Zita, S.

[861] S. Zita (Sita), V. (27. Apr.). Diese hl. Jungfrau8 war zu Bozzanello am Abhange in Monte Sagrati, acht Meilen von Lucca, im J. 1218 geboren. Ihr Vater hieß Johannes Lombardo, ihre Mutter Bonissima; sie hatten einige Feldgründe, von deren dürftigem Ertrage sie lebten. Die ganze Familie war sehr fromm; der Bruder ihrer Mutter, Graziano, stand wegen seines gottesfürchtigen und strengen Einsiedlerlebens auf dem Lupeglia in solcher Verehrung bei dem Volke, daß man diesen Berg nach ihm »Berg von St. Graziano« nannte; ihre ältere Schwester Margaretha war Cistercienserin. Unter dem Einflusse so gottseliger Gemüther wuchs die Jungfrau auf, und lernte früh die heilsamste Wissenschaft des Lebens: Beten und Arbeiten. Sie war so gehorsam, daß die Mutter nur zu sagen [861] brauchte: »dieß gefällt Gott, und das gefällt ihm nicht.« Als sie zwölf Jahre alt war, verdingte sie sich mit Gutheißung ihrer Eltern bei einem angesehenen Bürger in Lucca, Namens Pagano di Fatinelli, in dessen Diensten sie 48 Jahre lang bis an ihr seliges Ende blieb. Er trieb ein Handelsgeschäft mit Webereien in Seide und Wolle. In großer Armuth, ein Körbchen mit Früchten für ihren zukünftigen Herrn am Arme, betrat sie das Haus. Ihr Vater, der ihr noch viele herzliche Ermahnungen ertheilte, besonders wie sie die Zusprüche und das Beispiel ihrer Mutter stets in sich bewahren solle, begleitete sie. Sie faßte nochmal den festen Vorsatz, alle ihre Arbeit treu und fleißig vor Gottes Angesicht zu verrichten, pünktlich zu gehorchen. zugleich aber Wohldienerei und Kriecherei zu meiden, und jede freie Zeit durch Gebet und gute Werke zu heiligen. So diente sie ihrem leiblichen Herrn. nicht als Augendienerin und um den Menschen zu gefallen, sondern wegen Gott. Jeden Morgen hörte sie die hl. Messe und empfing, so oft es möglich war, die hl. Sacramente in der nahe gelegenen Kirche zu St. Frediano. Die Zeit dazu entzog sie dem Schlafe, nicht ihrem Dienste. Sie sagte: »Eine Magd ist nicht fromm, wenn sie nicht arbeitsam ist; arbeitsscheue Frömmigkeit bei einer Person von unserm Stande ist eine falsche Frömmigkeit.« Die tägliche Arbeit war ihr nicht bloß Herrendienst, sondern auch Gottesdienst. Neben der Selbstverläugnung und den Abtödtungen, die schon ihr Dienstverhältniß mit sich brachte – ihre Mitdienstboten verfolgten sie theils mit Neid, theils mit unverdienten Vorwürfen, wie Heuchlerin, Närrin, Wohldienerin, welche sie mit Stillschweigen hörte und geduldig ertrug, – suchte und fand sie noch Gelegenheit zu freiwilligen Bußwerken. Sie trug immer eine ganz gewöhnliche, einfache Kleidung und ging stets baarfuß; der kalte Steinboden und ein Brett auf demselben war ihre gewöhnliche Schlafstätte; vielfach aß sie nur halb genug. um den Armen geben zu können und versagte sich alles Ueberflüssige; was Andere verachteten, war ihr gut genug. Wenn sie Unbilden erfuhr, so war ihre gewöhnliche Antwort nur: »Vergebt mir, daß ich gefehlt habe, aber zürnet nicht, denn das wäre Sünde.« Nur Eines ertrug sie nicht: Anreizung zur Sünde. Einmal zerkratzte sie deßhalb einem zudringlichen Diener das Gesicht, blieb aber von dieser Zeit an von weitern Anträgen. verschont. Bedenkt man, wie damals die Ketzerei Versuchungen gegen den Glauben, und die herrschen de Unsittlichkeit (es gab viele unglückliche Personen, die aus dem Laster ein Gewerbe machten, welche sie zu bekehren suchte) solche gegen die Reinheit der Seele und des Leibes bereitete, so müßte man sich wundern, daß sie allzeit stark im Glauben und unschuldig blieb, wäre nicht »von Jesus leben, von Jesus sprechen, nach Jesus verlangen der Zustand ihrer Seele« gewesen. Als Papst Gregor IX. die Stadt Lucca mit dem Inderdicte bestrafte, was vom J. 1231 bis 1234 währte, ging sie bis ins Gebiet von Pisa, um den Leib des Herrn zu empfangen. Diese so große Frömmigkeit brachte allmählich die gegen sie aufgebrachten Gemüther in Ruhe, und man fing an, sie hoch zu schätzen, und mit Wohlwollen zu behandeln, was sie freilich noch mehr bekümmerte als rohe und harte Behandlung. Um so mehr war sie auf ihrer Hut: »zur Nachtzeit suchte sie statt der Ruhe des Schlafes die Ruhe des Gebetes und der Betrachtung und begriff nicht, wie man darin müde werden könne.« Kein Wunder, daß der Herr seine treue Dienerin manchmal mit außerordentlichen Gnaden beschenkte. Das ganze Haus spürte so zu sagen den wohlthätigen Gnadenthau, welcher täglich und stündlich ihre Seele befeuchtete. Einmal gewahrte sie beim Heimgehen aus St. Frediano, daß sie über die festgesetzte Stunde, ohne es zu wissen, daselbst verweilt hatte, und die Zeit der Teigbereitung, die ihr für diesen Tag oblag, längst vorüber war. Aber wie erstaunte sie, als sie den Teig vollkommen und schön gearbeitet im Troge fand. Als sie ein anderes Mal während eines heftig stürmenden Regens in einen entlegenen Stadttheil geschickt wurde, trat sie ohne Gegenrede den Weg an, und kam unbenetzt wieder nach Hause. Als einmal große Hungersnoth in Lucca herrschte, vertheilte sie sämmtliche Bohnen, welche sie im Hause vorfand, an die Armen, und merkte vor lauter Mitleid gar nicht, daß sie zu Ende gingen, und ihr Herr sie mit Recht darüber schelten könnte. Sie ging ihm also reuig entgegen, [862] und bat in aller Demuth um Verzeihung; sie hatte es nicht nöthig, denn der Bohnenkasten war so voll wie vorher. Einmal vor ihrem Kirchengange in der heil. Christnacht, als es recht kalt war, nöthigte sie der Hausherr, seinen Pelz umzulegen, jedoch unter der Bedingung, daß sie ihn auch wieder heimbringe. Als sie, auf diese Weise gegen die Kälte geschützt, durch die gewöhnliche Thüre bei St. Frediano eintrat, sah sie einen armen, kümmerlich bedeckten, im Winterfroste zitternden Mann auf dem Boden knieen. Von Mitleid gerührt, hängte sie ihm den Pelz um den Leib, in der Absicht, nachdem sie die Messe gehört hätte, ihm denselben wieder abzunehmen. Aber wie sie sich umsah, war der Mann mit dem kostbaren Pelze nicht mehr da. Blaß vor Schrecken suchte sie ängstlich nach demselben, und trat tief bekümmert, aber doch fest auf die Hilfe Gottes vertrauend, den Heimweg an. Ein Platzregen von Vorwürfen wartete auf sie. Aber als der Herr mit mehreren eingeladenen Gästen beim Mittagstische saß, öffnete sich plötzlich die Thüre des Saales, und ein unbekannter Mann, der sogleich wieder verschwand, überreichte ihm den hart vermißten Pelz. Seit diesem Wunder nannte das Volk von Lucca jene Pforte von St. Frediano, durch welche die Heilige aus- und einz ug ehen pflegte, die Engelsthüre. Auch das Blumenwunder der hl. Elisabeth wiederholte sich an ihr; an dem Brunnen, wo sie Wasser zu holen pflegte, reichte sie einmal einem Dürstenden köstlichen Wein, und auch ihre Wallfahrtsgänge zu Ehren der Mutter Gottes wurden durch Wunder verherrlicht. Je mehr ihr Leben sich dem Ende zuneigte, desto vollkommener wurde es. Nachdem sie durch viele Jahre die Wohlthäterin des Hauses und der Kinder gewesen war, und das ohne Spur von Ehrgeiz oder Eigennutz, sondern vielmehr mit der größten und freudigsten Aufopferung, erhielt sie auch größere Freiheit, Kranken- und Gefangenenbesuche zu machen, die Betrübten zu trösten und den Armen beizuspringen. Obwohl sie sich um nichts kümmerte, als um die Ehre Gottes und seinen Dienst im Dienste der Pflicht, wurde sie zuletzt die gemeinsame Lehrerin und Trösterin des ganzen Hauses. Als sie am 27. April des J. 1278 (1272) selig verschied, ging ein Stern über Lucca auf, strahlend mitten im Sonnenlicht. Von diesem Augenblicke an verehrte sie das Volk wie eine Heilige. Das kleine Bauernhaus, in welchem sie geboren war, mußte seine Steine zu der ihr geweihten Capelle auf Monte Sagrati hergeben. Zahlreiche Wunder, welche auf ihre Anrufung erfolgten (es floß aus ihrem Sarge eine heilsame Feuchtigkeit) verbreiteten ihre Verehrung immer weiter, sogar bis nach Portugal und England. Die Stadt Lucca trägt zu ihr besondere Verehrung und hat sie zur Schutzheiligen gewählt. Ihr Grab in der Kirche St. Frediano befindet sich in der zweiten Seitenkapelle rechts vom Haupteingange. Dasselbe wurde in den Jahren 1446,1581,1652 und 1841 geöffnet, und der hl. Leib stets unversehrt befunden. Im J. 1696 publicirte Papst Innocenz XII. das Decret ihrer Seligsprechung, und Leo X. geneh migte für die Stadt und das Erzbisthum ein eigenes Officium. Einige ihrer Reliquien sollen nach Ancona übertragen worden sein. Sie wird als Dienstmagd, an einem Brunnen stehend, oder mit einem Schlüsselbunde und einem Krüglein in der Hand, oder wie sie dem alten Mann in der St. Fredianokirche den Pelzmantel reicht, dargestellt. Ebenso, wie die Mutter Gottes sie auf ihren Wallfahrtsgängen begleitet und ihr das Stadtthor öffnet. Im Mart. Rom. steht sie mit dem Titel »selig.«


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 861-863.
Lizenz:
Faksimiles:
861 | 862 | 863
Kategorien: