Brief von Karl Marx an Wilhelm Blos

  • Brief von Karl Marx an Wilhelm Blos.
    Brief von Karl Marx an Wilhelm Blos.

[285] Zum besseren Verständnis des Briefes sei bemerkt, daß der Eingang sich auf die erste, von einer deutschen Schriftstellerin ausgeführte und mißlungene Übersetzung des Lissagarayschen Werkes über die Pariser Kommune von 1871 bezieht. Diese Überzeugung wurde damals von Jakob Audorf – dem Dichter der Arbeitermarseillaise – und mir umgearbeitet.

Ich hatte angefragt, ob Marx und Engels noch grollen wegen der Vorgänge auf dem Gothaer Kongreß von 1877, wo eine Anzahl Parteigenossen sich für Dühring erklärt hatten. Darauf antwortete Marx: »Ich grolle nicht!« usw. Im nächsten Jahr erschien dann das Engelsche Werk »Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft« als Separatabdruck aus der Leipziger »Vorwärts« (früher Volksstaat).

Der Schlußsatz des Briefes bezieht sich darauf, daß ich Marx eine Nummer der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung« übersandt hatte, in der von dem angeblichen Bündnis der roten und schwarzen Internationale gefabelt wurde. Es hieß dort: »Die Kombinationen des Dr. Marx und des Pater Beckx bewegten sich in voller Harmonie.«[286]

Übertragung des Marx Briefes.

10 Nov. 1877. 41,

Maitland Park Road, London N. W.


Lieber Blos,


Ich war sehr erfreut, endlich einmal ein Lebenszeichen von Dir – dies »Dir« entschlüpft mir naturgemäß aus der Feder. Laß also künftig das »Sie« – zu erhalten. Gegen – – – habe ich seit lange Verabschiedung beantragt und umsonst gepoltert.

Wo in »la Place« das Wort mit einem großen P geschrieben ist, bedeutet es stets die Place Vendome, weil dort der Sitz des Commandanten der Nationalgarde, der ja für Paris damals dasselbe war, was wir »Platzkommandant« nennen.

Was die »suppression de l'Etat« betrifft, ein Ausdruck den L. (Lissagaray) selbst in der 2ten frz. Ausgabe ändern wird, so ist der Sinn desselben kein anderer als der in meinem Pamphlet über den »Bürgerkrieg« in Frankreich entwickelte. In Kürze kannst Du übersetzen: »Abschaffung (oder Unterdrückung) des Klassenstaats.«

Ich »grolle nicht« (wie Heine sagt) und Engels eben so wenig. Wir beide geben keinen Pfifferling für Popularität. Beweis z.B., im Widerwillen gegen allen Personenkultus, habe ich während der Zeit der Internationalen die zahlreichen Anerkennungsmanöver, womit ich von verschiedenen Ländern aus molestiert ward, nie in den Bereich der Publizität dringen lassen, und habe auch nie darauf geantwortet, außer hie und da durch Rüffel. Der erste Eintritt von Engels und mir in die geheime Communistengesellschaft geschah nur unter der Bedingung, daß alles aus den Statuten entfernt würde, was dem Autoritätsaberglauben förderlich. (Lassalle wirkte später grade in der entgegengesetzten Richtung.)

Aber solche Ereignisse, wie sie sich auf dem letzten Partheicongreß zugetragen – sie werden gehörig exploitirt von den Feinden der Parthei im Auslande – haben uns jedenfalls Vorsicht in unsren Verhältnissen zu den »Partheigenossen in Deutschland« aufgenötigt.

Im übrigen zwingt mich mein Gesundheitszustand die mir ärztlich erlaubte Arbeitszeit zur Beendigung meines Werkes zu verwenden; und Engels, der an verschiedenen größeren Schriften arbeitet, liefert immer noch dem »Vorwärts« Beiträge.

Es wird mich amüsiren, hie und da etwas Näheres über meine »Combinationen« mit Pater Beckx zu erfahren. Engels schreibt Dir dieser Tage.

Mit bestem Gruß seitens meiner Frau und Tochter Eleanor

Ganz der Deine

Karl Marx.[287]

Quelle:
Blos, Wilhelm: Denkwürdigkeiten eines Sozialdemokraten. 2 Bde, 2. Band. München 1919.
Lizenz:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.

78 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon