Ludgerus, S. (1)

[909] [909] 1S. Ludgerus, (26. März), Bischof von Münster (Mimigardefordum) und Apostel der Friesen, stammte aus einem edeln friesischen Geschlechte ab. (Der Name Ludger bedeutet so viel als »speerberühmt«, oder wenn Liudger das richtige ist, »volksbeliebt« – »vom Volk begehrt.«) Sein Großvater Wurfing, welcher nicht weit von Utrecht seine Besitzungen hatte, war, obschon noch nicht Christ, eine Stütze der Armen, ein Vertheidiger der Unterdrückten und ein gerechter Richter. Dieser seiner guten Eigenschaften halber hatte er von dem grausamen Könige Radbot viele Verfolgungen zu erdulden, ja dieser befahl sogar, den rechtschaffenen Wursing heimlich zu tödten und seine Güter einzuziehen. Hievon in Kenntniß gesetzt, floh Wurfing mit seiner Gattin und seinem einzigen Sohne Nothingus zu dem Frankenherzoge Grimold. Bei diesem lernte er den christlichen Glauben kennen und empfing die hl. Taufe. Während seines Aufenthaltes im Frankenlande gebar ihm seine Frau einen zweiten Sohn, Thiatgrimus genannt. Indessen erkrankte der König Radbot, und auf seinem Krankenlager ließ er zweimal den Wurfing auffordern, nach Hause zurückzukehren; dieser aber wollte nicht und schickte an seiner Statt seinen Sohn Thiatgrimus, dem dann auch der König die väterlichen Güter zurückgab. Bald darauf starb Radbot und das Land der Friesen ward mit dem Frankenreiche vereinigt. Nach dem Tode Wurfings ehelichte sein jüngerer Sohn Thiatgrimus eine Frau, Namens Liasburch, die ihm um das J. 744 unsern hl. Ludgerus gebar, und zwar wahrscheinlich nicht im Flecken Wiere, unweit der Stadt Dokkum, wie bisher vielfach geglaubt wurde, sondern in Sualisna oder Suecsnen, d.i. Zuilen oder Zwezereng bei Zuilen an der Vecht. Liafburga war (Brow. sid. vita S. Ludg. pag. 37) schon nahe an der Entbindung, als sie bei einem Ausgange so heftig fiel und sich so schwer verwundete, daß man die schlimmsten Befürchtungen wegen des nahen Wochenbettes hegte. Doch ging mit Gottes Hilfe alles glücklich vorüber. Kaum konnte der Knabe gehen und sprechen, als er schon Baumrinden, Pergamentblätter und andere Schreibmaterialien zusammentrug, sie mit kindlichen Zeichnungen anfüllte, und die zusammengehefteten Büchlein seiner Erzieherin, gleich als wären es kostbare Werke, zur Aufbewahrung übergab. Schon damals gab er in seinen Worten und Sitten zu erkennen, daß Gott die Richtschnur seines Wandels sei (se post Deum ire). Wenn ihn Jemand fragte, was er während des Tages gethan habe, gab er die Antwort: »Ich habe geschrieben und Bücher gelesen«; und auf die Frage, wer ihn dieß gelehrt habe, erwiderte er: »Gott hat mich diese Kunst gelehrt.« Als er zum Jünglinge herangewachsen war, äußerte er fortwährend seinen Wunsch, Gott im hl. Stande der Leviten und Priester zu dienen und an dem Heile seiner Nebenmenschen zu arbeiten. Auf seine inständigen Bitten hin übergaben ihn seine Eltern dem hl. Abte Gregorius27, dem Schüler und Nachfolger des hl. Bonifacius, in das Kloster Utrecht zur Erziehung. Gregorius gewann ihn wegen seiner Frömmigkeit und Lernbegierde außerordentlich lieb; auch alle seine Mitschüler liebten ihn wegen seiner Sanftmuth, Freundlichkeit, Klugheit und Bescheidenheit. In der Lebensbeschreibung seines hl. Lehrers (bei Brower, Sidera ill. et s. s. virorum, Mog. 1616, pag. 13) hat der hl. Ludgerus sowohl von der Berühmtheit des hl. Abtes Gregor, als auch von seiner eigenen Demuth ein schönes Zeugniß abgelegt. Von allen Nationen der Nachbarschaft: Franken, Engländern, Friesen, Sachsen, Bayern u. Schwaben befanden sich edle Jünglinge in der Schule des hl. Gregor, »von denen ich,« setzt der hl. Ludger bei, »der geringste bin.« Als er bereits das gehörige Alter erreicht und die erforderlichen Wissenschaften sich erworben hatte, um zur Diaconswürde erhoben zu werden, kam im J. 767 ein ehrwürdiger Priester von der Kirche von York (Eboracum), Alubertus mit Namen, der sich aus heiligem Eifer an den apostolischen Arbeiten in Friesland betheiligen wollte. Gregor, der bis zur Stunde nur noch Priester war, aber für seine Diöcese nothwendig einen Bischof bedurfte, schickte den Alubertus mit Sigebod und Ludger nach England zurück, damit dort von dem Erzbischof von York Alubert zum Bischof, Sigebod zum Priester und Ludger [910] zum Diaconn geweiht werden möchte. Bei dieser Gelegenheit blieb Ludger ein ganzes Jahr in York und benützte den geistreichen Unterricht des berühmten Lehrers Alcuinus, um welchen sich damals aus allen Ländern Schüler sammelten, denen er aus dem reichen Schatze seines Wissens mittheilte. Nach Verlauf eines Jahres kehrte er wieder nach Utrecht zurück, bat aber den Gregorius flehentlich, ihn wieder nach York zu entlassen, um sich unter dem unübertrefflichen Lehrer Alcuin in den himmlischen Wissenschaften auszubilden. Gregor wollte ihm dieses nicht erlauben, aber doch auch seinen lieben Schüler nicht betrüben; er ließ deßhalb Ludger's Vater rufen, damit dieser seinen Sohn zu einem andern Entschluß bringen möchte. Aber auch dieser vermochte nichts über ihn, und nun schickten sie ihn wieder nach York, wo ihn Alcuin mit großer Freude aufnahm (im J. 769). Er verweilte damals 3 Jahre und 6 Monate zu York und machte so glänzende Fortschritte in Tugenden und Wissenschaften, daß er als Lehrer und Muster für Andere aufgestellt werden konnte. Ludger wäre noch länger geblieben, allein ein unglückliches Ereigniß nöthigte ihn zur Rückkehr. Ein Friese hatte nämlich im Streite einen jungen brittischen Grafen getödtet, weßhalb alle Friesen, die sich in Britannien befanden, die Blutrache der Engländer fürchten mußten und also die Heimreise antraten. Alcuin selbst rieth seinem Schüler Ludger, mit seinen Landsleuten heimzukehren. So kam er nun im J. 772 wieder nach Utrecht zurück, wo er dem Gregor und den Uebrigen um so würdiger und theurer erschien, je mehr er sich an Kenntnissen und Tugenden bereichert hatte. Indessen hatte der hl. Lebuinus, der ihm vom Abte Gregorius beigesellt worden, an der Yssel (Isala, streng gesprochen in der Vetuwe und Oberyssel) das Wort Gottes verkündet und viele Seelen für Christus gewonnen. Nach dem Tode des hl. Lebuinus aber waren im J. 774 die Sachsen wieder in jene Gegend eingedrungen, hatten dieselbe verwüstet und die von Lebuinus erbaute Kirche niedergebrannt. Diese Niederlage schmerzte alle Gutgesinnten, besonders aber den hl. Alberich2 welcher seinem Onkel Gregor im Bisthume Utrecht nachgefolgt war. Um die von den Sachsen der Kirche von Deventer geschlagene Wunde zu heilen, beredete Alberich unsern Ludger, über dem Grabe des hl. Lebuinus wieder eine Kirche zu erbauen. Ludger gehorchte dem Auftrage seines Meisters, machte sich an den Aufbau der Kirche und fand auch nach einer im Traume gehabten Erscheinung den Leib des Heiligen, der unter einer Mauer verschüttet gewesen. Nachdem diese Kirche glücklich vollendet und eingeweiht war, schickte Alberich unsern Ludger mit einigen Gefährten an die Grenzen von Friesland, um dort die Götzenhaine zu zerstören. Bei dieser Zerstörung fanden sie in den Tempeln einen großen Schatz, von welchem Kaiser Carl der Große einen Theil dem Alberich zu Verwendung überließ. Ludgerus hatte sich allenthalben große Achtung erworben und man drang allseitig darauf, daß er, weil er erst Diacon war, zum Priester geweiht würde. Der sel. Alberich reiste im Monate August 777 nach Cöln, um dort die bischöfliche Consecration zu erhalten; Ludger begleitete ihn, und erhielt daselbst die Priesterweihe, worauf er als Lehrer für den ganzen Ostergau, welcher auch Leeuwerden und