Chammurapi von Babel und sein Reich

[627] 444. Mit der Eroberung von Isin hat Rimsin den Höhepunkt seiner Macht erreicht; von da an benennt er die Jahre mindestens noch dreißig Jahre lang nach diesem Ereignis, ein deutlicher Beweis, daß ihm weitere Erfolge nicht mehr beschieden waren. Von den beiden Völkern, welche um die Herrschaft über das Reich Sumer und Akkad mit einander ringen, den Elamiten, die sich in Larsa und östlich vom Tigris in Emutbal festgesetzt haben, und den Amoritern, die von Babel und dem Nordwesten aus erobernd vordringen, erheben sich vielmehr jetzt die letzteren, nach dem Rückgang, den ihr Reich unzweifelhaft in den letzten Jahrzehnten erlitten hatte, zu neuer Macht und gewinnen alsbald das volle Übergewicht. Aus den letzten Jahren Sinmuballiṭs sind außer einem Kanalbau und der Befestigung mehrerer Städte Ereignisse von Bedeutung nicht bekannt; um so ruhmreicher war die Regierung seines Sohnes Chammurapi (2123-2081). Gleich in seinem ersten Jahre hat er bedeutende Erfolge errungen. Im Jahre 2120 »hat er nach dem Worte Anus und Ellils die Mauern von Ma'er und Malgu zerstört«, also diese beiden Städte Mesopotamiens (§§ 393. 432) erobert-daran schließt sich 2114 »die Fortführung der Bewohner und des Viehs von Malgu«. Dann aber im Jahre 2117 »wurden Uruk und Isin erobert«, und das nächste Jahr ist nach dem Vordringen in Emutbal benannt. So dürftig und lückenhaft die Jahrdaten, unsere einzige Quelle, der Natur der Sache nach sind, so zeigen sie doch deutlich, daß diese Jahre die eigentlich entscheidenden gewesen sind. Das Schweigen der Daten Rimsins erklärt sich vollkommen; er hat in diesen Jahren nicht[627] nur seine Eroberungen verloren, sondern auch wenigstens großenteils die Verbindung mit Elam, und ist im wesentlichen auf den Besitz von Larsa und Ur (sowie Eridu und Lagaš), d.i. das Mündungsgebiet des Euphrat, beschränkt worden. Chammurapi konnte sich jetzt schon rühmen, daß Anu und Ellil ihm die Herrschaft über Sumer und Akkad und die vier Weltteile anvertraut haben. Das eroberte Gebiet jenseits des Tigris wurde durch einen großen Kanal Nuchuš-niši »Überfluß der Bevölkerung« erschlossen und mit Bauern besiedelt; am Ausgangspunkt desselben erbaute er eine große Festung, die er nach seinem Vater Sinmuballiṭ benannte. – Auch aus den folgenden Jahren werden, neben Bauten und Weihgeschenken für die Götter und einer neuen Befestigung Sipparas und anderer Orte, gelegentlich Kämpfe erwähnt, so im Jahre 2113 die Zerstörung von Rabiqu und Šalibi (?). Der letzte Erfolg aber wurde erst weit später errungen. Wie eine Chronik erzählt, »sammelte Chammurapi seine Truppen und zog gegen Rimsin, König von Ur; er eroberte die Städte Ur und Larsa und brachte ihre Habe nach Babel«. Nach den Jahrdaten kämpfte Chammurapi im Jahre 2094 gegen das Heer von Elam; im nächsten Jahr (dem einunddreißigsten seiner Regierung) »warf er mit Hilfe Anus und Ellils das Land Emutbal und König Rimsin zu Boden«. Rimsin muß sich durch die Flucht gerettet haben und wird uns später noch einmal begegnen (§ 452); Emutbal wurde eine Provinz des Reichs Chammurapis. Daran schließt, wie es scheint, im Jahre 2092 die Besiegung von Tupliaš (Ešnunnak). Damit war ganz Sinear der Herrschaft Chammurapis unterworfen.


Die Angaben der Datenlisten (§ 437) und datierten Doku mente ergänzen sich vielfach, können aber natürlich nie ein vollständiges Bild der Geschichte Chammurapis geben. Zu dem bei KING, Hammurabi III 228ff. zusammengestellten Material (Liste A und einzelne Daten) kommen jetzt die neuen Listen bei KING, Chronicles II 98ff. (Liste F und die Liste C aus Sippara, die MESSERSCHMIDT, Orient. Lit.-Z. X 169ff. neu publiziert hat) hinzu; eine erschöpfende Neubearbeitung alles Materials wäre sehr erwünscht und lohnend. Die in Betracht kommenden Daten sind: Jahr 4 Zerstörung der Mauern von Maer und Malgu (Malgia) nach [628] den Urkunden (KING, Hammurabi III 230, 46. DAICHES, Altbabyl. Rechtsurk. S. 84); abgekürzt in A, dagegen in C »Erbauung (!) der Mauer von Ga(!)-gia«. – Jahr 7 vollständig bei THUREAU-DANGIN, Inschriften von Sumer und Akkad S. XIX, Anm. 3 = Orientalist. Lit.-Z. X 256. Journ. As. Sept. 1909, 339, 3, »Jahr wo erobert wurden Uruk und Isin«, abgekürzt in A, C und F (UNGNAD, Z. Ass. XXIII 77ff., hat dies Datum übersehen). Möglich wäre, daß Uruk in den nächsten Jahren wieder verloren ging. – Jahr 8 »in dem das Land an den Ufern des Kanals Nuchušniši« A; »in dem das Land Emutbalum ...« F. Nach der Grabung (d.i. natürlich Wiederherstellung) dieses Kanals ist das nächste Jahr in A und F benannt, vgl. KING, Hamm. III 232, 49. Auf diesen Kanal, »der Sumer und Akkad reichliches Wasser bringt und dessen beide Ufer in Äcker verwandelt werden«, bezieht sich die Inschrift bei KING III S. 188f., die mithin dieser Zeit angehört; daher ist sie nur einsprachig, semitisch, abgefaßt. – Jahr 10 über die Fortführung der Bewohner und des Viehs von Malgu (Malgia) vollständig in F, in A zerstört, ebenso Jahr 11 über Rabiqu und Šalibi [wahrscheinlich identisch mit »dem Jahr, in dem Ibiq-adad die Stadt Rabiqu nahm«, KING III 239, 72, vgl. Chronicles I p. 169]. – Jahr 30-32 teilweise in A, vollständiger in den Urkunden bei KING III p. 236, 65. 66. 67 und 238, 71. In welchen Zusammenhang die dort angeführten Truppen von Turukku (var. Turuqu), Kakmum, Subê gehören, ist völlig unklar. – Die Angabe der Chronik: KING, Chronicles II 77. – Emutbal ist nach den Verfügungen an Siniddinam bei KING, Hammurabi III 6. 10. 103 dem Reich einverleibt.


445. Wie an den ersten großen Erfolg schließt sich auch an die Eroberung des Restes von Sinear unmittelbar die Anlage eines neuen Chammurapikanals (2091), der sich bei Sippara vom Euphrat abgezweigt zu haben scheint und vor allem die Städte des Südens mit Wasser versorgen sollte; so rühmt sich der König im Eingang seines Gesetzbuchs, daß er Uruk neues Leben und seinen Bewohnern reichliches Wasser verschafft habe. Auch sonst hat er mit Eifer für das neugewonnene Gebiet gesorgt, die zersprengten Einwohner von Isin wieder in ihre Heimat zurückgeführt, in Larsa dem Sonnengott, in Challab (§ 442) der Ištar (Nanai) einen Tempel gebaut, Eridu »auf seinen Fundamenten wiederhergestellt und das große Heiligtum des Ea gereinigt«; auch für Lagaš und Girsu hat er »Weide und Tränke geschaffen« und seinen alten Tempel mit Opfern ausgestattet. Ähnlich hat er für Kiš und [629] Opis, den Tempel von Charsagkalama, Kutha, Adab u.a. gesorgt, überall den Ackerbau und die Viehzucht zu heben, Götter und Menschen reichlich zu versorgen, das Räuberunwesen zu unterdrücken, Ruhe und Sicherheit zu schaffen sich bemüht. Dazu kommen die zahlreichen Festungsbauten, die sich durch seine ganze Regierung hinziehen; wahrscheinlich im Jahre 2089 hat er die große Festung Karašamaš »hoch wie einen Berg« am Tigris gebaut. Der Löwenanteil indessen fällt natürlich den Städten seiner Heimat zu, Sippara, Babel und dem benachbarten Borsippa. Babel ist jetzt die Königsstadt, die an die Stelle der alten Residenzen im Süden getreten ist; so sehr offiziell die alten Formeln beibehalten, Anu und Ellil und daneben Ea als die Götter gepriesen werden, welche die Welt regieren und das Königtum verleihen, so ist doch für ihn und seine Dynastie Marduk der eigentliche Königsgott, »der erstgeborene Sohn Eas, dem Anu und Ellil die Herrschaft über die Gesamtheit der Menschen verliehen, für den sie in Babel ein ewiges Königtum begründet haben«. Man sieht, wie er zugleich an die alten Götter des Landes angeknüpft und diese durch ihn beiseite geschoben werden; eben darum wird Nippur, die Stadt, deren Orakel ehemals das Königtum vergab, von Chammurapi zwar im Eingang seines Gesetzes unter den Städten Sinears an erster Stelle genannt, aber im übrigen von ihm und seiner ganzen Dynastie offenbar mit bewußter Absicht völlig vernachlässigt. In der Folgezeit sind dann die Attribute und Mythen Ellils ganz auf Marduk übertragen, vor allem der Beiname »der Herr der Länder« bêl matâti-daher wird er abgekürzt später oft als Bêl (Βῆλος) bezeichnet –, und ebenso gar manche Mythen und Kulthymnen, die sich ursprünglich auf Sin, den Königsgott von Ur, oder auf Ea, den Orakelgott von Eridu, bezogen (§ 426).


Der zweite Kanal Chammurapis (Jahr 33 der Datenliste, vgl. KING III 232, 49, wahrscheinlich der Kanal Tišid-Ellil, der vom Euphrat abgeleitet ist) ist offenbar der, welcher in der bilinguen Inschrift von Sippara KING III 177ff. erwähnt wird. – Larsa und Challab: KING III [630] 181ff. Festung Karašamaš ib. 240 Anm. Die übrigen Angaben sind der Datenliste und vor allem dem Eingang der Gesetzesstele entnommen.


446. Chammurapi hat den Titel eines Königs von Sumer und Akkad vielleicht schon seit den ersten Siegen über das Reich von Larsa angenommen, und wie die alten Herrscher des Südens trägt er das sumerische Königsornat, Mantel und Turbankappe (§ 406). Auch seine Vorgänger hatten die sumerische Sprache nach altem Herkommen für die Benennung der Jahre und ähnliche Formeln verwertet; jetzt fassen Chammurapi und seine Nachfolger ihre Inschriften wenigstens zum Teil in den beiden Sprachen des Reichs ab, Sumerisch und Akkadisch, und die alte Sprache behält den ersten Platz. Aber tatsächlich hat sein Sieg die Herrschaft des semitischen Elements über Sinear, die Sargon von Akkad zuerst begründet hatte, definitiv entschieden; das Sumerische stirbt jetzt ganz aus und lebt nur noch als heilige Sprache weiter (§ 426). Dem entspricht es, daß trotz der allumfassenden Tätigkeit des Herrschers der Süden fortan alle Bedeutung verliert. Zwar Uruk, Larsa, Ur, Eridu bleiben nach wie vor heilige Stätten, so gut wie Nippur; aber es ist nicht nur Zufall, daß die immer nur spärlichen Denkmäler hier jetzt völlig aufhören. Denn die Ausgrabungen in Tello (Lagaš), Surghul, Abu Hatab (Kisurra), Fara (Šuruppak), Bismaja (Adab) haben gezeigt, daß diese Städte mit dem Ende des Reichs von Sumer und Akkad völlig verfallen und verödet sind, trotz der Fürsorge, die Chammurapi einigen von ihnen nochmals zugewandt hat; eine ehemals so glänzende Stadt wie Lagaš ist mit ihrem Gott in der Folgezeit völlig verschollen und wird nie wieder erwähnt. Die Wirren der folgenden Jahre und die Losreißung des Südens von Babel sowie die Begründung eines eigenen Reichs im Meerland, welches doch niemals zu größerer Bedeutung gelangen konnte, haben diese Entwicklung nicht aufhalten können, sondern eher gefördert. Dazu kommt aber offenbar als ein ganz wesentliches Moment die stetig fortschreitende Umwandlung der geographischen Verhältnisse, die Erweiterung des Alluviums, die Verschiebung der Flußbetten, deren Lauf sich [631] verlängert und dadurch verlangsamt, das Entstehen ausgedehnter Sümpfe und Lachen, und dazu das Vordringen des Wüstensandes. Die Kanalbauten eines energischen Herrschers wie Chammurapi, der das ganze Land beherrschte, konnten diese Entwicklung wohl einmal zeitweilig aufhalten und neues Leben schaffen; auf die Dauer vermochten sie die Entwicklung nicht zu hindern, und bei dem Niedergang der einheitlichen Staatsgewalt trat dann der Verfall nur um so rascher ein.

447. Chammurapi und sein Haus sind nicht aus den Akkadiern, den seit alters im Lande ansässigen Semiten hervorgegangen, sondern aus den eingedrungenen semitischen Beduinen. In seiner äußeren Erscheinung, die uns auf der Gesetzstele und in roherer Gestalt auf einer Kalksteintafel erhalten ist, tritt dieser Ursprung deutlich hervor; er hat nicht nur ausgeprägt semitische Züge (darunter eine sehr große Nase), sondern er trägt zwar einen langen Bart, hat aber nach Beduinenart (§ 396) die Lippen rasiert und das Haupthaar kurz geschoren. Auch Gesicht und Bart des Sonnengottes läßt er ebenso bilden, während ihm das lange Haupthaar der Akkadier gelassen wird. Offenbar stand, trotz aller offiziellen Betonung der Herrscherrolle des Marduk von Babel, der Gott von Sippara dem König und den Traditionen seines Hauses weit näher: wenn er seinen Sohn Samsuiluna »die Sonne ist unser Gott« nennt, so klingt das geradezu wie ein Bekenntnis. Wie dieser Name sind auch die anderen Namen der Könige der Dynastie fast alle nicht akkadisch, sondern amoritisch; und die Urkunden zeigen, einen wie großen Bestandteil der Bevölkerung die Amoriter gebildet haben. Dem entspricht es, daß Chammurapi in der sumerisch abgefaßten Weihinschrift seines Beamten Itur-ašdum auf einer Kalksteintafel mit seinem Bilde ausschließlich den Titel »König des Amoriterlandes (Martu)« erhält. Zweifellos sind die Amoriter und ihre Anschauungen auch auf die Gestaltung des Staats von bedeutendem Einfluß gewesen. Damit wird es zusammenhängen, daß Chammurapi sich zwar gelegentlich einen [632] Sohn des Sin (Gesetz 2, 14f. 27, 42) und daneben des amoritischen Gottes Dagan (4, 28; § 396) nennt-vermutlich war dies der spezielle Schutzgott seines Hauses, wie in Chana (§ 433) –, und sich rühmt, »wie der Sonnengott Šamaš aufgegangen zu sein über den Schwarzköpfigen«, ja sich die Sonne von Babel nennt, trotzdem aber wie seine ganze Dynastie die Göttlichkeit des Königtums ablehnt. Seitdem verschwindet diese von Sargon und Naramsin begründete Auffassung. Zwar wird später der Name der kossaeischen Könige noch sehr oft in alter Weise mit dem Gotteszeichen geschrieben; aber trotzdem sind, im Gegensatz zu den Pharaonen, alle späteren Herrscher von Babylonien, und ebenso die Assyrerkönige, wenn sie auch noch so mächtig werden, wohl die Günstlinge der Götter, die zu ihnen in einem engen persönlichen Verhältnis stehen, aber nicht mehr selbst Götter.

Über die Bildnisse Chammurapis s. Sumerier und Semiten S. 14ff. Inschrift des Iturašdum (vgl. § 396 A.; den von KING falsch gelesenen Namen hat UNGNAD erkannt): KING III 195. – Der Name Chammurapi [in einer Urkunde aus Chana (§ 433) bei JOHNS, PSBA. 29, 180 Chammurapich geschrieben] scheint in westsemitischer Gestalt korrekt 'Ammu-rapi', d.i. etwa «der Stamm םע ist erhaben (?)», gelautet zu haben, s. THUREAU-DANGIN, Orient. Lit.-Z. XI 93 und UNGNAD, Z. Ass. XXII 7ff.; ins Akkadische wird er übersetzt (Königsliste V R 44) durch kimtu rapaštum »die Sippe ist ausgedehnt«. Das Gottesdeterminativ erhält er nur ganz vereinzelt, und wohl nur infolge mißverständlicher Deutung des ersten Bestandteils des Namens als Gottesnamen. – Ein Gedicht zur Verherrlichung des Königs und seiner Macht: KING III 172ff.


448. Chammurapi führt meist auch den Titel eines Königs der vier Weltteile; aber wie weit sich seine Herrschaft über die Grenzen von Sinear hinaus erstreckt hat, läßt das dürftige Material nur in sehr geringem Umfange erkennen. Gegen Elam wurde das Grenzland Emutbal dauernd behauptet; und Kuknašur der Regent von Susa (§ 432 a) datiert eine Schenkungsurkunde nach dem ersten Jahre Ammiṣaduqas (1977). Mesopotamien hat Chammurapi offenbar wenigstens zum großen Teil beherrscht: Maer und Malgu hat er besiegt (§ 444), und die Herrscher von Assur sind ihm untertan gewesen. Wie [633] ehemals die Patesis von Susa nicht sowohl als fremde, wenn auch dem Reich von Sumer und Akkad unterworfene Dynasten, sondern vielmehr als Glieder dieses Reichs galten (§ 414), so wird jetzt Assur und Ninive geradezu als Bestandteil des Reichs von Babel betrachtet: im Eingang seines Gesetzbuchs zählt Chammurapi alle Städte und Tempel von Sinear auf, für die er gesorgt hat, und reiht daran zum Schluß unmittelbar die Städte Assur, der er »ihren gnädigen Schutzgott (lamassu) zurückgegeben« habe, und Ninive, in dessen Tempel er den Namen der Ištar strahlen ließ; und ein Dokument zeigt, daß er Truppen in Assur stehen hatte. Offenbar sind dem Kriege vorangegangen, vielleicht zunächst in Abwehr assyrischer Angriffe (§ 433); die enge Verwandtschaft der Amoriter mit den Assyrern hat dann dazu geführt, daß ihre Städte und Götter als denen von Sinear gleichstehend anerkannt wurden. Dem Reich unmittelbar einverleibt freilich sind sie nicht, sondern stehen nach wie vor unter eigenen Patesis; auf einer Urkunde aus Sippara aus dem 10. (?) Jahr Chammurapis (1949) wird bei Marduk, Chammurapi und Samsiadad geschworen, und dieser ist vielleicht ein Patesi von Assur (s. § 463 A.). – Von einer weiteren Ausdehnung der Macht Chammurapis wissen wir nichts. Angesichts des tiefgreifenden und lange nachhaltenden Einflusses Babyloniens auf Syrien (§ 469) würde man sehr geneigt sein anzunehmen, daß auch Syrien ihm untertan gewesen sei, wie früher den Königen von Akkad und vielleicht denen von Ur; aber in den erhaltenen Urkunden weist keine sichere Spur darauf hin, wenn auch bei ihrer Dürftigkeit ihr Schweigen nicht entscheidend sein kann. Noch weniger läßt sich irgend etwas über die Stellung der Assyrer in Kappadokien ermitteln, wenn man auch die Mehrzahl der dortigen Tontafeln nach der Schrift etwa in diese Zeit setzen möchte. Immerhin würde man erwarten, einmal in den Jahrdaten einen Feldzug nach Syrien oder Kappadokien erwähnt zu finden, falls die Macht des Königs sich wirklich bis in diese Gebiete erstreckt hätte. An fortdauernden Beziehungen zum Westen, wie sie uns unter [634] den Kossaeern in den Amarnabriefen entgegentreten, kann es natürlich unter ihm und seinen Nachfolgern noch viel weniger gefehlt haben.


Emutbal: § 440 A. Urkunde des Kuknašur von Susa: UNGNAD, Urk. von Dilbat S. 2ff. Das ist bis jetzt der einzige Text dieser Zeit, der über die Stellung von Susa Auskunft gibt [den angeblichen König Sadi oder Taki hat UNGNAD, Orient. Lit.-Z. X 548, beseitigt]; man sieht, wie wenig ein argumentum e silentio zulässig ist. – Herrschaft über Assyrien: KING III p. 4 und im Gesetz. – Über die Urkunden mit den Namen Beltabi und Samsiadad s. § 463 A. – Die Erwähnung des Amoriterlandes im Titel Chammurapis § 447 und in dem Ammiditanas KING III 207 kann für eine Herrschaft über Syrien nichts beweisen [ebensowenig die der amoritischen Krieger im Jahrdatum Samsuiluna Jahr 36], da hier sehr wohl die Amoriter Babyloniens gemeint sein können; und der Titel gal-mar-tu KING III p. 169 ist vollends dunkel; vgl. THUREAU-DANGIN, Königsinschriften S. 170 Anm. f. Das Schweigen der Texte über das Amoriterland (Syrien) fällt um so stärker ins Gewicht, je zahlreicher die amoritischen Namen dieser Zeit sind, und ferner solche, die mit Mar-tu zusammengesetzt sind [die allerdings, wie mir RANKE bemerkt, durchweg nicht westsemitische Form haben].


449. Der Zufall hat uns zahlreiche Erlasse bewahrt, die Chammurapi an einen hohen Beamten Sin-idinam gesandt hat, dem der Süden seines Reichs, mit den Städten Larsa, Ur, Uruk, Lagaš und zahlreichen kleinen Ortschaften unterstellt war. In diesen Dokumenten tritt nicht nur die Organisation und der Verwaltungsmechanismus des Reichs sehr anschaulich hervor, sondern man glaubt auch unter den Formen, die sich offenbar seit alters für den Verkehr des Herrschers mit seinen Beamten gebildet hatten und von der Kanzlei nach festem Schema gehandhabt wurden-wir besitzen eine Anzahl gleichartiger Erlasse auch von Chammurapis Nachfolgern –, die klare und energische Persönlichkeit des Herrschers durchschimmern zu sehen. Darin erinnern sie an eine gleichartige Dokumentensammlung des römischen Kaiserreichs, den berühmten Schriftwechsel zwischen Trajan und Plinius. Allerdings fehlt selbstverständlich den babylonischen Urkunden der Hintergrund einer allseitig durchgebildeten geistigen Kultur, als deren Träger sich der Kaiser fühlt und deren Grundgedanken [635] er überall in kurzem, zum Ziel treffendem Wort einen durchaus individuell geprägten Ausdruck zu verleihen vermag; aber auch in Chammurapis Erlassen erkennen wir einen fest durchgebildeten, von geordneten Anschauungen beherrschten Reichsorganismus, und in der klaren, ganz kurz gehaltenen Darlegung des Einzelfalls, in der z.B. die vom Beamten eingereichte Anfrage in wenig Worten resumiert wird und dann eben so knapp und bestimmt die autoritative Entscheidung folgt, und in der Weglassung alles überflüssigen Beiwerks und der peinlichen Vermeidung alles inhaltlosen Formelwesens stehen die beiden durch zwei Jahrtausende von einander getrennten Sammlungen einander gleich. In alle Einzelheiten der Verwaltung greift hier wie dort der Herrscher unmittelbar ein, über jeden Vorfall von irgendwelcher Bedeutung wird seine Entscheidung eingeholt, und mit großer Energie wacht er über der Ausführung seiner Befehle. Zahlreiche Prozesse werden nach seinen Weisungen entschieden, die maßgebenden Dokumente im Archiv des Palastes aufgesucht, oder auch an das Hofgericht überwiesen, nicht selten die Parteien oder auch Leute, die sich vergangen haben, nach Babel zur Aburteilung vorgefordert und mit einer Eskorte eingeschickt. Die Steuern, teils in Naturalien (Getreide, Sesam, Datteln), teils in Geld, werden energisch eingetrieben, auch vom Tempelgut-gelegentlich wird ein Nachlaß bis zum Abschluß der Ernte gewährt, dann aber sofort gemahnt –, ebenso die Pachtgelder; die großen Herden des Kö nigsguts, die Schafschur u.ä. werden kontrolliert, Holzlieferungen aus den Wäldern des Marschlandes im Süden, Stellung von Transportschiffen u.a. angeordnet, die Fronarbeiten der Hörigen streng überwacht, aber auch dafür gesorgt, daß niemand zu Arbeiten gepreßt wird, zu denen er seinem Stande nach nicht verpflichtet ist, und überhaupt die Stellung der einzelnen Bevölkerungsklassen (z.B. der Kaufleute) und ihre Sonderrechte streng kontrolliert. Versuche der Stadtbehörden, der »Ältesten« (§ 422) und Richter, Grundbesitz widerrechtlich einzuziehen, werden rückgängig gemacht, gegen Bestechungsversuche energisch [636] eingeschritten. Daneben steht die ununterbrochene Fürsorge für die Instandhaltung und Weiterführung der Kanäle, für die die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke zu Fronden verpflichtet sind; ferner Anordnungen über Einschaltung eines Monats, über kultische Maßnahmen-z.B. die Entsendung von Göttinnen von Emutbal nebst ihren Tempelfrauen nach Babel zu Schiff und ihre Rücksendung in die Heimat, oder unter Samsuiluna über die Prozession der Göttin Anunit nach einem Stadtquartier von Sippara –; weiter über Truppenbewegungen u.ä. Der König hält ein stehendes Heer von Berufssoldaten, das wohl großenteils aus den Amoritern rekrutiert ist; wie das Gesetz Chammurapis lehrt, ruht auf den Kriegern die ständige Verpflichtung zum Heerdienst, und wer sich dem entzieht und beim Aufgebot einen gemieteten Vertreter an seine Stelle schickt, wird mit dem Tode bestraft. Dafür erhalten die Krieger vom König ein unveräußerliches Grundstück und Vieh zur Bewirtschaftung, das sich mit der Verpflichtung zum Kriegsdienst auf ihre Nachkommen vererbt. Wenn ein Krieger dies Gut wegen der darauf liegenden Lasten (offenbar mit dem Erbpachtverhältnis verbundene Abgaben, ilku) nicht bewirtschaftet, darf es ein anderer okkupieren; wenn der Krieger dann drei Jahre lang nicht zurückkehrt, geht es in den Besitz des Okkupanten über. Das sind Verhältnisse, die an das spätere Aegypten und das Römerreich und seine Landanweisungen für die Veteranen erinnern; offenbar beruhen Macht und Erfolge der Könige von Babel eben auf diesem Kriegerstand, und seine allmähliche Umwandlung in Grundbesitzer mag dann später das entscheidende Moment für den Niedergang ihres Reichs gewesen sein.


