus solchen Stellen spricht aber nicht bloß das ästhetische Behagen an der Natur, sondern Freude und Leid des Menschenherzens werden mit ihr verglichen und in sie verflochten, und oft werden auch Gegenstände der Natur zum Mitgefühl aufgerufen, oder es wird ihnen ein solches beigelegt558.


Auch die Stellung der Kunst wird eine neue. Bisher hatten die griechischen Künstler die im Volke lebendigen Ideen verwirklicht, und es fragte sich, was sie von jetzt an würden zu verwirklichen bekommen. Die Entwicklung der griechischen Dinge brachte es mit sich, daß sie auf die Verherrlichung der Herrscher ausgehen und eine Sache des Luxus werden mußte; sie hat aber dann doch nicht nur der Macht und dem Reichtum gedient, sondern auch einem individuellen Geist und Schönheitssinn, wobei sie noch viel Großes schaffen und sich über neue Gebiete des Lebens ausbreiten konnte.

Nachdem schon Alexander in vertrautem Verhältnis zu Lysippos und Apelles gestanden hatte, beschäftigten die Diadochen viele Künstler ständig an ihren Höfen und ließen auch auswärtige Künstler für sich arbeiten. Und zugleich regte sich bei ihnen der Sammelgeist: Ptolemäos Philadelphos hatte bereits eine Sammlung von Tafelbildern älterer Meister; dem Euergetes sandte Aratos sikyonische Bilder, besonders des Pamphilos und Melanthios, nach Alexandria, um ihn für seine politischen Zwecke zu gewinnen; Attalos von Pergamon bot 100 Talente für ein Gemälde des Aristeides, und Nikomedes von Bithynien bot den Knidiern Tilgung ihrer ganzen Staatsschuld gegen Abtretung der Aphrodite des Praxiteles. Auch Höfe wie der makedonische und Ambrakia, einst Residenz des Pyrrhos, fanden sich bei der römischen Eroberung voll von Kunstwerken. Freilich hatten die DiadochenA36, noch in spätern Zeiten, auch dem Kunstraub eifrig obgelegen, und sogar Anatheme in Tempeln (NB. griechischer Gottheiten) waren davor nicht sicher gewesen. Daß aber den Fürsten in dem Bestreben, Kunstschätze zu sammeln, auch Privatleute nach Vermögen folgten, ist selbstverständlich559.

Was nun die Malerei betrifft, so entstand damals diejenige Wanddekoration, welche ein eingelassenes Tafelbild zum Mittelpunkt hat; es entstanden ferner Pendants, ja ganze Zyklen homogener Tafelbilder, wie sich denn z.B. im Tempel der Athene zu Syrakus aus der Zeit des Agathokles[570] eine Reihe solcher mit Darstellungen von Reitergefechten befand. Auch Malern kleiner GenrebilderA37 begegnet man, und zwar kommen jetzt seit Alexander genrehafte Darstellungen wie die Barbier- und Schusterbuden des Peiraikos, die Komödienszenen des Kalates560, die Kinderfiguren und blumenflechtenden Mädchen des Pausias. Wegen der höchsten Illusion, die ihnen nachgerühmt wird, sind manche Bilder des letztern nur als Tafelbilder zu denken: so hatte er bei der Darstellung eines Stieropfers eine berühmte Verkürzung angebracht, und das Gesicht der trinkenden Methe sah man durch das Glas schimmern; anderseits aber erfahren wir von dem nämlichen auch, daß er zuerst mit Gemälden Decken, also in Fresko, schmückte. Die Freskotechnik eroberte sich dann mit der Zeit auch die Hauptstelle an den Wänden zurück, indem man es vorzog, namhafte Tafelbilder in eigenen Pinakotheken aufzubewahren, und das Mittelbild einer Freskodekoration lieber auch in Fresko arbeitete.

Daß von Diadochen und Liebhabern Malern wie Theon und Nikomachos enorme Preise gezahlt wurden, haben wir früher561 gesehen, und auch davon war schon die Rede, daß einzelne Fürsten hin und wieder als Kunstkenner oder Dilettanten etwas vorstellen wollten562; auch reiche Privatleute folgten ihnen darin nach. Wie gleichfalls schon gesagt563, wurde zu Alexanders Zeit das Zeichnen unter die für freie Knaben üblichen Lehrgegenstände aufgenommen; es geschah infolge der Leistungen der sikyonischen Malerschule, in deren strenger Zucht die Hellenen ein pädagogisches Element erkannten; schon Aristoteles564A38 hatte gemeint, der Zeichenunterricht sei dienlich, um das Urteil über die Werke der Künstler zu bilden.

Für die Plastik war man bis vor kurzer Zeit auf die bekannten Werke der Schule von Rhodos, wie den Laokoon, den farnesischen Stier und auf pergamenische Werke wie den sterbenden Fechter, den Gallier und sein Weib usw. angewiesen. Eine herrliche Kunstübung bei den Rhodiern und den pergamenischen Fürsten war damit belegt; aber wer hätte gedacht, daß man etwas finden würde wie den Riesenfries des Altars von Pergamon565? So können wir uns hier kurz fassen; denn, wenn irgendwo,[571] läßt sich hier von dem dies diem docet etwas hoffen. Und ebenso ist es mit der Architektur: Daß dieselbe das Herrlichste geboten haben muß, läßt sich aus den Bauten des römischen Imperiums schließen, das in hohem Grade von dieser Kunst abhängig gewesen ist. Aber leider sind wir für die Neuerungen dieser Zeit in der Anlage von Innenräumen, Sälen usw. allein auf diese römischen und etwa noch auf die byzantinischen und sassanidischen Nachklänge und auf die Schilderungen bei Vitruv angewiesen und werden etwas Näheres erst mit der Zeit vielleicht erfahren. Es ist aufs tiefste zu beklagen, daß wir statt kenntlicher Ruinen und statt bündiger und genauer Periegetenschilderungen über die dauernden Prachtbauten der Diadochen und deren Ausstattung567 nur jene Schilderungen des höchsten momentanen Luxus besitzen, die uns Athenäos bei Gelegenheit der Pompa des Philadelphos und der des Antiochos Epiphanes, sowie dreier Prachtschiffe, der Eikosoros des Hieron und der Tesserakonteres und Thalamegos des Ptolemäos Philopator gibt, wozu aus früherer Zeit noch die genauen Beschreibungen des Baues (πυρά), auf dem Hephästion verbrannt wurde, und des Leichenwagens Alexander kommen568.

Bei der Pompa des Philadelphos, auf die wir hier, um ein Beispiel von diesen Dingen zu geben, nochmals kommen müssen, war wahrscheinlich das Ziel des gewaltigen, durch das Stadion gehenden Zuges569 ein innerhalb der Burg angebrachtes mächtiges Prachtzelt, das in seiner Mitte 130 Klinen für das Gelage der Hofgesellschaft enthielt. Die Dekoration desselben muß reich, bewegt und geistvoll gewesen sein. Unter anderm zeigten im Innern zwanzig Grotten (ἄντρα), durch Nymphäen unterbrochen, auf hohem Sockel Symposien von tragischen, komischen und satyrhaften Wesen, welche hier offenbar durch drapierte Wachsbilder dargestellt waren; in einer Art von künstlicher Berglandschaft muß so das ideale Griechentum, durch die dramatischen Masken vertreten, zur Exhibition gekommen sein. Die Pompa selbst, ihrem Charakter nach wesentlich dionysisch, war offenbar eine ins Kolossale getriebene Überbietung griechischer Festzüge, welche das Feierliche, das Mythisch-Dramatische und den Karneval in sich vereinigen sollte, und zwar hier, am Strande Ägyptens, in rechtem Gegensatz zu den ohne Zweifel völlig stabilen Prozessionen der fast mythenlosen ägyptischen Religion. Die[572] ganze Reihe von einzelnen »Zügen«, aus welchen der Zug zusammengesetzt war, eröffnete der Zug des Morgensterns, auf welchen der der königlichen Eltern (Ptolemäos Lagi und Berenike) und die der zwölf Götter folgten, und zwar war hier jedem Gott sein ganzer Mythenkreis irgendwie bildlich in der Form beigegeben, daß kolossale leblose Figuren von lebenden Personen umringt erschienen. Die eigentlich dionysische Pompa ferner, welche nun folgte, stellte den Gott selbst mit seinem ganzen enormen Personal, weiterhin die Hauptelemente seines Mythus und endlich eine Anzahl einzelner dionysischer Symbole von Gold und Silber in riesiger Größe dar, abgesehen von den unzähligen Gefäßen und Geräten in gewöhnlicher Form, welche von Tausenden getragen wurden. Den Anfang dieser Hauptstücke machte der von 180 Menschen gezogene Wagen des riesigen Dionysosbildes unter einer Schattenlaube, in dessen Gefolge u.a. schon vier Nuancen von Bakchen (Make tai, Mimallonen, Bassarai und Lydai) mit Dolchen und mit Schlangen in den Händen und den aufgelösten Haaren einherschritten. Dann folgte wieder, wie alle diese Kolossalwagen von Menschen gezogen, der Wagen der Nyse (des personifizierten Nysaberges), deren Riesenfigur aufstehen, libieren und wieder niedersitzen konnte, weiterhin der der Kelterbütte mit 60 Satyrn, dann ein Wagen mit einem riesigen Schlauch, woraus Wein floß (auch aus verschiedenen andern Wagen wurde solcher gespendet), ferner einer mit einer Grotte, darin Hermes und die Nymphen weilten, und aus der sich außer dem Wein auch Milch ergoß, einer mit dem aus Indien zurückkehrend gedachten, auf einem Elefanten sitzenden Dionysos, der von einem Satyrisken als Kornak geführt war, und dazu ein unermeßliches Gefolge von Tieren und Menschen und Beutewagen, ja sogar die königliche Menagerie; es folgten die Gruppen des von Hera verfolgten Dionysos und Alexanders (welcher als Herr von Indien sehr hieher gehörte) mit Ptolemäos, ferner Weiber, welche die von Alexander befreiten asiatisch-griechischen Poleis vorstellten, dann erst noch ein Zug des Zeus und vieler anderer Götter, und dann der des auf einem Elefantenwagen zwischen Nike und Athene fahrenden Alexander, weiter riesige Embleme anderer Götter (Heroldsstab, Blitzstrahl, mystischer Kranz, Ägis) und zum Schlusse kam eine Revue der ganzen Armee von 57600 Mann zu Fuß und 23200 zu Pferde. – Das Ganze erscheint bei wahnsinniger Verschwendung doch bedeutungsvoll, wenn man sich die Gesichter der Nationalägypter dazu denkt; denn diese sahen hier eine Exhibition des Mythus und der Kunst des Eroberervolks im höchsten Maßstab. Eine höhere Ironie mag man darin finden, daß es in dem kosmopolitischen Alexandrien doch keinen echten dionysischen Humor gab, sondern gewiß nur bezahlte Masken; das echte religiöse Altägypten aber war daneben auch tot.

[573] Was die Forschung betrifft, so machte sich die gewaltige Weitung des Weltblickes jedenfalls rasch fühlbar und gestaltete die Denkweise in tausend Beziehungen um. Freilich war die Neigung für das rein Tatsächliche und die Lust zur Kritik bei den Griechen stets gering, wie schon die Möglichkeit der vielen Sammlungen »wunderbarer Dinge« (ϑαυμάσια) beweist; der Fabelgeist der Nation wirkte weiter, und Strabo, der schon die ältern Autoren: einen Herodot, Ktesias, Hellanikos der vergnüglichen Lüge zeiht, beklagt sich in dieser Beziehung vor allem über die Schriftsteller Alexanders selbst: Am meisten, sagt er, müsse man dem Deïmachos und dem Megasthenes mißtrauen; denn diese seien es, welche von den Leuten ohne Mund und Nase, von Einäugigen und Langschenkligen und solchen, welche die Zehen hinten hätten, erzählten und das homerische Märchen vom Kranich- und Pygmäenstreit erneut hätten; laut ihnen seien die Pygmäen drei Spannen lang, sie meldeten von goldgrabenden Ameisen, keilköpfigen Panen, Schlangen, welche Rinder und Hirsche samt Geweih verschluckten ... und doch seien beide nach Palibothra an Sondrokottos und seinen Sohn Amitrochades gesandt gewesen570. Ähnlich findet eine Division des Agathokles in Libyen nicht nur ein Gebirge voll Katzen ohne alle Vögel, sondern auch drei Affenstädte, wo göttlich verehrte Affen mit den Menschen promiscue in den Häusern leben und alle Kinder Affennamen bekommen571. Dies waren denkbare Dinge; den Lügnern glaubt man, dem armen Pytheas nicht.

Immerhin und unvermeidlich aber wurde doch viele und große Weltkunde von echter Art unter die Menschen gebracht, und die Griechen waren und blieben doch das einzige Volk, welches ein allseitiges Interesse mitbrachte und die Welt zu beschreiben und zu deuten Neigung hatte. Zu ihnen aber war nun das große Kontingent von Hellenisierten aus den unterworfenen Völkern gekommen. Von den berühmten Philosophen und Rednern der syrischen, palästinischen und phönikischen Städte, welche Strabo bei Gelegenheit der betreffenden Länder nennt, dürften manche zu ihnen gehören, wenn es auch schwer ist, zwischen ihnen und den kolonisierten Griechen zu scheiden; nur Ägypter, die bis zu diesem Grade hellenisiert gewesen wären, gab es nicht viele; Manetho, der sein grundlegendes Werk Philadelphos dediziert hat, war auf lange der einzige, der auf griechisch Rechenschaft von den Altertümern seines Landes gab. Am weitesten gingen jedenfalls die Juden auf den Hellenismus ein, so daß er ihr Hauptorgan wurde und sie schichtenweise ihr Hebräisch vergaßen572; aber auch ein Mitglied des babylonischen Priesterstandes[574] wie Berosos konnte an der hellenischen Aufzeichnung teilnehmen. Die erbärmlich lacerierten Reste seines Werkes sind das unentbehrliche Fundament für die Geschichte jener Gegenden. Unendlich viel Barbarengeblüt strömte damals in das hellenische Wissen und Denken hinüber und bewirkte eine ungeheure Ausgleichung der Geisteskräfte.

Und nun möge vor allem der enormen Erweiterung der Geographie als Wissenschaft durch Eratosthenes (unter Ptolemäos Euergetes) gedacht sein. Die großen wissenschaftlichen Resultate seines von einer Weltkarte begleiteten Werkes waren aber eben doch schon das Ergebnis der griechischen Welteroberung, mit welcher bereits bei Alexander die Weltentdeckung Hand in Hand gegangen war. Und schon zu Alexanders Zeit hatten auch die beiden kühnen Massalioten ihre Forschungsreisen unternommen: Pytheas drang bis zu den Shetlandsinseln (nach »Thule«), Euthymenes bis an den Senegal (also doch nicht so weit wie der Karthager Hanno) vor; keine Börse in der Welt könnte die Statuen solcher Mitbürger an die Fassade setzen, wie die von Marseille mit diesen beiden getan hat. Auch von seiten der Diadochen wurden nun große und systematische Bemühungen aufgewandt: die Seleukiden sandten Expeditionen zur Erkundung des kaspischen Meeres aus; Reisen nach Äthiopien geschahen in ptolemäischem Auftrage und ebenso die Umschiffung (περίπλους) des roten Meeres durch Agatharchides, wobei sich freilich für die fernern Ufer auch wieder die Fabel melden sollte; denn, weil Agatharchides so weit nicht gedrungen war, stammten von seiner Expedition die spätern Märchen über die Sabäer her. Zuletzt sandte noch Euergetes II. (Physkon) den Eudoxos nach Indien.

Mehr in der Nähe, nämlich in der griechischen Welt selbst, in Italien und Karthago, bewegten sich jetzt, gewissermaßen als Fortsetzer der alten Logographen, die Periegeten, welche die monumentalen und lokalen Traditionen und Sagen, die Gebäude, Kunstwerke, Inschriften, Ortsmerkwürdigkeiten und Raritäten illustrierten; das kosmopolitische Reisen und der gelehrte Antiquar kommen auf. So lebte das Vorbild des Pausanias, der aus der Troas gebürtige, in Athen eingebürgerte Polemon (um 200) beständig auf Reisen. Er hinterließ eine große Anzahl von Monographien in den verschiedensten Formen, als Aufzählungen, Polemiken, Briefe usw573. Bei ihm läßt sich nun endlich auch ein kunstgeschichtliches Interesse konstatieren, indem er allein über die Anatheme der[575] athenischen Akropolis vier Bücher und auch sonst Werke über Plastiker (ἀγαλματοποιοί) und Maler schrieb.


Man hat es nun in dieser Zeit auch mit einer ganz neuen Richtung und Förderung der Wissenschaft zu tun. Bisher kannten die Griechen zunächst einzelne Forscher und Sammler wie Demokrit und einzelne mit ihrem Wissen herumreisende Sophisten, und dann waren endlich die Philosophenschulen gekommen, welche zugleich Sammelorte für einzelne Zweige des Wissens waren. Um einen Philosophen herum scharten sich Schüler, welche seine Lehre aufnahmen, entwickelten, weitertrugen und am Leben erhielten. An feste Lokale wie die Akademie und das peripatetische Lykeion in Athen muß sich unvermeidlich auch einiger Apparat von Büchern und Sammlungen angeschlossen haben574. Jetzt aber waren die Griechen in allem Wissen und Forschen weit genug, um außerhalb Griechenlands fester Institute dringend zu bedürfen, welche ihnen ihre stürmischen und im Verkommen begriffenen Poleis unmöglich gewähren konnten. In diesen mußte sich der Wissende dem Staat gewaltsam entziehen; in den Diadochenstaaten hatte er dies nicht mehr nötig. Nur mit den Philosophen hatte es hier eine besondere Bewandtnis, insofern diese teils Menschen bessern, teils eine besondere politische Doktrin vertreten mochten; die Forscher dagegen begehrten nichts anderes, als ruhig forschen und sammeln zu können; es war eine völlig weltabgewandte Gelehrsamkeit wie die des Archimedes möglich575. Und nun förderten die Fürsten das Wissen teils durch Geschehenlassen, teils durch dasjenige direkte Mäzenatentum, welches zwar literarische Meisterwerke nicht zum Blühen bringt, wohl aber große wissenschaftliche Forschungen und Entdeckungen ermöglichen kann. Während die frühere griechische Triebkraft in der Literatur wie in allen Dingen der Agon gewesen war, handelt es sich jetzt um gesicherte wissenschaftliche Arbeit und Teilung derselben.


Hier ist der Bedeutung Alexandriens zu gedenken576. Diese Stadt lag (wofern man auch Italien und Rom hinzurechnen darf) im Zentrum der jetzigen hellenistischen Welt, war wie keines der Antiochien und Seleukien vor Eroberungen gesichert und vollends in bezug auf Sicherheit das gerade Gegenteil von Makedonien. Dazu war Ägypten eine Stätte des alten Wissens und Sammelns. Bibliotheken waren schon bei den alten[576] Pharaonen vorgekommen, und die des Osymandyas hatte die Inschrift »Heilstätte für den Geist« (ψυχῆς ἰατρεῖον) getragen. Endlich kommt hier die Denkweise und Begabung der ersten Ptolemäer in Betracht. Obgleich Lagos nur ein gemeiner Krieger gewesen war, ist sein großer Sohn dann doch der gebildetste und geistvollste aller Diadochen und u.a. derjenige, der als Begleiter Alexanders in seinem (von Arrian benützten) Tagebuch die wichtigsten Urkunden über den großen König hinterlassen hat. Indem er das deutliche Gefühl hat, daß er als Mensch und Fürst der bedeutendsten geistigen Kräfte der Griechen bedürfe, beschenkt er nun nicht nur die »savants«, welche kommen, sondern auch fremde, die er nicht in Alexandrien festhalten kann. Während seines Aufenthalts in Griechenland wirbt er um Philosophen (d.h. um Wissende, Gelehrte; denn an dem System wird ihm wohl weniger gelegen gewesen sein), und mit Theophrast, der (wie auch Menander und Philomenon) nicht hat mitkommen wollen, unterhält er eine Korrespondenz. – Mehr der Poesie als der Philosophie war die Gunst seines Sohnes Philadelphos zugewandt; doch war auch dieser, der Schüler des Philosophen Straton, selbst ein eifriger Naturkundiger und Botaniker und Gründer einer großen Menagerie577. Und nun läßt sich fragen, ob der Vater oder der Sohn mehr Anteil an der Gründung derjenigen Anstalt hatte, welche als »Museion« der Ruhm der Stadt war.

Ein Teil des Bruchionpalastes führte nach einem Musenheiligtum, das sich darin befand, diesen Namen. Hier siedelte schon der erste Ptolemäer Gelehrte an und schaffte für sie mit großen Kosten Bücher aus Griechenland, Asien und Afrika herbei; Philadelphos kaufte weiter solche in Rhodos und Athen und erstand u.a. die Bibliothek des Aristoteles; mit seiner mehr poetischen Neigung stiftete er auch apollinische Spiele mit dramatischem Agon; doch scheint die poetische Bedeutung Alexandriens, nachdem die Zeit der tragischen Pleias, des Theokrit und des Kallimachos vorüber war, rasch ein Ende genommen zu haben, während die wissenschaftliche sich lange hielt. Jedenfalls haben in dem Museion Philosophen, Dichter und Gelehrte Jahrhunderte lang zusammengewohnt und studiert, welche im Genuß irgendeiner Dotation waren, laut Strabos deutlicher Aussage578 gemeinschaftlich speisten, auf einem gemeinsamen Platz (περίπατος) lustwandelten.


»Viele lassen sich füttern im Völkergewimmel Ägyptens,

Kritzelnde Männer der Bücher, unendlichen Hader verführend

Dort in dem Käfig der Musen«,[577]


sagte der Spötter Timon in seinen Sillen von ihnen, indem er die Anstalt, wo sie so beisammen waren, mit einer Voliere verglich579. Wahrscheinlich hatte übrigens Demetrios von Phaleron, an dessen Rat man sich bei der Gründung hielt, das Muster der peripatetischen Schule von Athen vorgeschwebt580.

Alexandrien war also fortan der Sitz von Gelehrten aus Griechenland und der ganzen griechischen Diaspora von Südrußland bis nach Mesopotamien und wieder bis zum äußersten Westen. Sowie man aber das einzelne der Organisation des Museions wissen möchte, bleibt vieles dunkel. Schon wie die Mitglieder ernannt wurden, wissen wir nicht; nur daß auf königlichen Befehl einem, der gar zu bedenkliche Doktrinen vorbrachte, die Lehrtätigkeit untersagt wurde, ist sicher; es war der merkwürdige kyrenäische Pessimist Hegesias (der πεισιϑάνατος), welcher seine Schüler zum Selbstmorde veranlaßte. Es wird uns nicht gesagt, ob und wie der Priester der Musen zugleich Vorsteher des Ganzen war, man hat nur Hypothesen über die Höhe der Dotation im ganzen und der Besoldung im einzelnen, über die Verteilung der Arbeiten, darüber, ob man sich dieselben durch Vorlesung mitteilte und in Diskussionen besprach, ob irgendwelcher Unterricht stattfand und wieweit derselbe vorgeschrieben war. Ferner dürfte sich fragen lassen, ob das, was »alexandrinische Schule« heißt, auch wirklich alles zum Museion gehört habe; denn es könnten sehr viele auch ohne Dotation und Anstellung in der Bibliothek gearbeitet und außerhalb des Museions in der Stadt gelebt und doziert haben; wovon solche existierten, brauchen wir nicht zu erfragen. Jedenfalls aber war diese Schule ein sehr vielgestaltiges Ganzes. In der Philosophie z.B. waren hier die verschiedenen Sekten ohne alle Exklusivität nebeneinander vertreten; es gab alexandrinische Platoniker, Aristoteliker und Stoiker, und dabei waren die spekulativen Wissenschaften erst noch der unwesentlichere Teil der Schule; zu den geometrischen, astronomischen, geographischen, medizinischen und grammatischen Studien dürfte der Zulauf oft stärker gewesen sein.

Im Palaste Bruchion, zunächst am kanopischen Tor, wahrscheinlich im Museion selbst oder in dessen Nähe, war die Bibliothek, um deren Gründung sich, wie gesagt, das größte Verdienst die beiden ersten Ptolemäer erworben haben müssen; auch die Anwesenheit des Demetrios von Phaleron, welches immer seine Bedeutung bei derselben gewesen sein mag, gehört in die Zeit beider Könige. Was die Prinzipien betrifft, wonach gesammelt wurde, so schaffte man gewiß zunächst aus der griechischen Literatur alles an, was des Erhaltens wert war, und mochte es aus[578] dem verarmenden Griechenland und Sizilien relativ leicht erwerben. Eine weitere Aussage, welche sich auf Griechisches und auf Denkmäler der von den Diadochen eroberten Länder beziehen kann, ist dann die des Epiphanios, wonach Philadelphos an die Könige geschrieben und sie gebeten hätte, ihm (offenbar in Abschriften) zu schicken, was in ihren Ländern von Dichtern, Logographen, Rednern, Sophisten, Ärzten, Medikosophisten, Historiographen usw. vorhanden sei. Eine vage Aussage bei Synkellos meldet ferner, der nämliche König habe die heiligen Schriften der Chaldäer, Ägypter und Römer ins Griechische übertragen lassen, was man nicht auf barbarische Literatur im allgemeinen beziehen darf; die jüdische Septuaginta mag unter Teilnahme der Regierung entstanden sein, hatte aber den praktischen Zweck, den Juden, die ihre Sprache vergessen hatten, zu dienen; die altägyptischen Bücherschätze scheint man in den nationalen Tempeln gelassen zu haben581. Jedenfalls wurde sehr systematisch gesammelt, und es kam eine enorme Menge von Büchern zusammen582, so daß, als es an Raum zu fehlen begann, im oder beim Serapeion unter den letzten Ptolemäern eine zweite Bibliothek angelegt werden mußte.

Und nun die allgemeine Tendenz der alexandrinischen Schule. Angesichts der vielen Polygraphen, welche stets ein Vorurteil zu erwecken pflegen, hielt man einst die Alexandriner zu sehr für bloße Kommentatoren und Kompilatoren und Vorgänger der Byzantiner, warf ihnen die hie und da vorkommenden jeux d'esprit als eine Regel vor und beurteilte sie hart wegen ihres letzten Produktes, des Neuplatonismus und seiner Auswüchse. Indes haben sie tatsächlich alle Wissenschaften, womit sie sich abgaben, gefördert, einige neu geschaffen und andere so weit gebracht, als sie dann bis auf die Zeiten des neuern Europa geblieben sind, so namentlich die von den übrigen Griechen bisher wenig geförderten Zweige der Anatomie und der wissenschaftlichen Astronomie und mehrere sonstige mathematische und naturwissenschaftliche Disziplinen. Und auch die bloßen Sammler waren von unermeßlicher Bedeutung, wenn es Leute von Geist waren, die etwa ein ganzes Gebiet in seiner historischen Entwicklung übersahen. So gab Kallimachos in seinen[579] »Tafeln« (πίνακες τῶν ἐν πάσῃ παιδεία διαλαμψάντων καὶ ὧν συνέγραψαν) eine Literaturgeschichte in 120 Büchern, worin in einer nach Gattungen geordneten vollständigen Übersicht von tragischen und komischen Dichtern, Rhetoren, Gesetzgebern usw. gehandelt war, und derselbe scheint auch in einer »Museion« betitelten Schrift die Geschichte der großen Anstalt bis auf seine Zeit behandelt zu haben. Wenigstens zu Hause war in Alexandrien auch der oben (S. 575) genannte Perieget Polemon, der überhaupt nur in einem Zeitalter gesicherter Sammlungen denkbar ist. Und nun mag man freilich der Polygraphie nachsagen, das meiste, was sie hinterlassen, sei nur wertlose Kompilation gewesen, und nach den bunten Titeln zu urteilen mögen es wirklich oft nur leidlich unkritische Zusammenstellungen von Sachen nach ihrem Inhalt gewesen sein583; man hat es eben hier, wie in der Frührenaissance, mit einem Mittelding zwischen Spezialsammlung und Abhandlung zu tun, das aber als ÜbersichtA39 für jene Zeit ganz unentbehrlich war.

Für die Geschichte im engern Sinn tat die alexandrinische Schule wenig, trotzdem, wie gesagt, der erste Ptolemäer selbst in seinen Memoiren vielleicht eines der bedeutendsten eigentlichen Geschichtswerke hinterlassen hatte, und es ist auch nicht zu verlangen, daß Alexandrien für die ganze Welt hätte die Feder führen sollen; nur das freie Griechenland brachte, wenn auch in seiner vollen Zerrüttung, noch einen Polyb hervor. Dagegen geschah hier – wie übrigens auch außerhalb Alexandriens – sehr viel für die Altertümer, wobei sich der allgemeine Sinn des Sammelns und Erhaltens, der doch auch etwas wert ist, betätigen konnte. Auch wertvolle biographische Arbeiten gab es von den betreffenden Sammlern, welche als Philologen und Grammatiker passierten, ferner hatte die Schule ein entschiedenes Verdienst um die Harmonisierung der Zeiten durch die allgemeine Chronologie, und endlich sind unter allen Umständen eine bedeutende Frucht solcher Zeiten Übersichten über die Geschichte bestimmter Wissenschaften: Eratosthenes, der Schöpfer der Chronologie, gab z.B. in seinen Geographika auch eine Geschichte der geographischen Wissenschaft.

Nicht ohne Schulzwang und Willkür, aber im großen gewiß segensreich, gestaltete sich die textkritische Tätigkeit der Grammatiker und Philologen, deren großes Hauptobjekt, die Sicherstellung des homerischen[580] Textes, vor allem den Ruhm Aristarchs ausmacht. Dazu kam eine große exegetische und klassifikatorische Tätigkeit: man paraphrasierte die ältern Dichter und Prosaiker, untersuchte das Ganze und einzelne Stellen, debattierte darüber, wie es scheint, mündlich und schärfte so seinen Sinn an der Diktion vergangener Werke584; auch die eigenen sowohl poetischen als wissenschaftlichen Produktionen, einen Euklid, Eratosthenes, Aristarch wie den Kallimachos und Lykophron kommentierte die Schule mit der Zeit. Und von ihr stammt nun ferner auch der Begriff der Klassizität, indem auf die Grundlage des Kallimachos hin besonders Aristophanes von Byzanz und Aristarch eine bestimmte Anzahl von Autoren als solche, die man speziell kennen müsse, ausschieden. Wohl fällt bei der Aufstellung eines solchen Kanons manches durch das Sieb, das für uns noch sehr wichtig wäre; aber die hier getroffene Auswahl von Epikern, Iambographen, Lyrikern, Tragikern, Dichtern der alten, mittlern und neuern Komödie, Rednern, Historikern und Philosophen ist doch diejenige, die im spätern Altertum Kurs gehabt hat. Die griechische Literatur hatte eine Stätte gefunden, wo man ihr Ehre antat. Was hier empfohlen wurde, wie z.B. die drei großen Tragiker und die zehn attischen Redner, wurde von den hellenisch Gebildeten, zumal auch den Römern, gelesen und für sie kopiert und damit für uns erhalten.

Schließlich schufen die Grammatiker noch theoretische Arbeiten über griechische Grammatik überhaupt und sowohl spezielle als allgemeine Lexika (λέξεις κωμικῶν, συναγωγαὶ λέξεων πασῶν usw.). Diese Werke mußten in einer so gemischten Stadt wie Alexandrien besonders wichtig sein, wo tatsächlich – wie auch sonst in den Diadochenländern – ein makedonischer Dialekt die Oberhand gehabt haben muß und vielleicht auch der in der gelehrten Nähe der Grammatiker aufkommende jüdische Hellenismus mit seiner Nachlässigkeit und seinen orientalischen Wendungen zum Aufsehen mahnte. Diesem gegenüber hielten sie die Dialektlosigkeit der Gemeinsprache (κοινή) aufrecht, welche sich hauptsächlich auf den Attizismus gründete.

Als ein wahres Zeichen des guten Geschmacks mag man es daneben ansehen, daß die epideiktische Rede, welche bald die fast einzig mögliche war – denn Aristoteles kam mit seiner Rhetorik, als es eben kaum mehr der Mühe lohnt zu reden – zu Alexandrien, wenigstens in Museion, keine Stätte fand, während sie sonst mit ihrer Eleganz in der Diktion, ihrer Scheinwärme des Vortrags, überhaupt ihrem deklamatorischen Charakter überall wucherte. Hiefür möchten die Rednerschulen von Rhodos und[581] Apollonia sorgen; an der seit Aristoteles bedeutenden, auch von den Stoikern gepflegten theoretischen Tätigkeit für die Eloquenz nahm man freilich teil; aber einige Abhandlungen über Redekunst sollten alles sein.

Was die Philosophie betrifft, so behielt sie ihre Hauptstätte in Athen, wohin zu Zenon und Epikur auch Alexandriner gingen. Was von Philosophen ins Museion kam, waren schon unter den ersten Ptolemäern nicht die besten: der Gottesleugner Theodoros, der erwähnte Pessimist Hegesias, der Epikureer Kolotes, der Materialist Straton und dann allgemach Leute von allen Schulen. Vorwiegend waren die Peripatetiker, unter denen wir schon im II. Jahrhundert einen Juden, Aristobulos, finden. Im allgemeinen wird man sagen können, daß durch diese Männer nur Wellenschläge der sonstigen Bewegung des griechischen Geistes in das Ptolemäerreich gelangten.

In den beschreibenden Naturwissenschaften starb die eigentliche Forschung bei den Griechen überhaupt mit Theophrast und dessen Schüler Straton aus. Man kommentierte noch Theophrast und seinen Lehrer Aristoteles, warf sich dabei aber besonders im Tierreich auf die »Wunderdinge« und scheint überhaupt durch Vorliebe für falsche oder mystische Kausalität zu sehr an den Wahn gebunden gewesen zu sein, so daß man sich auch besonders gerne mit den magischen Kräften von Steinen und Pflanzen beschäftigte. Dagegen die Medizin, welche in Ägypten ein altberühmtes Heimatland hatte, dankt Alexandrien wirkliche Fortschritte. Herophilos und Erasistratos bestimmten die Ptolemäer, das Sezieren des menschlichen Körpers zu gestatten, und brachten sie sogar dazu, durch ihr eigenes Beispiel diese vom Vorurteil verurteilten Untersuchungen zu sanktionieren585; auch die Therapeutik wurde durch viele neue Arzneien bereichert; es gab hier eine große Menge von Ärzten, und es kommen – wie übrigens schon im alten Ägypten – bereits auch Spezialisten auf.

Die allerwichtigste wissenschaftliche Tätigkeit von Alexandrien jedoch war die mathematische, bei der man wahrscheinlich der altägyptischen Tradition wenig oder nichts verdankte. Euklid, von dem wir es dahingestellt sein lassen, ob er aus Sizilien, Syrien oder Ägypten stammte, und der in Alexandrien jedenfalls schon zur Zeit des Ptolemäos Lagi lebte586, ist durch seine »Elemente«587, er mag von frühern Forschungen aufgenommen haben, soviel er will, doch der Anfänger unserer jetzigen[582] Mathematik, und sein Schüler Apollonios von Perge schrieb über die Kegelschnitte. Von den Mechanikern lebte zwar der größte, Archimedes, in Syrakus; aber Alexandrien hat doch auch auf diesem Gebiet die großen Namen des Ktesibios und Heron aufzuweisen. In der musikalischen Theorie fand der Aristotelesschüler Aristoxenos allgemeinen Beifall damit, daß er statt der pythagoreischen Zahlen das Gehör zugrunde legte, und nun mußte es gar auch kommen, daß in der Astronomie, für welche die altägyptischen Leistungen wieder nicht überschätzt werden dürfen588, Aristarch von Samos die Bewegung der Erde um die Sonne wieder entdeckte, welche Pythagoras einst geahnt, aber Aristoteles hernach bestritten hatte. Später entwarf der große Hipparch auch einen Sternkatalog und konstruierte eine Sphära, auf der alle Fixsterne angegeben waren und auf welche sich noch spät Ptolemäos berufen konnte, um zu beweisen, daß sich die Distanz derselben seither nicht verändert habe. Auch bei den Alexandrinern knüpft sich an die Astronomie viele Astrologie und anderer Aberglaube; die Vorliebe der Hellenen für das Mystische, Wahnvolle ließ sich nicht mit einem Schlage zernichten, und die Gelehrten haben teilweise selbst an diese Dinge geglaubt. Aber was will das sagen gegenüber der größten Entdeckung, welche das Menschengeschlecht jemals gemacht hat! Bei allem Irregehn hat man doch damals in Alexandrien der Welt eine unermeßliche Forschung gegönnt.


Gefördert wurde das Wissen auch außerhalb des Ptolemäerstaates. Man weiß von mehrern Diadochen, daß sie »Philosophen« um sich hatten, und ferner waren Bibliotheken als sicherster Anhalt des griechischen Denkens und Wissens in der Ferne ganz unentbehrlich. Wenn aber auch das bisherige Depositum nach dem Orient herübergenommen wurde, so gab es eigentliche Anstalten im Sinne des alexandrinischen Museions doch nur wenige.

Am ehesten, wenn auch relativ erst spät, findet sich etwas Analoges im Pergamenerreich unter Eumenes II. (197-159)589. An seinem Hofe lebte als der große pergamenische Homerkritiker und hierin das Haupt einer besondern Sekte gegenüber dem alexandrinischen Aristarch der Grammatiker Krates von Mallos, der das Studium des alten Epos hier zu besonderer Blüte brachte. Auch der Dichter Musäos von Ephesos, einige berühmte Ärzte und wahrscheinlich auch die Geschichtsschreiber Menander, Artemon,[583] und einige andere befanden sich dort. Ferner wurde die schon von Attalos I. begründete Bibliothek von Eumenes auf ihre Höhe gebracht. Bekanntlich setzte man hier dem Verbot, Papyrus aus Ägypten auszuführen, wodurch das eifersüchtige Alexandria deren Anwachsen zu verhindern suchte, die Pergamentindustrie entgegen, welche übrigens die Fortsetzung oder Erneuerung einer im Orient alten Verwendung der Tierhäute war. Diese Bibliothek, welche es auf 200000 Rollen gebracht haben soll, hatte aber am Ende doch das Schicksal, nach Alexandrien zu gelangen; Antonius schenkte sie nämlich, nachdem sie bisher von den Römern unberührt geblieben war, der Kleopatra, worauf sie dann in Alexandrien als Ersatz der verbrannten Museionbibliothek gegolten haben mag.

Aus dem Seleukidenreich erfährt man nur Zufälliges und einzelnes. So hört man, daß der Polygraph und Dichter Euphorion von Chalkis, ein ansehnlicher Gelehrter, von Antiochos dem Großen – wo, wird leider nicht gesagt – über eine öffentliche Bibliothek gesetzt wurde590. Ferner kommt ganz unvermittelt die Aussage591, daß die Bewohner von Tarsos besondern Eifer für die Philosophie und die ganze Bildung an den Tag gelegt hätten, so daß sie Athen und Alexandrien und alle andern wohlredenden und philosophischen Städte übertrafen. Hier fällt besonders auf, daß die Freunde der Wissenschaft lauter Leute des Ortes sind, die dann weit herumkommen und meist fortbleiben, im Gegensatz zu andern Städten, wo viele hingehen und gerne bleiben (Alexandrien freilich hatte beides: es nahm viele Fremde auf und entsandte nicht wenige von den Seinigen). Strabo kennt eine ganze Reihe tarsischer Gelehrter von verschiedenen Fächern und berichtet, Rom sei voll von Tarsiern, und doch geht aus alledem nicht hervor, daß irgendeine eigentliche Anstalt in Tarsos bestanden hätte. – Gerne möchten wir auch Genaueres über die medizinische »Schule« von Smyrna wissen, welche Erastistratos, jener Arzt des Seleukos, gegründet haben soll, der die Ursache der Krankheit des Antiochos erriet, seine spätere Zeit aber meist in Alexandrien verbrachte.

Hieron II. von Syrakus hatte seinen Verwandten und Freund Archimedes bei sich, der ihm seine Maschinen zu Schutz und Trutz für jede Belagerung und auch das berühmte Riesenschiff baute. Auch Dichter waren in seiner Nähe: so Archimelos, dessen Epigramme auf das Schiff er reich belohnt haben soll, und Theokrit, der gewiß auch nicht leer ausging.

Von den Antigoniden ist nicht zu verlangen, daß sie in ihrem Lande Bildungszentren geschaffen hätten; sie waren hierzu politisch zu stark beschäftigt; auch lag ihnen wohl Griechenland selbst zu nahe. Immerhin[584] hatten mehrere von ihnen gelehrten und gebildeten Umgang, und auf Begehren des bildungsfreundlich gewordenen Antigonos Gonatas versifizierte z.B. der Kilikier Aratos, der dem König durch einen Hymnus auf Pan Eindruck gemacht hatte, in seinen φαινόμενα das κάτοπτρον des Eudoxos von KnidosA40592. Der nämliche König hatte aber auch den Dichter einer Thebais, Antagoras von Rhodos, und den Ätoler Alexander an seinem Hofe und war überhaupt bestrebt, »viele der Gebildeten« um sich zu sammeln.


Und nun kämen wir zur Poesie dieser Zeit. Wenn wir uns zunächst fragen, was auf dem Boden Alexandriens allenfalls freiwillig gewachsen sein würde, so gelangen wir angesichts der aus aller Welt zusammengewehten Bevölkerung dieser Stadt zu der Antwort, daß dies jedenfalls die Satire und der böseste Iambus gewesen wäre; waren doch die Alexandriner für die ärgsten Zungen berühmt, die man auf dem Erdenkreis finden konnte, und wirklich gediehen hier Leute vom Schlage des Sotades und dieser selbst, bis er es dem Ptolemäos Philadelphos zu arg machte593. Sodann hätte es zu irgendeiner Ausartung der neuern Komödie und Posse kommen können, und endlich hätte der Roman entstehen müssen, der später ja wirklich in Ägypten gedieh.

Nun aber wünschten die Ptolemäer doch, auch eine Blüte der Literatur in ihrem Lande zu haben, und daraufhin ahmte man in diesem Alexandrien gar alle alten literarischen Gattungen nach, ohne daß doch die Sachen, die man zusammenbrachte, wirkliche Lebenskraft hatten. Nur einmal verirrte sich durch einen eigentlichen Glücksfall ein wirklicher Dichter in diese Stadt. Der sei es aus Sizilien oder aus Kos gebürtige Theokrit ist ein Poet gewesen, der aus innerer Notwendigkeit dichtete; seine Idylle sind zum Teil von solcher Unmittelbarkeit und einfachen Anmut, daß man unwillkürlich davon ergriffen wird. Mit der lieblichen, unendlich lebendigen Denkweise, womit hier alles gegeben ist, sind sie die Haupturkunde von der merkwürdigen Sehnsucht des städtischen Menschen nach der Natur und den einfachen Lebensbeziehungen594. Theokrit aber bildet eine Ausnahme. Was sonst an Tragödien, Epen usw. geschaffen wurde, war, soweit wir es kennen, entweder Hofpomp oder gelehrte akademische Arbeit.

[585] Um den natürlichen Agon des echten griechischen Lebens zu ersetzen, stiftete wahrscheinlich Philadelphos für das jedenfalls schon von seinem Vater erbaute Theater von Alexandrien einen künstlichen. Es stand ihm dafür ein Siebengestirn von Tragikern (Homer der Jüngere, Sositheos, Alexander von Pleuron, Philiskos, Dionysiades, Lykophron und Äantides oder n.a. Sosiphanes) zur Verfügung. Diese konkurrierten an apollinischen oder dionysischen (oder an beiderlei) Festen, und jedenfalls erfolgten an die Sieger Belohnungen595. Nach den Titeln, welche hauptsächlich von den Stücken Lykophrons erhalten sind, kamen außer mythischen Sujets merkwürdigerweise nun auch historische zur Darstellung: die »Marathonier«, die »Kassanderer« (d.h. nach Niebuhr die Leiden derselben unter ihrem Tyrannen Apollodor), die »Bundesgenossen«, von Philiskos auch ein »Themistokles«. Einzelne Dichter scheinen nach den Zahlen, welche für ihre Stücke genannt werden, ziemlich fruchtbar gewesen zu sein, und auch jetzt dichtete man wahrscheinlich tetralogisch. Wie glänzend alles Äußerliche ausgestattet war, läßt sich schon aus der Pompa des Philadelphos schließen, die ja hauptsächlich das ganze dionysische Wesen verherrlichte; was aber gänzlich gefehlt haben muß, war der große religiöse und politische Hintergrund der attischen Szene. Und nun ist es freilich schwer, über eine Dichtung zu urteilen, von der alles verloren gegangen ist; wenn man aber erwägt, daß Kallimachos und Apollonios mit ihren nur so bedingt guten Sachen, die wir kennen, hohen Schulruhm genossen und ehrfurchtsvolle Kommentatoren fanden, so liegt der Schluß nahe, daß es auch mit dem alexandrinischen Drama gering dürfte bestellt gewesen sein. Von Komikern (unter denen der namhafteste Machon aus Sikyon war) gelangte hier kein einziger zu größerer Berühmtheit; daß nach einem kurzen Zeitraum außerordentlichen Aufschwungs auch die Tragödie zwar nicht plötzlich ganz verfiel, aber doch rettungslos sank, ist wahrscheinlich596.

Neben den Tragikern kannte man dann noch eine andere Reihe von Dichtern, die wenigstens einige Zeit und zum Teil ihre wichtigste Lebenszeit in Alexandrien verbracht hatten, und hier finden wir neben Kallimachos, Aratos, Nikander, Apollonios u.a. auch Theokrit. Es ist von diesen Dichtern schon früher die Rede gewesen597; hier möge daran erinnert sein, wie sich bei Kallimachos das nicht mehr eigentlich poetische, sondern literarische Zeitalter darin verrät, daß er alle möglichen Gattungen[586] pflegt. Ganz abgesehen davon, daß er in Prosa eine Masse gelehrter Schriften schrieb, hatte man von ihm in elegischer Form die vier Bücher der »Ursprünge« (αἴτια), ein Werk antiquarischen Charakters, worin er, wie Ovid in den Fasten, vom Ursprung verschiedener Einrichtungen usw. dichtete; man hatte ferner ein erzählendes elegisches Gedicht, die »Hekale«, und dazu kamen die gegen den poetischen Rivalen Apollonios von Rhodos gerichtete Invektive Ibis, die erhaltenen sechs Hymnen, viele Epigramme, wovon etwa 80 erhalten sind, und außerdem noch Iamben und Lieder, ja nach einer freilich angezweifelten Notiz auch Satyrdramen, Komödien und Tragödien598. Auch hier haben wir es mit der eigentümlichen Fatalität zu tun, daß wir das Wichtigste, was dieser Dichter schuf, nur aus Fragmenten, literarischen Notizen und den präsumptiven römischen Nachahmungen rekonstruieren müssen, und was die letztern betrifft, so hat zwar Catull u.a. in seiner coma Berenices ein Gedicht des Kallimachos übersetzt, und er sowie die spätern Elegiker haben ihn wohl auch sonst nachgeahmt, was aber die römische Elegie von ihren ewigen Schönheiten der alexandrinischen verdanken soll, weiß doch niemand näher zu beweisen. Der innere Seelenaufwand dürfte bei diesen Alexandrinern fast null gewesen sein; dagegen studierten sie sich in alle frühern Schriftsteller und Dichter und in die Gesetze ihres Schaffens hinein, lernten den äußern Klang von allem, was dagewesen, und ahmten alle Gattungen sorgfältig nach; die eigentliche Poesie vertraten nun eben Gelehrsamkeit und Geschicklichkeit.

Es saßen ihrer ohnehin in Alexandrien zu viele aufeinander und kritisierten sich gegenseitig wohl bis zur Verzweiflung, aber über lauter einzelnes. Und nun kam einer aus Chalkis, der geschworen hatte, es den Kollegen im Museion so schwierig und so gesucht zu kochen, daß sie etwas zu spinnen fänden. Dies war Lykophron mit seiner widerwärtigen Kassandra599, ein Dichter, der, um nur recht gelehrt zu sein, z.B. den Namen dessen verschweigt, von dem er spricht, und ihn durch die am wenigsten bekannten Mythen ersetzt600 oder statt der gewöhnlichen Worte die[587] allerrarsten gebraucht601 und neue, künstliche Komposita bildet; die Schule aber ging ihm darauf richtig ein und begann Kommentare darüber zu schreiben.

Lykophron ist der ärgste dieser dichtenden Philologen und Grammatiker; aber das eigentümlich Pretiöse findet sich auch bei Apollonios und Kallimachos. Sucht man bei diesen Dichtern das Natürliche, so wird es sich am ehesten im Epigramme finden. Es war überhaupt eine Zeit für die Ausbildung des Überlieferten ins Zierliche und somit besonders für das geistreiche und niedlich gewendete Sinngedicht, und wenngleich auch hier des Gesuchten und Müßigen genug602 geboten wurde, so gibt es doch aus jenen Kreisen von dieser jeglichem Inhalt und jeder Gattung des Esprits zur Verfügung stehenden Form viele treffliche Proben, und zwar auch von Kallimachos. Besonders das anathemische, skeptische, erotische und sympotische Epigramm standen in Blüte, und da das kurze Gedicht sehr zum Sammeln einlädt, gab es gewiß auch schon frühe Sammlungen derselben; in dem am Beginn des ersten vorchristlichen Jahrhunderts von dem Kyniker Meleargos zusammengestellten »Kranz« ist uns eine solche erhalten.

Noch fehlte in der diadochischen Zeit der Roman, weil es zum Lesefutter, zur industriellen, verlegerischen Massenproduktion für lesende Massen schon wegen des hohen Preises des Papyrus noch nicht kommen konnte. Einen Ersatz dafür mag man in derjenigen Seelenschilderung erkennen, wie sie Apollonios603 wesentlich unepisch, auseinanderspinnend, verweilend statt vorwärtsdrängend bei seiner Medea übt, und zur Mode gehörte auch das Vorwalten des Beschreibenden, das einst bei Homer in vollkommenem Gleichgewicht zum Erzählenden vorhanden gewesen war, das aber nun mit eigenen Ansprüchen aufzutreten beginnt, da mit der abnehmenden poetischen Kraft das sichere Verhältnis verloren gegangen ist. Als eigene Stilgattung prosaischer Form gehört erst dieser Zeit die [588] Epistolographie an, und zwar sowohl die echte, unter eigenem Namen herausgegebene, als die den großen oder berühmten Männern vergangener Zeit (einem Phalaris, Themistokles, Euripides, den Sokratikern usw.) angedichtete604.


Bezüglich der außeralexandrinischen Poesie müssen wir die Frage, wie sich, gegen das IV. Jahrhundert gehalten, die Stellung der Poesie zum Leben verändert haben könnte, damit beantworten, daß dies offenbar nicht stark der Fall gewesen ist; denn die Hauptveränderung, die Abwendung von den großen Gattungen oder die Inferiorität dessen, was darin geschaffen wurde, war für Epos, höhere Lyrik und Tragödie bereits mit jenem Jahrhundert eingetreten, und die hohe Entwicklung der neuen Komödie hat mit der großen Weltveränderung durch Alexander nichts zu tun; sie bleibt auch in Kostüm und Voraussetzungen rein attisch, wie denn auch nur selten ein namhafter Dichter derselben seine Szene außerhalb des alten Griechenlands gesucht hat. Dem gelehrten Zuge der Zeit kam die Didaktik eines Aratos und Nikander entgegen, für die wir auf früher Gesagtes verweisen605. Im ganzen wird man sich angesichts der damaligen poetischen Leistungen über den großen Unterschied zwischen der Poesie und der bildenden Kunst wundern müssen: während die letztere mit außerordentlichen Kräften auf ihren Wegen vorwärts geht, muß auf der Dichtung ein Unsegen gelegen haben.

Populär aber blieb das Theater. Noch immer wurden in Athen und anderswo bei Agonen alte und auch neue Tragödien aufgeführt606. Wenn auch die Dichter dieser letztern es so wenig und weniger als die der alexandrinischen Pleias zu eigentlichem Ruhme brachten, so beweist doch das Übergehen der Tragödie auf Rom und die Wirkung, welche dort ein Accius, Pacuvius u.a. erzielten, die ungemeine Lebenskraft der Gattung. Und nun gehörten, wie schon gesagt607, die dionysischen Techniten, d.h. die Schauspieler überhaupt, zu den stärksten Pionieren der hellenischen Bildung in der ganzen Welt, und nichts half so sehr wie sie zur raschen Hellenisierung des Orients, ja das Theaterwesen möchte dasjenige Element gewesen sein, das die Griechen der fernen Gegenden vorzüglich zusammenband und die Orientalen anlockte. Fast mit allen Armeen gingen die Schauspieler mit. So war dionysisches Treiben irgendwelcher[589] Art bereits Alexander gefolgt und galt offenbar den Heerführern schon als unentbehrlich, wo und sobald nur irgend die Mittel reichten608. Antigonos beschied das Personal für einen riesigen Agon nach Antigonia und entschädigte, als das betreffende Fest des Krieges wegen nicht zustande kam, die Athleten und Techniten mit 200 Talenten609; bei Gelegenheit des jüngern Kleomenes, welcher hierin eine Ausnahme machte, wird ausdrücklich gesagt, daß sonst alle hellenischen (d.h. städtischen) und königlichen (d.h. diadochischen) Heere Mimen, Verrichter von allerlei Wundern, Tänzerinnen und Musikantinnen begleiteten610. Davon, daß sich an dies Treiben allerlei Lumpenleben hängte, ja daß einem Polyb das Theaterwesen als das Auflösende schlechthin erscheinen konnte, war schon die Rede611. Bei allem Respekt vor dem noch immer sehr hohen Kunstsinn der Griechen, bei aller Rücksicht auf die Vorteile eines jetzt völlig losgebundenen, weltgewandten Geistes für alles, was in Kunst und Poesie auf die Dauer berechnet war, wird man eben doch zugeben müssen, daß das Augenblickliche sehr dem bloßen Amüsement und zwar im Sinne einer verlotterten Zeit anheimgefallen war. Hiefür hatte man ein böses Präzedens, welches die Wirkung auch der großen alten Meisterwerke aufwiegen konnte, an der Götterzote der mittlern attischen Komödie. Es kommt aber für diese Zeit noch besonders in Betracht, daß es sich in den Diadochenländern nicht mehr um Choregien im alten Sinne und deren Wetteifer handelte, sondern um den Luxus von Hauptquartieren, Höfen und großen Städten, deren Geschmack wohl überwiegend der bestimmende war, so daß, was gelehrte Dilettanten im alten Tragödienstil nacharbeiteten, nicht mehr dagegen aufkommen konnte.

[590] Gerne möchten wir wissen, wielange sich in Athen die Dionysien noch mit ihren tetralogischen tragischen Aufführungen und den vollständigen Chören behauptet haben. Als die alte Einrichtung nicht mehr regelmäßig durchzuführen war, weil die Phylen die Choregien nicht mehr besorgten, mochte hie und da noch irgendein Wohltäter oder ein Diadoche der Stadt zu einer vollständigen Feier verhelfen; aber bis wann dies mit neuen Dichtungen ad hoc geschah, ist so dunkel wie die übrige Geschichte Athens von der Mitte des III. Jahrhunderts an612. Dafür wurden jetzt auch in der weiten Diadochenwelt Theater an vielen Orten gebaut, selbst durch Halb- und Dreiviertelbarbaren wie Tigranes in seinem Tigranokerta, von dem wir erfahren, daß er für die Einweihung dionysische Künstler von allen Seiten zusammentrieb613; doch dienten dieselben selbstverständlich nicht nur den dramatischen, sondern allen möglichen thymelischen, d.h. musikalischen und orchestischen Aufführungen614, und wenn auch Dramen gegeben wurden, so ist damit nicht gesagt, daß eine eigentliche Aufführung stattgefunden habe; diese wurde vielmehr in zahlreichen Fällen aus Mangel aufgegeben, und man begnügte sich mit einem wahrscheinlich sehr zusammengezogenen und auf Prachtstellen beschränkten Ganzen, wobei ein einziger Schauspieler in den verschiedenen Rollen auftrat615. Wo und wenn aber die Mittel vorhanden waren, muß man vollständige Aufführungen der verschiedenen Gattungen616 aufrecht gehalten oder erst recht von neuem eingeführt haben,[591] und besonders muß für die überall gefeierten Dionysien das Beispiel, das Athen mit seinen dramatischen Agonen gegeben hatte, höchst anziehend gewesen sein617.

Die hauptsächlichen Träger des Schauspielwesens waren in der damaligen Zeit die sogenannten Verbände (σύνοδοι, κοινά) der dionysischen Techniten, deren einer sein Vereinigungszentrum noch in Athen hatte, während ein anderer sich nach den beiden Festorten Isthmos und Nemea, einer nach Teos, einer nach dem ägyptischen Naukratis usw. nannte. Einer der wichtigsten dürfte wohl der ionische von Teos gewesen sein, woselbst für einen alten Dionysoskult etwa zur Zeit Alexanders ein herrliches Heiligtum in ionischem Stil und um die nämliche Zeit auch das Theater gebaut worden war; der damals gestiftete Künstlerverein flüchtete freilich später infolge eines Aufruhrs zu Teos nach Ephesos, genoß dann aber die besondere Protektion der pergamenischen Könige, wurde unter Attalos III. nach Myonnesos versetzt und fand endlich seine dauernde Stätte in Lebedos, und hier fanden noch zu Strabos Zeit zu Ehren des Dionysos jährlich eine Festversammlung und Agone statt, wie es denn bezeichnend ist, daß alle diese Gesellschaften diesen Gott und die Beziehung auf ihn festhielten. Ein solcher Verband mit seinen Zweigvereinen, der natürlich auch seine besondern Theaterdichter hatte, besaß sein eigenes Vermögen, konnte große Legate annehmen, genoß Steuerfreiheit, erhielt von einzelnen Städten das Bürgerrecht und hatte bei Kriegen den Anspruch darauf, von den kämpfenden Truppen unbehelligt gelassen zu werden usw. Bisweilen wurden, wie bereits die erwähnte Geschichte von der Einweihung des Theaters zu Tigronokerta lehrt, dionysische Techniten in Masse aufgeboten, und noch Antonius ließ, als er im Kriege von Actium sein Hauptquartier zu Samos hatte, alle von weit und breit dahin kommen618. Freilich beweisen solche Massenaufgebote, deren übrigens schon unter den ersten Diadochen vorkommen, auch, daß es sich öfter auch um ganz anderes als Klassisches gehandelt haben muß. Wie weit aber die Techniten ihre Reisen ausdehnten, erhellt z.B. aus der bekannten Geschichte von Iason von Tralles, der mit seiner Truppe zur Hochzeit des Partherprinzen Pakoros mit der Schwester des Armenierkönigs Artavasdes619 gezogen war, und, als er dort beim Gelage die Rolle[592] der Agaue aus den Bakchen des Euripides sang, das Haupt des Pentheus mit dem eben herbeigebrachten Haupte des erlegten Crassus vertauschte, ein Einfall, für den er ein Talent zur Belohnung erhalten haben soll. Und auch im Westen finden wir die Techniten: nicht nur spielen griechische Gesellschaften in Rom, sondern aus der Kaiserzeit ist sogar eine Inschrift erhalten, wonach scaenici Asiaticiani et qui in eodem corpore sunt sich bei Vienne bei Lebzeiten ein Grabmal stiften.

Fragen wir, was von den Stücken der alten Dichter noch gespielt wurde, so ist vor allem das mächtige Fortleben des Euripides erweislich, in dessen Text die Schauspieler viele Zusätze und Änderungen gebracht haben sollen; auch Menander, von dem Quintilian mit Entzücken spricht, dürfte bis tief in die Kaiserzeit aufgeführt worden sein. Freilich kam aber neben dem Drama immer mehr der Pantomimus auf, der es im III. nachchristlichen Jahrhundert im ganzen verdrängt haben muß, so daß Libanios im IV. ihn als die einzige Gelegenheit preisen kann, bei der das Volk die alten Mythen kennenlernt; doch erwähnt auch dieser noch wirkliche Schauspieler, und solche kommen noch bei Synesios und Chrysostomos neben den Pantomimen und Tänzern vor, ja sie finden sich selbst noch bei Cassiodor620. – Außerhalb der Literatur stand wohl der Farceur (ἠϑολόγος), d.h. der possierliche Darsteller eines einzelnen Charakters (la charge), welcher seine Sachen meist improvisiert haben wird. Er tat in seiner Manier, was literarisch Theophrast getan hatte, als er in seinen »ethischen Charakteren« die einzelnen Züge eines Charakters konstatierte und sammelte.


Auch auf die Philosophie müssen wir nochmals kommen. Es ist doch alles Mögliche, daß die Philosophen so sehr im Vordergrund der Szene blieben und das allgemeine Interesse so dauernd auf sich zogen, wie dies noch immer der Fall war. Aber mit merkwürdiger Kraft lebten die verschiedenen ältern Schulen weiter, und neue kamen hinzu und behaupteten sich auch, und die sinkende hellenische Welt beschäftigte sich dergestalt mit ihnen, daß z.B. das Überlaufen eines namhaften Menschen von einer Schule zur andern noch das größte Aufsehen machen konnte: ein gewisser Dionysios von Heraklea, der Zenos Schüler gewesen war und in ältern Jahren zur epikureischen Schule überging, hieß fortan zeitlebens der »Umgesattelte« (μεταϑέμενος)621. Dies alles ist ohne die stärkste Begabung und Neigung der Nation zur Spekulation undenkbar, und wir möchten gerne wissen, ob Inder und Araber hierin mit den Griechen zu vergleichen sind, und ob ihre Philosophen und philosophischen Sekten ebenso notorische Tatsachen des Lebens wie bei den Griechen waren.[593]

Wohl hatte diese Zeit gewiß das Gefühl, daß man in der Philosophie Plato und Aristoteles nicht mehr gleichkomme; aber, wenn man nicht mit den Skeptikern an der Wahrheit und deren Erkennbarkeit selbst verzweifelte, hatte man nun doch das Bedürfnis, mit eklektischer Benützung der frühern Resultate ein System subjektiv-gewisser Wahrheit zustande zu bringen und dogmatisch zu befestigen, und diesem Bedürfnis kamen nun vor allem die Stoa und der Epikureismus entgegen, beide mit der Tendenz, das Theoretische dem Praktischen unterzuordnen.

Das stoische System hat eine wesentlich pantheistische Grundlage. Sein Gott ist die Naturkraft, welche an die Materie gebunden ist und in der Weltentwicklung zur Erscheinung kommt, aber dann doch auch wieder die Weltvernunft, ein ewiges, vernünftiges, vollkommenes, seliges Wesen. Er erscheint z.B. im Hymnus des Kleanthes so sehr persönlich gemacht und ethisiert, daß am Ende doch eine Art von moralisierendem Theismus herauskommt: er ist die Vorsehung (πρόνοια), die für das Ganze sorgt, der Urheber des Sittengesetzes, der Richter, welcher belohnt und straft, der Demiurg, d.h. der Bildner und Gestalter der Dinge622, und für sein Dasein hat die Schule bereits den teleologischen Beweis und den Beweis ex consensu gentium. Die nicht mit der stoischen Vorstellung vereinbaren Seiten der Volksreligion ließ man fallen oder deutete sie, um sie zu retten, durch Allegorie oder gewaltsame Etymologie um, so daß Zeus der Himmel, Hera die Luft, Poseidon das Wasser, Hephästos das Feuer usw. war, mit welchem allen freilich die Stoa nur die Kluft zwischen sich und der Volksreligion konstatierte. Die Welt (NB. nicht das faktisch übliche Erdenleben) preist diese Lehre konsequenterweise, da sie ja der Leib Gottes ist, als höchst zweckmäßig und harmonisch; schon ihre Kugelgestalt ist die vollkommenste; auch das Unvollkommene, das Übel und das Böse, existiert nicht an sich, sondern nur als Bedingung des Guten, weil kein Pol ohne seinen Gegenpol denkbar ist; nur für sich betrachtet erscheint es fehlerhaft, im Zusammenhang mit dem Ganzen ist es zweckmäßig und schön. Diese Welt aber ist bestimmt, zu Gott als dem Urfeuer zurückzukehren, und diese Rückkehr ist zugleich der Anfang zu einer neuen Weltbildung (ἀποκατάστασις τοῦ παντός), die sich unendliche Male wiederholt.

Inkonsequent wird nun in dieses System die menschliche Willensfreiheit einbedungen und die Tugend als höchstes und einziges Gut und hinreichend zur Glückseligkeit hingestellt. Das Sittlichgute allein ist gut, das[594] Sittlichschlechte allein schlecht; was dazwischen liegt, ist indifferent (ἀδιάφορον) und gehört, obgleich bedeutende Abstufungen zwischen den Dingen zugegeben und Reichtum, Gesundheit usw. wenigstens als annehmbar oder vorziehbar konzediert werden, jedenfalls nicht zu den »Gütern« (ἀγαϑά). Wenn dann diese Tugend wenigstens laut Kleanthes ihrem abstrakten Begriffe gemäß als unverlierbar und, da, wer eine besitzt, alle hat, als Einheit gilt, so wird man unwillkürlich an das pietistische »Man kann nicht aus der Gnade herausfallen« erinnert, wie denn die Stoiker sich hin und wieder als die Pietisten der sinkenden alten Welt darstellen. Und nun hängt mit der von der Stoa verlangten Unterordnung des Individuums unter das allgemeine Weltgesetz, mit der dementsprechenden Tätigkeit, mit dem Selbstgefühl der eigenen Weisheit und Trefflichkeit und mit dem sittlichen Heroismus auch jener überspannte Rigorismus zusammen, der seinen Ausdruck hauptsächlich im Bilde des stoischen Weisen findet623. Dieses wurde zu einem unmöglichen Schemen, von dem die Schule selber zugeben mußte, auch die Besten seien bloß in Annäherung dazu begriffen, und da sie alles zu einem aut-aut geschraubt hatte und nur einerseits Weise und Tüchtige mit Wissen und Tugend, anderseits Toren und Unnütze statuierte, so blieben tatsächlich entweder nur die letztern übrig624, oder aber die Lehre schlug, insofern alles schon gut war, weil und wenn es der Weise tat, in sittliche Indifferenz um; die umständliche Ausmalung des Weisen in allen erdenklichen Situationen aber, zumal sein Glück mitten im Schmerz und andere Paradoxa, provozierte dann bei den draußen Stehenden denjenigen Hohn, für den wir an einem bekannten Ausfall Ciceros gegen M. Cato ein Beispiel haben625.

Die stoischen Lehren vom Staat taugten nicht viel, obwohl gerade die Stoiker tatsächlich den meisten Einfluß auf einzelne Poleis gewonnen haben. Indem Zeno theoretisch für Aufhebung jeder Trennung der Menschen in Staaten und Städte war und das Verlangen stellte, daß alle Menschen unsere Mitbürger sein sollten und die ganze Menschheit als eine Herde unter einem Gesetze stehen sollte, erscheint der Bürger des halbphönizischen Kition gegenüber dem konkreten Staat als der zersetzende Semit.

Wenn die Stoa als spekulative Schöpfung unbedeutend war, so ist sie dafür als Denkweise und als eine halbe Religion auf Jahrhunderte[595] wichtig gewesen. Und nun war ihre Verbreitung in der spätern diadochischen Zeit eine außerordentlich starke. Unter den namhaften Schülern Zenos war zwar kein einziger Athener, sondern lauter Leute aus Zypern, dem pontischen Heraklea, Sidon, Alexandrien, Karthago, Chios; Kleanthes war aus Assos und dessen Schüler, der berühmte Chrysippos, aus Soloi. Aber es gab dafür auch außerhalb Athens stoische Lehrer in Rhodos, Apollonia, Pergamon, Alexandrien und Tarsos (von wo eine ganze Anzahl Stoiker kamen); auch wurde der Stoizismus von Panätios (um 150) und Poseidonios (um 100) durch Amalgamierung mit platonischen und aristotelischen Lehren noch gemäßigt und popularisiert. Und so kam er denn auch nach Rom und war durch seine oben (S. 530 f.) von uns namhaft gemachten Eigenschaften von allen griechischen Systemen das den Römern (und zwar den wichtigsten unter ihnen) weit am meisten zusagende. Seine ganze Erscheinung ist freilich das Zeichen einer alternden Zeit; er ist das Sichzusammenraffen der in dieser noch liegenden sittlichen Elemente, die Opposition gegen die überhandnehmende sittliche Auflösung, eine Opposition, die von vornherein etwas Schroffes, Moroses, Krankhaftes an sich trägt626; aber es war viel, daß er trotz schärfstem Gegensatz gegen die Zeit, in der er aufkam, eine solche Stelle behaupten konnte. Und daneben darf auch der sonstigen ansehnlichen wissenschaftlichen Beschäftigung der Stoiker, besonders ihrer Sprachphilosophie und ihrer trotz der berüchtigten etymologischen Irrtümer grundlegenden grammatischen Tätigkeit, gedacht sein.

Für Epikurs System verweisen wir auf eine frühere Stelle dieses Werkes627. Noch mehr als die Stoa betont er das Praktische, indem bei ihm alles Wissen nur als Anleitung zur Glückseligkeit Wert hat, und auch er verfuhr wesentlich dogmatisch, indem er seine Schüler sogar seine Hauptsätze auswendig lernen ließ und sein System zu diesem Zwecke in kurze Auszüge brachte. Seine Schule hielt denn auch streng und ohne Spaltung an seiner Lehre fest und begnügte sich, dieselbe zu perpetuieren, so daß es (außer Lucretius) keine berühmten Epikureer gibt. Wie übrigens Zeno bei Lehrern aller Schulen gelernt hatte, so verfuhr auch Epikur eklektisch. Seine Lehre von der Glückseligkeit als dem höchsten Ziel des Lebens stammte von der kyrenäischen Schule Aristipps628, von dem er immerhin[596] darin abwich, daß er nicht die körperliche Lust, sondern das innere Wohlbefinden (das freilich wie auch die Unlust auf den körperlichen Zustand zurückgeht) für das Höchste erklärte und nicht die Lust des Moments, sondern die des ganzen Lebens im Auge hatte; auch die Physik, die er nicht aus wissenschaftlichem Interesse, sondern nur, soweit sie (namentlich durch Befreiung von der schreckhaften Vorstellung über Natur und Unterwelt) zur Glückseligkeit beiträgt, zu pflegen empfahl, hatte er wesentlich Demokrit entnommen. Was seine Götter betrifft, so gab es Leute, welche nicht glaubten, daß es ihm mit denselben Ernst gewesen sei, sondern fanden, daß er mit ihrer Beibehaltung nur habe Verdruß vermeiden wollen629; doch läßt sich auch annehmen, daß er sie aus griechischem Schönheitssinn nicht entbehren mochte. Indem sie in den sogenannten Metakosmien in lauter Wonne und Ruhe leben und sich mit der Weltregierung nicht befassen (wie übrigens auch die stoische Gottheit in keine kausale Beziehung zum menschlichen Handeln tritt und die Götter sich nur als Zuschauer am Schauspiel der leidenden Menschheit erfreuen), ist der epikureische Weise mit seiner Ataraxie ihr getreues Abbild. Und nun mochten die Gegner freilich darüber klagen, daß die Epikureer sich der Außenwelt, zumal dem Staat, so sehr entzogen630, und jedenfalls war[597] Epikur mit seiner Mahnung, im Verborgenen zu leben (dem κάϑε βιώσας)631 beim direkten Gegensatz zu dem alten Streben nach steter Auszeichnung (dem αἰἐν ἀριστεύειν) angelangt, – wenn wir auf der andern Seite wieder seine Hochschätzung der Freundschaft als Hauptbedingung aller Freude und Lebensannehmlichkeit sehen und beachten, wie sich dies zum allgemeinen Wohlwollen erweitert, so daß Wohltun angenehmer ist als das Empfangen von Guttaten, so läßt sich doch der humane Charakter der epikureischen Ethik nicht verkennen; hier haben wir es wenigstens wieder sicher mit purem Griechengeist zu tun.

Und nun kam noch – freilich um zunächst bald wieder auszusterben – der Skeptizismus Pyrrhos auf, der mit Alexander nach Indien gezogen war und dann später als Philosoph in Elis (dieser also nicht in Athen) lebte. Wie bei der Stoa und bei Epikur war auch bei ihm das praktische Interesse vorherrschend, und die Glückseligkeit, welche das Ziel war, fand er wie der letztere in der Ataraxie. Das Eigentümliche der Richtung ist der Bruch des Subjekts mit der objektiven Welt und der Verzicht auf jede objektive Erkenntnis, so daß man, weil Sinneswahrnehmung sowohl als Begriffe nur subjektiv sind, von jedem Satze auch das Gegenteil behaupten kann632 und die Glückseligkeit durch die gänzliche Zurückhaltung des Urteils (ἀφασία) bedingt ist. Dieser Skepsis, bei der doch einiges auch an die Sophisten des V. Jahrhunderts erinnert, neigte sich auch die spätere platonische Schule als mittlere und neuere Akademie zu. Indem Arkesilaos und später Karneades die Erkenntnistheorie der Stoa umwarfen, beschränkte man sich schließlich auf die Wahrscheinlichkeit (πιϑανότης) als praktisches Kriterium für das Handeln.

Wir haben früher633 gesehen, welch ein furchtbarer Haß zwischen den Schulen bestand, fast als der einzige wirkliche Fanatismus jener Zeiten, und wie dieser Eifer und Fanatismus, welcher an den Kampf religiöser Sekten erinnert, unter den Römern noch fortlebte, welche die ältern Philosophien eifrig studierten. Es ist aber immerhin höchst außerordentlich, daß die ganze Tradition von so vielen Schulen Jahrhunderte hindurch am Leben blieb und ihre Gegensätze und Nuancen aufrecht hielt, bis erst der Neuplatonismus das meiste absorbierte.


Endlich müssen wir noch auf die Stellung der Philosophen im Leben einen Blick werfen. Daß sie neben Diadochen und Hetären nahezu die einzigen Zelebritäten der Zeit waren und beim Herunterkommen der Diadochen,[598] welches das der Hetären mit sich zog, in der Zelebrität überhaupt keine Konkurrenz mehr hatten, haben wir früher gesehen634. Hier sind sie aber vor allem noch in ihrem Verkehr mit den Diadochen zu betrachten. Dieser hatte seinen Vorgang an den drei Einladungen, die von den Dionysen an Plato ergingen, sowie an dem Verhältnis Philipps und Alexanders zu Aristoteles. Alexander hatte dann in Asien den maßlos hochmütigen Kallisthenes bei sich gehabt635. Daß ihn zu Bildungszwecken (ἐπὶ σοφίᾳ καὶ παιδεύσει) auch Anaxarchos begleitete, war für die Philosophie an den Höfen gleichfalls ein übles Präzedens; denn dieser war es, der ihn nach der Tötung des Kleitos durch die dickste Schmeichelei, aber im Tone des Vorwurfs, zu trösten wußte636. Unter den Diadochen aber, die überhaupt nichts so dringend als griechisches Menschenmaterial bedurften und nach Zelebritäten förmlich »jagten«637, mußte nun neben dem Beamten, Soldaten, Schauspieler usw. der Philosoph leicht dazu kommen, eine Rolle zu spielen. Denn, da diese Könige, ähnlich wie die italienischen Tyrannen der Renaissance, keine durch Geburt gegebene Adelsumgebung hatten, stand ihnen die Wahl ihres Umgangs völlig frei, und wenn nun ein wirkliches geistiges Bedürfnis vorhanden war, mochten die geistreichen unter ihnen ungehindert ein Verhältnis zu dem hellenischen Philosophen suchen, der zugleich in der Regel noch Redner war, und an dem man den griechischen Geist gleichsam in nuce hatte. Wie sich Ptolemäos Lagi um solche umtat, haben wir oben638 gesehen. Derselbe zog z.B. auch, falls der Nachricht zu trauen ist, als er sich Megaras bemächtigt hatte, Stilpon an sich, bot ihm Geld an und forderte ihn auf, nach Ägypten zu kommen, worauf der Philosoph freilich nur weniges annahm und sich, indem er das Mitreisen ausschlug, nach Ägina zurückzog, bis jener abgefahren war639. Auch nach Zeno ließ sich ein Ptolemäer erkundigen, und bei Philopator, dessen Einladung Chrysippos, der keinem Könige etwas dedizierte,[599] überhört hatte, blieb doch dessen Schüler Sphäros, nachdem er, wie es scheint, als Ratgeber des Spartaners Kleomenes nach Ägypten gekommen war. Ein lebendiges Verlangen nach Philosophie hatte wohl am meisten der auch sonst wegen wissenschaftlichen Sinnes gerühmte Antigonos Gonatas, welcher den Zeno, den er im übrigen auch wegen guter Zechgeselligkeit schätzte, jedesmal, wenn er nach Athen kam, besuchte, sich auch mehrfach für Kleanthes interessierte und auf Zenos Empfehlung u.a. den Stoiker Persäos als Erzieher eines Bastards und politischen Rat anstellte; derselbe muß als solcher brauchbar gewesen sein; denn er wurde später sogar zum Kommandanten von Akrokorinth ernannt.

Die Stoiker mochten damals an den Höfen der Könige überhaupt bisweilen als Prinzenerzieher und wohl gar auch als Gewissensräte mit einer Kasuistik wie die Jesuiten auftreten. Indes wurden solche Verhältnisse von eiteln Philosophen, welche mit beiden Händen zugriffen, oder von den Ruhmrednern der Betreffenden wohl oft auch beliebig ausgemalt, und gerade das Beispiel des Antigonos und Zeno macht mißtrauisch, weil der von Diogenes Laertius (VII, 1, 8) erhaltene Brief, worin der König den Philosophen bittet, ein »Erzieher nicht nur für ihn allein, sondern für alle Makedonier insgesamt zu werden« eine nur den stinkenden Philosophendünkel beweisende, offenbare Fälschung ist640. Wenn man auch damals gewiß oft den sophokleischen Vers641


»Klug ist der Herrscher, wenn ihm kluger Umgang ward«


zitierte, so wird im ganzen das Verhältnis der Diadochen zur Philosophie doch meist so gewesen sein, daß man von ihr bloßen Zeitvertreib neben der übrigen Schwelgerei verlangte, und an ihren Trägern über Tisch etwa diejenige Scheinunabhängigkeit vertrug und wünschte, welche Anaxarchos gegenüber Alexander betätigt hatte, ja sie gar zum Gegenstande seines Hohnes machte. So dürfte einem Lysimachos, welcher einst die Philosophen aus seinen Ländern verbannte642, keine ernstliche Absicht zuzutrauen sein, wenn er, ähnlich wie der Gastgeber in Lukians convivium, zu seinem Symposion Leute wie den Gottesleugner Theodoros und die Kynikerin Hipparchia zusammenlud643. Auch kam es vor, daß über Redensarten eines Philosophen, die sich ein Mächtiger nicht gefallen ließ, beinahe blutiger Streit entstand644, oder daß ein solcher sich Dinge[600] erlaubte, wie der Epikureer Diogenes bei dem syrischen König Alexander Balas in Seleukia. Dieser, ein bösartiger Lästerer, hatte nämlich von dem König, der sich persönlich der Lehren der Stoa erfreute, ein Purpurgewand und einen goldenen Kranz mit dem Bilde der Tugend, deren Priester er zu heißen, begehrte, verlangt und erhalten, hatte aber diese Dinge an eine Pantomime verschenkt und wurde deshalb von Alexander bei einem Symposion von »Philosophen und ausgezeichneten Leuten« öffentlich blamiert645. Man möchte es in solchen Fällen wie bei dem Verhältnis einzelner Diadochen zu ihren Parasiten mit einer vergröberten Parodie des griechischen Lebens zu tun haben. Bisweilen dürften die Philosophen gewaltsam herberufen und unter Mißhandlungen festgehalten worden sein; hatten sie aber stärkern Anstoß gegeben, so machte man auch etwa kurzen Prozeß mit ihnen. Antiochos VI., der Sohn des genannten bildungsfreundlichen Alexander (übrigens eines Schwelgers und unter Umständen grausamen Fürsten), ließ nicht nur jenen Diogenes wegen seines unleidlichen Übelredens hinrichten, sondern er ist wahrscheinlich auch derjenige Seleukide, der einst wie früher Lysimachos alle Philosophen aus seinem Gebiete vertrieb und ihre Schüler mit Erhängen, deren Väter mit schwerer Ungnade bedrohte646.


Was aber die Betätigung der Philosophen im öffentlichen Leben außerhalb der Diadochenstaaten betrifft, so folgt jetzt endlich auf ihre frühere Staatsflucht eine Zeit der mannigfachen Einmischung in die politischen Dinge, und zwar in anderer Weise als bei den Platonikern des IV. Jahrhunderts. Der Grund dieser Annäherung an das Staatswesen mag darin liegen, daß beim Wegsterben sonstiger Kapazitäten, d.h. Staatsmänner, Strategen usw. in den verkommenen Städten, derjenige von selbst in den Vordergrund geriet, der noch etwas im Zusammenhang zu behandeln imstande war; dabei mag der Name »Philosoph« freilich in weiter Bedeutung zu nehmen sein; er bezeichnet wohl oft, zumal außerhalb Athens, nicht den wirklichen Anhänger bestimmter Schulen, sondern ist der ungenaue Ausdruck auch für Rhetoren und Bildungsleute aller Art, welche sich irgendeine Tinktur dieser oder jener Sekte geben mochten.

Besonders waren jetzt auch in Griechenland die Stoiker politisch tätig. Zenos Utopie war im Grunde die Sache eines ziemlich billigen kosmopolitischen Radikalismus gewesen647. Hernach aber ließ sich seine Schule mit jeder Art von Verfassung ein, indem man sich mit der wohlfeilen Scheidung der Menschen in Weise und Toren überall einmischen konnte. In[601] dem immer noch als Hauptsitz der wichtigsten philosophischen Systeme bedeutenden Athen648, wo ihr Lokal die durch sie wieder geheuer gemachte649 Stoa Poikile war, muß sich der greise Zeno selbst durch seine Fürsprache bei dem siegreichen Antigonos Gonatas im chremonideischen Kriege ähnliche Verdienste erworben haben, wie früher Krates durch die bei dem Städtebelagerer Demetrios; man vertraute ihm damals die Schlüssel der Stadt an und ehrte ihn durch einen goldenen Kranz und ein ehernes Standbild650. Dann treffen wir aber auch bei dem Spartaner Kleomenes in dem genannten Sphäros einen vertrauten Schüler Zenos, von dem ausdrücklich gesagt wird, daß er die Seele des jungen Mannes zu kühnen Entschlüssen entflammt habe, wie denn die Stoa feurige Naturen überhaupt leicht zur Verwegenheit führe651; auch bei Tiberius Gracchus spielt später der Stoiker Blossius von Cumä eine ähnliche Rolle652.

Hie und da tauchen die Philosophen auch bei Abreden und Verschwörungen gegen Tyrannen auf. So wird Abantidas von Sikyon von den Zuhörern des Dialektikers Aristoteles und eines gewissen Deinias niedergemacht653; vorzüglich aber unter ihren Zeitgenossen wandten, wie Plutarch654 sagt, die Akademiker Ekdemos und Megalophanes aus Megalopolis, einst in der Akademie die Genossen des Arkesilaos, die Philosophie zur praktischen Politik an. Diese waren es, welche ihre Vaterstadt von der Tyrannis des (übrigens trefflichen) Aristodemos befreiten, indem sie heimlich dessen Mörder anstifteten, und sie halfen auch dem Aratos bei der Vertreibung des sikyonischen Tyrannen Nikokles. Die nämlichen stellten aber auch in dem von innern Wirren zerrütteten Kyrene den gesetzlichen Zustand wieder her, und endlich hatten sie das Verdienst, sich der Erziehung des früh verwaisten Philopömen, als er[602] aus den Kinderjahren getreten war, zum Nutzen von Hellas angenommen zu haben655. Daß, wie wir gesehen haben, das bettelarm gewordene Athen wegen der Ausplünderung von Oropos den Akademiker Karneades, den Stoiker Diogenes und den Peripatetiker Kritolaos um Linderung der Buße an den römischen Senat schickte, könnte seinen Grund darin gehabt haben, daß diese gratis zu haben waren und sonst niemand etwas würde ausgerichtet haben. Sie traten übrigens laut Gellius nicht nur vor dem Senat auf, wo C. Acilius ihr Dolmetscher war, sondern auch, jeder in seinem Stil, vor zahlreichen Versammlungen, wodurch sie Catos besondern Zorn erregten656.