mehrere Städte und Dörfer in sich schloß, aufgestellt wurde. Mit größter Freude begab sich der hl. Ludger nach Dokkum, das durch das Martyrthum des hl. Bonifacius, den er als Knaben gesehen, während derselbe schon ein betagter Greis, geheiligt worden. Fast 7 Jahre brachte er daselbst mit Lehren und Predigen zu und führte eine Masse Menschen zur Heerde Christi. Ringsum reutete er das Heidenthum und seine Laster aus, allenthalben erhoben sich Kirchen und Gott geheiligte Altäre, sowie auch Collegien für Canoniker und andere Innungen, welche mit der Zeit Arbeiter für den Weinberg des Herrn liefern sollten. Während nun Alles sich so glücklich gestaltete, drang aber im J. 783 der Westphalen-Herzog Wittekind in die katholischen Provinzen Frieslands ein. Alle Tempel wurden niedergebrannt, die Altäre umgerissen, die Priester vertrieben, den Christen nur die Wahl gelassen, entweder durch Flucht dem Tode zu entgehen, oder den Glauben Christi zu verlassen. Auch der hl. Ludger mußte fliehen, und begab sich, nachdem er seine Schüler an einem sichern Orte untergebracht, mit seinem Bruder Hildegrim und seinem Neffen Gerfrid, der ihm später im Bisthume Münster im J. 784 nachfolgte, nach Italien. Er reiste dahin, um die Gräber der Apostel zu besuchen und dem Papste Hadrian seine Ehrfurcht zu bezeugen, der ihn sehr liebevoll aufnahm und reichlich mit Reliquien beschenkte. Von hier [911] begab er sich nach Monte Cassino, und verweilte hier über 2 Jahre bei seinem Verwandten, dem Abte Theodmar, um die Ordensregeln kennen zu lernen. Ohne selbst dem Orden des hl. Benedict beizutreten, machte er doch alle klösterlichen Uebungen mit, um sie zu erproben; denn er war Willens, wenn dereinst in seiner Heimath Ruhe und Frieden hergestellt wäre, daselbst ein Kloster dieses Ordens zu errichten. Diese Zeit kam. Wittekind, durch viele Niederlagen erschöpft, trat selbst in den Schooß der katholischen Kirche ein und machte durch Empfang der hl. Taufe allen Empörungen ein Ende. Als der hl. Ludger Nachricht davon erhielt, kehrte er nach einem dritthalbjährigen Aufenthalte aus Italien nach Friesland zurück. Vor Allem suchte er die seit 3 Jahren verlassene Kirche von Dokkum wieder in Stand zu setzen. Kaiser Karl der Große, der von seinen unermüdeten Arbeiten Nachricht erhielt, stellte ihn zum Lehrer auf für die Friesen, welche am östlichen Ufer des Flusses Lauwers (Labeci) wohnten, nämlich über die Kantone Hugmerchi, Hunusga, Fivilga, Emisga und Fediritga, sowie über die Insel Bant. Man muß sich wundern, wie dieser Eine Mann, mit einer so geringen Zahl von Gehilfen und Schülern, einer so ausgebreiteten Gegend, die vom Oestergau durch das Gebiet von Gröningen bis an die Mündungen der Ems (Amisia) sich erstreckte, genügen konnte. Und doch ward jene ganze Gegend glücklich bekehrt, so daß er sich immer wieder nach andern Gegenden umsah, um Christo und seiner Kirche Gewinn zu verschaffen. Auf den Rath Karls des Großen schiffte er sich nach der Insel Helgoland (Heiligenland) ein, die damals noch von dem Götzenbilde Fosetis Fosetislandia hieß. Als er sich dieser Insel nahete, mit einem Crucifix in der Hand und unter Lobpreisungen zum Herrn flehend, sahen seine Schiffsgefährten, wie eine dichte Finsterniß die Insel verließ und plötzlich helles Licht entstand. »Sehet,« sprach er zu seinen Begleitern, »wie durch Gottes Barmherzigkeit der Feind in die Flucht geschlagen wird, der bisher mit seiner Nacht die Insel bedeckt hat.« Sobald sie an's Land gestiegen waren, bemühten sie sich, alle Haine des Fosetis zerstören zu lassen und an deren Stelle christliche Kirchen zu erbauen. Nachdem der hl. Ludgerus die Einwohner im christlichen Glauben unterrichtet hatte, taufte er sie bei einer Quelle, wo bereits der hl. Willibrord einst 3 Menschen getauft hatte. Den Sohn eines der Fürsten des Landes, Landricus mit Namen, taufte er, unterrichtete ihn in den Wissenschaften, und ordinirte ihn in der Folge zum Priester; derselbe verkündete viele Jahre hindurch den Heiden das Evangelium. Während der hl. Ludger auf Helgoland das Christenthum verbreitete, drohten die östlichen Friesen wieder abzufallen; sie verbrannten die Kirchen und verjagten die Diener Gottes. Ludger begab sich wieder zu ihnen und stärkte sie nach Jahres-Umfluß so, daß sie fortan treu im Glauben verharrten. Indessen gelang es Karl dem Großen, die Sachsen gänzlich zu besiegen; die meisten aus ihnen folgten dem Beispiel des Herzogs Wittekind und ließen sich taufen. Hierauf sann der Frankenkönig darauf, wie er das Sachsenland zum christl. Glauben bekehren und darin befestigen möge. Er stellte unsern Ludger im westlichen Theile Sachsens als Pastor auf. Der Hauptsitz dieser Pfarrei war Mimigerneford223, wo er im J. 796 zu einem ansehnlichen (honestum) Münster den Grund legte. Dieser Ort wurde von da an Monasterium, zu deutsch: Münster genannt. Der hl. Ludger besaß, obschon noch nicht consecrirt, gleichwohl bischöfliche Gewalt im westlichen Theile Sachsens, d.i. in jenen Gegenden jenseits des Rheins, die heutigen Tages noch das Bisthum Münster umfaßt. Mit sorgfältigem Eifer suchte der Heilige die rohen Völker der Sachsen in der christlichen Lehre zu unterrichten, die Dörner des Götzendienstes auszureuten, den Samen des göttlichen Wortes auszustreuen, Kirchen zu erbauen, dieselben mit Priestern zu versehen, die er sich selbst zu Mitarbeitern herangezogen hatte. Er selbst war unermüdet im Unterrichten und Predigen sowohl in der Kirche als im Freien; er taufte [912] Neubekehrte, befestigte die Wankenden im Glauben, besuchte die Kranken, führte die Aufsicht bei den Kirchenbauten und überwachte die Arbeiten seiner Priester und Mitarbeiter. Aber alle diese vielseitigen Arbeiten befriedigten seinen Eifer nicht; immer noch suchte er neue. Er dachte jetzt ernstlich an die Ausführung seines schon vor seiner Reise nach Rom gefaßten Entschlusses, ein Benedictinerkloster zu errichten, damit durch diese Väter nicht allein beständiges Lob Gottes erschalle, sondern auch Jünglinge zum Priesterthume herangebildet würden. Früher hatte er schon die Absicht gehabt, auf seinen väterlichen Besitzungen ein solches Kloster zu gründen, aber doch schienen ihm dieselben den Einfällen der Normannen zu sehr ausgesetzt, weßhalb er einen geeigneteren Platz für dasselbe suchte. Er hatte zunächst zwischen dem Kanton Widmund an der Yssel bei Zütphen, und demjenigen, welchen man zu den Kreuzen (ad cruces) an der Erfft Arnapa) nannte, zu wählen. Um zu erfahren, welchen von diesen beiden er wählen solle, wandte er sich im Gebete zu Gott. Am letztern Orte ließ er ein hölzernes Kreuz errichten und brachte vor demselben im tiefen Schnee bei strenger Kälte die ganze Nacht bis zum Sonnenaufgang im Gebete zu. Da wurde ihm geoffenbart, daß dieser Platz zur Erbauung eines Klosters nicht geeignet sei, wohl aber ein anderer am Flusse Ruhr. Er begab sich dahin und nahm die zur Ausführung nothwendigen Begleiter mit sich. Dort kam er in die Nähe eines Waldes, der so dicht und finster war, daß seine Begleiter meinten, dieser Platz könne nie zu einer menschlichen Wohnung hergestellt werden und ihn daher von seinem Vorhaben abzulenken suchten. Er aber sprach zu ihnen: »Erwartet Hilfe von oben! Was dem Menschen unmöglich ist, das ist Gott möglich.« Beim Einbruch der Nacht nahm er unter einem Baume Platz und begab sich in's Gebet. Die Nacht war bei Mondschein und Sternenleuchten überaus hell. Nachdem er lange gebetet hatte, glaubte er sich erhört und zog sich in sein Zelt zurück. Plötzlich verdunkelte sich der Mond, die Sterne wurden mit Wolken überzogen, es erhob sich ein gewaltiger Sturm, hundertjährige Bäume wurden entwurzelt. Als seine Begleiter beim Anbruch des Tages sich von ihrem Lager erhoben, sahen sie den Wald ausgereutet, einen zur Erbauung eines Klosters geeigneten freien Platz und Bäume in Masse herumliegend als ausreichendes Bauholz zum Kloster. Nur Gesträuche und kleinere Bäume, die man leicht wegschaffen konnte, waren stehen geblieben. Indessen kam einer von seinen Klerikern, Odilgrimus genannt, von einer Reise zurück, welche er auf Ludgers Auftrag unternommen hatte. Während des Gespräches fragte der Heilige diesen Kleriker, ob er glaube, daß dieser Platz zu einem Klosterbau geeignet sei. Dieser aber erwiderte: In eurem Gesichte sehe ich, daß dieses Werk nicht ohne Gottes Willen begonnen worden: ja daß dieser Ort schon von jeher von Gott ausersehen worden sei, als am passendsten zum göttlichen Dienste. Ueber diese Antwort erfreut, sprach Ludger: Ich danke dir, daß du meinem Wunsche so wohlwollend entgegenkommst; übrigens ist die Ausführung des Unternehmens auf Gottes Hilfe gestützt. Ich will dir bekannt machen, was ich dir aber, so lange ich lebe, Jemandem zu sagen verbiete, daß ich an diesem Orte den Tag des Gerichts erwarten, und einst an dem Platze, wo ich sitze, ein Denkmal erhalten werde. Zur Vollendung dieses Klosters, das den Namen Werden (Werthina) erhielt, wurden vom I. 793 vielfache Schenkungen an Landgütern, Waldungen und andern Gütern gemacht; so schenkte z.B. Karl d. Gr. der neuen Stiftung das ansehnliche Krongut Lothusa in Brabant (wahrscheinlich Zele bei Termonde). Der Bau scheint um das J. 800 begonnen und im J. 808 vollendet worden zu seyn, von welcher Zeit an 1000 Jahre lang aus diesem Kloster der Samen himmlischer Lehre ausgestreut wurde. Aber nicht allein Westphalen und Friesland verdanken dem hl. Ludger so Vieles, sondern er trug auch das Wort Gottes ia die jenseits der Weser gelegenen Länder, die man damals Ostphalen nannte. Denn als Karl d. Gr. im J. 798 einen Feldzugegen die jenseits der Elbe wohnenden Sachsen unternahm, begleitete ihn der hl. Ludger und verkündete in der Gegend des heutigen Helmstedt den Ostphalen das Evangelium, und ertheilte nicht Wenigen an der Quelle, die auch heute noch die St. Ludgers-Quelle heißt, die hl. Taufe. Hierauf errichtete er einen Altar und über denselben eine Kapelle, die auch jetzt noch steht unterhalb der später dort errichteten Kapelle des hl. Johannes und im Kirchhof des Benedictinerklosters [913] liegt, das der hl. Ludger einige Jahre später gegründet hat. Nachdem er die Angelegenheiten in der neugegründeten Christengemeinde geordnet und bei der Kapelle einen Priester aufgestellt hatte, kehrte er nach Mimigardefurt zurück. – Bis auf diese Zeit hin hatte er noch nicht sich die bischöfliche Ordination ertheilen lassen; erst als der Bischof Hildibald von Cöln und viele Andere in ihn drangen, sich zum Bischof consecriren zu lassen, fügte er sich. Als Bischof dehnte er seine Thätigkeit zumal auf die zum Glauben dekehrten Sachsen und auf die von ihm bekehrten Friesen aus. König Karl hatte ihm aber auch noch im Frankenreiche und zwar in der Ortschaft Leuse, im heutigen Hannover, die Leitung des Klosters St. Peter mit allen dazu gehörigen Kirchen und Ortschaften übertragen. Im Sommer 802 kehrte der hl. Ludgerus mit seinem Bruder Hildegrim nach Ostphalen zurück und schlug seine Wohnung zuerst in Helmstedt auf. Von hier aus entwickelten Beide eine solche Thätigkeit, daß die meisten Bewohner der ganzen Gegend die Lehre des Heiles bereitwillig annahmen. Während Hildegrim den Samen des göttlichen Wortes ausstreute, besorgte der hl. Ludger den Bau eines Klosters sammt Kirche zu Helmstedt, welches er mit Benedictinern aus