Die Korrespondenz Chammurapis und der übrigen Könige der 1. Dynastie bei KING, Letters of Hammurabi (Transkription, Übersetzung und Kommentar in Bd. III); ergänzt wird sie durch das Gesetzbuch und die § 422 A. 436 A. erwähnten Urkunden. – Manche Termini, namentlich für die einzelnen Bevölkerungsklassen, sind noch sehr dunkel; so die patesi in den Briefen an Siniddinam no. 10. 51ff. und Abešu no. 9, die hier eine abhängige Bevölkerungsklasse zu bezeichnen scheinen, die mit den Stadtherrschern, die diesen Titel führen, nichts zu tun haben [637] können (im Gesetz kommen sie nur einmal in der Formel 26, 42 vor, vgl. § 413 A. Bedeutet das Wort eigentlich etwa »Diener« und daher den Herrscher als Diener der Gottheit, vgl. § 380?). Ganz unsicher ist auch die Bedeutung der als bâ'irûti (»Jäger, Fänger«) bezeichneten Volksklasse, die nach Samsuilana no. 3 mit dem Fischfang (bei Sippara) zu tun haben, im Gesetzbuch dagegen § 26-38. 41 immer unmittelbar mit den Kriegern zusammen genannt werden und wie diese ein Lehngut besitzen. Es ist möglich, daß sie, wie WINCKLER (Gesetze Hammurabis S. 14) annimmt, die leichten Truppen (»Schleuderer«) bezeichnen, die dem entsprechend in Friedenszeiten von Jagd und Fischfang lebten.


