Trieb

[649] Trieb heißt das der Art nach bestimmte, dem Objekt nach unbestimmte Streben, welches ein Individuum vom ersten Moment seines Daseins an nötigt, das ihm Unentbehrliche aufzusuchen. Durch Triebe unterscheiden sich das Tier und der [649] Mensch von der Pflanze; sie haben eine Empfindung ihres Bedürfnisses und die freie Beweglichkeit, das, wodurch jenes befriedigt wird, aufzusuchen und zu ergreifen. Unbewußt, aber zweckmäßig leitet der Trieb das Tier und den Naturmenschen; klar ist dabei nur die Unlust und der Drang sie zu beseitigen, unklar, auf welche Weise es zu geschehen habe. Doch liegt im Organismus der Weg im allgemeinen vorgezeichnet. Denn die durch Unlust gereizten Empfindungsnerven lösen in den motorischen Nerven gewisse Reflexbewegungen aus, welche zur Befriedigung des Bedürfnisses führen. Die Triebe gehören zu dem, was der Anlage nach vererbt wird.

Sämtliche Triebe lassen sich zusammenfassen als Selbsterhaltungstrieb und als Gattungstrieb. Der Selbsterhaltungstrieb schließt den Nahrungs- und Schutztrieb, der Gattungstrieb den Geschlechtstrieb, die elterlichen und sozialen Triebe in sich ein. Zu den sozialen Trieben gehören unter anderen die sittlichen Triebe und der Nachahmungstrieb. (Wundt, Grundz. d. phys. Psych. II S. 410 ff.)

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 649-650.
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