[39] Ich weiß nicht mehr, ob in dem ersten, oder in dem andern Jahr, nachdem ich in die lateinische Schule gekommen, so hatte ich einen verdrüßlichen Zufall auf eine Zeit lang, der mich im Gemüte sehr plagte, und den ich beinahe vor die erste schwere Anfechtung halten möchte. Es ist bekannt, was die Leute, so doch Christen heißen und sein wollen, vor eine schändliche Gewohnheit im gemeinen Leben an sich haben, daß sie, wenn sie nur das Maul auftun, den Teufel im Munde haben, bei demselben,[39] als ob er ihr Gott wäre, schwören, und sich erklären [aussprechen], daß er sie holen solle, woferne sie nicht die Wahrheit reden. Ich erschrecke noch vor diesem Schwur, so oft ich ihn höre, habe auch niemals ein Wohlgefallen daran gehabt, auch mich dessen die Zeit meines Lebens, so viel ich weiß, niemals bedienet, noch solchen Schwur weder äußerlich mit dem Munde noch innerlich in Gedanken getan und ausgesprochen. Und dennoch ist mir solcher damals wider meinen Willen eine Zeit lang bei allerhand Gelegenheit öfters eingefallen, doch ohne meine Zustimmung, und so, daß er mir zu einer rechten Qual und Marter worden. Nahm ich mir etwan was zu tun vor, mit dem Vorsatz, vor Abends, oder in zwei Stunden damit fertig zu werden, so fiel mir, wie ein Pfeil so schnell, und wider meinen Willen ein: Und wenn ich nicht fertig werde, soll mich der Teufel holen. Sollte ich zu jemanden um diese, oder jene Zeit kommen, und ich versprach solches, und sagte mit dem Munde ja; gleich war der innere Gedanke dabei, und, wenn ich nicht komme, will ich des Teufels sein. In Summa [Kurz] bei allem, was ich beschloß, oder vornahm, oder zusagte, hatte ich diese Gemüts-Plage dabei; und je mehr ich vor meinen eigenen Gedanken, und vor solchen Einfalle erschrak, je öfterer, und ärger ward ich damit vexiret [geplagt]. Mir wurde dabei angst, und ich wußte nicht, wem ich es klagen sollte; denn ich fieng an an der Rede zu stocken, so oft ich etwas sagen wollte, und diesen Einfall dabei heimlich leiden mußte. Wenn ich bedenke, daß ich damals bei andern Fällen Gott im Gebet anzurufen gewohnet gewesen, auch von meinen Eltern zum Gebete angehalten worden, so gläube ich gänzlich, daß ich auch dazumal Gott im Gebete werde inbrünstig angerufen haben, daß er mich von dieser Plage befreien möchte, ob ich mich schon nicht mehr darauf zu besinnen weiß; gleichwie ich mich auch nicht besinnen kann, wie lange eigentlich dieser verdrüßliche Zufall gewähret; zum wenigsten muß ich Anno 1689 schon davon sein befreiet gewesen. Jetzt, da ich nach der Philosophie solches betrachte, kann ich es leichte aus der Natur, und aus den Kräften der Imagination, wie solche bei schwachen Leibern und Gemütern, so Temperamenti melancholici [haben], und zur Furcht sehr geneigt sind, anzutreffen, auflösen. Dazumal aber dachte ich nicht anders, als daß der Satan allein sein Spiel mit mir hätte, und mich mit solchen Einfällen quälete, dessen Mitwürkung ich doch bei dergleichen Zufällen keinesweges in Zweifel zu ziehen gesonnen bin.