Maria Theodora (215)

[206] 215Maria Theodora (Ernestina), (14. Apr.), Herzogin von Bayern, Landgräfin zu Hessen-Rheinfels, war das vierte der neun Kinder des Herzogs Theodor von Sulzbach und seiner Gemahlin Maria Eleonora Amalie, geb. Rheingräfin von Hessen-Rheinfels-Rothenburg, und erblickte am 15. März 1697 das Licht der Welt. Sorgfältig erzogen, kam sie mit 14 Jahren in das fürstliche Stift Essen behufs weiterer Ausbildung. Sie befliß sich hier, schon die Morgenröthe ihres Lebens dem Herrn zu weihen, und bereitete sich hiedurch unbewußt auf die Uebung der strengen Pflichten vor, wozu Gott sie in der Folge berief. Obwohl sie gewünscht hätte, beständig Jungfrau zu bleiben, und bei den Carmelitinnen einzutreten, bot sie doch als gehorsame Tochter auf den Wunsch ihrer Eltern dem Grafen Wilhelm dem Jüngern, Landgrafen zu Hessen-Rheinfels die Hand und wurde mit demselben zu Wanfried am 19. Sept. 1719 vermählt. In stetem, unzertrennlichem Frieden, in gegenseitiger Liebe und Eintracht lebten die beiden Eheleute und Nichts störte ihr häusliches Glück. Obwohl sie aber ihren Stand geändert hatte, blieb doch ihre Tugend dieselbe. An ihrem Hofe sah man nichs Unordentliches und traf eine Dienerschaft, welche in Tugenden ihrer Herrschaft nachzustreben sich beeiferte. Die fromme Landgräfin ging nämlich Allen mit dem besten Beispiele voraus, und beförderte nach Kräften auch die äußere Feier des Gottesdienstes und die Verschönerung der Gotteshäuser. Als einst Mission gehalten wurde, wollte sie unerkannt die Prozession begleiten, legte zu diesem Behufe ganz gewöhnliche Kleider an, und stellte sich mit bloßen Füßen, einen Todtenkopf in den Händen tragend, unter die Reihen der Büßenden. Da jedoch der Weg sehr rauh und schlecht war, und sie, stark ermattet, nicht mehr weiter zu gehen vermochte, so ersuchte sie ein Weib, ihr zur Unterstützung die Hand zu reichen. Allein diese begegnete ihrer bescheidenen Bitte mit unhöflichen Worten und sagte: »Wenn Ihr nicht gehen könnt, so bleibet lieber zu Hause, und plaget nicht andere Leute.« Sanft lächelnd ertrug die Landgräfin diesen Verweis und erzählte später scherzend denselben. Während ihres Ehestandes wurde sie zwar mit keinem Leibeserben beglückt, aber hieraus nahm sie um so mehr Anlaß, Werke thätiger Liebe und Barmherzigkeit auszuüben. Sie gab reichliches Almosen, nahm sich armer und verwaister Kinder an und ließ dieselben erziehen und unterrichten, damit sie in der Folge im Stande wären, ihr Brod selbst zu verdienen, [206] und besuchte die Kranken in den Spitälern, um sie mit ihrer Gegenwart oder durch fromme Gaben zu erquicken und in der Geduld zu ermuntern. Mit solchen Tugenden geschmückt, brachte die fromme Landgräfin ihr Leben zu, fortwährend gute Werke ausübend, bis der Herr ihren geliebten Gemahl am 25. März 1731 zu sich berief und die Bande zerriß, die ihre Seele von dem Einzigen, was sie noch einigermaßen an diese Erde fesselte, trennten. Kaum Wittwe geworden, fühlte sie mit erneuerter Kraft jenen Drang wieder in sich, der sich schon in ihrer Jugend so laut kundgegeben hatte, sich nämlich ganz dem göttlichen Dienste zu widmen. Ihre Wahl fiel neuerdings auf den Orden der Carmelitinnen; sie prüfte sich aber, ehe sie eintrat, längere Zeit insgeheim, ob sie auch im Stande sei, die Regeln dieses strengen Ordens zu halten. Manche Nacht wählte sie deßhalb zu ihrem Lager einen Strohsack, manchmal sogar den Boden, und ließ sich oft mehrere Tage nacheinander Mittags und Abends Fastenspeisen reichen, welche mit Oel gekocht waren. Anfänglich wollte sie in Cöln eintreten, wo ihre Schwester Christina Francisca Oberin war, erhielt aber von derselben die Aufnahme nicht, weil es nicht schicklich sei, daß zwei Schwestern in einem und demselben Kloster seien. Hierauf wendete sie sich zweimal an das Kloster der Carmelitinnen zu Neuburg a/D. und hielt so demüthig und inständig um die Aufnahme in den Orden an, als wäre sie eine Person geringsten Standes. Am 29. October 1747 traf sie in dem neuen Bestimmungsorte ein. Hier warf sich die Landgräfin der Priorin zu Füßen, küßte ihr die Hand, und bat nochmals um die Aufnahme in das Kloster, so daß allen Anwesenden wegen einer solchen Demuth die Augen voll Thränen standen. Sie fing nun, nachdem sie ihre Dienerschaft verabschiedet und nochmals beschenkt hatte, muthvoll jene strenge Lebensweise an, die sie bis zu ihrem letzten Lebenshauche fortsetzte. Am 31. Oct. wurde sie eingekleidet und erhielt den Namen Maria Theodora. Als Novizin zeigte sie einen vorzüglichen Eifer, so daß sich alle Schwestern höchlich verwunderten. Man wollte sie hie und da etwas besser halten als die übrigen Nonnen, aber sie nahm nichts dergleichen an: »Ich bin nicht in den Orden getreten«, sprach sie, »um meinem gebrechlichen Leibe Bequemlichkeiten zukommen zu lassen, sondern denselben zur Ehre Gottes von den Ueppigkeiten der Welt abzuhalten und zu kasteien«. Sie unterzog sich gerne den gewöhnlichsten Diensten: Auskehren, Reinigen der Geschirre u. dgl. Gegen die Priorin bewies sie eine solche Ehrfurcht, daß ein Fingerzeig genügte, ihr willfährig zu seyn. Sie bat nach den Ordensgewohnheiten um die Erlaubniß auch zu den geringfügigsten Dingen. Ihre Abtödtungen würden oft die nöthigen Schranken überschritten haben, wenn ihr die Obern nicht eine weise Mäßigung vorgeschrieben hätten. Am 4. Nov. 1748 legte sie in die Hände des Bischofs von Augsburg, Joseph I. Landgrafen von Hessen etc., die heiligen Gelübde ab. Es ist kaum zu sagen, wie vergnügt und zufrieden Maria Theodora in ihrem Berufe lebte. Sie redete nie davon, ohne daß sie sich in die herzlichste Danksagung gegen Gott ergoß. Oefter sagte sie: »Ich habe mitten in den Freuden dieser Welt gelebt, aber nie ein solches Vergnügen gefunden, als ich es setzt genieße«. Zu jeder Stunde des Tages, wenn das Glöcklein in den Chor rief, fand man sie schon in tiefster Andacht vor dem Tabernakel im Gebete. Ihre Andacht zu der hl. Messe war so glühend, daß sie sich nicht begnügte, der täglichen Conventmesse beizuwohnen, sondern auch um die Erlaubniß nachsuchte, die sie auch erhielt, bei jeder Messe, wozu man das Zeichen gäbe, sich einfinden zu dürfen. Das Gebet, die Betrachtung, die Lesung der geistlichen Bücher, der öftere Empfang der hl. Sacramente waren die Quellen, woraus die fromme Fürstin schöpfte, um in der Vollkommenheit stets neue Fortschritte zu machen. Besonders machte ihre große Demuth den lebhaftesten Eindruck auf ihre Mitschwestern. Im J. 1257 zur Priorin gewählt, opferte sie sich ganz den Pflichten, welche diese neue Stellung erheischte. Sie verlangte gebührende Ordnung und Folgsamkeit und erhielt sie ohne Mühe, weil ihre Art zu befehlen nicht verletzte, sondern anzog. Alles, auch das Geringste, was ihre Untergebenen betraf, war ihr kostbar. Unbeschreiblich viel that sie den Armen und Nothleidenden, so wohl denen in der Stadt, als an andern Orten. Ihre Liebe zur Armuth bemerkte man an allen Dingen, die zu ihrem Gebrauche dienten. Außer den Tagen der Krankheit nahm sie niemals etwas Besonderes an; so oft sie bemerkte, daß man [207] ihr bessere Speise bot, als die Andern hatten, schickte sie dieselben unerbittlich zurück. Als ihr die Schwestern einen besondern Beweis der Liebe dadurch geben wollten, daß sie Maria Theodora zur lebenslänglichen Oberin erwählten, sprach die demüthige Fürstin: »Wenn Sie mich lieben, so verschonen Sie mich damit und berauben Sie mich nicht des Trostes und des Vergnügens, das ich im Gehorsam finde«. Mit aller Starkmuth und Geduld ertrug sie eine dreijährige Krankheit, die vom J. 1772 angefangen sie nie ganz verließ. Auch setzt noch fuhr sie fort, so gut sie es vermochte, die Ordensregeln zu erfüllen. Für die geringsten Dienste, welche man ihr erwies, bezeigte sie sich außerordentlich dankbar. Da sie von den Schwestern zur hl. Communion öfter geführt oder getragen werden mußte, bat sie dieselben wiederholt um Verzeihung für die viele Mühe, die sie mit ihr gehabt hätten. Endlich war diese begnadigte, an Verdiensten reiche Fürstin für den Himmel reif. Am grünen Donnerstage 1757 empfing sie, nachdem sie öfter versichert hatte, sie werde Ostern nicht mehr erleben, obwohl der Arzt Dr. Brunner keine Gefahr sah, mit glühender Andacht die letzte Wegzehrung und als am nämlichen Tage Abends auch der Arzt sie sehr entkräftet fand, die hl. Oelung. Am hl. Charfreitage Morgens sammelte sie alle ihre Kräfte und betete mit der Krankenwärterin die Horen, und die Verehrung des Kreuzes, und ließ sich die Leidensgeschichte unsers Erlösers vorlesen. Abends betete sie nochmals die Tagzeiten, sowie den Psalm Miserere, verrichtete das Nachtgebet und die Gewissenserforschung, worauf sie nach Erweckung der drei göttlichen Tugenden etwas zu ruhen anfing. Nachts zwischen 9 und 10 Uhr gab sie der Krankenwärterin ein Zeichen und gab in ihren Armen ganz sanft und ohne Todesangst ihren Geist in die Hände ihres Schöpfers im 78. Jahre ihres Alters, im 28. ihres Eintrittes in den Orden. Als ihre Leiche in einem hölzernen Sarge mit Blumen geziert in der Kirche ausgestellt war, drängte sich das Volk schaarenweise hinzu mit dem lauten Ruf: »Wir wollen die Heilige sehen«. Sie wurde in der Gruft an der rechten Seite der Stifterin beigesetzt. Außerhalb wurde eine kupferne Platte angebracht, worauf der Name, das Alter und die Zahl ihrer Ordensjahre eingeschrieben war. Das Kloster wurde im J. 1804 aufgehoben und mit der Kirche zum Abbruch bestimmt. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Leichnam der gottseligen Fürstin im Dunkel der Nacht (man fürchtete mit Recht zu dieser Handlung das Tageslicht) mit den übrigen Leichen aus der Gruft genommen, aber doch in der Fürstengruft der Hofkirche zu Neuburg beigesetzt, wo er sich noch in einem eichernen Sarge befindet. Die Leichname der ersten Priorin dieses Klosters zum hl. Joseph, geb. Gräfin von Bedingfeld aus England, gest. am 16. März 1684, dann der Subpriorin Anastasia, geb. Gräfin von Weckmann, gest. den 10. Dec. 1669 und der Frau Lucia, geb. Gräfin von Splinter, aus Gent, wurden unverwesen befunden und auf dem St. Georgenkirchhof in eigene Gräber gelegt. Die Gebeine aller übrigen wurden in aller Stille Nachts 1 Uhr unter Aufsicht einer Polizei-Commission durch den Todtengräber am nordöstlichen Ende des Kirchhofs links vom Thore in ein großes Grab gelegt. So geschehen in der Nacht vom 4. auf den 5. und vom 5. auf den 6. Febr. 180793.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 4. Augsburg 1875, S. 206-208.
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206 | 207 | 208
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