[1072] Weihnacht. Hier sollen in Ausführung des Artikels kirchliche Feste die näheren Bezüge zusammengestellt werden, in welchen die kirchliche Weihnachtsfeier zum heidnisch-germanischen[1072] Volksglauben steht. Das Weihnachtsfest entstammt einem Naturfeste, das bei sehr vielen Völkern einheimisch war, der Feier der Wintersonnenwende, dem nahenden Wiedererwachen der Natur; so feierten die Hindu das Wiedererwachen des in tiefen Schlaf versunkenen Gottes Wischnu; in Griechenland zeigte man am 20. Dezember im Tempel zu Delphi das Grab des Dionysos und trauerte um ihn mit wilden Geberden, bis man ihn sich bald darauf wieder wachend vorstellte und seine Neugeburt pries. Ebenso feierten die Römer an den sieben Tagen vom 17. bis 24. Dezember das Fest des Saturnus, zündeten in seinem Tempel als Abbild des neu geschenkten Sonnenlichtes viele Lichter an, ergaben sich ausgelassener Festfreude, beschenkten einander und dergleichen, später fügten die Kaiser dem Saturnalienfeste noch den 25. Dezember als allgemeinen Festtag hinzu, zur Feier der zwar von den Schatten des Winters bekämpften, aber dennoch unbesiegten Sonne; an eben demselben Tage wurde das Geburtsfest des unbesiegten Sonnengottes Mithra begangen und der Gott dargestellt, wie er in einer Felsengrotte, dem Abbild des nächtlichen Himmels, geboren wurde. Feste ähnlicher Bedeutung wurden auch an anderen Jahreszeiten gefeiert, wobei der verschiedene Neujahrsanfang oft bestimmend einwirkte.
So begingen von den germanischen Völkern die Skandinavier in den älteren Zeiten ihr mit dem 12. Januar als ihrem Neujahrsanfang beginnendes dreitägiges Fest der Mitwinternacht oder das Julfest als Abschluss der Mitte Oktober beginnenden »Winternacht«. Ähnlich war es bei den Angelsachsen, wo das Julfest Mutternacht hiess. Schon im 6. Jahrhundert erzählt der griechische Sophist und Geschichtschreiber Prokop, er habe gehört, dass die nördlichsten Bewohner von Schweden und Norwegen am 35. Tage der langen Winternacht Boten auf die Gipfel ihrer höchsten Berge schickten, um die wiederkehrende Sonne zu erspähen; wenn sie erblickt werde, so erhebe sich unermesslicher Jubel, alles feiere »das Fest der frohen Botschaft«. Aus Furcht, die Sonne möchte einmal ganz ausbleiben, schlachteten sie unaufhörlich den Göttern und höhern Mächten der Luft, des Himmels, der Erde Opfer, zumal dem vornehmsten von Allen, dem Kriegsgott, dem als edelste Gabe ein kriegsgefangener Mann an einem Galgen erhängt oder in die Dornen geworfen wurde. Nach dem Glauben der Germanen schlief im Winter Wodan mit seinen Geisterscharen verzaubert im Berge, die bösen Geister trieben ihr Wesen; Riesen, Weihnachtsbuben oder Weihnachtswichte genannt, sollten von den Bergen herabkommen und mit langen Haken aus den Vorratskammern der Bauern Dörrfleisch stehlen oder die Menschen in ihre finstern Höhlen rauben. In Dänemark bildet man diese Gestalten nach und ein Knecht mit geschwärztem Gesicht, eine in einen langen Schwanz endigende Pferdedecke über den Körper geworfen und einen mit brennenden Lichtern bedeckten Stock im Munde, kriecht in die Häuser und sammelt Äpfel und Nüsse ein, und stösst Drohungen aus, falls er nichts bekomme. Schon gegen das Ende der langen Winternacht war man mit Hoffnung der nahenden Sonnenwende erfüllt; an den drei Donnerstagen vor Weihnachten, den drei Rauhnächten oder Klöpfleinsnächten, ziehen in Süddeutschland Knaben vor die Häuser ihrer Bekannten und werfen mit Erbsen an die Fenster. Nun kommt die Zeit, wo Wodan mit der Schar der gefallenen Helden als wilde Jagd[1073] durchs Land zieht. Lärmt das Wuetersheer recht, so darf man ein fruchtbares Jahr erhoffen. Auch milde Göttinnen sind im Zuge, Frau Gode, Fria oder Holda. Bildliche Darstellungen Wodans aus der Adventszeit sind noch der Schimmelreiter und Knecht Ruprecht, beides ursprünglich Beinamen Wodans selbst, ahd. hruodperaht = ruhmglänzend, und in den Geschenken, die er den Kindern bringt, an die Segnungen des Gottes erinnernd; auch manche Weihnachtsgebäcke aus Lebkuchenteig sollten ursprünglich rohe Abbildungen des Gottes sein. Das dreitägige Julfest selber leitete in Skandinavien ein feierliches Opfer um Fruchtbarkeit und Frieden ein; Herolde verkündigten einen dreiwöchentlichen Julfrieden; auf den Höfen fand gastliche Bewirtung statt. Auf den Feldern und Bergen lohten Feuer, man pflanzte Tannenbäume vor die Häuser, die man mit Bändern und Lichtern behing. Als Sinnbild des neuen Lichtes brannte in der Halle des Hauses ein mächtiger Baumklotz auf dem Herde, auf dem Tische zündete man dreiästige Kienspäne als Jullichter an. Zwei Leute, als Wodan und Friga gekleidet, traten auf und Jünglinge tanzten um sie einen Schwerttanz; auch Sommer und Winter stritten miteinander. Als uralte Festgerichte galten Hafergrütze mit Heringen, die aus dem Rückenstück eines frischgeschlachteten Schweines gekochte Julsuppe, ein Eberbraten. Unzählig waren die Gebräuche, vermittelst welcher man in der Julnacht das zukünftige Geschick zu erschauen vermeinte. An das eigentliche Julfest schlossen sich als eine heilige Zeit die Zwölfnächte, die jetzt genau die Zeit vom Weihnachtstag bis zum 6. Januar, dem Dreikönigstag, füllen. Auch hier ruhte alle Arbeit. Die zwölf Nächte galten als ein Abbild des kommenden Jahres; wie in jedem der zwölf Tage das Wetter war, so erwartete man es an jedem entsprechenden Monate. Mannhardt, Weihnachtsblüten in Sitte und Sage, Berlin 1864; vgl. Reinsberg-Düringsfeld, das festliche Jahr, und Wuttke, Volksaberglaube.