Werden besetzte. Zwischen diesen beiden Klöstern fand immer die engste Verbindung statt, so daß sie miteinander nur einen Abt hatten. Aber auch hiemit begnügte sich der Feuereifer des hl. Ludger nicht. Er hatte sich vorgenommen, auch über die Mündung der Elbe hinaus, in die äußersten Grenzen der Normannen und Schweden sich zu begeben, um den ganzen Norden Christo dienstbar zu machen. Doch diesem glorreichen Unternehmen scheint sich Karl der Große widersetzt zu haben, und außerdem erkannte wohl der hl. Ludger selbst, daß seine Kräfte zu einem so großen Unternehmen den Dienst versagen würden. In der That wurde er nun öfter von schweren Körperleiden heimgesucht. Aber dessen ungeachtet ließ er sich nicht von seinen gewöhnlichen Uebungen abhalten, indem er heilige Lesungen anhörte, dem Psalmengesang beiwohnte und andere geistliche Handlungen vornahm, um nie in eine Zerstreuung zu fallen. Obwohl körperlich krank, feierte er doch ungeschwächten Geistes fast täglich das hl. Meßopfer. Noch an dem Sonntage, an welchem er in der folgenden Nacht zum Herrn einging, hat er, gleichsam um sich von den ihm anvertrauten Schafen zu verabschieden, in zwei Kirchen gepredigt, nämlich am Morgen in Coesfeld, wobei ein Priester die Messe sang, und in späterer Stunde in Billerbeck, wo er nach der Predigt zum letztenmale das Hochamt hielt. An letzterm Orte gab er in der folgenden Nacht im Beiseyn seiner Schüler seine Seele in die Hände des Herrn im J. 809 am 26. März. Sein hl. Leib wurde am 32. Tage nach seinem Hinscheiden, d.i. am 26. April, zu Werden beerdigt. Der hl. Ludger war in der hl. Schrift sehr gut bewandert, wie dieses in dem von ihm über das Leben seiner ehrwürdigen Lehrer Gregorius und Albricus verfaßten Buche zu sehen ist. Auch über die Ankunft und das Wirken des hl. Bonifacius hat er ein Werk in schöner Sprache geschrieben. Er unterließ keinen Tag, seinen Schülern am frühen Morgen Vorlesungen zu halten. Er bemühte sich, das was er in den heiligen Büchern fand, zu beobachten und zu lehren. Den Habit, welchen er in Cassino getragen, legte er ab, weil er nie in den Orden eingetreten war, wohl aber trug er beständig ein Bußkleid auf bloßem Leibe. Fleisch genoß er nur zu gewissen Zeiten. Bei Tisch würzte er das Mahl mit geistreichen Gesprächen. Er war ein Vater der Armen und ein Verächter seiner selbst; er suchte Allen Alles zu werden, und war ebendeßhalb auch strenge, wo es nöthig schien. Einst rief ihn Karl der Große zu sich, gerade, als er die gewohnten Psalmen und Gebete sprach. Der Heilige schickte einstweilen seinen Kammerdiener, verzog aber selbst bis zum Ende des Gebetes. Da ihn Karl fragte, warum er nach empfangener Botschaft nicht sogleich erschienen sei, gab er zur Antwort: »Weil ich glaubte, den Dienst Gottes auch dir, o König, und allen Menschen vorziehen zu müssen; denn dieß war dein Wille, als du mir das bischöfliche Amt übertrugst; deßhalb habe ich es für unpassend gehalten, den Dienst des Allmächtigen, wenn auch von deinem Boten gerufen, zu unterbrechen.« (Brow. vita S. Ludg. pag. 53.) Karl erkannte aus diesen Worten die große Gewissenhaftigkeit des Heiligen und hatte nur noch größere Hochachtung gegen ihn. Gott verlieh dem hl. Ludger auch die Gabe der Weissagung. Sein Grab in der Abtei Werden wurde ein Sammelplatz der Wallfahrer. [914] Zahlreich sind die von Altfridus beschriebenen daselbst vorgefallenen Wunder. Statt Ludgerus schreibt man auch Luitgerus, Lutgherus, Ludigerus, Luidigerus. Im Mart. Rom. steht der Name des hl. Ludgerus, als ersten Bischofs von Münster, der den Sachsen das Evangelium verkündete, am 26. März. (Strunk II. 56–74).


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 3. Augsburg 1869, S. 909-915.
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