Elend und Elenden-Herberge

[149] Elend und Elenden-Herberge. Das Elend, mhd. das ellende, elelende, ahd. das elilenti, aus alilanti, ist zusammengesetzt aus dem mit lat. alius, griech. ἄλλος = ein anderer, in Urverwandtschaft übereinstimmenden, nur in Zusammensetzungen vorkommenden ahd. Adjektiv ali, eli = ein anderer, und aus dem mittelst i von lant gebildeten lenti. Das Wort bedeutet also ursprünglich soviel als anderes, fremdes Land, woraus sich dann im Mhd. die Bedeutung grösster Bedrängnis und Beschwernis ergiebt. Wie man das Land baute, so baute man das Elend, wie z.B. das Wallfahrtslied nach St. Jacob von Comp. beginnt:


wer das elent bawen wel,

der heb sich auf und sei mein gsel

wol auf sanct Jacobs strassen.


Daher auch die zahlreichen Ausdrücke: ins Elend gehen, fahren wandern, fliehen:


e ich mein bulen wolt faren lan

e wolt ich mit ir ins elend gan;[149]


im Elend sein, bleiben, lassen, zubringen, streifen, schwärmen:


Insbruck, ich muss dich lassen,

ich far dahin mein strassen,

in fremde land dahin:

mein freud ist mir genommen,

die ich nit weiss bekommen,

wo ich im ellend bin.


Ferner: ins Elend schicken, versenden, jagen, dringen, treiben, stossen, verweisen, aus dem Elend heimkehren, führen, holen.

Gleicher Bildung und ebenfalls schon althochdeutsch ist das Adjektiv elend, ahd. alilanti, mhd. ellende, das ebenfalls mit der Zeit aus der Bedeutung des in der Fremde Lebenden in die des Beraubten und Blossen, Armen, Armseligen, Geringen und Schlechten überging.

Elenden-Herbergen sind im 15. Jahrh. hauptsächlich für Pilger eingerichtet worden. Vereine, die sich die Sorge für arme und kranke Fremde zur Aufgabe gemacht hatten, hiessen Elenden-Brüderschaften. Die Elenden-Herberge hatte einen Verwalter. Manchmal gehörte zur Herberge eine Kapelle mit dem Almosenstocke; war der letztere in einer öffentlichen Kirche aufgestellt, so brannte an ihm wohl die durch mildthätige Menschen gestiftete Elenden-Kerze; andere Kerzen wurden in die Herberge selbst zur abendlichen Beleuchtung gestiftet. Die Beherbergung wurde in der Regel nur für eine Nacht gewährt, und es waren besondere Bestimmungen zur Aufrechterhaltung einer guten Ordnung getroffen. Z.B. war bestimmt, dass jeder Aufgenommene Kleider und Gerätschaften mit Ausnahme des Unterhemdes vor der Schlafkammer ablege und daselbst liegen lasse; nach achtstündigem Schlafen wurden die Kammern wieder geöffnet, jeder stand auf, machte sein Bett, kleidete sich vor der Kammer an und wurde nicht eher aus dem Hause gelassen, als bis er erklärt hatte, dass ihm nichts von seiner Habe abhanden gekommen sei. Grimm, Wörterbuch, und Kriegk, Bürgertum, I, VIII.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 149-150.
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