Ausnahmegesetze

[51] Ausnahmegesetze, die Bevollmächtigung der obersten Staatsgewalt, in dringenden Fällen u. bei gefährlichen Zeitpunkten nicht nach der strengen Vorschrift der Gesetze, sondern nach bestem Ermessen handeln zu dürfen. In absoluten Monarchien, wo die Regierung die gesammte gesetzgebende Gewalt in sich vereinigt, bedarf es einer solchen Bevollmächtigung nicht, da sie schon von selbst in dem Begriffe der absoluten Gewalt liegt; um so nöthiger erscheinen sie bei republikanischen u. constitutionellen Regierungsformen, wo die Regierung bei Fassung gesetzlicher Beschlüsse für die Regel an Zustimmung der Kammern, Nationalvertretung etc. gebunden ist, in gefährlichen Augenblicken aber die Einholung einer solchen Zustimmung das Bestehen des Staates selbst auf das Spiel setzen könnte. Es versteht sich dabei von selbst, daß der Eintritt der A. nur auf die äußersten Fälle zu beschränken ist u. der Regierung die Pflicht obliegt, nach der Beseitigung der Gefahr die außerordentliche Maßregel vor den ordentlichen Gewalten zu rechtfertigen. A. waren bei den Römern die Bevollmächtigung der Consuln, sich einer größeren Macht zu bedienen, u. die Dictatur; in England sind es die Suspension der Habeascorpusacte auf eine gewisse Zeit, die Fremdenbill u. die Strafbills; in anderen Staaten[51] die Verkündigung des Kriegs- od. Belagerungszustandes (s.d.), die Einsetzung außerordentlicher Gerichte u. Untersuchungscommissionen etc. Als A. wurden auch die Beschlüsse des Deutschen Bundes bezeichnet, welche seit dem Jahre 1819–1834, bes. im Jahre 1832 u. auf den Grund der Wiener Ministerialconferenz zur Sicherung des Bundes u. der Bundesregierung gefaßt worden waren, durch einen neueren Beschluß der Bundesversammlung vom 2. April 1848 aber wieder aufgehoben worden sind.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 51-52.
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