450. Aber Chammurapi hat sich nicht auf die unermüdliche Ausübung seines Regentenberufs in der Verwaltung beschränkt; sondern er hat die Grundsätze eines gerechten Rechts in einem großen Rechtsbuch zusammengefaßt. Schon Sumulailu, der bedeutendste seiner Vorgänger, scheint die Rechtssätze kodifiziert zu haben, und analoge Bestimmungen sind auch von den Herrschern von Larsa und von Uruk erlassen worden (§ 421). Chammurapi hat dann gleich in seinem zweiten Regierungsjahr »das Recht im Lande festgelegt«. Die Mischung verschiedener Volksstämme im Reich, die alle ihre besonderen Rechtsanschauungen gehabt haben mögen, die Überwucherung der alten Satzungen der sumerischen Kultur und des Reichs von Akkad durch immer neue Verordnungen mögen den äußeren Anstoß gegeben haben; die Hauptsache aber war, daß das neuerstandene Reich, das nach langen Wirren das ganze Land wieder zu einer Einheit zusammenfaßte, auf einer dauernden Grundlage aufgerichtet werden und den Untertanen eine feste und unverbrüchliche Norm für das Erwerbsleben schaffen sollte. Besonders rühmt sich Chammurapi, daß er »Recht und Gerechtigkeit in der Sprache des Landes festgelegt habe«, d.h. daß er die Satzungen nicht in der heiligen sumerischen Sprache, sondern akkadisch abfaßte, so daß jedermann sie lesen und verstehen konnte. In seinem zweiten Jahr mag er den ersten Entwurf seines Gesetzes aufgestellt haben; zum Abschluß gebracht hat er seine Arbeit erst gegen Ende seiner Regierung, als er Rimsin niedergeworfen hatte und ganz Sumer und [638] Akkad sowie Assyrien beherrschte. Damals hat er in Esagila, dem Marduktempel von Babel, einen gewaltigen Dioritblock aufgestellt, auf dem die Rechtssätze aufgezeichnet sind, die Šamaš, der Sonnengott von Sippara und der eigentliche Hauptgott der Akkadier, ihm offenbart hat-ein Relief über dem Gesetz zeigt, wie der König von Šamaš das Recht empfängt. Voran steht eine Einleitung, welche die Wohltaten aufzählt, die er jeder Stadt des Landes erwiesen hat, den Schluß bildet eine Schilderung des Segens, welche die feste Rechtsordnung dem Lande der Schwarzköpfigen verleiht, und die Ermahnung an die Nachkommen, sie unverändert zu erhalten; wer es wagen sollte, sie zu überschreiten, zu ändern oder zu vernichten oder den Namen des Königs zu tilgen und durch den eigenen zu ersetzen, über den wird der Fluch der großen Götter herabgerufen. Diese Stele ist später, im zwölften Jahrhundert, von den Elamiten nach Susa verschleppt worden und dadurch für uns erhalten. Außerdem ist das Gesetzbuch zweifellos in zahlreichen Abschriften im Lande verbreitet worden; einige Stücke haben sich, nach den alten Originalen kopiert, in der Bibliothek Assurbanipals gefunden. – In der Gerichtsorganisation gelangt unter Chammurapi eine Entwicklung zum Abschluß, die schon unter seinen letzten Vorgängern begonnen hat: die Beiseiteschiebung der priesterlichen Richter der Tempel, die nur noch zur Abnahme der Eide herangezogen werden, und ihre Ersetzung teils durch die »Ältesten« der Städte (§ 422) unter dem Vorsitz des Stadthaupts (rabiânu), teils durch Richterkollegien, deren Mitglieder vom König ernannt werden, wie es scheint, auf Lebenszeit. Diese Gerichtshöfe stehen dann unter der Oberaufsicht der höchsten Verwaltungsbeamten und des Königs selbst (§ 449); außerdem bildet der Gerichtshof von Babel eine Oberinstanz, die von den Parteien angerufen werden kann. – Das Gesetz gibt zu Anfang einige kurze Bestimmungen über das Prozeßverfahren, Bestrafung ungerechter Anklagen und Zeugenaussagen sowie ungerechter Richter, Entscheidung durch Ordal bei der Anklage wegen Zauberei [639] (der Beschuldigte hat die Wasserprobe zu machen). Dann folgen der Reihe nach, ziemlich systematisch geordnet, alle Hauptgebiete des Verkehrslebens: Eigentumsrecht, Pflichten und Besitz der Krieger (§ 449) und der übrigen Grundbesitzer, Geldgeschäfte und das gesamte Recht der Forderungen (Darlehen, Depositum, Schuldrecht nebst Satzungen über die Schuldknechtschaft), sodann sehr eingehend das Familienrecht. Daran schließen sich die Strafbestimmungen über Körperverletzung, Schlägereien u.ä., für die meist ein strenges Talionsrecht gilt; in bestimmten Fällen wird statt dessen eine nach dem Stande des Beschädigten abgestufte Geldbuße bezahlt. Auch die Gewerbe des Arztes, des Baumeisters, des Schiffers u.a. werden nach demselben Grundsatz behandelt: glückt z.B. die Operation eines Arztes, so erhält er seinen Lohn, führt sie den Tod des Verletzten herbei, so werden ihm die Hände abgehauen; erschlägt ein schlecht gebautes Haus den Eigentümer, so wird der Baumeister getötet, kommt der Sohn des Eigentümers dadurch um, so wird der Sohn des Baumeisters getötet; ein erschlagener Sklave muß durch einen anderen ersetzt werden. Daran reihen sich Bestimmungen über andere Gewerbe, Miete von Vieh, Feldarbeiten u.ä., Schiffsmiete und Sklavenkauf. Sehr stark tritt überall das Bestreben hervor, feste Normen für das Verkehrsleben zu schaffen und daher die Preise und Löhne autoritativ durch staatliche Regulierung festzulegen, wie wir es auch schon bei älteren Herrschern kennen gelernt haben (§ 421). Überhaupt geht die Überzeugung durch das ganze Werk, daß das Recht schlicht und einfach ist und sich in klaren unzweideutigen Sätzen zusammenfassen läßt, die in jedem Falle eine rasche und richtige Entscheidung ermöglichen. Chammurapi hat offenbar seine einzelnen Sätze sehr sorgfältig überlegt und überall gestrebt das zu treffen, was der Billigkeit entspricht, und danach die älteren Ordnungen (vgl. § 421ff.), an die er natürlich anknüpft, vielfach modifiziert, unerträglich gewordene Härten beseitigt u.ä.; und sehr energisch sucht er die wirtschaftlich Schwachen, die Armen, Witwen und Waisen [640] zu schützen und alle Ungerechtigkeit unmöglich zu machen. Aber von einer entwickelteren juristischen Kasuistik, von einem Eingehen auf die Besonderheit des Einzelfalls oder auf die Motive einer Handlung finden sich eben deshalb kaum die ersten Ansätze. Das Recht ist klar und bündig, aber infolgedessen auch starr. Es gibt überall nur eine einzige Norm und eine einzige Entscheidung: der Kläger hat entweder recht-dann wird zu seinen Gunsten entschieden; oder unrecht-dann wird er abgewiesen und eventuell bestraft; der Arzt hat seine Kunst entweder richtig oder falsch angewandt und wird danach bezahlt oder schwer bestraft; der Richter gibt entweder ein gerechtes Urteil oder ein ungerechtes-dann wird er in eine schwere Geldbuße verurteilt und für unfähig zur Bekleidung des Richteramts erklärt. »Der Geschädigte, der eine Rechtssache hat, soll vor mein Bildnis, als das des Königs des Rechts, treten, meine Inschrift lesen, meine kostbaren Worte hören, dann wird ihn meine Inschrift aufklären, sein Recht wird er schauen, sein Herz wird froh werden.« Eine rasche und unparteiische Rechtspflege hat das Gesetz zweifellos ermöglicht; aber ebenso zweifellos ist, daß es in der Praxis sehr zweischneidig gewirkt und oft zu den ärgsten Härten geführt haben muß, daß es bei der besten Absicht, immer gerecht zu sein, der unendlichen Mannigfaltigkeit der Erscheinungen des Lebens gegenüber oft genug tatsächlich in sein Gegenteil umgeschlagen ist.