Zwischen alles andere hinein gab es bald da, bald dort, und zwar auch in Rom, Epikureervertreibungen. In Messenien, wo diese Sekte einen Anhang gehabt haben muß – es kommt damals sogar ein Epikureer vor, welcher der »Lakonier« hieß657 – erhielten sie eines Tages den Befehl, vor Sonnenuntergang jenseits der Staatsgrenze zu sein, und die Timuchen – so hießen dort die Archonten – ließen hernach die Tempel und die ganze Stadt reinigen. Und ebenso vertrieben auch die Lyttier auf Kreta einige bei ihnen befindliche Epikureer als Vertreter einer weibischen und schmählichen Philosophie und als Götterfeinde und erklärten, wenn einer wiederkäme, sollte er beim Amtsgebäude zwanzig Tage lang mit Honig und Milch bestrichen, in denA41 Block geschlossen, den Bienen und Mücken zur Speise daliegen; lebe er dann noch, so solle er in weiblichem Gewande von einem Abhang hinuntergestürzt werden658. Daß dergleichen ohne bedeutende stoische Hetzerei geschah, ist schwer zu glauben.

Um aber auf das politische Tun der Philosophen zurückzukommen, so muß gesagt werden, daß sie und die Rhetoren noch in der römischen Zeit hin und wieder eine Rolle als Demagogen spielen. Jener Aristion, der beim Nahen des Mithridates Athen zum Abfall an diesen veranlaßte und, bis ihm durch Sulla das Handwerk gelegt wurde, eine schreckliche Tyrannei übte, war ein Epikureer, welcher früher in Messenien und Thessalien durch seine Lehrtätigkeit zu Besitz gekommen war659. Der Rhetor Hybreas, ein Schüler des Sophisten Diotrephes, und der Rhetor Zeno aus Laodikea vermochten in der Zeit des Antonius ihre Städte zum Widerstande gegen den mit parthischer Heeresmacht Kleinasien überfallenden Labienus zu bewegen660. In Seleukia am Kalykadnos finden[603] wir einen Peripatetiker Athenäos, von dem es heißt, daß er unter Augustus seine Stadt regiert habe; derselbe wurde in die Untersuchung wegen der Verschwörung Murenas verwickelt, aber freigesprochen661; auch von einem ehemaligen stoischen Lehrer dieses Kaisers, Athenodoros, heißt es, daß er Tarsos von der Demagogie des Dichterlings Boëthos befreite; sein Nachfolger in der Führung der Bürgerschaft war ein Akademiker, welcher gleichfalls im kaiserlichen Hause Lehrer gewesen war662.

Daß wir aber von diesen Leuten so vieles erfahren, indem z.B. Strabo sich um jeden Winkel kümmert, wo ein Philosoph geboren worden, kommt von dem großen Interesse her, das nunmehr die Römer der Philosophie entgegenbrachten. Für diese und ihre Bildung schrieb er sein Werk, wie später Diogenes von Laerte das seine, und schon Cicero hatte eine Menge griechischer Philosophen gekannt und an ihren Studien den lebhaftesten Anteil genommen. In Athen, wo noch zu Lukians Zeiten ein reichliches Personal der verschiedenen Sekten lebte, gehörten ihre Gärten zu den Sehenswürdigkeiten, die man auf Reisen aufsuchte; in Italien aber zeugt noch heute die Masse erhaltener, wenn auch nicht einzeln bestimmbarer Philosophenköpfe, welche, ihrem meist nicht sonderlichen Kunstwerte nach zu urteilen, Serien-Arbeit für Bibliotheken und Paläste waren, von der Bedeutung, welche die Dargestellten für die Römer gewonnen hatten; es kann hier dieser Porträts viel mehr gegeben haben als in Griechenland selbst.

Mit diesem Hinweise auf das Weiterleben der griechischen Philosophie in Italien, das für uns die Vermittlerin des griechischen Geistes zu werden bestimmt war, möge die dürftige Skizze beschlossen sein, die wir von dem gewaltig ausgedehnten Bilde der Entwicklung des hellenischen Menschen haben geben können.[604]


Fußnoten

1 Vgl. oben S. 310.

2 Vgl. über den Verfall des Reiches auch Isokr. Phil. 101 ff. und Diodor XV, 90.

3 Philipps Verhalten gegen Griechenland war noch lange nicht das Napoleons zum Rheinbund; die Makedonier waren doch teilweise schon Mitgriechen.

4 Als Alexander ihr schreibt, sie möchte ihm einen Koch kaufen, der sich auch auf das Opfern verstehe, antwortet sie: Empfange von deiner Mutter den Koch Pelignas (vielleicht einen italischen Sklaven aus dem Pelignerland); denn dieser weiß von allen Opfern deines väterlichen Stammes, wie sie begangen werden, und auch auf die orgiastischen und bakchischen Opfer und alle Bittopfer, die Olympias darbringt, versteht er sich. Versäume es nicht, empfange ihn und schreibe mir schleunigst zurück. Athen. XIV, 78.

5 Nach Plut. Alex. 7 nahm Alexander auch an den schweren philosophischen Kursen teil und hatte von ihm (ähnlich wie Peter der Große) die Liebhaberei für die ärztliche Kunst.

6 Beim Zug gegen die Geten machte er die Bekanntschaft adriatischer Kelten, die ihm die bekannten schönen Antworten gaben. Strabo VII, p. 302.

7 Nach Arrian VII, 28, 2 war er καὶ τάξαι στρατιάν καὶ ὁπλίσαι τε καὶ κοσμῆσαι δαημονέστατος.

8 Vgl. oben S. 310.

9 Arrian II, 3, 8: ἀπηλλάγη δ᾽ οὖν ἀπὸ τῆς ἁμάξης ὡς τοῦ λογίου τοῦ ἐπὶ τῆ λύσει τοῦ δεσμοῦ συμβεβηκότος.

10 Arrian II, 14, 9.

11 Arrian III, 24, 5: ἔνδηλος ἐγεγόνει οὐ φαῦλον ποιούμενος σῶσαι τοὺς ἄνδρας. Auch bei den gefährlichsten Verschwörern half er sich gerne mit Deportation. – Nach Plut. apophth. reg. Alex. 22 ließ er von den Söldnern die Athener und Thessaler fesseln, weil sie den Solddienst nicht nötig gehabt hätten, die Thebaner aber ließ er frei, weil er ihnen alles genommen hatte.

12 Grote, der für die kolossale historische Notwendigkeit Alexanders kein Gefühl hat und ihn haßt, weil er den griechischen Poleis unbequem war, krittelt, er würde die phönikische Flotte auch ohne die Eroberung von Tyrus bekommen haben. Hierüber wollen wir doch lieber Alexander entscheiden lassen.

13 Bei Arrian VI, 19, 4 lautet es so, als hätte er von Ammon u.a. Vorschriften über seine Opfer an andere Götter erhalten.

14 Die Spartaner beschlossen bekanntlich: »Weil Alexander ein Gott sein will, so soll er ein Gott sein«; die Athener dagegen straften den Antragsteller Demades, und zwar wegen Asebie, um 100 Talente. Älian V.H. II, 19. V, 12. Wieviel ist wohl an der Angabe des Ephippos bei Athen. XII, 53, daß er bei Gelagen bald als Ammon, bald als Artemis, Hermes usw. kostümiert erschien? – In späterer Zeit scheint er sich aus der Vaterschaft des Ammon nicht mehr so viel gemacht zu haben, und bei den Opfern im Indusland ist von diesem mehr nur beiläufig die Rede; dagegen spricht er dort von seiner Abkunft von Herakles, wozu er als Temenide ein Recht hatte. Arrian V, 26, 5. VI, 3, 2.

15 Vgl. oben S. 283 und 351 f.

16 In dasselbe Kapitel gehört wohl auch die Zernichtung der Branchidenstadt. Plut. de sera num. vind. 12. – Davon, daß Alexander bei einem lärmenden Gelage die Fackel auf Bitten der Thaïs mit plötzlichem Entschluß in den Palast geworfen habe, meldet Arrian kein Wort, wohl aber VI, 30, 1 von einer spätern Reue.

17 Dies zum Unterschiede z.B. von den Arabern in Spanien, die den Norden des Landes nicht erobern mochten und dann von da aus besiegt wurden.

18 Vgl. hierüber die Arrian VI, 13, 4 angeführten tadelnden Reden seiner Freunde.

19 Deshalb haben es der Kyniker in Korinth und die Fakire in Indien so leicht, sich ihm gegenüber zu behaupten.

20 Arrian IV, 8, 2.

21 Daß er gefoltert wurde, meldet wenigstens Arrian nicht.

22 Arrian V, 25, 1.

23 Ebenda 26, 2. – Offenbar geht er von der Voraussetzung aus, daß Asien viel kleiner sei, als es ist, und hält den Rest der Aufgabe für etwas Mäßiges.

24 Arrian VII, 4, 2.

25 Plut. de fort. Rom. 13. Die Frage, wie es Alexander im Kampfe mit den Römern ergangen wäre, erörtert Livius IX, 17-19.

26 Arrian VII, 15, 4f.

27 Vgl. Band I, S. 259.

28 Ob er wirklich die Mauerzinnen der Städte ringsum abbrechen ließ, wie Plut. Alex. 72 sagt, mag bezweifelt werden; nach Älian V.H. VII, 8 geschah es nur in Ekbatana. Jedenfalls schor er sein Haar, aß drei Tage nicht und schwieg und klagte.

29 Nach Älian V.H. XII, 64 lag er 30 Tage unbestattet, bis der Mantis Aristander von Telmessos demjenigen Lande ewiges Glück weissagte, das ihn besäße. Sein dauerndes Grab fand er bekanntlich in Alexandria, wo ihn Ptolemäos weislich behielt, während er bei Ammon hatte begraben sein wollen.

30 Verdächtig sind besonders die schriftlich vorgefundenen Verfügungen (sogen. ὑπομνήματα), welche Perdikkas nach Alexanders Tode den Kriegern vorgelesen haben soll. Diodor XVIII, 4.

31 Ophellas von Kyrene, ein makedonischer Genosse Alexanders, wollte dann wenigstens, freilich von Agathokles gelockt, Karthago und Lybien überhaupt einnehmen. Diodor XX, 40.

32 Diog. Laert. V, I, 12, 22.

33 Diodor XVII, 52.

34 Strabo XI, p. 517.

35 Eine Deputation aus Nysa, die er empfängt, macht bei Arrian V, I, 5 geltend, daß Dionysos als Vorbild alles Koloniengründens einst nach Besiegung Indiens ἐκ τῶν ἀπομάχων στρατιωτῶν, οἳ δὴ καὶ Βάκχοι αὐτῷ ἦσαν, Nysa gegründet habe zum Andenken an seine Fahrten und Siege auf alle Zeiten, »so wie du Alexandria usw. gegründet hast und noch viele andere Städte gründen wirst«.

36 Diese heißt nach Alexanders hier gestorbenem Leibpferd, das uns doch allermindestens merkwürdiger ist als der Hund des Alkibiades. Specialia über dasselbe gibt Gellius V, 2.

37 Arrian VII, 21, 7 sagt, er hätte dazu genommen ὅσοι τε ἑκόντες καὶ ὅσοι ὑπὸ γήρως ἢ κατὰ πήρωσιν ἀπόλεμοι ἦσαν, letztere also unfreiwillig, wie gewiß in vielen Fällen. Auch wagte er wohl mit griechischen Söldnern, die zum Teil aus dem Heere des Dareios stammen mochten, was er mit Makedoniern nicht würde gewagt haben.

38 De Alex. fort. I, 5.

39 Diodor XVII, 99. XVIII, 7.

40 Über die zivilisatorische Tätigkeit des Königs finden sich die größten Lobeserhebungen in Plutarchs Schrift de Alexandri fortuna I, 5 ff. Plutarch, der sonst (z.B. de adul. 24) sehr scharf gegenüber Alexander ist, erscheint hier als sein beredter Verteidiger. Nachdem er in der (verlorenen) ersten Hälfte einem Gegner das Wort gelassen hat, welcher alles auf das Glück des Königs schob, schreibt er hier alles seiner ἀρετή zu, und zwar jedenfalls mit sehr glänzender Rhetorik, öfter den Alexander selbstredend einführend, voller Antithesen, aufgeworfener Fragen usw. Er führt aus, wie der Sieger die einen die Ehe, die andern den Landbau, die Dritten die Enthaltung vom Elternmord lehrte, wie Kinder der Perser, Susianer und Gedrosier jetzt Tragödien des Sophokles vortragen, Baktra und der Kaukasus die Götter der Hellenen verehren. Glücklicher seien die Unterworfenen als die Freigebliebenen gewesen; denn er habe sie zur Wohlfahrt gezwungen; er habe die Orientalen nicht geringer behandelt als die Griechen, sondern habe geglaubt, als gemeinsamer Zusammenfüger und Versöhner von den Göttern gesandt zu sein, habe ihre Sitten und ihre Lebensart ausgeglichen, das Geblüt durch gegenseitige Ehen gemischt und alle genötigt, die Welt als Vaterland, das Lager als ihre Akropolis, alle Guten als Stammverwandte, alle Bösen als Barbaren zu betrachten. Seine eigene Tracht sei aus der makedonischen und persischen gemischt gewesen; bei längerm Leben würde er die ganze Menschheit zu einem Volke mit einem Gesetz und Recht gemacht haben. So aber blieb sonnenlos derjenige Teil der Welt, welcher ihn nicht sah.

41 Arrian VII, II, 8.

42 Es gab daneben auch eine Ambition, wonach eine Stadt statt vom wahren Gründer von der weiterherr schenden Dynastie gegründet sein sollte. So zerstört Seleukos das von Antigonos gegründete Antigonia am Orontos und baut nach Diodor XX, 47 (offenbar in dessen Nähe) Seleukia; nach Strabo XVI, p. 750 entführt er dagegen die Bewohner nach Antiochia.

43 Strabo XIII, p. 593.

44 Hautpstelle über diese Namengebungen und über die Gründung von Seleukia am Tigris Appian Syr. 47 f.

45 Im Antiochicus, Reiske I, S. 303. Er hatte wohl dieselben Quellen vor sich wie Diodor, Appian u.a.

46 Vgl. über Seleukia den Artikel bei Pauly VI, S. 945 ff. von Cleß.

47 Vgl. Diodor XX, 47.

48 Zu der Voraussetzung oder Fiktion früherer griechischer Elemente in den neuen Städten bietet die ersonnene Vorgeschichte Antiochias bei Libanios ein sprechendes Beispiel, bei dem nur nicht klar ist, wie viel dieser selbst ersonnen, und wie viel er von frühern Lügnern übernommen hat. Danach wäre zuerst an jener Stelle von Argivern, welche unter der Anführung des Triptolemos der Io nachspürten, eine Stadt Ione gegründet worden; zu diesen kamen später Kreter, Kyprier, Eleer unter Herakliden; es zeigten sich bei ihnen auch Semiramis und Kambyses, und die Bewohner taten sich bei der rings umher herrschenden Verderbnis (νόσος, wie Libanios – für die Syrer seiner Zeit sehr obligeant – sagt) durch gute Sitten hervor. Natürlich ist auch Alexanders Besuch ganz ebenso unvermeidlich wie der in Jerusalem; er schlug sein Zelt nahe bei der Quelle auf, die dann auf seine Anordnung in die Form eines Heiligtums gebracht wurde; das kühle, klare, süße Wasser derselben verglich er mit dem Trank von der Mutterbrust und gab ihr den Namen seiner Mutter. Er muß bereits die Gründung der Großstadt beschlossen haben, da er hier einen Ort getroffen hat, der seine Herrlichkeit zu fassen vermag, ja er hat zwischen der Neigung zu »unserer Gegend« und dem Verlangen nach der ganzen übrigen Welt geschwankt. Seleukos bringt schließlich aus dem zerstörten Antigonia auch Athener dahin.

49 Droysen, Hellenismus, Band III2, 1, S. 69. Man beachte z.B., wie Arados im II. Jahrhundert gegenüber den streitenden Seleukiden seinen Vorteil wahrnimmt. Strabo XVI, p. 754.

50 Liban. S. 364 sagt freilich leider nicht, von welchem βασιλεύς. Außer an einen Seleukiden könnte man auch an einen römischen Kaiser denken.

51 Athen. XII, 35, nach Poseidonios.

52 Seneca, consol. ad. Helv. 6: Quid sibi volunt in mediis barbarorum regionibus Graecae urbes? Quid inter Indos Persasque Macedonicus sermo? Eine Einwirkung des Hellenischen auf Indien, jedenfalls auf das Indusland, läßt sich wohl auch da annehmen, wo die griechische Sprache sich nicht behauptet hat. – Über hellenische Städte, die sich unter den Parthern in Medien erhielten, vgl. Strabo XI, p. 524.

53 Das Wort bedeutet eigentlich die Nachahmung griechischer Sitte, Rede usw. durch geborene Nichtgriechen.

54 Nach Renan, Marc Aurèle, S. 442, war es der halbchristliche Gnostiker Bardesanes (um 200 n. Chr.), welcher zuerst die nötige Arbeit auf sich nahm »pour assouplir l'idiome araméen à l'expression d'idées philosophiques«. Ferner verfaßte er, nachdem die syrische Poesie bisher nur den semitischen Parallelismus gehabt, 150 Hymnen z.T. in einem Rhythmus, der den Griechen nachgeahmt war.

55 Strabo XIV, 662. Athen. III, 94. – Ein Werk des alexandrinischen Grammatikers Seleukos περὶ Ἑλληνισμοῦ in mindestens fünf Büchern zitiert Athen. IX, 57.

56 Vgl. Band I, S. 61 ff. 183. 321 f. und über die Mischungen in Sizilien oben S. 271.

57 Strabo XIV, 646.

58 Vgl. Koldewey: Neandria, Winkelmannsprogr. 1891.

59 Strabo IX, p. 436.

60 Diodor XX, 102.

61 Strabo XIII, 593: τὰς κύκλῳ πόλεις ἀρχαίας ἤδη κεκακωμόνας. (»Die kranken Stettlin« würde der Berner Justinger sagen.)

62 Pausan. I, 9, 8.

63 Strabo XIV, p. 640. – Derselbe erwähnt p. 666 ein ähnliches freches Umtaufen einer altberühmten Stadt, indem Ptolemäos Philadelphos das lykische Patara gleichfalls Arsinoe nannte, und auch hier blieb der alte Name herrschend.

64 Pausan. I, 9, 10.

65 Strabo VII, p. 330 fragm. 21.

66 Diodor XIX, 52.

67 Ebenda XIX, 53 und XX, 110.

68 Diodor XIX, 67f.

69 Strabo VII, p. 331 fr. 35.

70 Strabo XII, p. 577 f.

71 Strabo XI, p. 532. XII, p. 539.

72 Das Folgende nach Hitzig, Gesch. des Volkes Israel, S. 302 ff.

73 Das Folgende nach Hitzig, S. 326 ff.

74 Ebenda S. 339 ff.

75 Makk. III, 4-6.

76 Dies nach Cleß bei Pauly VI, S. 208 Anm., wo auch wahrscheinlich gemacht wird, daß die Plut. Arat. 18 und Polyän VI, 5 erwähnten syrischen Brüder in Korinth sowie der Wechsler Aigias in Sikyon Juden waren.

77 Diodor XXXIV, fr. 1. Ein längeres Stück über die jüdische Frühgeschichte, Moses usw. findet sich auch XL, fr. 3.

78 Vgl. Grotefend bei Pauly I, S. 115 8.

79 Diodor XX, 22 ff.

80 Corpus inscr. Graec. 205 8.

81 Vgl. Pausan. VI, 3, 5 bei Gelegenheit des Schicksals von Kaulonia.

82 Polyb. I, 6, 6 sagt bei Anlaß des Pyrrhoskrieges, daß sie sich damals zuerst den übrigen Teilen Italiens zuwandten, um darum nicht wie um fremdes, sondern wie um eigenes, ihnen zugehöriges Land zu kämpfen.

83 Über den Zustand nach Agathokles vgl. Diodor fragm. l. XXII. Über blutige Vorgänge in Syrakus s. auch Polyän V, 37.

84 Die Hauptstellen über ihn Polyb. I, 16 und VII, 8.

85 Diodor XIX, 108.

86 Plut. Galba 1.

87 Man denke an den Typus der Diadochenköpfe im Museo Borbonico und auf Münzen. – Nach Älian V.H. XII, 39 ging z.B. Perdikkas in die Höhle einer Löwin und holte ihre Jungen.

88 Justin XIII, 1.

89 Diodor XVIII, passim, u.a. 60.

90 Justin XV, 4.

91 Vgl. Westermann bei Pauly IV, S. 1303 Nota.

92 Appian, Syr. 56. 64.

93 Nach Pausan. I, 6, 2 zeichnet er sich vor allen Hetären aus, als es gilt, Alexander aus der Gefahr bei den Orydraken zu retten. Nachdem er sich rücksichtslos in Ägypten festgesetzt hat, bewegt er diejenigen, welche den Auftrag hatten, Alexanders Leiche nach dem makedonischen Ägä zu transportieren, sie ihm zu übergeben, und nun erfolgt die Bestattung zunächst in Memphis auf makedonische Weise; erst Philadelphos führt sie dann nach Alexandria. Sollte hier nicht das Recht eines Bruders geltend gemacht worden sein?

94 Bei Diodor passim und besonders XIX, 86 ist er auch der menschlichste und wohlwollendste. Wichtig war er auch als Historiker Alexanders.

95 Justin XIV, 1-4.

96 Ebenda XVII, 1 f. – Über die Riesigkeit und Schwere des achzigjährigen Antigonos vgl. Plut. Demetr. 19.

97 Appian Syr. 68. – Griechisch erscheinen auch gewisse dilettantische Beschäftigungen dieser Fürsten, z.B., daß Attalos Philometor in seinem Palast allerlei Giftpflanzen zog (wovon die barbarische Nuance ist, daß Partherkönige ihre Geschosse selbst schärften und spitzten). Von Demetrios heißt es dann, er habe seine Neigung zu technischen Dingen nicht auf unnützen Zeitvertreib gewandt, wie andere Könige, welche Flöte spielten, malten oder Toreutik trieben, sondern in ihm sei auch das Banausische königlich gewesen, indem es sich auf Schiffbau und Kriegsmaschinen bezog. Plut. Demetr. 20.

98 Plut. Demetr. 2. Diodor XX, 92. Laut Älian V.H. IX, 9 färbte er freilich sein Haar und schminkte sein Gesicht. Über seinen Luxus vgl. auch Athen. IX, 9. Über seinen Kunstrespekt bei Anlaß des Ialysos von Protogenes vgl. Band III, S. 35.

99 Plut. Apophth. reg. s.v. Antig. 3 und 8. Als man die zunehmende Milde seiner spätern Jahre bespricht, sagt er: Früher bedurfte ich der Macht, jetzt aber Ansehens und Wohlwollens. Und als jemand sagt, für Könige sei alles schön und gerecht, antwortet er: Ja, für Barbarenkönige; für uns aber ist nur das Schöne schön und das Gerechte gerecht.

100 Antigonos glaubte auf einen Traum hin den Mithridates töten zu müssen, der mit seinem Sohne zusammen aufgewachsen war; dieser aber warnte den Freund, der darauf floh und so Gründer des pontischen Königshauses wurde.

101 Diodor XIX, 93. Ebenda 100 kritisiert ihn Antigonos zwar wegen des mit den Nabatäern geschlossenen Abkommens, tröstet sich aber mit der zu erhoffenden Einnahme vom Asphalt des Toten Meeres.

102 Diodor XX, 52.

103 Plut. Demetr. 19.

104 Darüber, wie sich seine übrigen Hetären über das Alter der Lamia mokierten, vgl. Plut. Demetr. 27.

105 Nach ebenda 20 und Apophth. reg. s.v. Demetr. ließ er nach seinem Abkommen mit den Rhodiern seine Helepolis dort zum ewigen Andenken an seine kriegerische Größe und ihre Tapferkeit stehen. Doch dürfte er sie wohl eher nicht mehr von der Stelle haben bringen können; denn wenn es wahr ist, daß die Helepolis in zwei Monaten nur einen Weg von zwei Stadien machte (Plut. Demetr. 40), so bildet diese von Demetrios erfundene Maschine eine wahre Ironie gegen ihren blitzschnellen Erfinder.

106 Es geschah, als die Geten den Lysimachos gefangen genommen hatten, weil er in diesem Moment hoffte, Thrakien kapern zu können.

107 Des Demetrios Tochter Stratonike war von Seleukos bald an seinen Sohn Antiochos abgetreten worden.

108 Diodor XIX, 2 erzählt, wie sein durch Verbannung von Rhegion nach dem unter karthagischer Botmäßigkeit stehenden Therma gelangter Vater Karkinos durch ein Orakel vor dem zu erwartenden Kinde gewarnt wird, welches für Karthago und ganz Sizilien Ursache großen Unglücks sein werde. Als das Kind geboren ist, setzt er es darum auf Volksbeschluß aus (diese Aussetzung erfolgt nicht in rein griechischem Sinne, sondern es scheint etwas vom Molochsglauben hineinzuspielen), die Mutter aber weiß es nachts den Wächtern zu entwenden und bringt es bei einem Bruder unter. Nach sieben Jahren läßt sie dann ihren Mann dessen Schönheit und Stärke bewundern und entdeckt ihm darauf den Sachverhalt, worauf er den Knaben erfreut annimmt, aber aus Furcht vor den Karthagern nach Syrakus auswandert; die Mutter aber stiftet ein steinernes Bild des Knaben (offenbar als Ersatz für das unterlassene Menschenopfer) in ein Heiligtum, und an dessen Hüften baut ein Bienenschwarm seine Zellen, was die Zeichendeuter für eine Andeutung von großem künftigem Ruhm erklären.

109 Noch als König hatte er neben goldenen und silbernen immer auch irdene Gefäße auf seiner Tafel.

110 Die Witwe des Ophellas, die Athenerin Eurydike vom Hause des Miltiades, konnte nach Athen gelangen und wurde dort die Gemahlin des Demetrios; vgl. S. 428.

111 Nach Älian V.H. XI, 4 trug er den Myrtenkranz, weil er sich seiner Kahlheit schämte.

112 Diodor XX, 70 erkennt die ganz große Verschuldung des Agathokles im Grunde nur in seinem Benehmen gegen den Freund und Gastfreund Ophellas; am Jahrestage von dessen Tötung habe er Söhne und Lager verloren, und es waren Leute des Ophellas, welche die Söhne töteten; »das soll von uns gesagt sein gegenüber denen, die solche Dinge verachten«, schließt sein Räsonnement.

113 Bei dieser Gelegenheit deutet Diodor (XX, 89) die Negativität seines Wesens an, indem er bemerkt, daß er seine Kraft weniger in der eigentlichen Macht als in der Schwäche der Unterworfenen gesucht und Verbündete (was diese Gefangenen geworden wären) mehr als Feinde gefürchtet habe.

114 Auch dies geschieht mit absoluter Treulosigkeit und Bruch aller Schwüre. Nach Polyän V, 3, 2 läßt er den besiegten Leontinern durch den in ihre Stadt gesandten Deinokrates weismachen, ereifere dem Dionys nach und wollte sie retten, wie jener die von ihm am Flusse Eleporos besiegten Italioten. Als sie ihn darauf einlassen, läßt er durch seine Söldner die Stadt völlig ausmorden. – Ebenda 15 wird die Begnadigung des Megakles von Messana erzählt; sie ist der einzige politisch-gemütliche Zug an Agathokles.

