Perfectus (2)

[766] 2Perfectus (20. Juni), ein Capuciner, welcher zu Wengen im Algäu im J. 1704 im Rufe der Heiligkeit gottselig gestorben ist. Aus Constanz gebürtig, war er öfter Guardian und mehrmal Provincial. Seinen Namen Perfectus, d.i. der Vollkommene, zeigte er im Werke. Von Kindheit auf hatte er sich gewöhnt, den Willen Gottes zu erforschen und zu vollbringen. Als Jüngling erhielt er eine zweifache Mahnung, die er ansah, als sei sie vom Himmel gekommen. Er war noch Student, als er zu dem Novizenmeister Johannes Chrysostomus Schenk kam, der zu ihm sagte: »Du wirst bald die Zahl meiner Schüler vermehren.« Er lächelte, denn nichts lag seinen Wünschen ferner, als Capuciner zu werden. Aber schon nach einigen Monaten bat er, dem Rufe des Herrn gehorsam, um die Aufnahme in den Orden. Sogleich folgte ein zweiter Ruf: man gab ihm den Namen Perfectus, den er von da an wirklich zu verdienen unablässig bemüht war. In der That wurde er mit Gottes Hilfe schon als Novize seinen Mitbrüdern ein nachahmungswürdiges Beispiel. Zunächst prägte er sich die Ordensregeln und die Anweisungen, die ihm behufs ihrer besten Befolgung gegeben waren, unauslöschlich ins Gedächtniß und machte den Vorsatz, sie aufs genaueste zu erfüllen, jeden Tag aufs Neue. Sich selbst mißtrauend, betete und betrachtete er fleißig und verfuhr gegen die Gelüste des Leibes Tag und Nacht mit äußerster Strenge, um ihn dem Geiste dienstbar zu machen. Besonders suchte und übte er das einsame Leben, um sich allein mit Gott zu beschäftigen, dem er ganz und einzig angehören wollte. Dabei studirte und schrieb er unablässig, um dereinst auch seinen Mitbrüdern, wenn Gott es so haben wollte, nützlich zu werden. In der That bildete er später als Novizenmeister tüchtige und fromme Ordenspriester, [766] die auf der Kanzel, am Krankenbette und durch ihren heiligen Wandel für den Himmel zahlreiche Seelen gewannen. Wie sehr er selbst im irdischen Leibe von überirdischem Leben durchflossen war, davon sahen seine Mitbrüder öfter unverkennbare Zeichen. Während der Betrachtung glänzte sein Angesicht zuweilen in himmlischer Klarheit und sein Leib ward vom Boden erhoben. Als er einst im Convente mit den Klerikern die Marianischen Tagzeiten betete, und beobachtete, daß einer derselben während des Gebetes auf ein im Garten hüpfendes Vögelein merkte, hielt er ihm seine Zerstreuung vor und befahl ihm, dasselbe sogleich zu bringen; der Novize gehorchte und siehe, das Vögelein flog alsbald auf seine Hand, so daß er den Befehl vollziehen und es seinem geistlichen Führer bringen konnte. Oefter empfing der fromme Mann seltsame Offenbarungen, die ihm kommende Dinge, welche ihn selbst und Andere betrafen, erschlossen. Besonders merkwürdig in dieser Hinsicht ist ein Vorfall in Bologna, wo er auf der Heimreise vom Generalcapitel zu Rom einen ehemaligen Freund, den päpstlichen Gardehauptmann Caspar von Brandenburg besuchte. Bald nach der Begrüßung sagte ihm nämlich der Pater: »Eben heute, mein lieber Herr, ist Ihr Oheim Carl in ein besseres Leben hinübergegangen.« Spätere Nachrichten bestätigten die genaue Wahrheit dieser Aussage. Nicht minder wurden ihm viele Krankenheilungen, die er durch Arzneien und durch Gebet und Handauflegung vollzog, zugeschrieben. Der liebe Heiland segnete ihn durch sein ganzes Leben mit reichlichen Gnaden. Er ehrte und liebte aber auch seine heilige Mutter in jeder Weise bis an sein seliges Ende. Ueber seine Grabstätte und die Verehrung, die er etwa nach seinem Tode von seinen Mitbrüdern und dem gläubigen Volke erhielt, sind wir ohne Nachrichten. (Burg.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 4. Augsburg 1875, S. 766-767.
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