Ausnahmegesetze

[343] Ausnahmegesetze sind die Vollmacht der obersten Staatsgewalt unter bestimmten Umständen nicht nach den bestehenden Gesetzen zu verfahren, sondern nach Erforderniß der Lage; für einzelne Fälle ist indessen das Verfahren durch Gesetze geregelt, welche in dieser Voraussicht erlassen sind. Bei den Staaten Altgriechenlands ließ die Demokratie in der Regel kein A. zu, weil sie die Ausnahmen selbst nach Gutdünken machte; dagegen hatte in Rom der Senat die Vollmacht, den Consuln den Auftrag zu geben, für die Sicherheit des Staats zu sorgen, d.h. ohne Rücksicht auf die bestehenden Gesetze das Nothwendige vorzukehren; das gleiche Recht übte der Senat in der Ernennung eines unverantwortlichen Diktators. Unter den neuern Staaten hat England die A. am meisten ausgebildet; hieher gehört die Suspension der Habeascorpusakte, die Aufruhrakte, der Belagerungszustand, die Erlassung von A. gegen bestimmte Personen, die Fremdenbill u.s.w.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 343.
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