Oele, aufgegossene

[157] Oele, aufgegossene (Olea infusa) nennt man diejenigen ausgepreßten Oele, welche man mit frischen, vorzüglich geruchvollen Pflanzentheilen hat in Aufguß stehen lassen.

Man nimmt gewöhnlich einen Theil wohlriechender Blumen von Lilien, Rosen, oder Weißjasmin, thut sie in einen steinzeugnen Topf, gießt vier Theile des feinsten Baumöls, Provenceröl dazu, verbindet das Geschirr, und setzt es entweder in die Sonne, oder bei der Hitze des nicht völlig siedenden Wassers, wenn es Rosen oder Veilchen waren, sind es aber Lilien, Tuberrosen oder Jasmin bei 100 Grad Fahr. Wärme ins Digestorium ( Oefen) drei Tage lang; (die fleischigern Früchte, wie die Balsaminspringgurke und die saftigern Pflanzen stößt man etwas vor dem Digeriren); man preßt das Oel dann durch und digerirt es nochmals drei Tage lang mit dem vierten Theile frischer Blumen, auf gleiche Weise, preßt das Oel wieder durch, und verwahrt es an einem kalten Orte. In Italien wird zu diesen Oelen von Blumen, welche blos zur Toilette gebräuchlich sind, Beenöl genommen, welches weit vorzüglicher ist, da es nicht so leicht ranzicht wird. Daher das Oleum illiorum, rosarum, jasmini, momordicae.

Man kennt wenig Pflanzentheile, außer etwa die riechbaren und[157] die rothfärbenden Theile einiger Wurzeln, die von den fetten Oelen ausgezogen würden. Deshalb ist auch der neuere Vorschlag, die sonst durch Kochen bereiteten Oele durch Aufguß zu bereiten, untauglich, da auf beide Arten kein kräftiges Präparat zu erzielen ist.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 157-158.
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