115 Es ist dieselbe, welche hernach, von Pyrrhos geschieden, Demetrios heiratete; vgl. S. 430.

116 Noch Plutarch, Pyrrh. I, zweifelt nicht, daß die Familie echte Neoptolemiden seien, daher werde auch Achill unter dem Namen Aspetos in Epirus göttlich verehrt; zwischenhinein seien freilich diese Molosserkönige, deren man eine ununterbrochene Reihe, von Neoptolem an, kannte, barbarisiert und obskur geworden, bis sie sich von Tharrhypas, dem Urgroßvater des Äakides, des Vaters des Pyrrhos, an wieder hellenischen Sitten und hellenischer Schrift und humanen Gebräuchen angeschlossen hätten.

117 Diodor XIX, 36.

118 Die Flüchtung und Aufnahme des Pyrrhos bei Glaukias wird bei Plut. Pyrrh. 2 f. mit vielem Detail erzählt; doch ist alles erweislich chronologisch ziemlich zusammengeschoben.

119 Pyrrh. 13.

120 Ebenda 8.

121 Zu der Denkart des Kineas wird das Temperament des Pyrrhos in Gegensatz gebracht bei Dio Cass. fragm. libr. prior. 40, 3 und in dem berühmten symbolischen Gespräch bei Plut. Pyrrh. 14, einer Parallele zum Gespräch des Solon und Krösos.

122 Das Gespräch mit Fabricius wird von Niebuhr verworfen. Es wäre aber doch sehr schade um das Wort des Römers bei Plut. Pyrrh. 20: Wenn ich als erster deiner Genossen und Strategen nach dem Frieden bei dir bliebe (wozu Pyrrhos ihn einlädt), so würden deine Leute lieber von mir als von dir beherrscht werden.

123 Plut. Pyrrh. 22.

124 Vgl. oben S. 422.

125 Plut. Pyrrh. 22. Diodor fragm. I. XXII, 21, wonach er mit Herakles geradezu wetteifert.

126 Hierüber umständlich Diodor XXII, fragm. 23.

127 Valer. Max. V, 1.

128 Das Objekt ihrer Herrschaft ist im Grunde die ganze Welt, nicht nur, was Alexander hinterlassen hat, sondern auch seine Projekte. So meint Ophellas ganz ernstlich, obwohl er dem Agathokles nicht viel über 10000 Mann zuführt, er werde sich Karthagos und seines Reichtums bemächtigen. Diodor XX, 40.

129 Diodor XX, 21. 27.

130 Vgl. Cleß bei Pauly VI, S. 193.

131 Diodor XX, III. 37.

132 Darüber, daß am Anfang auch die noch nicht ausgegebenen Schätze Alexanders eine Rolle spielen, vgl. Diodor XVIII, 50; XIX, 48. 56.

133 Justin XIII, 4.

134 Diodor XVIII, 33.

135 Justin XVI, 2: partim caede, partim supplicio, partim parricidio poenas luit.

136 Justin XXIV, 5.

137 Nach Plut. Demetr. 14 hatte das beste Andenken eigentlich Krateros bei ihnen hinterlassen.

138 Demetr. 17 f. – Vgl. auch Diodor XX, 53.

139 Die Titel, welche die Schmeichler des Demetrios diesen andern statt des Königstitels gaben, s. Plut. rei publ. ger. praec. 31.

140 Diodor XIX, 105. Agathokles nannte sich dann auch König, weil er fand, er stehe an Macht, Gebiet und Taten den übrigen nicht nach. Diodor XX, 54.

141 Nach Diodor XIX, 55 ist er wenigstens, da ihm der verfolgte Seleukos entweicht, froh, der Versuchung ihn zu töten ledig zu sein. Aber er ist doch bisweilen schnöde, wo er ohne Einbuße generös sein könnte, z.B. gegen die Leiche des Alketas, wo ihm die Termessier eine gute Lektion geben. Diodor XVIII, 47. Und sein letztes Verhalten gegen Eumenes ist eben doch schmählich, wenn schon mit einiger Rührung verbrämt. Ebenda XIX, 44.

142 Plut. Demetr. 5. 17. 32. 47 ff. Justin XV, 2 sagt bei Anlaß der in Zypern von Demetrios bewiesenen Großmut: tanto honestius tunc bella gerebantur quam nunc amicitiae coluntur.

143 Strabo VII, 3, p. 302 Diodor XXI fr. 20 ff.

144 Nach Polyb a.a.O. wurde dieses System dann von Ptolemäos Philopator an erschüttert. Übrigens wollten noch Philipp III. von Makedonien und Antiochos der Große das ptolemäische Reich geradezu teilen, und dies ohne einen Tyrannenvorwand, sondern offen und roh, mit Wegschaffung des Ptolemäos Epiphanes. Polyb XV, 20.

145 Euthydemos, von Geburt ein Magnesier und von Antiochos bekriegt, ließ diesem sagen, er möge ihm den Königstitel nicht mißgönnen; schon warteten auf den Fall ihres Weiterkämpfens viele Nomaden, durch welche dann das Land zum Barbarenland würde gemacht werden. Darauf schließt Antiochos Vertrag und Freundschaft mit ihm. Polyb X, 49. XI, 34.

146 Z.B. Achäos als Statthalter Kleinasiens von Antiochos III. Polyb VIII, 17-23.

147 Vgl. das Räsonnement bei Plut. Demetr. 3.

148 Plut. de frat. am. 3. Andere Züge der brüderlichen Treue in diesem Hause ebenda 18.

149 Wir erinnern nur an die Verheiratung des Astyages mit der lydischen Aryenis beim Friedensschlusse zwischen Kyaxares und Alyattes.

150 Vgl. oben S. 444.

151 Justin XIII, 6. Nach einer andern Version bei Diodor XVIII, 23 war er mit Antipaters Tochter Nikäa schon verheiratet und wollte sie um der Kleopatra willen verstoßen.

152 Vgl. Cleß bei Pauly VI, 190.

153 Vgl. Westermann bei Pauly IV, 1308.

154 Plut. Demetr. 31. 38, der in der weichlichen Geschichte sehr ausführlich ist.

155 Diodor XVI, 36; ja laut Strabo XIV, 2, p. 656 hatte auch der jüngere Bruder Idrieus eine zweite Schwester, Ada, zur Gemahlin. – Übrigens war auch Parysatis die Schwester-Gemahlin des zweiten Dareios gewesen. Beide waren Kinder des Artaxerxes Longimanus.

156 Antiochos II. Theos heiratet seine Schwester Laodike. Polyän VIII, 50. Über die Geschwisterehe überhaupt vgl. Cleß bei Pauly VI, 193.

157 Plut. Demetr. 38.

158 Diodor XIX, 51.

159 Appian Syr. 61.

160 Anderer Ansicht ist Cleß bei Pauly VI, S. 231, dem hier mehreres entnommen ist.

161 Über die Tracht der Diadochen selbst erfahren wir aus Plut. Anton. 54, daß sie aus Soldatenschuhen (κρηπῖδες), Chlamys und bindengeschmücktem, makedonischem Hut (καυσία διαδηματοφόρος) bestand.

162 Es scheint z.B. über Ausstattung und Prinzentum jüngerer Söhne und Brüder des Königs gar kein Usus bestanden zu haben. Die drei jüngern Söhne des großen Attalos blieben Privatleute, während Eumenes als der Älteste König war. Strabo XIII, 4, p. 624.

163 Polyb V, 40-56.

164 Polyb VIII, 25.

165 Ebenda 22 f.

166 Polyb V, 54.

167 Wie Diadochen es auch selbst gegen andere Diadochen spielen lassen, lehrt Plut. Arat. 15, wonach Antigonos Gonatas an einem feierlichen Gastmahl öffentlich von Aratos sagt, dieser habe bisher den ägyptischen Reichtum (d.h. den Ptolemäos Philadelphos), bewundert, indem er von Elephanten und Heeresmassen und Hofleben hörte, seit seiner Reise nach Ägypten aber, da er die dortigen Dinge aus der Nähe gesehen, wisse er, daß alles Theaterdekoration und Schauspielerei sei, und gehe daher zu ihm über.

168 Athen. XIV. 6.

169 Ebenda 13.

170 Strabo XIV, 1, p. 647.

171 Athen. VI, 44 f.

172 Nik. Damask. fr. 78. 88.

173 Vgl. oben S. 443 Anm. 128.

174 Vgl. Cleß bei Pauly VI, S. 191. Mommsen, Röm. Gesch. V, S. 560 sagt: »Wenn es der Zweck des Staates ist, den möglichst großen Betrag aus dem Gebiet herauszuwirtschaften, so sind in der alten Welt die Lagiden die Meister der Staatskunst schlechthin gewesen.«

175 Das Wort bedeutet den Stab; es heißt so aber auch eine Reiterabteilung, und zwar selbst noch im Heere des Antigonos in der Schlacht bei Gaza eine von 800 Mann. Diodor XIX, 82.

176 Diodor XIX, 80.

177 Justin XIII, 3.

178 Justin XIV, 2.

179 Diodor XIX, 48. Laut Polyän IV, 6, 15 werden sie wenigstens in lauter Winkelgarnisonen verteilt.

180 Diodor XX, 40.

181 Justin XIII, 6.

182 Diodor XIX, 91.

183 Polyän IV, 6. 18.

184 Justin XXV, 2.

185 Polyän IV, 6, 17.

186 Polyän IV, 9, 3.

187 Diodor XX, 53. 103. Etwas Besonders ist dann, wie die Makedonier in ihrem Heimatland zu ihm und von ihm (und andern) abfielen.

188 Diodor XIX, 87.

189 Polyän IV, 12, 1.

190 Pausan. I, 7, 2.

191 Polyän V, 19.

192 Diodor XX, 40.

193 Diodor XIX, 57 (πυρσοί, βιβλιαφόροι).

194 Vgl. oben S. 428.

195 Vgl. Diodor XX, 48, über seine Geschoß- und Steinschleudermaschinen und die erste Helepolis, welche 45 Ellen im Quadrat hatte und 90 Ellen hoch war, während die zweite (ebenda 91) bei 100 Ellen Höhe 50 Ellen im Quadratmaß; ebenda 85 seine auf Fahrzeugen angebrachten χελῶναι und πύργοι. Archimedes, der mit einem Schuß viele Geschosse entsandte, hieß bei seinen Gegnern ἑκατόγχειρ. Eustath. II. p. 123.

196 Ohne Zweifel nach einem alten Räsonnement heißt es bei Älian V.H. III, 16, Demetrios habe mit Gewalttätigkeit und Egoismus und Ungerechtigkeit durch Belagerungsmaschinen und Erschüttern und Untergraben der Mauern die Städte genommen, während Timotheos sie gewann, indem er sie überredete und belehrte, daß es nützlicher sei, den Athenern zu gehorchen.

197 Bei diesem kommen auch schon verschlossene Ordres an Schiffskapitäne vor, welche erst in einem bestimmten Moment eröffnet werden sollen. Polyän V, 2, 11 (12).

198 Wieviele Rudersklaven muß Demetrios gehabt haben, um 40000 Soldaten zu Schiffe vor Rhodos zu bringen? Diodor XX, 82.

199 Über Phönikien vgl. Diodor XIX, 58 bei Gelegenheit vom Flottenbau des Antigonos.

200 Diodor XX, 73.

201 Diodor XX, 113.

202 Plut. Demetr. 25.

203 Vgl. Cleß bei Pauly VI, S. 198.

204 Lukian, Zeuxis 8-11. Suidas s.v. Simonides von Magnesia.

205 Älian, hist. anim. IX, 58; in diesem Werke findet sich passim überhaupt manches über die Elefanten.

206 Polyb V, 63 ff. Vgl. Cleß bei Pauly VI, S. 213. 216.

207 Nach Polyb V, 36 hatte Philopator 3000 Peloponnesier, 1000 Kreter, aber auch (ausgehobene?) Syrer und Karer.

208 Vgl. Cleß a.a.O.S. 230 f. Noch zur Zeit des Antonius ist übrigens die Rede von einer φυλακὴ Μακεδόνων neben einer φ. Ἀρμενίων. Waren es aber noch echte, etwa durch Züchtung perpetuierte Makedonier? Plut. Ant. 54. Im übrigen heißen in der spätesten Zeit (Josephus) die Leibwachen der Diadochen überhaupt Makedonier.

209 Polyb V, 2. Ausführlich verbreitet er sich XVIII, 29 (12) ff. über Vorzüge und Nachteile der Phalanx gegenüber der römischen Taktik.

210 Vgl. Cleß bei Pauly VI, S. 935. – Sind übrigens die 20000 Makedonier in der Pompa des Antiochos Epiphanes noch wörtlich zu nehmen? So viele kann der späte Seleukide doch nicht mehr gehabt haben. – Die vollständige Aufzählung eines seleukidischen Heeres nach Völkern und Waffengattungen gibt Polyb V, 79 vor der Schlacht bei Raphia.

211 Strabo XVI, 2, p. 752.

212 Dies wird schon aus der vielleicht nur fingierten Rede Hannibals XXXVI, 7, 16 sehr deutlich. Als Antiochos sich dann in Chalkis nach der Hochzeit mit der Chalkidierin dem Schwelgen ergibt, waltet bei allen seinen Offizieren, besonders in Böotien, und natürlich dann auch bei deren Mannschaften das nämliche Wohlleben, ohne Übungen und ohne Wachen. Im Frühling beim Zusammenziehen um Chäronea merkt man sofort die Folgen davon (11). Später(17) braucht Glabrio den Ausdruck: hic Syri et Asiatici Graeci sunt, vilissima genera hominum et servituti nata. – Übrigens war schon bei den Heeren Alexanders das gewaltige Beutegepäck eigentümlich, das man aus all den Kriegen mit sich hatte, sowie die vielen Frauen, Kebsweiber und Sklaven nebst Gold und Silber. Die Argyraspiden, von denen Polyän IV, 6, 13 dies berichtet, waren gewiß nicht das einzige Regiment, das solches mitschleppte.

213 Plut. Philop. 4. 9. 11.

214 Man sehe auch die Rolle der Soldaten in Lukians dial. meretr. 13. 15.

215 Es pflegt bei Arrian zu heißen: ϑύει κατὰ νόμον oder ὅσα οἱ νόμος oder ὡς νόμος αὐτῷ oder τὰ νομιζόμενα z.B. ἐπινίκια.

216 Schon als Knabe geht er bei Opfern mit dem Weihrauch sehr verschwenderisch um. Plut. reg. apophth. s.v. Alex. 4. – Darüber, wie er sich bei seiner Mutter nach einem opferkundigen Koch erkundigt, vgl. oben S. 397 Anm. 4. – Hie und da forciert er auch den Ungehorsam gegen Aristander und muß dann irgendwie büßen.

217 In dem Tempel der Athene Ilias legt er seine eigene Rüstung nieder und nimmt dafür heilige Waffen der Urzeit heraus, die ihm später in die Schlachten vorangetragen werden. Arrian I, 11. 7 f.

218 Arrian V, 2, 5 ff.

219 Vgl. oben S. 408 f.

220 Arrian VII, 20, 1.

221 Arrian VII, 14, 7. Nach einer Version hätte er auch wegen göttlicher Verehrung Hephästions angefragt.

222 Darüber, wie es im Sinne einer frühen Göttermischung gewissermaßen lange vor Alexander einen Hellenismus gab, vgl. Preller, Gr. Myth. I, S. 212.

223 Tacit. hist. IV, 83. Plut. de Iside et Osiride 28, Macrob. Sat. 1, 7. – Einen Serapistempel traf schon Alexander in Babylon. Arrian VII, 26, 2. – Man fragt sich, ob Serapis vielleicht in alter Zeit nach Sinope aus Ägypten gelangt sei, und ob man am Ende dabei an die behauptete Verwandtschaft zwischen Kolchiern und Ägyptern denken solle.

224 Nach Macrob kamen alle Serapistempel Ägyptens außerhalb des eigentlichen Stadtbezirks zu stehen, weil nur hier Tieropfer dargebracht wurden.

225 Plut. Anton. 27, nach welcher Stelle sie teilweise auch das μακεδονίζειν aufgegeben hatten, das freilich keinen Zweck mehr hatte, wenn ihre Garden keine wirklichen Makedonier mehr waren.

226 In Bildwerken huldigen spätere Ptolemäer auch den frühern, z.B. Epiphanes dem Philadelphos. Vgl. Cleß bei Pauly (dem hier überhaupt mehreres entnommen ist) VI, 201 Anm. Eine Fortsetzung des Hephästionkultus ist es, wenn eine ptolemäische Geliebte, Belistiche, in Alexandria von Ptolemäos Philadelphos Heiligtümer mit der Aufschrift »der Aphrodite Belistiche« erhielt. Zuletzt trat Kleopatra zu Tarsos als Aphrodite und zu Alexandria als »neue Isis« in der Tracht der Göttin öffentlich auf. Plut. Ant. 26. 54.

227 Letzteres geschah nach Athen. XV, 52 dem ersten Ptolemäos zu Ehren wenigstens in Rhodos. – Sonst kannte man noch Päane auf Krateros sowie auf Antigonos und Demetrios, nachdem Lysander hierin vorangegangen war. Eine derbe Rede des Antigonos, als man ihn Sohn des Helios nennt, s. Plut. reg. apophth. Antig. 7.

228 Matter, Essai historique sur l'école d'Alexandrie I, 59.

229 Nach Suidas, s.v. Charon Naukrat. lohnte sich sogar ein liber pontificalis. Charon von Naukratios schrieb ein Buch über die Priester in Alexandria und Ägypten, ihre Sukzession und ihre Taten.

230 Über die aus Zypern dorthin entführten Götter vgl. Band II, S. 145 f. – Was die Isis betrifft, so bewegt sie den Seleukos durch Träume, sie aus Memphis kommen zu lassen, und den damaligen Ptolemäos, sie bereitwillig herzugeben. Das Bild kommt zu Schiffe, und nun ist nach Libanios (p. 308) die Stadt eine Herberge der Götter, so daß sie, wenn sie wollte, auch mit Olymp wetteifern könnte; denn der dortige Aufenthalt der Götter ist Dichtersage, während, was hier beisammen ist, wo Tempel an Tempel steht, die Augen überzeugt. – Zum Beweis der Vorliebe der Götter für Antiochia dient (p. 306 ff.) die Geschichte einer wunderschönen Artemis, die ein zu Besuche gekommener Ptolemäer sich von einem Seleukiden nach Ägypten mitgeben ließ. Artemis bekam daselbst Heimweh, plagte die ägyptische Königin mit Krankheit und offenbarte den Grund durch Träume, worauf das Bild zurückgesandt wurde und fortan im Tempel zu Antiochia Ἄρτεμις Ἐλευσινία hieß. Auch ein von den Römern mitgenommener Zeus Kasios erzwang sich später durch Blitze die Zurückbringung. »So ortsliebend sind unsere Götter, so begierig die fremden Götter, die unsern zu werden.« – Über die Tychen seleukidischer Städte und deren Kultus vgl. Band I, S. 68.

231 Appian Syr. 63. Nach ebenda 64 waren auch des Lysimachos Gebeine zu Lysimachia in einem Heiligtum begraben, welches Lysimacheion hieß.

232 Appian, Syr. 58.

233 Zur Zeit des Philadelphos ließ sich auch der Äthiopenkönig Ergamenes von Meroe, da er Anteil an griechischer Erziehung und Philosophie hatte, nicht mehr gefallen, daß ihm die Priester beliebig den Selbstmord befahlen, sondern ließ seinerseits die Priester in dem Heiligtume töten, hob jene Ordnung auf und regierte nun frei. Diod. VI, 3.

234 Band II, S. 284 ff.

235 Konon 8.

236 Älian nat. anim. XII, 30.

237 Nonn. II, 21.

238 Diodor XX, 79.

239 Polyän IV, 2, 19.

240 Nach einer hübschen Plut. Phok. 22 mitgeteilten Anekdote wollte Demades die Nachricht nicht glauben, weil sonst die ganze Welt nach dem Toten riechen würde. Phokion aber suchte die Menge mit der Erwägung zu beruhigen, wenn Alexander heute tot sei, so werde er es auch morgen und übermorgen sein, man habe also Zeit, sich zu besinnen.

241 Diodor XVIII, 10. Darüber, daß der athenische Hochmut damals sofort auch wieder die Hegemonie erstrebte, vgl. Plut. apophth. reg. s.v. Phok. 12.

242 Plut. X orat vit. s.v. Demosthenes.

243 Plut. Phok. 30. Diodor XVIII, 48. Nach Plut. Phok. 1 führte Demades, wie er sagte, seine Politik mit den Wracken des Staats, war aber deren selbst eines.

244 Bei Diodor XVIII, 55 kommt schon für diese Verfassungsänderung der Ausdruck ἐλευϑεροῦν vor. Vgl. ebenda 56 den pompösen Brief der Schattenkönige an die Hellenen.

245 Vgl. oben S. 394. Diodor XVIII, 65 ff. Aus Plut. Phok. 33 ff. tragen wir Folgendes nach: Polysperchon empfängt Phokion und seine Freunde, die ihn zur gleichen Zeit mit ihren athenischen Anklägern in einem phokischen Dorfe getroffen haben, vor dem goldenen Baldachin, unter welchem König Philipp, Aridäos und dessen Freunde sitzen. Den einen von ihnen läßt er sogleich foltern und hinrichten; dann gibt er den Athenern das Wort, die nun aber, indem sie einander verklagten, solchen Lärm und Geschrei machten, daß einer von ihnen selbst sagte: »Steckt uns alle in eine Marderfalle und sendet uns den Athenern, damit wir uns dort verantworten.« Der König lachte; aber die umstehenden Makedonier und Fremden, welche Muße hatten (und offenbar das ihnen ungewohnte attische Reden zu hören wünschten), winkten den Gesandten, ihre Anklage gleich hier vorzubringen; es war indes keine Unparteilichkeit vorhanden, und Phokion mußte sich unter andern Roheiten zahlreiche Unterbrechungen durch Polysperchon gefallen lassen. Schließlich werden er und seine Begleiter nach Athen zum »Gericht«, d.h. tatsächlich zum Sterben geführt. Auf Wagen bringt man sie durch den Kerameikos ins Theater, wo sich eine Versammlung zusammenfindet, in der Sklaven, Fremde und Atimen, ja selbst Weiber sind. Als jemand gegen deren Anwesenheit protestiert, schreit die Masse, man solle die Oligarchen und Volksfeinde mit Steinen totwerfen; dann findet, indes die Anständigen ihr Gesicht verhüllen, die Verurteilung von fünf Anwesenden und drei Abwesenden zum Tode in größter Unordung statt. Noch auf dem Gang zum Kerker wird Phokion geschmäht und angespuckt; im Kerker selbst ist dann nicht genug Schierling vorhanden und Phokion muß den seinen noch zahlen. Roherweise ist es der Tag einer Prozession der Ritter zu Ehren des Zeus. Von diesen nahmen doch einige die Kränze ab, und andere blickten weinend nach der Kerkerpforte. Die Leiche wird dann über die Grenze geschafft, und kein Athener soll zu deren Bestattung Feuer anzünden; später aber kommt dann die Reue; man bestraft die Ankläger, setzt Phokion eine Erzstatue und gedenkt wieder des Sokrates.

246 Strabo IX, 1, p. 398.

247 Vgl. oben S. 415 f. – Die Athener gönnten sich bei dieser Herstellung die wohlfeile Demonstration, bekränzt zu gehen. – Dasselbe Theben, welches dem Kassander sein neues Dasein verdankt, läßt sich dann freilich bald darauf durch einen Feldherrn des Antigonos »befreien«, welcher die Kadmea nimmt und Kassanders Garnison vertreibt. Diodor XIX, 78.

248 Diodor XIX, 61 f.

249 Ebenda 63.

250 Ebenda 66.

251 Auch Kratesipolis, die Witwe von Polysperchons durch falsche Freunde ermordetem Sohne, die sich in Sikyon behauptete und von Diodor (ebenda 67) als mater castrorum geschildert wird, ließ einhauen, als die Bürger für die Freiheit in Waffen zusammenliefen. Dabei kamen viele um, und etwa dreißig ließ sie kreuzigen.

252 Diodor XIX, 74.

253 Vgl. oben S. 428. Diodor XX, 45. 100. 102. 103. Nach 110 hat Demetrios (302) im Kriege gegen Kassander 25000 Mann aus den hellenischen Städten, d.h. natürlich deren Soldtruppen. Es ist mehr als die Hälfte seines Fußvolkes.

254 Diodor ebenda 111.

255 Plut. Demetr. 8.

256 Plut. Arat. 17. – Später sagt Demetrios von Pharos dem jüngern Philipp in bezug auf makedonische Herrschaft über den Peloponnes: »An den Hörnern wirst du den Stier niederhalten.« Die beiden Hörner waren Akrokorinth und Ithome. Strabo VIII, 4, p. 361.

257 Polyb V, 88 ff. – Man möge auch die Jalousie des Königs von Bithynien gegen Attalos wegen größerer Deferenz der Byzantier beachten. Polyb IV, 49.

258 Anatheme, »welche einst die Galater unter Brennus aus Delphi raubten«. sollen sich später im gallischen Tolosa gefunden haben. Dio Cass. fragm. libr. prior. 97. Was weiter damit vorging, s. Justin XXXII, 3.

259 Diodor fragm. l. XXII. Pausan. X, 19, 4-23, wonach in der Thermopylenschlacht nur 40 Mann gefallen wären.

260 Diodor XVIII, 11, wo von kleinen nördlichen Völkerschaften, die sich dabei beteiligten, die Ötäer, Melier, Dorer, Lokrer, Phoker, Änianen, Doloper, Athamanen und ein Teil der Molotter genannt werden.

261 Diodor XIX, 24 f. 38.

262 Diodor XIX, 24 f. 38.

263 Ebenda 67 f. 74.

264 Vgl. oben S. 430.

265 Vgl. auch, was Thukyd. III, 94 von der unverständlichen Sprache und den rohen Sitten ätolischer Stämme sagt.

266 Bei Einnahme des achäischen Pellene 241 lösten sie sich sogleich in wilden Beutehader auf; ihre Offiziere nahmen gleich die Weiber und Töchter der Pellenäer als Raub; jeder setzte der Geraubten seinen Helm auf, um sie als sein Beutestück zu bezeichnen, bis Aratos über sie kam, 700 tötete und die andern fortjagte. Wenn dann dieser bald darauf Frieden und Bündnis mit ihnen schließt, so hält es nicht lange. Plut. Arat. 31. 33.

267 Polyb V, 9. – Die Ätoler hatten das Poseidonion auf Tänaron, das Artemision in Lusoi, das Heräon zu Argos und das Poseidonion zu Mantinea geplündert. Von Stiftungen derselben kennen wir die Statue des Kylon und die des Olidas in Olympia. Paus. VI, 14, 4. 15, 2. Beides waren Elier, und die Ätoler fühlten sich wohl als alte Verwandte von diesen.

268 Justin XXVIII, 2. Der Umstand, daß sie in derselben allerlei aus der bisherigen römischen Geschichte wissen, läßt vermuten, daß sie Literaten bei sich hatten.

269 Polyb XXX, 11.

270 Bei Athen. VI, 63.

271 Vgl. die Erzählung Pausan. IV, 35, 4, wie sie in dem messenischen Mothon durch scheinbaren Kauf von Wein Männer und Frauen auf ihre Schiffe locken und mit ihnen davonfahren. Fabelhafte Vorstellungen von ihnen berichtet Gellius IX, 4.

272 Über Sizilien vgl. oben S. 421 f. und 431 ff. Über die sonstige Tyrannis vgl. Band I, S. 196 ff. Zu der dort S. 199 Anm. 424 angeführten Tyrannis von Kibyra vgl. auch Polyb XXI, 34, wo dargestellt wird, wie der dortige grausame Tyrann Moagetes dem Cn. Manlius Vulso bei dessen Galaterzuge in elendem Aufzug entgegenkommt und seine Mittellosigkeit beklagt, worauf schließlich die römische Brandschatzung von 500 Talenten auf 100 und 10000 Medimnen Weizen reduziert wird.

273 Vgl. oben S. 282. Vereinzelte Fälle sind es, wenn man von einer der Gemahlinnen des Demetrios, der Witwe des Ophellas von Kyrene, noch wußte, daß sie von Miltiades abstamme, oder wenn sich Plut. Alk. 32) der Geschichtsschreiber Duris von Samos für einen Abkömmling des Alkibiades ausgab. Noch zur Zeit des Plutarch (Themist. 32) kommt dann Themistokles, der Athener, vor, ein guter Freund Plutarchs und Schulgenosse desselben bei Ammonios. Dieser genoß in Magnesia noch die Ehren, welche diese Stadt den Abkömmlingen des großen Themistokles fortdauernd gewährte. Es mag mit ihnen etwa gewesen sein wie mit den Abkömmlingen des Propheten, oder es konnte sich auch einer melden, wenn er den betreffenden Namen trug.

274 Plut. Demetr. 10 ff. Diodor XX, 46.

275 Plut. Demetr. 23 ff. Athen. VI, 62 ff., wo erwähnt wird, daß auch in Theben ein Tempel der Aphrodite Lamia gebaut wurde.

276 Vgl. oben S. 480.

277 Athen. VI, 66. Auch durfte sich Themison, ein Liebling des Antiochos, bei den großen griechischen Festen, als Herakles kostümiert, vergöttern lassen. Athen. VII, 35.

278 Die von ihm besetzten Hafenstädte erhielt die Stadt (229) doch endlich wieder.

279 Z.B. die vorzügliche Rede des Agelaos von Naupaktos, worin die Aussichten der Griechen während des zweiten Panischen Krieges mit unerbittlicher Objektivität beleuchtet sind, bei Polyb V, 104.

280 Cic. orat. 27, 92, de orat. II, 23, 95 Quint. X, 1, 80 nennt ihn ultimus fere ex Atticis, qui dici possit orator.

281 Dion. Hal. XIX, 5.

282 Pro Flacco 7, 16 f.

283 Axioch. p. 368 c. ff.

284 Paus. II, 21, 5.

285 Vgl. Band I, S. 129 ff. und oben S. 284. Über den ersten Akrotatos und über Kleonymos s. oben S. 434 und 271. Über den Tod des Kleomenes vgl. Band II, S. 391 f.

286 Plut. Kleom. 16.

287 Vgl. über diese Befreiung Band I, S. 200. Die damaligen peloponnesischen Zustände erinnern an die, welche später im II. Jahrhundert den Athenern den Beutezug gegen Oropos erlaubten.

288 Arat. 24, woselbst angeführt wird, daß die römische Auffassung erst Philopömen als den letzten der großen Griechen proklamierte.

289 Von Lydiades von Megalopolis freilich wird Paus. VIII, 27, 9 f. berichtet, daß er an den Bund abdizierte, als er die Herrschaft noch ganz sicher besaß. Dies wird ihm wohl dadurch erleichtert worden sein, daß er noch keine Bluttat begangen hatte. Er wurde später von den Achäern sogar zum Strategen gewählt, konnte es aber mit Aratos nicht immer gut. Zuletzt konnte er an den Toren seines wieder von den Spartanern angegriffenen Megalopolis eines glorreichen Todes sterben. Vgl. über ihn auch Plut. Arat. 30. 35. 37, Kleom. 6. – Was Aristomachos von Argos betrifft, so ist er der Nachfolger des Aristipp, den Aratos nicht vergeblich aus Argos zu vertreiben versucht hatte. Vgl. Band I, S. 200. Als Aratos ihn zum Versprechen der Abdikation und des Eintrittes in den Bund gebracht hatte, erbat er sich 50 Talente zur Auslohnung seiner Söldner. Auch er wurde Bundesstratege; doch wurde er später von Aratos aufgegeben und in Kenchreä (durch wen?) gesetzlos gefoltert und ertränkt; dem Aratos zog es übeln Ruf zu, daß er dies Verfahren gegen den nicht schlechten Mann geduldet hatte. Plut. Arat. 35. 44.

290 Vgl. die Erörterung Polybs XI, 13 bei Gelegenheit der zweiten Schlacht bei Mantinea, wo Philopömen mit höchst bunten Söldnern über die des Machanidas siegte.

291 Nach Strabo VIII, 7, 3, p. 385 machte er die befreiten Bürger der bisher von Tyrannen beherrschten Städte zu »Achäern«.

292 Darüber, wie leicht und liederlich Athen, je nachdem ein kräftiger makedonischer König lebte oder starb, seine Entschlüsse wechselte, vgl. Plut. Arat. 34.

293 Pausan. II, 8 f. Plut. Arat. 40.

294 Über die falsche Stellung, in der sich Aratos hierauf gegenüber dem bisher immer bekämpften Antigonos befand, vgl. Plut. Arat. 43. Plutarch nimmt übrigens ebenda 38 gegen die Herbeirufung der Makedonier offenbar Partei. Er erzählt, man tadle Aratos, daß er im Sturm das Steuer an andere Hände gab; wenn er am Siege verzweifelte, so hätte er Kleomenes weichen und den Peloponnes nicht wieder der Barbarei makedonischer Besatzungen und ihrer illyrischen und keltischen Söldner überlassen sollen. – Darüber, daß er noch kurz vorher jährlich sechs Talente von Ägypten erhielt, vgl. ebenda 41. Kleomenes hätte ihm zwölf Talente gegeben, wenn er ihn hätte Strategen des Bundes werden lassen.

295 Von Argos heißt es Plut. Kleom. 20, es sei deshalb möglich gewesen, es von Kleomenes wieder abtrünnig zu machen, weil dieser die Hoffnung auf Schuldentilgung nicht befriedigt hatte.

296 Schon nach einer frühern Einnahme hatte sich Aratos, um einen Anhang zu haben, erlaubt, die Metöken hier zu Bürgern zu erklären, wie Kleomenes in Sparta tat. Ebenda 36.

297 Philop. 8.

298 Vgl. über Machanidas und Nabis Band I, S. 134 ff.

299 Paus. X, 20 ff. Zwischen allen Ruhmredigkeiten fallen in der Thermopylenschlacht (21, 4) nur 40 Griechen. Man denke ferner an die famose Stelle (23, 5 ff.) vom panischen Schrecken, wobei die Gallier einander an Sprache und Gestalt nicht mehr kennen und einander zernichten, so daß schließlich keiner davon kommt.

300 Band II, S. 389.

301 Diese Zutaten kommen vielleicht auf die Rechnung des Rhianos, der seine Messeniaka in der zweiten Hälfte des III. Jahrhunderts dichtete.

302 Vgl. oben S. 346.

303 Plut. Arat. 3. 19. 44. 53. Zu seiner Bestattung vgl. Band II, S. 216.

304 Über ihn neben Plutarch und Polyb besonders Pausan. VIII, 49 ff.

305 Vgl. oben S. 462.

306 Philop. 1. Ähnlich Pausan. VIII. 52, 1.

307 Man vgl. außer den Befreiungen von Sikyon und Korinth in Plutarchs Aratos die umständliche Beschreibung, wie Tarent von den Römern zu Hannibal abfällt, ganz als ob es kein Rom mehr gäbe, das unter andern Umständen dergleichen strafen könnte, bei Polyb VIII, 26-33, und denke überhaupt an die weitläufige Literatur der Strategemata.

308 Polyb IV, 17.

309 Polyb VIII, 19.

310 Polyb IV, 53 ff.

311 Polyb VII, 10 ff. Plut. Arat. 49.

312 Polyb XV, 21, 7: ›ὅταν τις προτείνῃ τὴν ἐλπίδα τῆς ἐξ ἀλλήλων ἐπανορϑώσεως‹.

313 Vgl. oben S. 491 f.

314 Über die böotischen Dinge vgl. Polyb XX, 4 ff. und XXII, 4. Über die Unternehmung gegen Megara s. auch Plut. Philop. 12, Pausan. VIII, 50, 4. – Zitate aus Komikern über das böotische Schlemmen bietet Athen. X, 11. Hier findet sich auch das Diktum, die Böotier sprächen nichts anderes, als was die Krüge sprechen würden, wenn sie Sprache bekämen, nämlich, wie viel jeder fasse.

315 Diodor XVIII, 51 f.

316 Polyb IV, 45 ff. Vgl. Preller bei Pauly II, S. 599. – Über den frühern Ruf von Byzanz vgl. oben S. 78 f.

317 Hieraus ist deutlich zu ersehen, daß das Vergöttern von Mächtigen nicht gar zu hoch aufzunehmen ist, indem eine Bürgerschaft von der höchsten Achtbarkeit sich nicht davor scheute. Vgl. auch oben S. 466 Anm. 227.

318 Nach Strabo XIV, 2, 5, p. 653 konnten hier Geheimnisse wirklich gewahrt werden. In den Arsenalen war einiges den vielen entzogen, und wenn jemand es erspähte oder hineingeriet, stand der Tod darauf. Vgl. über die »durch einen oligarchischen Anflug« gemäßigte Verfassung Westermann bei Pauly VI, S. 489.

319 Polyb XVI, 14. 17.

320 Von Hieron erhielt man 75 Talente Silbers »für die Ölspende im Gymnasion«, silberne Becken und Urnen und zehn Talente »für Opfer«, zehn für Unterstützung der Bürger, dazu Atelie für die nach Sizilien fahrenden Rhodier und 50 Katapulten, von Ptolemäos Euergetes 300 Silbertalente, ferner Getreide, Schiffbauholz, Werch, Linnen zu Segeln, 1000 Talente gemünztes Erz, eine sehr große Summe für Herstellung des Kolosses, 100 Bauleute, 350 Gehilfen derselben usw., von Antigonos Doson Bauholz, Eisen, Pech, 100 Silbertalente und außerdem von seiner Gattin Chryseis Getreide und Blei, von Seleukos II. Kallinikos Atelie für die in sein Reich fahrenden Rhodier, 10 armierte Penteren, Getreide, Holz, Harz und Wolle, ähnliche Gaben von Prusias, Mithridates und den asiatischen Dynasten Lysanias, Olympichos und Limnäos. Die Städte aber, welche, jede nach ihren Kräften, Rhodos unterstützten, könnte kaum jemand aufzählen. Polyb V, 88 ff.

321 Polyb, XV, 23. XVI, 9.

322 Plut. Philiop. 18 vergleicht den Zustand mit dem, da mit der körperlichen Kraft zugleich auch die Stärke der Empfindung für ein physisches Leiden abnimmt.

323 Polyb XVIII, 34 (17). Vgl. auch Band II, S. 329. Nach XXI, 26, 9, war der reichste Mann von ganz Hellas der Ätoler Alexander, der dabei ein Geizhals war.

324 Plut. Philop. 21.

325 Polyb XXIII, 4.

326 Polyb XXVIII, 9.

327 Polyb XXV, 3.

328 Diodor XXIX, 36. Vgl. Mommsen, Röm. Gesch.7 I, S. 760.

329 Strabo X, 4, 9 f., p. 477 führt aus, wie Kreta, das früher durch seine guten Gesetze ein Muster für andere war, sich ins schlimmste änderte, indem die Kreter (nach den Tyrrhenern) das Seeräubertum übernahmen, bis auch ihre Insel in der Folge durch die Kilikier verwüstet wurde und endlich die Römer alles nahmen. Bevor dies geschah, gab es hier eine Menge Söldnervolk, mit dem auch die Seeräuberflotten bemannt wurden.

330 Polyb XXVIII, 14. Diodor XXX, 17, welcher wieder findet, daß diese Handlungsweise den Ἑλληνικα νόμιμα völlig widersprochen habe, während sie doch im Gegenteil nur allzu griechisch ist.

331 Nach Dio Cass. fragm. libr. prior. 65, 3 wurde er auf Samothrake, wohin er sich geflüchtet hatte, aufgefordert, seinen Haupthelfer, Euandros, auszuliefern, weigerte sich aber dessen, damit dieser nicht seine Geheimnisse offenbare; dann ließ er ihn heimlich ermorden und gab vor, er habe sich selbst getötet.

332 Polyb XXXII, 20.

333 Über diese μικροδοσία der Könige und μικροληψία der Völker und Städte vgl. Polyb V, 90, der eine Parallele zwischen dem zieht, was Rhodos nach dem Erdbeben bekam und den Spenden, die zu seiner Zeit gewährt werden.

334 Pausan. VII, 11, 2. Gellius VII, 14.

335 Diodor XXXI, 56. Plut. Cat. mai. 22.

336 Polyb XXX, 8 f. XXXI, 7. 15. Ebenda 25 mißbilligt Polyb, daß die Rhodier ein Korngeschenk von Eumenes annehmen, und wie sie es verwenden; auch XXXIII, 17 schildert er ihre Ratlosigkeit und politische Verkommenheit um 153. – Später indes (88) verteidigt sich die Insel tapfer gegen Mithridates. Sie war damals das Asyl der aus dem allgemeinen Römer mord Geflüchteten. Appian Mithr. 24 ff.

337 Polyb III, 59.

338 Polyb XXXVIII, 8, 8.

339 Ebenda 9 f.

340 Ist man später wohl jemals wieder wohlhabend genug geworden, um genügend Sklaven nachzukaufen? Offenbar hatte man die früher geringe Sklavenzüchtung bereits müssen aufkommen lassen.

341 Polyb XXXVII, 9, 7 ff. Vgl. auch Band II S. 377 ff.; das dort (S. 378) angeführte thebanische Gesetz dürfte wohl aus dieser Zeit stammen.

342 E. Curtius, Pelop. I, S. 83.

343 Strabo VII, 7, 3, p. 322. 327. Nach ebenda p. 325 hatte auch Ambrakia durch römische Züchtigung sehr gelitten, dessen Bürgerschaft zusammen mit der anderer ätolischer und akarnanischer Orte durch den von Augustus in offenbar löblicher Absicht angeordneten großen Synoikismos (mitsamt ihren Götterbildern) nach Nikopolis kam. Vgl. auch Pausan. VII, 18, 5. – Epirus wurde dann, als es längst römisch war, auf Anstiften des Mithridates noch einmal durch die Thraker verheert. Dio Cass. fragm. libr. prior. 99, 2.

344 Bekanntlich wurden bei der Belagerung Athens die Anlagen in Akademie und Lykeion ausgeholzt, auch in Epidauros, Olympia und Delphi Anatheme geraubt, z.B. die berühmte silberne Riesenvase, die man dabei zerstückeln mußte. Indes verlangte sein Heer doch dringend nach Asien, offenbar, weil Griechenland bereits ein abgenagter Knochen war.

345 Man könnte sagen, die Polis habe, indem sie hier und anderswo beim Seeraub anlangte, stellenweise in dem Zustand aufgehört, aus dem sie emporgekommen war.

346 Plut. de def. orac. 8. Vgl. Band II, S. 313. – Wenn Plutarch neben den Bürgerkämpfen auch die πόλεμοι nennt, die hauptsächlich auf griechischem Boden ausgefochten wurden, so gilt dafür das Gleiche wie für den Seeraub und die Piraterie: sie waren für die Bevölkerung perniziös, weil diese schon schwach war.

347 Hesiod Werke und Tage 178 ff. Fast sieht es so aus, als hätte er das Altern der Rasse vorausgeahnt, indem er (179) dem Beginn der Vertilgung vorausgehen läßt, daß die Kinder mit grauem Haar um die Schläfen (πολιοκρόταφοι) auf die Welt kommen würden.

348 Um die Mitte des III. Jahrhunderts, als Sparta sehr schwach war, konnten die einfallenden Ätoler 50000 Sklaven (Heloten?) wegfangen. Ein alter Spartiate sagte damals freilich: Sie haben wohl daran getan, uns zu erleichtern. Plut. Kleom. 18.

349 Diodor XX, 40.

350 Polyb II, 62. – Über das Sinken des materiellen Wohlstandes in den Poleis des eigentlichen Griechenlands vgl. Büchsenschütz, Besitz und Erwerb im griechischen Altertum, S. 610 ff. – Nach 133 konnte ein Prätendent, wie der pergamenische Usurpator Aristonikos aus besitzlosen Bürgern der Städte und zur Freiheit aufgerufenen Sklaven, die er Heliopoliten nannte, mit Leichtigkeit ein Heer zusammenbringen. Strabo XIV, 1, 38, p. 646.

351 »Die Teilnahme aller an der Leitung des Ganzen und am Genuß seiner Macht artete in die Bettelei der Haufen aus, die vor den mager gewordenen Staatssäckel den Bettelsack hinhielten, um ihm noch den letzten Obol zu ihrer Tagesnahrung abzupressen.« Bruno Bauer: Philo, Strauß und Renan, S. 13.

352 Tars. prior. p. 9 (ed. Dindorf). – Daß das Wegwerfen des Bürgerrechts an den ersten Besten, z.B. an Schauspieler (Cic. pro Arch. poet. 5, 10) gegen die Entvölkerung nichts half, ist selbstverständlich.

353 Es geschieht dies ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit Weglassung der sizilischen und italischen Trümmerstätten. Was Pausanias betrifft, so ist er indirekt ein sehr starker Zeuge für die allgemeine Zerstörung und Verödung. Man kann wohl sagen, daß sein antiquarischer Zweck ihn besonders in Ruinenstädte führte; aber warum sind daneben die bestehenden Städte und Orte eine solche Rarität?

354 Band I, S. 64.

355 Strabo VIII, 6, 10 f., p. 372 f.

356 Pausan. II, 15, 2. 4; 24, 4. 9; 25, 5. 7. 8; 36, 4; 38, 2.

357 Strabo VIII, 4, n, p. 362; 5, 3, p. 364.

358 Pausan. III, 20, 3. 4. 6; 21, 2.

359 Ebenda 24, 1.

360 Paus. II, 9, 2. III, 10, 9.

361 Paus. III, 22, 9; 24, 1 f., 25, 6.

362 Paus. IV, 33, 6. 7.

363 Strabo VIII, 3, 30, p. 355. In der Nähe von Lepreon war auch die Stelle, wo einst Chaa gestanden hatte. Ebenda 21, p. 348.

364 Pausan. V, 6, 3 f.

365 Pausan. VI, 21, 5 f.; 22, 1.

366 Strabo VIII, 3, 32, p. 357.

367 Strabo VIII, 3, 10, p. 341.

368 Pausan. VI, 22, 3. 5.

369 Strabo VIII, 7, 4 f., p. 386 f.

370 Strabo ebenda 8, 1, p. 388.

371 Über diesen Synoikismos vgl. Band I, S. 64 und 321 f. und oben S. 287.

372 Polyb II, 55.

373 Pausan. VIII, 33.

374 Ebenda 27, 5.

375 Ebenda 44, 5.

376 Dies alles aus Pausan. VIII, 25, 2; 28, 4; 29, 4; 34, 3; 35. 36. 38. 44.

377 Das Bukolische wurde dann seit dem III. Jahrhundert ganz unbefangen an das urtümliche Hirtenleben des Daphnis angehängt. Übrigens paßt auch bei Virgil alles Bukolische notorisch zu einem ziemlich modernen, sekundären Latifundienleben, da der Ackerbau der Feldmarken einem relativ neuen Hirtenleben Platz gemacht hat.

378 Pausan. II, 7, 1.

379 Pausan. II, 2, 2.

380 Pausan. I, 35, 2; 38, 9. Strabo IX, 1, 9, p. 393; 1, 15, p. 396.

381 Älian V.H. III, 6.

382 Strabo IX, 2, 5. 11, p. 403 f.; 25. p. 410; 30, p. 411; Pausan. VIII, 33, 1. IX, 2, 1; 4, 3; 7, 4; 19, 2. 4; 29, 1. Plut. εἰς Ἡσίοδ. ὑπομν. 60. Über Mykalessos vgl. Band I, S. 279.

383 Pausan. X, 3; 33, 1. 4; 36, 3. Strabo IX, 3, 1, p. 416.

384 Strabo IX, 4, 5. 8, p. 426 f. Pausan. X, 38, 2.

385 Strabo 4, 11, p. 427; 17, P. 429.

386 Strabo IX, 5, 3, p. 430; 12, p. 434; 14, p. 435; 15, p. 436; 19, p. 439; 22, p. 442. Über Skotussa Pausan. VI, 5, 2; vgl. Band I, S. 194.

387 Pausan. VIII, 24, 5. Strabo X, 2, 3, p. 450; 6, p. 451; 22, p. 460.

388 S. 504.

389 Strabo VII, fr. 31, p. 330; 35, p. 331; 56, p. 331.

390 Strabo XIII, 1, 50, p. 605; 61, p. 612; 65, p. 612; 65, p. 614. Pausan. X, 12, 3.

391 Strabo ebenda 3, 3. 6, p. 621 f.

392 Strabo XIV, 1, 10, p. 636. Auch was Dio Cass. XXXVI, 20 f. bei Anlaß des Piratenkrieges von verlassenen Städten sagt, kann nur auf Kleinasien gehen.

393 Nat. anim. IV, 59.

394 Strabo X, 5, 6, p. 486; 13, p. 488; 17, p. 489. XIII, 2, 4, p. 618.

395 Pausan. VIII, 33, 1.

396 Strabo XIII, 2, 5, p. 619.

397 Strabo IX, 1, 21, p. 398.

398 Vgl. S. 493.

399 Vgl. S. 493 und S. 499 f. Strabo X, 4, 12. 14. 15. p. 478 f.

400 Strabo IX, 2, 13, p. 405; X, 1, 6, p. 446; 10, p. 448.

401 Strabo fr. 1. VII 7 f.

402 Strabo sagt, VII, 4, 6, p. 311, daß von Theodosia in den frühern Zeiten die Getreidesendungen nach Hellas abgegangen seien, wie vom Asowschen Meere aus die Sendungen eingepökelter Fische.

403 Plut. Anton, 62.

404 Über die große Steigerung der Jagdleidenschaft bei den damaligen Griechen vgl. Helbig, Unters. über die campanische Wandmalerei, S. 274 ff.

405 De frat. am. 17.

406 Vgl. oben S. 81 und Band III, S. 333.

407 Zu beachten ist auch, daß schon im IV. Jahrhundert einzelne griechische Beinamen, wie Sophus in der sempronischen, Philo in der publilischen Familie vorkommen.

408 Auf einer pränestinischen Cista vom Ende des III. Jahrhunderts sind die den Figuren beigeschriebenen Namen teils pränestinisch-latinisch, teils griechisch und latinisiert, teils unverändert griechisch. Vgl. Schöne, Annali del inst. XLII, S. 337.

409 Vgl. Helbig, Annali del inst. XXXVII, S. 264 ff. – Hätten die Römer mit dem vielen andern nur den Griechen auch ihre Zahlzeichen abgenommen!

410 Tusc. IV, 2, 4.

411 Dion. Hal. X, 50 ff.

412 Dion. Hal. XII, 12.

413 Diodor XIV, 93.

414 Plinius XXXIV, 12, 26.

415 Vgl. oben S. 405.

416 Strabo V, 3, 5, p. 232.

417 Justin XXVIII, 1. – Nach Strabo X, 2, 25, p. 462 hätten sie sich dadurch bei Rom später auch die Autonomie erwirkt.

418 Vgl. oben S. 421 ff.

419 Plut. Mark. 1, wo erzählt wird, daß er für griechische Sprachfehler korrigiert sein wollte.

420 Vgl. Band I, S. 275, Anm. 18. – Bei Appian Pun. 58 sagt ein Freund des ältern Scipio in einer Senatsrede über die römische Praxis: ὡς εὐσεβὲς ὁμοῦ καὶ ἐς εὐτυχίαν χρήσιμον μὴ ἀφανίζειν μᾶλλον ἀνϑρώπων γένη ἢ νουϑετεῖν. Sehr ins Gnädige und Gütige gemalt ist Roms Benehmen gegen Überwundene bei Diodor XXXII, fr. 2.

421 Polyb X, 15 f.

422 Noch Fabius Maximus ließ den Tarentinern »ihre erzürnten Götter«. Plut. Mark. 21.

423 Daß die Griechen den Kunstraub von Syrakus noch als eine Art Kompliment sollten aufgenommen haben, meint wohl nur Plutarch, ebenda.

424 Polyb XXI, 30. – Vielleicht damals nahm ein Feldherr auch aus dem ätolischen Hafen des Herakles die »Taten des Herakles« von Lysipp nach Rom, weil »der Ort so abgelegen war«. Strabo X, 2, 21, p. 459.

425 Als er nach Athen kam, um sich dort mit den römischen Gesandten zu besprechen, feierten die Athener noch mehr ihn als diese mit ungeheuerm Pomp, nannten sogar eine Phyle nach ihm und reihten ihn unter ihre eponymen Heroen ein. Als sie ihn aber auch in die Volksversammlungen einluden, lehnte er dies diskret ab, angeblich weil er nicht den Anschein haben wollte, ihnen seine Wohltaten vorzuführen, in Wahrheit wohl, weil er zu klug dazu war, den athenischen Abgott zu spielen und sich irgenwelchen kolossalen Taktlosigkeiten auszusetzen. Dafür schrieb er an die Ekklesie einen eifrigen Mahnbrief zum Krieg gegen Philipp und Bündnis mit Rom, und auf dessen Verlesung hin war das Volk zu den gewünschten Beschlüssen bereit. Polyb XVI, 25 f.

426 Plut. Flam. 5 f.

427 Ebenda 7.

428 Ebenda 8 f., wo auch sein Drohdistichon gegen ihren Prahldichter Alkäos.

429 Polyb XVIII, 34. Eine andere Motivierung findet sich bei Dio Cass. fragm. libr. pr. 58.

430 Plut. Flam. 12.

431 Nach Bekker: Diodor XXVIII, fr. 14 entschuldigt sich Flamininus wegen des Nabisvertrages bei den Hellenen damit, daß man das Möglichste getan habe.

432 Polyb XVIII, 43.

433 Plut. Cat. mai. 12. Vgl. auch Liv. XXXV, 46 die Meinung, welche der weise Mikythion von Chalkis ausspricht, da Antiochos umsonst vor die Stadt rückt. – Laut Bekker: Diodor XXVIII, fr. 16 ließen ihm die Römer sagen, wenn er sich in Europa einmische, würden sie die Griechen in Asien befreien.

434 Liv. XXXV, 34.

435 Ebenda 33.

436 Liv. XXXVI, 7. Die Rede wäre jedenfalls gut fingiert.

437 Plut. Flam. 16. Sie weihten dafür »dem Titus und Herakles« das Gymnasion und »dem Titus und Apollon« das Delphinion.

438 Justin XXXI, 8.

439 Polyb XXI, 16 f.

440 Polyb XXI, 23.

441 Ebenda 43, 2.

442 Mommsen, Röm. Gesch.7 I, S. 724.

443 Diodor XXIX, 20. – Vgl. über das damalige Sparta Band I, S. 135 f.

444 Polyb XXVII, 9 f. vergleicht die Gunst der Griechen gegenüber Perseus nach seinen anfänglichen Erfolgen mit jener Kunst, welche die Zuschauer bei Wettkämpfen dem anfänglich Schwächern gegenüber einem Sieggewohnten zuzuwenden pflegen. Bei einigem Besinnen hätten sie eine große Macht für das Haus Makedonien, das ihnen so viele Leiden gebracht, gewiß nicht gewünscht; jetzt aber freuten sich alle, daß den Römern überhaupt nur ein tüchtiger Gegner erwachsen sei.

445 Plut. Äm. Paul. 28 f.

446 Vgl. Mommsen, Röm. Gesch. I, S. 771 ff.

447 Vgl. S. 501. – Über die drei Klassen der Kompromittierten vgl. Polyb XXX, 6.

448 Polyb XXXII, 20 ff.

449 Polyb XXX, 23.

450 Polyb XXXIII, 7.

451 Mommsen, Röm. Gesch.7 I, S. 862 f.

452 Plut. Cat. mai. 2.

453 Plut. Cat. mai. 12.

454 Polyb XXXIX. 12.

455 Vgl. oben S. 500.

456 Schon fünf Jahre vorher (161) hatte der Senat einmal über die Philosophen und Rhetoren überhaupt beschlossen; Si (praetori) e r.p. fideque sua videretur, uti Romae ne essent. Sueton, de rhet. 1.

457 Plut. Cat. mai. 22 f.

458 Über die Einwirkung der spätgriechischen Jagdleidenschaft auf Rom vgl. Helbig, Unters, über d. campan. Wandmal. S. 276.

459 XVIII, 35. – Er erzählt daneben freilich noch die glänzendsten Beispiele vom Gegenteil.

460 Über ihre Wirkung auf die religiösen Vorstellungen sagt Preller, Röm. Myth. S. 23: »Das seit dem Ende des II. Punischen Kriegs eingeführte griechische Theater wird für die Römer die Bildungsschule einer mythologischen Weltansicht und eines ästhetischen Götterglaubens, der seines tieferen religiösen Inhalts längst entkleidet war und von der Philosophie verworfen, ja mit Spott und Schande verfolgt wurde, so daß der Gegensatz zwischen der Religion der Gebildeten und der des großen Haufens nun vollends unversöhnlich wurde. Scipio Nasica, der Pontifex maximus, warnte zugleich vor der Zerstörung Karthagos und vor einer stehenden Bühne. Umsonst; die Spiele wurden bald Hauptsache bei allen Götterfesten und neben den Circensien vollends ein Hauptmittel der Stellenambition.«

461 Bezeichnend für die Zeit, da man das griechische Technitenwesen selbst in Rom sich produzieren lassen wollte, ohne doch Verständnis dafür zu haben, ist die Geschichte, die Polyb XXX, 14 vom Triumph des L. Anicius über den Illyrierkönig Genthios (167) erzählt. Anicius gab große Spiele und hatte die berühmtesten Techniten kommen lassen und im Zirkus eine gewaltige Bühne errichtet. Hier führte er zuerst alle Flötenspieler herein, ließ sie samt dem Chor auf das Proszenium treten und befahl, sie sollten alle miteinander blasen. Als sie es taten und die passenden Bewegungen dazu machten, fand er, sie bliesen nicht schön, sie sollten lieber ἀγωνίζεσϑαι (wettkämpfen oder kämpfen). Als sie nun unschlüssig waren, zeigte ihnen ein Liktor, wie sie aufeinander losgehen und gleichsam eine Schlacht liefern sollten. Jetzt merkten sie etwas und machten samt dem Chor eine lächerlich konfuse Faxe.

462 Freilich verwahrte sich Rom noch 92 durch ein Edikt der Zensoren gegen die rhetores Latini, die ein novum genus disciplinae einführten. Sueton, de rhet. 1. Gegen die griechischen Rhetoren ging dies wohl nicht einmal.

463 Als 150 der Rest der in Italien internierten Achäer die Erlaubnis zur Rückkehr erhielt und Polyb sogar vom Senat deren Wiedereinsetzung in ihre früheren Ehrenstellungen wünschte, sagte Cato lächelnd: Polyb will wie Odysseus wieder in die Höhle des Zyklopen zurück, weil er dort sein Hütchen und seinen Gürtel vergessen. Plut. Cat. mai. 9.

464 Nach Mommsen, Röm. Gesch. II, S. 47.

465 Polyb XXXIX, 16.

466 Plut. de cap. ex inim. ut. 3.

467 Dio. Cass. fragm. libr. prior. 53, 16.

468 Vgl. z.B. Quintilian, inst. or. XII, 2, 29.

469 Vgl. z.B. Plut. de fort. Rom. 2.

470 Pausan. I, 20, 3.

471 Plut. Anton. 72.

472 Plut. Brut. 21.

473 Plut. Amt. 33. 57.

474 Polyb XVIII, 18, bei Anlaß von Kynoskephalä, wo ausgeführt wird, wie die Römer zu Schild und Spieß auch die Schanzpfähle mittragen können, was den Griechen unmöglich ist; denn diese vermögen auf dem Marsch kaum die Sarissen zu tragen. – Als Paradigma zum σωματοειδές der Geschichte möge man die Übersicht dessen, was in der 177. Olympiade (72-68) geschah, bei Phlegon, Olymp. 14 vergleichen. Er geht von den damaligen olympischen Siegern aus; hernach aber ist der Gesichtskreis gewaltig viel größer als früher.

475 Man denke an das Dickwerden späterer Diadochen wie Ptolemäos VII., seines Sohnes Alexander, des Magas von Kyrene. Athen. XII, 73 f.

476 Über Hermeias vgl. oben S. 453. – Jetzt erst werden wohl auch an den diadochischen Höfen die Eunuchen mächtig. Es gab darunter auch gutartige und selbst kriegerische und geschickte, wie Aristonikos, der mit Ptolemäos Epiphanes erzogen worden war. Polyb XXII, 22.

477 Auch zwei athenische Redner, welche beim Volke Einfluß hatten, ließ er vergiften. Paus. II, 9, 4. – In Athen wurde er dann vollkommen verhaßt, als er bei seinem Einfalle (200) die Akademie verbrannte, Gräber zerstörte und die τεμένη der Götter schädigte. Diodor XXVIII, 7.

478 Man denke an die nette Antwort, die er (Pol. XVI, 34) im Lager vor Abydos dem M. Ämilius Lepidus gab, der ihm das gebieterische römische Ultimatum überbrachte: er verziehe ihm seine übermütige Rede aus drei Gründen und zwar, weil er jung und in politischen Dingen unerfahren, sodann weil er der schönste Mann seiner Zeit und drittens, weil er ein Römer sei. Er würde den Krieg mit Rom gerne vermeiden; wenn es aber sein müsse, werde er die Götter als Zeugen anrufen und sich tapfer wehren.

479 Polyb, der XXII, 17 f. und XXIII, 1-8 an Philipp nur das Terroristische und Düstere hervorhebt, scheint uns hier nicht ganz objektiv zu reden.

480 So erklärt es Plutarch Arat. 49.

481 Ausgelassen, da nicht von Burckhardt, sondern Zusatz von Oeri.

482 Polyb XV, 25, 2. – Vgl. Band II, S. 392.

483 Darüber, wie ein Individuum wie dieser Agathokles allmählich anerkannt wurde, hat Polyb XV, 31, 6 eine merkwürdige Aussage: Aristomenes, der Akarnane, einer der königlichen Leibwächter, war der erste gewesen, der ihn zu einem Mahle lud und ihn dabei mit einem goldenen Kranz ehrte, wie man ihn sonst nur Königen gab, auch einen Siegelring mit dem Porträt des Agathokles trug und ihn durch eine Art Patenschaft mit sich verband, indem er ein Töchterchen Ag othokleia nannte. Also ein Höfling errät den künftigen Allmächtigen und setzt auf diese Karte.

484 Darüber, wie er seinen eigenen Sohn zerstückeln und ihr zum Mahle vorsetzen ließ, vgl. Justin XXXVIII, 8. Ebenda, wie er sich nicht scheute, in durchsichtiger Kleidung vor dem Eroberer Karthagos zu erscheinen.

485 Polyb XXXIV, 14, wo wir bei diesem Anlaß von dem in Alexandrien gewesenen Autor eine Charakteristik der drei Klassen der alexandrinischen Bevölkerung (Ägypter, Söldner, niedergelassene Griechen) erhalten. Athen. IV, 83.

486 Polyb XI, 34.

487 Polyb XV, 37.

488 Ein sarkastisches Wort Hannibals über die prächtig geputzte Armee des Antiochos hat Gellius V, 5.

489 Über ihn Polyb XXVI, 1 und Athen. X, 52 (z.T. nach Ptolemäos Euergetes II.). Polyb nennt ihn wegen seiner Handlungsweise ἐπιμανής. Er ist das elfte Horn des vierten Tieres bei Daniel 7, 8 und 24.

490 Diodor XXXI, 23 räsonniert: die übrigen diadochischen Könige hätten zwar noch ihre Streitmacht und ihren Besitz zu vermehren gesucht, diese Tendenz vor Rom aber möglichst verhehlt, er dagegen hätte, was nur in der ganzen Welt berühmt war, zu den Festen gesammelt und gewissermaßen seine ganze Königsmacht auf die Bühne gebracht, so daß man ihn völlig übersehen konnte. – Bei dieser großen Pompa (vgl. über sie ebenda 24 und Athen. V, 22 ff.), kamen zuvorderst alle möglichen Söldner- und Barbarenkontingente, prächtig geputzt und bewaffnet. Dazwischen erschienen 200 Fechterpaare (also wohl bereits Gladiatoren in römischer Art) 1000 (echte?) nisäische Pferde, 1000 Genossen (ἑταῖροι) und sogar das sogenannte Agema (also die vergangene Kriegsgröße als »historischer Zug«), 100 sechsspännige Wagen, 40 Tethrippen, ein Elefantengespann und 36 einzelne Elefanten. In einem neuen Zuge paradierten sodann 800 Epheben, 1000 Opfertiere usw. und dann Bilder aller Götter und Dämonen, so viele nur von Menschen verehrt werden (wobei also die Theokrasie offen ausgesprochen wurde), auch alle Heroen und zwar vergoldet oder mit Goldgewändern drapiert, und dabei waren jedesmal auch die betreffenden Mythen (an die Wagen gemalt?) mit angebracht. Es folgten die Bilder von Nyx, Hemera, Ge, Uranos, Eos und Mesembria und dann wurden unzählige goldene und silberne Geschirre getragen, an 200 Frauen sprengten aus goldenen Krügen Wohlgerüche auf den Weg, und den Beschluß machten 80 auf goldenen und 500 auf silbernen Tragsesseln getragene Weiber. Nach der Pompa folgten die Agone, Monomachien und Jagden; die Gymnasien waren mit den kostbarsten Wohlgerüchen erfüllt, und ungeheure Gastmähler wurden gegeben. Antiochos selbst ritt an der Pompa auf einem geringen Pferd auf und nieder und kommandierte »voran!« oder »langsam!« Auch bei den Gelagen dirigierte er, trank vor und nach usw. Und als die Mimen begannen, ließ er sich verhüllt herbeitragen, als wäre er selbst ein Mime, und beim Intonieren der Kapelle sprang er auf und tanzte und schauspielerte mit den Spaßmachern, so daß jedermann vor Scham davonlief (was man also noch durfte, während man es unter Nero nicht wagte). Und dies alles tat er, nachdem er den jungen Ptolemäer beraubt, und zum Teil aus »Beiträgen« der Freunde und auf Beraubung der meisten Tempel hin. (Offenbar war doch alles unendlich geringer als hundert Jahre vorher die nachher noch zu besprechende Pompa des Philadelphos. Vgl. auch Band II, S. 155.)

491 Polyb XXXI, 12. 19. Freilich ließ der Vormund des Königs dann den betreffenden Gesandten ermorden, der Täter wurde jedoch in der Folge ausgeliefert. Polyb XXXII, 6.

492 Appian, Syr. 68 f., wo noch Weiteres von der völligen Zersetzung des seleukidischen Hauses. Darüber, wie die Aradier es sich vorbehielten, geflüchtete syrische Prätendenten zu hegen, vgl. Strabo XVI, 2, p. 754. – Vgl. auch die Schilderung des Antiochos IX. Kyzikenos bei Diodor XXXIV, 61.

493 Vgl. Strabo XIV, 5. 2, p. 668 f., wo die Seeräubermacht mit der Usurpation des Tryphon in Verbindung gebracht und darauf hingewiesen wird, wie der Großsklavenhandel durch den großen Markt auf Delos erleichtert wurde.

494 Polyb XXX, 19.

495 Polyb XXXII, 27, XXXVII, 7.

496 Polyb XXXVII, 6.

497 Polyb XXXI, 2. 10. – Nach ebenda 13 konnte sich auch Ariarathes von Kappadokien, welcher angreifende Trokmer-Galater nachdrücklich zurückgewiesen hatte und von ihnen als Römerfeind denunziert worden war, nur mit größter Vorsicht und Freundlichkeit bei den römischen Gesandten legitimieren.

498 Dies Ausgehen eines Diadochenhauses in Kunstdilettantismus ist sehr bezeichnend; derselbe kommt bei den Diadochen hie und da vor; man mag dabei auch an Nero denken.

499 Vgl. oben S. 502.

500 Dafür würde die Stelle aus Klearch über Parfüm und Schminke bei Athen. XV, 35 sprechen.

501 Plut. Kleom. 29.

502 Ebenda 30.

503 Man denke auch, wenn sie schon erst aus der Kaiserzeit stammen, an die Malicen, die Lukian dem Anacharsis in dem nach ihm genannten Dialog in den Mund legt. Dieser getraut sich, mit seinem kurzen Schwert all die gebräunten Turner heulend hinter die Säulen zu jagen, und stellt der ganzen Turnerei die Befähigung zum ernstlichen Krieg entgegen. Daß die Olympioniken aber auch unter den Römern noch etwa insolent waren, lehrt Lukian, Demon. 16. Als Demonax über einen solchen wegen des geblümten Gewandes spottete, schlug ihm derselbe mit einem Stein über den Kopf, daß er blutete.

504 Vgl. oben S. 391.

505 Beiläufig gesagt macht Athen, weil es ja immer recht gehabt haben muß, in der monumentalen Verherrlichung seiner Leute keinen Unterschied zwischen verlorenen und gewonnenen Kriegen. Der Feldherr des lamischen Krieges, Leosthenes, war samt seinen Söhnen von Arkesilaos im Athenetempel des Piräus gemalt. Paus, I, 1, 3.

506 Vgl. oben S. 474.

507 Athen. I, 34 f.

508 Athen. X, 6. XIII, 15 (aus Komikern). Älian V.H. I, 27. II, 41. (Unter den Säufern sind mehrere Seleukiden.)

509 Über ihn als Homeromastix vgl. Band III, S. 92.

510 Suidas s.v. Karn. Wir aber fragen mit Don Abondio: Carneade, chi era costui?

511 Verzeichnisse und einzelne Züge u.a. bei Athen. XIII, 37. 39 f. 42. Über Epikurs und seiner Schüler Leontion ebenda 53.

512 Große Stücke daraus bei Athen. XIII, 39. 41 ff.

513 Vgl. Band II, S. 394. – Lukian hat seinen tiefen Haß gegen Peregrinus wahrscheinlich nicht bloß von seiten der Aufklärung, aber allerdings bangt ihm vor jeder Regung, welche zu irgendeiner neuen Religion führen könnte.

514 Über die Typen der neuen Komödie vgl. Band III, S. 268 ff.

515 Insbesondere machen wir hier noch auf die eingehende Schilderung des Schmeichlers (2) aufmerksam, dessen Züge von Theophrast offenbar im Leben beobachtet sind. Er ist nicht der Parasit, der sich um des Bauches willen alles gefallen läßt, sondern der, welcher sich in eigennütziger Absicht um jeden Preis bei einem Menschen einschmeicheln will; existiert hatte der Typus längst neben und außer dem Parasiten, und zwar als ein speziell griechischer (vgl. oben S. 384). Hier sucht nun der Schmeichler vor allem die Eitelkeit seines Patrons anzuregen. »Sieh, wie auf der Gasse alles nach dir sieht, wie sonst nach keinem!« »Gestern in der Stoa war von dir die Rede: ihrer dreißig fragten, wer der Trefflichste sei, und alle verfielen auf dich.« Er nimmt ihm die Flöckchen vom Gewande und angeflogene Spreu aus dem Haar und meint dabei, für sein Alter habe er noch sehr viele schwarze Haare; wenn der Patron spricht, heißt er alles schweigen und sagt beim Schlusse: »Famos!!« Spottet der Patron, so tut er, als müsse er sich vor Lachen ausschütten, und den Kindern desselben kauft er Äpfel und Birnen, bringt sie ihnen in dessen Gegenwart und küßt sie mit dem Wort: »O Brut eines braven Vaters!« (Dieses Kinderflattieren kehrt dann beim ἄρεσκος (5) wieder.) Wenn er beim Kauf von Sandalen zugegen ist, sagt er: »Der Fuß ist hübscher als die Sohle«, und wenn der Patron einen Freund besucht, läuft er voraus, um es diesem anzusagen und berichtet dann wieder unterwegs, daß dies geschehen sei. Bei Tische rühmt er zuerst vor allen Eingeladenen den Wein und dann das Essen im ganzen und im einzelnen. Er ist sehr besorgt, daß den Patron nicht friere, und hüllt ihn wohl ein, sieht auch auf ihn hin, während er mit andern spricht. Im Theater nimmt er dem Bedienten die Kissen ab und schiebt sie dem Patron unter. Er rühmt die Bauweise des Hauses, das trefflich bebaute Land und die Ähnlichkeit des Bildnisses. – Dabei wußte man, wie es anfangs heißt, daß er eine schlechte Gesellschaft sei, die nur ihm selber nütze, d.h. kein Athener war so dumm, ihn nicht als Schmeichler zu beurteilen, aber dennoch existierte die Sache und rentierte. (Laut Athen. VI, 65 gab es von Theophrast sogar noch eine besondere Schrift περὶ κολακείας.) – Im Kapitel vom ἄρεσκος (5) ist die zweite Hälfte durch Kontamination an die erste geraten. Sie handelt nicht mehr von diesem, sondern von einem geschäftigen Vornehmtuer und Elegant, der im Theater in der Nähe der Strategen sitzt und lauter Einkäufe nicht für sich, sondern für ferne Bekannte macht, nach Byzanz Aufträge ausführt, lakonische Hunde nach Kyzikos, hymettischen Honig nach Rhodos spediert und es überall in der Stadt herumerzählt, auch seine Affen, Paviane, sizilischen Tauben usw. aller Welt zeigt, im Grunde einem harmlosen Subjekt, das nur an seinen kleinen Sachen eine zu laute Freude hat. – Mit diesem ist dann wieder der in kleinlichen Dingen seine Ehre suchende Patent-Tuer (μικροφιλότιμος) verwandt (21). Dieser muß bei einem Gastmahl seinen Platz neben dem Wirte haben. Wenn sein mannbarer Sohn geschoren wird, geschieht dies nach Art der feinen Leute dem pythischen Apoll zu Ehren; man geht ad hoc nach Delphi, und der begleitende Sklave muß ein Neger sein. Seinem Hündchen setzt er ein Grabmal mit der Inschrift Klados, »der Malteser«. Wenn die Prytanen der Göttermutter geopfert haben, reißt er sich (offenbar selber als Prytan) darum, es dem Publikum, feierlich bekleidet und bekränzt, anzeigen zu dürfen, und sagt dann seiner Frau daheim, er sei sehr glücklich.

In dem Kapitel περὶ ἀγροικίας (4) kommt der freie Landwirt schon ziemlich schlecht weg als völlig verbauert und borniert, offenbar nach einem Exemplar, welchem Theophrast in concreto nachgegangen ist. – Meisterhaft ist ferner (6) der ganz freche Geselle (ἀπονενοημένος) und seine Frechheit gegeben. Er erlaubt sich nicht nur das Schmähliche, sondern will dabei alle Welt zu Zeugen haben und ist nicht zufrieden, wenn er nicht eine ganze Versammlung um sich hat. Er lebt mehr Zeit im Gefängnis als daheim, übernimmt alle schnöde Beschäftigung ohne Bedenken und ist dabei schmähsüchtig, und zwar so laut, daß es über die Agora schallt. Beim Schamlosen (ἀναίσχυντος) (9) ist dagegen die Schamlosigkeit auf die (gewiß sehr häufige) Art des Profitierens durch eine Reihe kleiner Übervorteilungen unbezahlten Brauchens, Schmuggelns usw. eingeschränkt. – Ein Schamloser ist auch (11) der Gemeine (βδελυρός), aber nicht bloß zu seinem Vorteil, sondern aus Neigung zum Frechen; er steht etwa zwischen den beiden Vorgenannten in der Mitte. Dies ist der mit Willen skandalös Anstößige und dem einzelnen wie den Versammelten (z.B. im Theater) Widerwärtige und Lästige, dabei schmutzig gierig wie der Schamlose. Es scheint, daß dies manche sehr offen affichierten. Wer hätte auch im damaligen demokratischen und irreligiösen Athen solche verbitterten Kerle noch hindern können, sich nach Belieben lästig zu machen? – Auch die grobe Unzugänglichkeit ist (24) repräsentiert und zwar in dem negativen Grobian (ὑπερήφανος), welcher nicht die Leute aufsucht, um sie zu insultieren, sondern nur unendlich rücksichtslos gegen die ist, welche mit ihm zu tun haben.

Beim Schwätzer (λάλος) (7) kommt man auf die Idee, daß die Spartaner doch wohl gewußt haben möchten, was sie taten, als sie ihren Lakonismus gewaltsam behaupteten. Sie kannten das griechische Mundwerk, wie es war, wenn es sich gehen ließ, und an Malice fehlte es ihnen auch nicht. Dieser λάλος ist vor Eitelkeit grenzenlos zudringlich und stört in höchster Rücksichtslosigkeit jedes Geschäft und Gespräch und jeden Genuß, jede Vereinigung anderer. Er erzählt auch längst Vergangenes, das er gelesen, und repetiert Volksreden, mit welchen er selber großen Eindruck gemacht. Dabei weiß er, wie er ist, und findet es so charmant: »Ich schwiege nicht, und wenn es hieße, ich sei geschwätziger als die Schwalben.« Aber selbst seine Kinder spotten seiner und bitten ihn: »Erzähle uns doch etwas, damit wir einschlafen.« – Ein Lügner, der sich durch Ersinnen von Tagesneuigkeiten wichtig machen muß, ist (8) der Neuigkeitenschmied (λογοποιός). Dieser ist nervös unfrei, als ein Phantast, der Tatsachen zum voraus improvisiert, und zwar, wie Theophrast konstatiert, ohne persönlichen Nutzen; denn inzwischen, während er im Bade peroriert, stiehlt man ihm etwa ein Kleid, oder während er in der Stoa Siege zu Land und Meer erzählt, verliert er einen Prozeß. Die Zahl dieser Leute aber ist eine sehr große, in jeder Stoa, in jedem Atelier, auf jedem Teile der Agora lungern sie herum. – Neben diesem findet sich (23) der Prahler (ἀλαζών), der wesentlich mit Reichtum und Besitz, den er nicht hat, aber auch mit Choregien und Trierarchien und andern Vergabungen groß tut, sowie damit, daß er z.B. bei Alexanders Zügen mit dabei war, oder von Antipater Briefe empfängt, und der das Miethaus, worin er wohnt, als sein väterliches Haus auszugeben imstande ist, das er verkaufen wolle, weil es für seine Gastlichkeit zu klein sei. – Aber auch der bösartige Klätscher (κακολόγος) ist (28) vertreten, der von jedermann unter seinen Freunden und Verwandten, bei Lebzeiten und nach dem Tode, etwas Schlechtes weiß.

Sodann lernt man (10) den Filz (μικρολόγος) kennen, dessen Motto, wenn er an Kleinigkeiten spart, lautet: das Jaht übermache dies viel aus, und der niemand gestattet, eine Frucht von seinem Boden aufzulesen (was, wie wir hier sehen, in Athen sehr allgemein und fast erlaubt gewesen sein muß), und ebenso (22) die verwandte Gestalt des Knickers (ἀνελεύϑερος). – Ferner wird uns der Unappetitliche (19. 20) in zwei Varianten vorgewiesen: der δυσχερής ist zugleich grob rücksichtslos; wenn er wollte, könnte er einen andern cultus corporis haben; der ἀηδής ist unappetitlich in Worten und erlaubt sich gleichfalls alle gesellschaftlichen Verstöße. – Sehr komisch ist zum Teil (14) der Zerstreute, Gedankenlose (ἀναίσϑητος), dagegen ein übler Geselle (12) der grenzenlos Taktlose, dessen Rücksichtslosigkeit sich im Mißbrauch des ungehörigen Moments ausdrückt (ἄκαιρος), und der z.B. imstande ist, an einem Hochzeitsfest über das weibliche Geschlecht zu klagen. (Theophrast dagegen ist im Unrecht, wenn er ihn deshalb tadelt, daß er angesichts Jemandes, der seinen Sklaven peitschen läßt, herausredet: »Einer meiner Sklaven hat sich einmal aufs Peitschen hin erhenkt.« Hier dürfte der άκαιρος als Mensch gesprochen haben.)

Interessant ist (16) der Abergläubische (δεισιδαίμων), nach den Mitteln, die er aufwendet, ein Mann von einiger Wohlhabenheit, nicht vom Pöbel. Man erhält hier ein ziemlich reiches und merkwürdiges Verzeichnis des im täglichen Leben vorkommenden Aberglaubens. Es kam vor, daß die Leute auf eigenes Denken und Handeln völlig verzichteten und z.B., wenn eine Maus ein Loch in den Mehlsack nagte, zum Zeichendeuter (ἐξηγητής) gingen, ja sogar, wenn dieser geantwortet hatte, man solle den Sack dem Lederflicker zum Nähen geben, noch immer nicht trauten, sondern ihn lieber wegwarfen. Neben dem Zeichendeuter kommen noch der Traumdeuter, der Mantis, der Beobachter der Vogelzeichen und vollends die Orpheotelesten vor, von denen man sich monatlich samt Familie weihen läßt; auch eine (offenbar geringe) Sorte von Priesterinnen figuriert hier für Reinigungen.

Auch das günstigste Schicksal kann es (17) dem Krittler (μεμψίμοιρος) nicht zu Danke machen. Meldet man ihm die Geburt eines Sohnes, so antwortet er: »Sage noch dazu, daß damit die Hälfte meiner Habe dahin ist, so sprichst du die Wahrheit.« – Bis ins kleinste Detail wird sodann auch (18) der völlig Mißtrauische (ἄπιστος) gezeichnet. Dieser läßt einen Sklaven durch den andern überwachen, steht nachts auf und geht herum, um alle Riegel und Schlösser nachzusehen, braucht für alles Zeugen und Bürgen; man sieht, wieviele Ursache in Athen gewesen sein muß, scharfe Augen zu haben. – Nur ein mattes, kurzes Kapitel ist (26) dem oligarchisch Gesinnten gewidmet, der bloß ein paar altbekannte Stichworte murrt, indem er z.B. findet, daß man in der Stadt nicht mehr wohnen könne, und daß Theseus der Anfänger aller Übel für dieselbe sei. Man fühlt, daß eine wirkliche Faktionsbildung dieser Art nicht mehr zu fürchten war. – Die Kürze dieser letzten Kapitel könnte übrigens, falls ein Kopist hier nicht bloß exzerpiert hat, darauf hindeuten, daß Theophrast noch weitere Züge der betreffenden Charaktere zu sammeln gedachte, aber vom Tode überrascht wurde.

516 Vgl. Band III, S. 344. 354. 361.

517 Dies z.T. nach W. Helbig, Unters. über die campan. Vasenmalerei, S. 185.

518 Man weiß z.B., daß dem Aristagoras einst zu Sparta in betreff seiner reichen ionischen Tracht gesagt wurde, das Milesische schicke sich daheim. Leere Versprechungen heißen Versprechungen des (bekannten attischen Söldneranführers) Chares. – Ein ganz schlimmer Frevel heißt ein tänarischer (wegen des dortigen Mordes der Heloten durch die Spartiaten). – Eine keck drohende Antwort heißt »das Wort der Skythen«, weil diese Dareios gesagt hatten, es solle ihm schlecht ergehen. – Wenn ein Richter alles auf die lange Bank schob, hieß es: »Bulias sitzt als Richter«, wozu eine alte Geschichte von einem Streit zwischen Eliern und Kallionäern gehörte. Wer etwas lieber selbst verbrauchte als einem Feinde preis gab, sagte mit den Athenern zur Zeit des Xerxes: »das bekommt der Meder nicht zu hüten«. – Ein Schwur, nie mehr heimzukehren, hieß ein Schwur der Phokäer. – Man wußte, daß Terpander durch seine Lieder den Hader der Spartiaten gestillt hatte, und zitierte darum, wenn von einer geschehenen Besänftigung die Rede war, das spartanische Wort »auf den lesbischen Sänger hin«. Sogar geringe Anzüglichkeiten aus der alten attischen Komödie gingen in Alexandrien um: »Der Schenkel des Perdix« bezog sich auf einen lahmen attischen Krämer, der über hundert Jahre tot sein mochte. – Der alte samische Metall-Löter Glaukos wurde, wenn eine derartige Arbeit nicht sonderlich geraten war, mit dem Worte: »das ist nicht Kunst des Glaukos« zitiert.

Anderes beweist wenigstens das scharfe Auge und die scharfe Zunge der Alexandriner. Sprichwörtlich sind ihnen: die Dürftigkeit der phaselitischen und karischen Opfer, die Schäbigkeit der Leute von Chalkis auf Euböa und derer von Mykonos, das Treiben der Buhlerinnen von Korinth, das Wohlleben von Massalia und Samos, die Einfalt der Einwohner von Arbelä in Sizilien. – Verhandelten Leute geheim unter sich, so hieß es: »Attiker halten Eleusinien.« – War jemand trübe und mürrisch, so sagte man: »Er hat sich ein Orakel beim Trophonios geholt.« – Von gastfreundlichen Leuten sagt man: »Es ist immer jemand in Kydons (eines sprichwörtlich gastfreien Korinthers) Haus aufgenommen.« – Wollte man jemand warnen, sich einem Undank auszusetzen, so sagte man (von einem sehr alten Ereignis her): »Du magst Böotiern Orakel erteilen« usw.

519 Nach Helbig S. 189 f.

520 Über Zu- und Abnahme des Sklaventums sind wir in völliger Unwissenheit. Die Haussklaven dauerten gewiß fort, wie ehedem; an Stelle der Fabriksklaven aber dürften in Ägypten meist Ägypter zu denken sein, bei denen das Arbeiten in alter Zeit (jetzt freilich kaum mehr) Sache der Kaste, nie aber des Sklaventums gewesen war. Über die große Geschäftigkeit, die Kaiser Hadrian in Alexandria fand, vgl. Hist. Aug. Saturn. 8.

521 So Rohde, Griech. Rom. S. 17.

522 Vgl. oben S. 469.

523 Nach Helbig, S. 186, welcher bemerkt, daß man in der frühern Zeit vergeblich zeitgenössische Typen von solcher Verschiedenheit suche, wie sie der schwungvolle Kopf Alexanders des Großen mit seinem Ausdruck stürmischer Tatkraft, die durchgearbeitete Gelehrtenphysiognomie des Aristoteles und das Gesicht Menanders mit dem ihm eigentümlichen Zuge ironischer Beobachtung darbieten. – Auch in der geschichtlichen Darstellung spielt später das Äußere der handelnden Personen, die Art ihres Auftretens usw. eine größere Rolle, was dann in der späten Kaiserzeit bis zum Exzeß geht.

524 Plut. Agis 4. 6. 20.

525 Ebenda 17 f. Leider ist die Szene, wie sie den Gemahl umschlingt und dem Vater droht, wenn Kleombrotos sterben müsse, sich noch vor ihm zu töten, im Stil eines nacheuripideischen Tragikers ersonnen.

526 Plut. Kleom. 1. 6.

527 Ebenda 22. Das Wort vom Dämon schmeckt allerdings wie ein philosophisches Figment.

528 Ebenda 38. Vgl. Band II, S. 392.

529 Plut. Agis 7.

530 Dies meist nach Helbig, S. 195 f.

531 So Rohde, Griech. Rom. S. 68 ff., dem das Folgende meist wörtlich entnommen ist.

532 Corn. Nep. führt in der praefatio aus, daß jeder Römer seine Gattin zum convivium führe, »quod multo fit aliter in Graecia; nam neque in convivium adhibetur nisi propinquorum, neque sedet nisi in interiore parte aedium, quae gynaeconitis appellatur, quo nemo accedit nisi propinqua cognatione coniunctus.« – Wie die Ehe ein bloßes Rechts- und Bequemlichkeitsverhältnis ohne alles Dreinreden des Gemütes sein konnte, zeigt z.B. Diog. Laert. II, 8, 14. Der Philosoph Menedemos und sein langjähriger Freund Asklepiades heiraten, jener die Mutter, dieser die Tochter. Als letztere starb, heiratete Asklepiades die Mutter, welche ihm Menedemos überließ, während er selber, jetzt als Staatshaupt, eine Reiche heiratete, seine Haushaltung aber, indem er mit Asklepiades zusammen wohnte, noch immer der frühern Gemahlin übertrug. Dies alles um oder nach 300.

533 Gegen Inklinationsehen in früher Jugend wird – ohne Zweifel nach einem Räsonnement aus der Diadochenzeit – bei Diodor XIX, 33 polemisiert. Als man nämlich die indische Witwenverbrennung kennenlernte, deduzierte der Spätgrieche hieraus, daß infolge der vielen zwistig gewordenen Ehen Vergiftungen häufig gewesen sein müßten; die Ehen seien aber darum schlecht gewesen, weil sie nicht durch die Wahl der Eltern gestiftet, sondern durch die jungen Leute selbst in früher Jugend geschlossen wurden, worauf sie bei eingetretener Reue fehlschlagen mußten.

534 Bei Stobäos, ed. Meineke, vol. p. 79, woselbst noch Mehreres über den enormen Vorzug der Söhne vor den Töchtern. Vgl. auch Band II, S. 377 f.

535 Allerlei gelehrte Frauen, Philosophinnen, Dichterinnen und Malerinnen (z.B. die Hipparchia des Krates aus Theben, die Hedyle aus Samos, die Malerin Anaxandra aus Sikyon u.a.) beweisen doch in ihrer Vereinzelung nicht für das Ganze. Das Nächstfolgende ist wieder teilweise wörtlich aus Helbig, a.a.O.S. 191 ff. entnommen.

536 Rohde, S. 63 Anm. 1 bemerkt freilich, das freie Benehmen der Adoniazusen beweise nur für Alexandrien und nur für Dorerinnen.

537 Vgl. oben S. 449 ff.

538 Helbig a.a.O.S. 194 f.

539 Auch auf pompejanischen Wandgemälden hellenistischen Ursprungs beachtet man, wie rücksichtsvoll Perseus die Andromeda vom Fels heruntergeleitet, und wie Aphrodite mit dem Richter Paris kokettiert. Helbig, S. 201.

540 Aus Helbig a.a.O., S. 196 f.

541 Vgl. Preller bei Pauly III, S. 1287.

542 Vgl. Helbig S. 223. 237. 242.

543 Vgl. Band III, S. 226.

544 Vgl. Band, III, S. 105. 108.

545 Gehört wohl gar der vatikanische Hermes erst in diese Zeit?

546 Dies nach Helbig S. 244 ff. Rohde, S. 68 nimmt an, für die gelehrte Tagesdichtung sei eine Teilnahme nur bei gebildeten Hetären vorauszusetzen. Bei dem teuern Preis der damaligen Bücher möchten wir gerne mehr von derjenigen Klasse von Männern und Frauen wissen, welche die damalige Literatur wirklich las.

547 Vgl. hierüber Helbig, S. 249.

548 Vgl. die von Athen. VII, 13 mitgeteilte Stelle des Apollodor von Karystos.

549 Ein Beispiel hierfür aus früherer Zeit bietet die S. 353 mitgeteilte Geschichte von Phryne.

550 Vgl. Band II, S. 391 f.

551 Hierher gehört der Kreter Sotades, ein Iambograph, der nach Hesych in ionischem Dialekt φλύακας oder κιναίδους schrieb, die auch Ἰωνικοὶ λόγοι genannt wurden, (als Titel sind die »Fahrt in den Hades«, »Priap«, die »Amazone«, die »Eingeschlossenen« u.a. überliefert) und sich böse Gefahren damit zuzog (vgl. S. 454). Auch der Ätoler Alexander, der Milesier Pyres, ein Theodoros, Timocharidas und Xenarchos pflegten diese Gattung.

552 Auch in diesem Abschnitt ist das meiste Helbig S. 269 ff. entnommen.

553 Herodot VII, 31. – Auch aus dem ältern Orient hat man die Nachricht von den hängenden Gärten der Semiramis.

554 Herodot IV, 85.

555 Livius XL 22.

556 Vgl. Helbig, S. 213 f.

557 Stammt aus dieser Zeit etwa die Schilderung von Tempe bei Älian V.H. III, 1?

558 Im Munde eines Stoikers finden wir das Naturentzücken bei Cicero, de deor. nat. II, 39, 98 ff.

559 Vgl. zu diesem und dem Folgenden Helbig, S. 127 ff., 139. 181 ff.

560 Peiraikos malte auch Tiere und Stilleben (z.B. Eßwerk). – Komödienszenen hat auch die Vasenmalerei.

561 Band III, S. 35.

562 Vgl. das oben S. 543 und 547 über Antiochos Epiphanes und Attalos III. Gesagte.

563 Band III, S. 32, Anm. 76 und oben S. 135.

564 Polit. VIII, 3.

565 Vgl. über diesen Band III, S. 52 f.

566 Ausgelassen, da nicht von Burckhardt, sondern Zusatz von Oeri.

567 Strabo ist hier leider viel zu kurz.

568 Vgl. über die Pompa des Philad, Athen. V, 25 ff. und Band II, S. 155, die des Epiph. Athen. V, 22 ff. und oben S. 544, Anm. 490, die Schiffe Philopators Athen. V, 37 ff., das des Hieron V, 40 ff., die pyra Hephaestionis Diodor XVII, 115, den Leichenwagen und die Beisetzung Alexanders Diodor XVIII, 26 ff.

569 In welcher Verbindung Zug und Zelt standen, wird nirgends ausdrücklich gesagt.

570 Strabo II, 1, 9, p. 70.

571 Diodor XX 58.

572 Vgl. oben S. 417.

573 Nach Hesych schrieb er z.B. eine Periegesis von Ilion, κτίσεις der Städte von Phokien und über deren Verwandtschaft mit den Athenern, κτίσεις der Städte am Pontus und der lakedämonischen Städte, ja eine κοσμικὴ περιήγησις oder γεωγραφία.

574 Wie weit war dies wohl auch bei Tempeln der Fall.?

575 Vgl. Plut. Mark. 14-19.

576 In diesem Abschnitte ist mehrfach Matters Essai historique sur l'école d'Alexandrie benützt.

577 Vgl. Cleß bei Pauly VI, 199.

578 Strabo XVIII, 8, p. 793 f. Er und Philostr. vit soph. I, 22, 3 brauchen die Ausdrücke τράπεζα, συσσίτιον.

579 Bei Athen. I, 41.

580 Baumstark bei Pauly V, S. 273.

581 Matter I, 109 sagt, Philadelphos habe sich ein Opfer auferlegt, en ne réclamant point pour sa bibliothèque des trésors qu'il pouvait regarder comme sa conquête, und schon der Vater habe es so gehalten. – Manetho (vgl. S. 574) gehörte als ägyptischer Priester schwerlich zum Museion.

582 Die Angaben über die Zahl der Rollen in dieser bei Cäsars alexandrinischem Krieg untergegangenen Sammlung schwanken; um die Mitte des III. Jahrhunderts sollen deren über eine halbe Million vorhanden gewesen sein; da sie kleinsten Umfanges sein konnten, sind sehr hohe Zahlen möglich.

583 Kallimachos z.B. schrieb: über Weltwunder aller Art, historische Erinnerungen:, über Agone, über barbarische Gebräuche (hätten wir nur diese Schrift noch!) über Ansiedlung auf Inseln und Gründung von Städten, ferner ein Werk über die Benennungen von Winden, Fischen, Vögeln, Monaten bei den verschiedenen Völkern.

584 Über diese beständige Beschäftigung der Grammatiker spottet (bei Athen. V, 65) Herodikos, indem er sie als abstruse Menschen bezeichnet, οἷσι μέμηλε τὸ σφὶν καὶ σφῶιν καὶ τὸ μὶν ἠδὲ τὸ νίν.

585 Immerhin glaubte man noch, das Blut kursiere nur in den Venen, und die Arterien dienten nur zum Durchgang der Luft, welche sie aus den Lungen empfingen.

586 Er sagte diesem, es gebe keine via regia zur Mathematik.

587 Die ersten Bücher enthalten die Arithmetik und Geometrie, das zehnte die Theorie der Inkommensurabilien.

588 Eudoxos kannte sie; nach dem zu urteilen, was Aratos von ihm annahm, kann es nur ein schwaches Wissen gewesen sein. Vgl. Matter II, S. 89 ff.

589 Vgl. über Pergamon Krafft bei Pauly III, S. 277. – Darüber, daß schon Attalos I. selbst über naturwissenschaftliche Gegenstände geschrieben hatte, vgl. ebendaselbst bei Pauly I, S. 929.

590 Westermann, Biogr. S. 73.

591 Strabo XIV, 5, p. 673.

592 S. die βίοι des Aratos bei Westermann S. 53 und 58. Unter seinen übrigen Sachen figurieren auch Titel von Gedichten auf den König selbst und auf die Königin Phila.

593 Vgl. S. 455, Anm. 170 und S. 568, Anm. 551.

594 Vgl. Band III, S. 113 ff. und oben S. 569.

595 Vgl. Theokrit XVII, 112 ff., wo Διονύσου ἀγῶνες sicher das Drama bedeuten.

596 Vgl. Welcker, Griech. Trag. III, 1238 ff. 1269.

597 Über Kallimachos' Hymnen vgl. Band III, S. 110, über seine Elegien S. 155, über Aratos und Nikander S. 124, über Apollonios S. 104 ff.

598 Suidas sagt deutlich: οὕτω γέγονεν ἐπιμελέστατος ὡς γράψαι ποιήματα εἰς πᾶν μέτρον.

599 Die Kassandra wird bei Suidas ausdrücklich von Lykophrons Epen unterschieden. Ihre »ans Burleske grenzende Künstlichkeit« erklärt man aus der Nachahmung des Orakelstils. Interpolationen des Gedichtes beziehen sich auf römische Ereignisse.

600 Diese Art von Namensumschreibungen haben dann die römischen Dichter besonders angenehm befunden und dem Leser gerne etwas zu erraten gegeben. Z.B. nennt Silius Italicus XIII, 3 den Hannibal dux Agenorius, weil einst Agenor, der Vater des Kadmos, König von Phönizien war und Karthago eine phönizische Kolonie ist.

601 Z.B. κέλωρ, ἶνις, άμναμος, φίτυμα für υἱός.

602 Das alexandrinische Epigramm verherrlicht u.a. Schmucksachen und Kostbarkeiten der Könige, z.B. das von dem Mechaniker Ktesibios verfertigte Trinkhorn (ῥυτόν), Athen. XI, 97. – Ferner gehören schon in diese Zeit die Gedichte, welche, je nachdem man sie schreibt, die Gestalt von Altären, Syringen, Eiern, Flügeln, Beilen und dergleichen haben. – Auch in Anagrammen war man geübt, und Lykophron machte z.B. aus Πτολεμαῖος: ἀπὸ μέλιτος und aus Ἀρσινόη: ἴον Ἥρας.

603 Nur kurz wollen wir hier auch an einen andern Epiker, den Dichter der Messeniaka, Rhianos aus Kreta, erinnern, den wir indirekt durch Pausanias, direkt nur aus einem von Stobäos mitgeteilten Fragment kennen. Er lebte wohl nicht in Alexandrien, schlug aber die Richtung der Schule ein. Vgl. Band III, S. 102.

604 Vgl. Platons Werke von Müller und Steinhart VIII, S. 279 ff. bei Anlaß der 13 Briefe Platos, von welchen einige doch vielleicht den Übergang bilden, indem sie von unmittelbaren Schülern Platos sein sollen.

605 Band III, S. 124.

606 Über das Ausleben der griechischen Tragödie vgl. die umständliche hypothetische Darstellung Welckers im III. Bande der Griech. Trag.

607 Vgl. Band III, S. 274 u. oben S. 413.

608 Man kann hier an die von Napoleon an Kleber zurückgelassene Instruktion vom 21. August 1799 denken, wo er ihm die längst aus Frankreich erbetene troupe de comédiens zu schicken verspricht mit der Begründung: »cet article est très-important pour l'armée et pour commencer à changer les moeurs du pays.«

609 Diodor XX, 108.

610 Plut. Kleom. 12. Nur bei einem Zuge ins Gebiet von Megalopolis ließ Kleomenes sich von einer aus Messene durchziehenden Truppe auf einem ad hoc aufgeschlagenen Theater etwas vorspielen, indem er einen Preis von über 40 Minen aussetzte. Daß er aber einen ganzen Tag zusah, geschah nicht, weil er nach dem Schauspiel ein Bedürfnis gehabt hätte, sondern nur, um im Feindesland einen rechten Trotz zu zeigen.

611 Band III, a.a.O. Schon Aristoteles (Probl. p. 956) fragt, warum die dionysischen Techniten meist moralisch schlecht seien, und antwortet, weil sie bei ihren vielen sonstigen Beschäftigungen keinen Teil an der Wissenschaft (λόγου σοφία) hätten, und zum Teil auch, weil sie in der Misere wären, beides disponiere zur φαυλότης.

612 Vgl. oben S. 484. Welcker nimmt an, daß regelmäßige Aufführungen mindestens bis 268 stattgefunden hätten. Nach Lukian Dem. encom. 27 hatte die Aufführung neuer Stücke aufgehört; die alten aber wurden noch weitergespielt. Das Gefühl eines Zusammenhangs mit dem Kultus wurde festgehalten. Aber auf welche Zeit bezieht sich die Stelle? Nach Diodor. XIX, p. 487 gab man die alten Komödien (d.h. die Stücke der neuern Komödie) zu seiner Zeit ganz, sie lebten wohl par entreprise weiter; von der Tragödie dagegen hatten sich nur die harten Teile, nämlich der iambische Dialog erhalten; die (melischen) Weichteile aber waren verschwunden. – Neue Dichternamen erfährt man seit dem II. Jahrhundert beihnahe keine mehr. Höchstens wurden hie und da Lese- und Dekla mierdramen verfaßt, und diese erst in der Kaiserzeit.

613 Plut. Lucull. 29.

614 Daran, daß das Theater auch für Volksversammlungen, Gerichtsverhandlungen usw. diente, erinnern wir beiläufig. Gerne ist es der Schauplatz der Proklamation von Staatsveränderungen, indem z.B. ein Demetrios Poliorketes oder ein Aratos dieselben von der Szene aus verkünden. Plut. Demetr. 34, Arat. 8. 9. 23.

615 Vgl. Band III, S. 235 f.

616 Es fällt auf, daß selbst das Satyrspiel noch gepflegt wurde; vielleicht hatte diese älteste Gattung darum ein so zähes Leben, weil, wenn irgendwo, hier dem Schauspieler, resp. Dichter, ein lokaler Chor zu Gebote stand.

617 Welcher a.a.O.S. 1296 erwähnt z.B. ein kerkyräisches Psephisma, wonach für die Dionysien drei Auleten, drei tragische und drei komische Schauspieler gedungen und aus einer ad hoc gemachten Schenkung bezahlt wurden. – Daß dionysische Techniten an politischen Gedächtnisfesten wie dem des Aratos auftraten, erfahren wir aus Plut. Arat. 53. Sie sangen dabei Lieder zur Kithara.

618 Plut. Anton. 56. Er gab ihnen dann Priene zum οἰκητήριον.

619 Dieser soll übrigens Tragödien, Reden und Geschichtswerke verfaßt haben.

620 Vgl. Welcker a.a.O. 1317 ff.

621 Athen. VII, 14.

622 Zum Schöpfer wird der Demiurg erst bei Epiktet, wie auch die spätern Stoiker die πρόνοια besonders betonen. – Wie weit hat übrigens Schopenhauer mit seiner Hypothese von jüdischem Einfluß auf die Bildung des stoischen Gottesbegriffes recht?

623 Vgl. Band III, S. 363.

624 Mit dieser Verzweiflung an der Möglichkeit, zum Weisen zu werden, mochte wenigstens teilweise die Erlaubnis zum Selbstmord zusammenhangen.

625 Pro Murena 29, 61. – Cicero sagt hier über Zeno und seine Lehre wahrscheinlich kein Wort mehr, als er sicher weiß, sucht aber das Paradoxeste zusammen.

626 So Wagenmann bei Pauly VII, S. 1444.

627 Band III, S. 363 f.

628 Beiläufig mögen hier noch die drei Hauptzweige dieser Schule erwähnt sein, welcher der Satz gemein war, daß nichts von Natur gut oder böse sei, sondern alles nur nach Satzung und Gewohnheit; nur werde ein Wackerer aus Rücksicht auf die bestehenden Strafgesetze und die Meinung der Menschen nichts Ungehöriges begehen. Es sind die Schüler des Hegesias, des Annikeris und des Theodoros. Annikeris ließ wenigstens die Hauptempfindungen, Freundschaft, Wohlwollen, Pietät für die Eltern und Patriotismus bestehen, während der Weise des Hegesias alles nur um seiner Person willen tut und Theodoros bestimmt aussprach, der Weise bedürfe keiner Freunde, und es sei vernünftig, daß er sich nicht für das Vaterland aufopfere, da man nicht wegen der Hilfe für die Unvernünftigen die Vernunft verlieren dürfe. Hegesias und Theodoros lebten beide wenigstens eine Zeitlang unter Ptolemäos Lagi in Ägypten.

629 Cicero, de nat. deor. I, 30, 85: Video nonnullis videri Epicurum, ne in offensionem Atheniensium caderet, verbis reliquisse deos, re sustulisse.

630 Plut. non posse suav. vivi (17) nennt das Leben der Epikureer einen βίος ἀνέξοδος καὶ ἀπολίτευτος καὶ ἀφιλάνϑρωπος καὶ ἀνενϑουσίαστος. – In derselben Schrift (13) wird auch darüber geklagt, daß Epikur, obschon er selber den Weisen einen Freund künstlerischer Vorstellungen (φιλοϑέωρος) genannt und gesagt hatte, derselbe freue sich wie jeder andere über das, was es an den Dionysien zu schauen und zu hören gebe, gleichwohl nicht einmal beim Gelage den musikalischen und poetisch kunstrichterlichen Gesprächen eine Stelle zu lassen erlaubte, sondern eher strategische Gespräche und sogar Possen duldete; er selbst gehe zwar frühe ins Theater, um Kitharöden und Flötenspieler zu hören, aber, wenn selbst ein Aristoxenos oder ein Aristophanes von Byzanz oder Theophrast am Symposion über Musikfragen redete, hielte er mit beiden Händen die Ohren zu. Danach mögen sich die Tischgespräche der Epikureer wesentlich von denen der übrigen Gelehrten unterschieden haben; die Musik- und Poesiegespräche hatten sie offenbar verschworen. – Verachtung der alten Poesie wird ebenda (12) namentlich Epikurs Hauptschüler Metrodor vorgeworfen.

631 Laut Hesych stammte der Spruch übrigens von Epikurs Bruder Neokles.

632 Vgl. Pyrrhons Wort οὐ μᾶλλον οὕτως ἔχει τόδε ἢ ἐκείνως bei Gellius XI, 5, wo die ganze bodenlose Zweifelung auch sonst illustriert ist.

633 Band III, S. 368 ff.

634 Vgl. oben S. 552 und Band III, S. 346.

635 Vgl. oben S. 402.

636 Arrian IV, 9, 7; 10, 6; 11, 1. Plut. Alex. 52. Darüber, daß er den König hetzte, sich bei Tische die Köpfe von Königen und Satrapen bringen zu lassen, was ihm Alexander gelegentlich vorhielt, vgl. Athen. VI, 57.

637 Von Kleomenes bemerkt Plut. Kleom. 13 ausdrücklich, daß er nicht wie andere Fürsten handelte, welche ἐπὶ τοὺς ἀνϑρώπους ϑήρας ἐποιοῦντο χρήμασι καὶ δωρεαῖς δελεάζοντες αὐτοὺς καὶ διαφϑείροντες.

638 Vgl. S. 577.

639 Diog. Laert. II, 12, 4, wo auch erzählt wird, wie Demetrios nach der Einnahme Megaras sein Haus bewachen ließ und ihm das (offenbar bei der ersten Plünderung) Geraubte zurückerstatten wollte; der Philosoph sagte darauf, er habe nichts von seinem »Besitz« verloren, und Demetrios hörte dann auch einer seiner Unterredungen zu.

640 Dies ist nachgewiesen von Unger, Münchner Sitzungsber. 1887, S. 110 ff.

641 Bei Nauck fr. 13.

642 Athen. XIII, 92.

643 Diog. Laert. VI, 7, 3. Vgl. Band III, S. 359.

644 So in der Diog. Laert. II, 18, 4 erzählten Geschichte von dem Potentaten des zyprischen Salamis, Nikokreon, und Menedemos.

645 Athen. V, 47.

646 Athen. XII, 68.

647 Vgl. besonders Plut. de fort. Alex. I, 6.

648 Darüber, daß Pyrrhon Athen mied, vgl. S. 598. – Beiläufig möge hier noch aus Diog. Laert. II, 10, 5. eine auch die Eitelkeit der Philosophen illustrierende Geschichte angeführt werden: Der ursprünglich zur megarischen Schule gehörende Elier Alexinos zog einst von Elis nach Olympia und philosophierte dort. Als ihn seine Schüler nach dem Grunde der Umsiedelung fragten, sagte er, er wolle eine Sekte gründen, welche die »olympische« heißen werde (dies doch offenbar nur um der Reklame des Namens willen). Da sie aber im Lebensunterhalt bedrängt waren und die Gegend als ungesund erkannten, wichen sie von dannen, und Alexinos wohnte nun mit einem Sklaven einsam in Olympia.

649 Vgl. Band III, S. 341.

650 Vgl. die Ausführungen Ungers a.a.O. – Über Krates vgl. oben S. 461.

651 Plut. Kleom. 2.

652 Plut. Tib. Gracch. 8. 17. 20.

653 Vgl. Band I, S. 200.

654 Philopöm. 1.

655 Vgl. oben S. 491.

656 Vgl. oben S. 530.

657 Demetrios, der Lakonier, Strabo XIV, 2, 20, op. 658.

658 Älian fragm. 39. V.H. IX, 12.

659 Appian, Mithr. 28. Athen. V, 48.

660 Strabo XIV, 2, 24, p. 660.

661 Ebenda 5, 4, p. 670.

662 Ebenda 5, 14, p. 674 f.


Anmerkungen: A1 Oeri: kulturbeherrschenden. A2 fehlt bei Oeri. A3 Oeri: durch solche. A4 Oeri: tarentische. A5 Oeri: Sezessionskriege. A6 Oeri: nämlich. A7 Oeri: bereits A8 Oeri: beliebigen. A9 Oeri: über 20000 entbehrungsfähige. A10 Oeri: als er erst sechs Jahre. A11 Oeri: daß. A12 Oeri: Schon. A13 Oeri: vererbte. A14 Oeri: anstrengen. A15 Oeri: 1000. A16 Oeri: Kiderios. A17 Oeri: schon. A18 Oeri: den. A19 Oeri: schreckliche. A20 Oeri: Heere. A21 Oeri: Agräer. A22 Oeri: Einen. A23 Oeri: Griechenparteiung. A24 Oeri: Heldenmut. A25 Oeri: denen. A26 Oeri: einige von den als seine Untertanenstädte. A27 Oeri: in den alten messenischen Kriegen zerstört waren. A28 Oeri: unterwegs in die Hände von Seeräubern aus den liparischen Inseln fällt. A29 Oeri: Mördererlaubnis. A30 Oeri: Antonius spielte den Philhellenen in Athen so, daß Plutarch in dieser Beziehung einen ausdrücklichen Vergleich zwischen ihm und Demetrios Poliorketes ziehen kann. A31 Oeri: denselben. A32 Oeri: Eingreifen. A33 Oeri: wird aber unzugänglich. A34 fehlt bei Oeri. A35 Oeri: als auf die privaten Angelegenheiten. A36 Oeri: Diadochen, selbst noch. A37 Oeri: Kabinettsbilder. A38 Oeri: Aristoteles aber hatte. A39 Oeri: Übersicht über verschiedene Gebiete für. A40 Oeri: hatte, zwei Werke des Eudoxos von Knidos (das ἔνοπτρον und die φαινόμενα) und machte daraus ein Gedicht (φαινόμενα καὶ διοσημεῖαι). A41 Oeri: im.

Quelle:
Jakob Burckhardt: Gesammelte Werke. Darmstadt 1957, Band 8.
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