Essig, destillirter

[268] Essig, destillirter (Acetum destillatum). Durch die Destillation erhält man aus dem rohen Essig eine farblose, von Extraktivstoffe fast freie Essigsäure. Die besten Gefäse, wenn man ihn im Kleinen destillirt, sind tief abgesprengte gläserne Kolben, auf denen ein gläserner (auf der Spitze wo möglich mit einer Tubulatöfnung, untenher aber mit einer Traufrinne versehener) Helm gekittet ist ( Destillation). Zu größern Mengen kann eine steinzeugne Blase mit einem ähnlichen oder zinnernen Huthe dienen. Zu ganz großen Quantitäten aber, wozu jene Gefäse zu klein sind, dienen zinnerne Blasen mit gleichen Hüthen und Kühlröhren, doch letztere ganz aus feinem Zinne verfertigt.

Man kann die Gefäse bis auf fünf Sechstel ihrer innern Höhe mit dem rohen Essige anfüllen, die metallene Blase in freies Feuer, die irdenen oder gläsernen aber so weit ins Sandbad setzen, als die innere Flüssigkeit reicht, und allmählige Hitze geben.

Das anfängliche Produkt (spiritus aceti) ist eine sehr durchdringend angenehm riechende Flüssigkeit, nämlich versüßter Essiggeist mit Wasser gemischt, von welchem man ihn durch nochmalige Destillation befreien kann.

Auf diesen Essiggeist folgt gar bald eine große Menge (gewöhnlich das Viertel des ganzen Essigs) Wässerigkeit, welche wenig oder gar nicht sauer ist, und weggeschüttet werden muß.

Bei der fortgesetzten Destillation des rohen Essigs wird zwar das Produkt als der eigentliche destillirte Essig, immer saurer, aber auch zugleich bränzlichter, und diese Bränzlichkeit vermehrt sich nach und nach so sehr, daß die Tropfen endlich gilblich überzugehen anfangen. Dieß ist der Zeitpunkt, wo man die gewöhnliche Essigdestillation beendigt, und doch ist der Rest (sapa aceti, Essigextrakt) im Destillirgefäse noch äusserst sauer, obwohl schwarz und branzig, ein Rückstand, der zwar zu einigen Arbeiten, z.B. zum krystallisirten Grünspane wieder zu brauchen ist, aber doch weit schätzbarer seyn wurde, wenn er eine eben so reine als starke Säure wäre. Der übergegangne Essig aber ist stets weit schwächer als der zur Destillation eingesetzte rohe Essig war; er ist zudem immer ziemlich bränzlicht im Geruche und Geschmacke.

Man sieht hieraus, wie schwierig, kostbar und unzulänglich die bisherige Essigdestillation war, und sie würde es noch seyn, wenn Lowitz uns nicht gelehrt hätte, diesen[268] Schwierigkeiten durch beigemischtes Kohlenpulver zu entgehn.

Zu dem Ende wird der rohe Essig mit etwa 1/15 seines Gewichtes an gepülverten frisch geglüheten Kohlen vermischt, und die Destillation dergestalt vollführt, daß in der Blase oder dem Kolben nichts als ein trockner Rückstand bleibe und alle Säure übergehe. Der so übergegangene Essig ist dann fast eben so stark, als der dazu angewendete rohe war.

Man bricht aber besser die Destillation von Zeit zu Zeit ab, d.i. man nimmt zuerst das Essigphlegma weg, läßt dann in die Vorlage den stärkern Essig laufen, und fängt gegen das Ende der Destillation die stärkste Säure noch besonders auf, welche etwas braun und bränzlicht befunden wird, aber über frisches Kohlenpulver leicht zur reinsten stärksten Essigsäure rektifizirt werden kann.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 1. Teil, Leipzig 1793, S. 268-269.
Lizenz: