Thucydides

[472] Thucydides, der große Geschichtschreiber, geb. um 456 v. Chr., gehörte einer der vornehmsten Familien Athens an, war ein Schüler des Anaxagoras und Antiphon und erhielt also die voll-ständige Ausbildung eines jungen Atheners, der eine öffentliche Rolle zu spielen berufen ist. Im 8. Jahre des peloponnes. Krieges befehligte T. eine Flottenabtheilung in den thraz. u. maced. Gewässern, konnte aber das von Brasidas belagerte Amphipolis nicht mehr retten u. wurde deßwegen verbannt; die 20 Jahre seines Exils brachte er zu Skapte Hyle an der thraz. Küste zu, wo er große Güter besaß, starb nach seiner Rückkehr 403 v. Chr. eines plötzlichen, vielleicht gewaltsamen Todes. Sein Geschichtswerk umfaßt die ersten 20 Jahre des peloponnes. Krieges und ist von jeher als ein Muster der Wahrheits- u. Gerechtigkeitsliebe sowie des Sammlerfleißes bewundert worden. In die ernste u. nüchterne, nie auf Effect berechnete Erzählung der Begebenheiten hat T. eine ziemliche Anzahl Reden eingeflochten, in welchen er die Ansichten u. Beweggründe der handelnden Personen u. Parteien darzulegen sucht; diese Reden [472] sind nach seinem eigenen Geständnisse theils von ihm selbst verfaßt, theils Nachbildungen wirklich gehaltener Reden, immer aber Meisterstücke der Beredsamkeit, der treueste Spiegel, in welchem man das politische Treiben des Griechenvolkes in jener merkwürdigen Epoche betrachten kann. Sein Werk ist uns ganz erhalten; von den größeren Ausgaben sind die von Poppo, Becker u. Bloomfield die bekanntesten, unter den kleineren dürfte die von Krüger (2. Aufl.) die empfehlenswertheste sein; Uebersetzungen von Heilmann, Osiander, Kämpf.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 472-473.
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