Fünftes Kapitel.

Die Schlacht bei Döffingen.

23. August 1388.

[610] Die Schlacht bei Döffingen pflegt als das Gegenstück zur Schlacht bei Sempach angesehen zu werden: wäre der Graf von Württemberg hier erlegen, wie da der Graf von Habsburg, so wäre es mit Fürstentum und Ritterschaft im unteren Herzogtum Schwaben ebenso zu Ende gewesen, wie im oberen. Es wird deshalb richtig sein, den Fortgang der Schweizer Kriegsgeschichte an dieser Stelle zu unterbrechen und eine Untersuchung über Döffingen einzuschieben.558

Der große Städtebund hatte ein Heer zusammengebracht, das seit dem Januar versammelt, das ganze Jahr (1388) hindurch im Felde lag und die Dörfer der feindlichen Fürsten, besonders des Württembergers plünderte und verbrannte. In Schwaben war alles so verheert, daß nach Königshofens Ausdruck außerhalb der Städte und Festen 10 und 12 Meilen weit nirgends ein Dorf oder ein Haus stand.

Württembergische Bauern hatten sich mit ihrer Habe in den festen Kirchhof von Döffingen bei Weil geflüchtet, und wurden hier von den Städtern belagert. Da erschien Graf Eberhard, dem der Pfalzgraf Ruprecht, Markgraf Rudolph von Baden, Burggraf Friedrich von Nürnberg, der Bischof von Würzburg, die Grafen[610] von Öttingen, von Helfenstein, von Katzenellenbogen zugezogen waren, und griff das städtische Heer an. Die Städter werden in den Chroniken auf 700 bis 800 Spieße zu Roß und 1100 bis 2000 Mann zu Fuß,559 das fürstliche Heer auf 600-1100 Gleven und 2000 Bauern oder 2000 bis 6000 zu Fuß560 angegeben. Ein wirklicher Wert ist diesen Zahlen nicht beizulegen. 600 Gleven erscheint für ein Aufgebot so vieler Fürsten recht wenig. Der große Bund der Städte, 39 an der Zahl, darunter Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Ulm, Konstanz, Basel hätte natürlich für eine Entscheidungsschlacht ganz andere Massen stellen können; da es sich aber um eine Truppe handelt, die dauernd im Felde lag, so werden die 2000-3000 Mann wohl der Wahrheit ziemlich entsprechen.

Als der Kampf begann, stieg Graf Ulrich, der Sohn Eberhards, mit der Mehrzahl der Ritter vom Pferde; aus welchem Grunde, wird nicht gesagt.

Schon war Graf Ulrich mit einer großen Zahl von Edlen gefallen, als die Herren von Bitsch und von Rosenfeld mit 100 frischen Gleven anlangten und den Sieg des Württembergers entschieden. Die Söldner Nürnbergs und vom Rhein werden beschuldigt, zuerst geflohen zu sein, und der Anführer der Nürnberger, ein Graf von Henneberg, sogar verrätischer Weise mit Absicht.561 Welche Rolle die Bauern in dem Kampfe gespielt haben, sei es die in dem Kirchhof eingeschlossenen, sei es die von Eberhard mit herangeführten, ist nicht ersichtlich, doch sagt Königshofen ausdrücklich, auch von ihnen seien viele gefallen.

Den Verrat des Nürnberger Hauptmanns werden wir als wenig glaubwürdig zu den vielen Verratsgeschichten legen dürfen, durch die Niederlagen erklärt werden sollten,562 umsomehr, als der[611] Graf von Henneberg auch der Anführer der habsburgischen Ritter gewesen sein soll, die bei Sempach zu Roß blieben und die Flucht nahmen.

Sehr merkwürdig aber ist eine Erzählung in der Nürnberger Chronik von Ulman Stromer, die da lautet: »da was graff Eberhart von Württemberg zu roß und hinten den Hauffen und schlug und trieb das volk, daß sich das weren muß, also daß die stet den streit verluren«. Man könnte sich versucht fühlen, diese Nachricht zu kombinieren mit dem Absitzen des Grafen Ulrich: daß dieser nämlich mit einer Anzahl Ritter sich an die Spitze eines großen, geschlossenen, aus den Fußknechten und Bauern gebildeten Haufens gestellt habe, den der Vater von hinten mit gewaltiger Stimme und Bedrohung zusammenzielt. Stromer erzählt nichts von der Verstärkung, die während der Schlacht plötzlich für die Württemberger angekommen sei, aber man könnte ja annehmen, daß beide Momente zusammengegriffen: der Haufe des Fußvolks hielt stand, und ein Angriff von Reserve-Rittern entschied.563 Auf Ritter kann sich das Antreiben Eberhards nicht bezogen haben. Das Eigentümliche bei Döffingen also wäre, daß der große Haufe Fußvolk durch Bauern verstärkt und durch Ritter festgemacht, also mit einer umfassenden, vorausschauenden Überlegung gebildet worden ist. Noch interessanter wird die Erscheinung, wenn man sich überlegt, daß wir hier ja ein Stück Schweizer Taktik vor uns haben würden, und zwar auf der früstlich-adligen Seite. Der Städte-Bund repräsentiert nichts als das gewöhnliche mittelalterliche Kriegswesen, Ritter, teils Patrizier, teils Söldner, und Fußknechte als bloße Hilfswaffe, ebenfalls dem Charakter nach Söldner, wennschon Bürger und Bürgerssöhne darunter. Die Bauern aber, die dem städtischen Heer fehlen, kämpfen unter und mit ihrem Grafen. Sollte Eberhard etwa gar mit Bewußtsein die Schweizer bei Sempach nachgeahmt haben? Wie es kam, daß das ritterliche Heer hier so schmählich unterlegen war, muß doch an allen Fürstenhöfen und ritterlichen Tafelrunden besprochen worden sein, und daß der oberste Anführer, statt den Seinen ein Vorbild[612] an der Spitze zu kämpfen, als letzter zu Rosse hält, ist im ganzen Mittelalter unerhört und aller Rittersitte widersprechend. Ist es geschehen, so war es nichts Beiläufiges.

Jetzt erscheint es uns sofort nur natürlich, daß die großen Reichsstädte bei Döffingen unterlagen, die kleinen Schweizer Städte, Bern, Luzern siegten: der politische Charakter der Bünde ist ein durchaus verschiedener. Die deutschen Reichsstädte sind vorwiegend aristokratische Gebilde und wollen ihre Kriege ausfechten mit Söldnern, wenigstens zum wesentlichen Teil mit Söldnern. Auch die Schweizer Städte sind ja nicht durchaus Demokratien, besonders Bern nicht, aber ihrem aristokratischen Regiment ist doch so viel Demokratisches beigemischt, und die Zugehörigkeit der großen Bauer-Gemeinden gibt dem ganzen Bunde einen so demokratischen Charakter, daß das Heer ein Volksaufgebot darstellt. Auch wenn der Städtebund bei Döffingen noch gesiegt hätte, zu einer Eidgenossenschaft nach Art der Schweizer hätte er mangels dieses volkstümlichen Elements niemals werden können, und die Schlacht bei Döffingen ist daher nicht eigentlich eine große Entscheidung, sondern nur ein Zeugnis, wie gering im Grunde die kriegerische Spannkraft der Reichsstädte war. Auch die deutschen Fürsten hatten eine Beziehung zum bäuerlich-demokratischen Element, und mit Hilfe dieses Aufgebots besiegte der Greiner die stolzen Bürger.

Ob nun Graf Eberhard wirklich sein Fußvolk in so genialer Weise organisiert und verwandt hat, wie wir oben kombinierten, muß doch dahingestellt bleiben. Die Andeutungen der Quellen sind zu unsicher, um als Beweis zu gelten und das Siegel, welches auch auf unsichere Kunden den Stempel der Glaubwürdigkeit drückt, die weitere Entwickelung, fehlt. Selbst wenn in der Schlacht bei Döffingen die schwäbischen Edlen ihre Bauern zum Siege geführt haben sollten, so wäre das doch nur eine Episode in der Geschichte der Kriegskunst gewesen, und eben das macht die ganze Hypothese sehr zweifelhaft. Denn ein so großer Erfolg würde doch den Grafen von Württemberg zur Wiederholung gereizt haben, und wir würden in späteren Kämpfen ähnliches hören. Vollständig fehlt es an solchen Spuren nicht, worüber unten mehr. Freilich da, wo wir in erster Linie etwas erwarten möchten, in den Hussiten-Kriegen, finden wir nichts.[613]

Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 610-614.
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