Das Gesetzbuch Chammurapis, 1901 gefunden, ist zuerst von SCHEIL, Délég. en Perse IV (Textes élam.-sém. II) 1902 publiziert und seitdem vielfach bearbeitet worden: R. HARPER, The code of Hammurabi. D. H. MÜLLER, Die Gesetze Hammurabis und ihr Verhältnis zur mosaischen Gesetzgebung, sowie zu den zwölf Tafeln (vgl. § 423 A.). KOHLER und UNGNAD, Hammurabis Gesetz. WINCKLER, Die Gesetze Hammurabis in Umschrift und Übersetzung. Ferner eine als Manuskript gedruckte Übersetzung von FR. DELITZSCH. Bruchstück eines zweiten Exemplars in Diorit: Délég. en Perse X (él.-sém. IV) 81ff. Bruchstücke aus Assurbanipals Bibliothek: MEISSNER in Beitr. z. Assyr. III; DELITZSCH ib. IV. Zur Erläuterung sind die Bemerkungen von LYON im J. Amer. Oriental Soc. XXV [darin über die Disposition des Gesetzes, worin er mir etwas zu viel zu systematisieren scheint; ferner über »die Sprache des Landes« [641] 5, 22 u.a.] und XXVII [Abfassungszeit und Aufstellung in Babel, nicht wie meist angenommen, in Sippara] besonders wertvoll. – Über das Verhältnis der Urkunden zum Rechtsbuch: MEISSNER, Assyriol. Studien III (Mitt. Vorderas. Ges. 1905) 25ff. SCHORR, Altbab. Rechtsurk. (Ber. Wien. Ak. 155, 1907 und 160, 1909) und im Bull. de l'Ac. de Cracovie, Juli 1907. HAZUKA, Altbab. Rechtsurk. und Hammurabikodex, Beitr. z. Assyr. VI. – Entscheidung eines Prozesses in Sippara »nach (warki) Sumulailu«: MEISSNER, Assyriol. Stud. III 26. LYON l.c. 27, 125. Ähnlich der Text bei PEISER, Keilschr. Bibl. IV S. 12, Zl. 25ff. und vielleicht der bei SCHORR, Altbab. Rechtsurkunden I S. 8. – Über die Gerichtsordnung: CUQ, Essai sur l'organisation judiciaire de la Chaldée à lépoque de la prem. dyn., Rev. d'Ass. VII (§ 422 A.).


451. Von der Kunst der Zeit Chammurapis ist uns in dem Relief der Gesetzesstele wenigstens éin bedeutendes Monument erhalten, welches beweist, daß die Traditionen der akkadischen Kunst noch lebendig waren. In der thronenden Gestalt des Sonnengottes, aus dessen Schultern die Strahlen hervorwachsen, und der mit der Linken leicht in dem lang wallenden Bart spielt, verbindet sich der Ausdruck der Majestät mit dem Wohlwollen, das er den Menschen und dem Könige betätigt; und in den energischen Zügen des Herrschers spiegelt sich der Gesichtstypus des Gottes wieder (§ 447). Technisch zeigt das Relief einen Fort schritt gegen früher: es wird versucht, die Gestalt des Königs in wirklich richtigem Profil zu zeichnen, und auch das Auge ist richtig gestellt-auf der Nachbildung in dem weit roheren Kalksteinrelief des Iturašdum (§ 447) ist das dagegen nicht versucht worden. Sonst ist, abgesehen von Siegelabdrücken, von Kunstwerken dieser Zeit gar nichts auf uns gekommen, so eifrig die Herrscher, wie die Jahrdaten lehren, Thronsitze und Bilder der Götter sowie Königsstatuen anfertigen ließen. Mit dem Reichtum an Kunstschöpfungen, den gleichzeitig Aegypten unter der zwölften Dynastie entwickelte, wird das Reich von Babel allerdings nicht haben rivalisieren können: eben die Jahrdaten zeigen, daß jede solche Schöpfung etwas Außerordentliches war, das mit besonderem Stolz den Untertanen verkündet wurde. Auch im geistigen Leben stand, soweit wir nach dem erhaltenen [642] Material urteilen können, das Reich von Babel offenbar beträchtlich hinter dem Mittleren Reich im Niltal zurück. Neue Gedanken und Formen des Ausdrucks hat diese Zeit schwerlich noch hervorgebracht, auch nicht auf religiösem Gebiet; denn daß jetzt Marduk von Babel (und daneben der Sonnengott von Sippara und Nebo von Borsippa) die alten Götter des Pantheons von Sinear in den Hintergrund drängt, ist doch nur ein äußerlicher Wandel, und gerade daß er die alten Formeln und Mythen einfach von diesen entlehnt, zeigt, wie wenig schöpferisch die Zeit gewesen ist. Auch die allgemeinen Wendungen am Eingang und Schluß des Gesetzes Chammurapis wiederholen durchweg die seit alters herkömmlichen Wendungen, wie wir sie z.B. aus den Cylindern Gudeas kennen. Wohl aber bezeichnet die Zeit Chammurapis und seiner Nachfolger den Abschluß der tausendjährigen Kulturentwicklung des Landes. Seine eigene Kraft ist erschöpft, wie politisch, so auch geistig; aber die fremde, erobernd eingedrungene Dynastie mit den ihr folgenden Scharen hat die Kraft besessen, diese Kultur in sich aufzunehmen und sich ihr zu assimilieren. Wie Chammurapis Gesetz den Abschluß der rechtlich-sozialen Entwicklung Sinears bildet, so sind unter ihm und seinen Nachfolgern offenbar nicht wenige der kultischen und mythologischen Texte und der Handbücher des Rituals und der praktischen Fertigkeiten redigiert worden, welche uns in späteren Abschriften erhalten sind, so viel auch die folgende Zeit noch innerhalb der einmal festgelegten Schemata hinzugefügt und weiter ausgesponnen hat. Den Inhalt dieser Literatur haben wir früher bereits besprochen (§ 426ff.).


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 81965, Bd. 1/2, S. 627-643.
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