Pflege der Hände.

[6] Um nicht mißverstanden zu werden, möchte ich dieses Capitel lieber »die Beaufsichtigung der Hände« nennen, denn ich beanspruche gar nicht, daß man die Hände einer besondern Pflege würdigt, sich vielleicht gar scheut, tüchtig zuzugreifen oder diese oder jene Arbeit vermeidet, um die Weiße der Hände nicht einzubüßen. Nein, dergleichen wünsche ich gewiß nicht, finde es sogar thöricht und rücksichtslos gegen Andere, wenn wir uns einer Arbeit entziehen, die uns obliegt. Aber Beaufsichtigung der Hände verlange ich ganz entschieden in des Wortes weitester Bedeutung.

Also zuerst sei die Hand stets rein gewaschen, unter Anwendung von Seife, Nagelbürste, im schlimmsten Falle Bimstein oder von ein paar Tropfen Salzsäure (dabei ist jedoch große Vorsicht zu beachten, daß nicht die kleinste Verletzung, und sei es auch nur eine Schramme, sich an der Haut befindet) ist solches stets zu erreichen.

Ferner müssen die Nägel geschnitten und nach Möglichkeit rein gehalten sein. Harte Nägel darf man etwas länger wachsen lassen, ein großer Vorzug für die Form des Fingers. Weiche Nägel muß man öfter schneiden, doch nie so kurz, daß das Fleisch über steht. Beides, das Schneiden und Putzen der Nägel, ist nie in Gegenwart Anderer vorzunehmen.

Rein halten muß man auch die Umgebung des Nagels. Ist die Haut zu hoch gewachsen, kann man, mit einer nicht zu spitzen Nagelscheere, diese leicht etwas hinunterschieben, wodurch der Nagel größer wird. Zu kurz gewachsene Nägel sind bekanntlich nicht schön und kann man, durch dieses eben angegebene Verfahren, sehr leicht eine Besserung erzielen. Mit der Bürste ist dann der Rand gehörig vorzunehmen.

Leider giebt es Menschen, die sich die Nägel abbeißen, eine entsetzlich widerliche Angewohnheit, die von den Angehörigen des Sünders so lange unnachsichtlich,[6] vermöge Anwendung eines Stöckchens gestraft werden sollte, bis er von dieser Unsitte befreit ist. Kindern, die an dieser Unart leiden, wischt man wohl etwas Bitteres an die Fingerspitzen. Von einem Erwachsenen läßt sich erwarten, daß er Willenskraft genug besitzt, nachdem er seinen Fehler erkannt, auch zu bessern, wobei ihm der Wunsch etwas zu vermeiden, was andern Menschen widerwärtig ist, gewiß zu Hilfe kommt.

Beaufsichtigen muß man, die Hände unaufhörlich, denn sie sind gar arge Uebelthäter. Sie fassen gedankenlos beim Sprechen nach allerlei Gegenständen, um damit zu spielen, lassen die aufgeregte Stimmung ihres Besitzers an den unschuldigsten Dingen aus. Sie zerbrechen Scheeren, schneiden mit dem Messer in Tische und Bänke, zerkratzen Fensterscheiben mit schrecklichen Hiroglyphen. Sie vergessen häufig, daß man ein Taschentuch zum Putzen der Nase hat, einen Kamm für die Haare, daß man auch die Ohren und den Mund stets im stillen Kämmerlein einer Inspection unterwirft und nie in Gegenwart Anderer. Sie sind wiederum nicht auf dem Posten, wenn es gilt, beim Gähnen den geöffneten Mund zu verdecken, – vorausgesetzt daß der Ermüdete nicht so viel Lebensart besitzt das ihn beschleichende Gähnen, durch Zusammenkneifen der Zähne, zu unterdrücken. Sie sind der Nase beim Niesen nicht zu Diensten und doch muß das strenge von ihnen gefordert werden, wenngleich es freilich weit besser ist, das Taschentuch rechtzeitig zu erfassen. Sie trommeln auf den Tischen und machen damit ihren Nebenmenschen nervös, sie drehen in der Unterhaltung den Knopf am Rocke des vis-à-vis ab, sie fahren nachlässig in die Taschen, während ihr Herr mit Jemanden spricht, dem er Rücksicht schuldet, sie wickeln einen Brief um die Finger, der noch gelesen werden soll und zerreißen eine Zeitung, die der Andere aufheben will. Sie wühlen in der Zuckerdose, ehe sie das ihnen passende Stück ergreifen und machen es ebenso mit dem Kuchenteller, wo sie erst alles erfassen, ehe sie ihre Wahl treffen. Sie versuchen im Bäckerladen jedes Brötchen zu knicken, um zu sehen, ob die Rinde kroß ist und bedenken nicht, wie peinlich es für den Verkäufer ist, solchem[7] Gebahren, was seinen übrigen Kunden die Waaren unappetitlich macht, zusehen zu müssen. Sie bereiten ein Butterbrot, nachdem sie soeben den Hund gestreichelt haben, oder formen Klöße, ohne die Spuren der vorhergegangenen Arbeit abzuwaschen. Sie zählen schmutziges Geld und denken nicht daran, sofort hinterher sich zu reinigen, ja, es ist vorgekommen, daß sie sogar ein unbequemes Geldstück den Lippen anvertrauten, während sie das Portemonnaie schlossen. In anderer Weise sind sie wieder nicht aufmerksam genug und sammeln das Kleingeld nicht ein, welches die behandschuhte Hand eines Käufers nicht fassen kann.

Beim Gebrauch des Geldes sind sie überhaupt nicht sorgsam, was kaum zu begreifen ist, wenn man bedenkt, durch wie viel Hände solch ein Geldstück geht und durch welche Hände! – Krankheit kann auch durch ein Geldstück weiter getragen werden, der daran haftende Schmutz theilt sich doch aber selbstverständlich sofort mit. Darum thue man nie Geld auf einen Teller, auf den hinterher irgend welche Eßwaaren kommen, z.B. beim Einkauf von Brot, Butter, Milch u.s.w. – Ich habe so etwas öfter von sonst sorgsamen Hausfrauen beobachtet, aber auch stets ein williges Ohr gefunden, wenn ich sie auf das Ekelhafte ihres Verfahrens aufmerksam machte.

Zum Schluß noch ein Wort über Handschuh. Dieselben müssen heil und rein sein. Weiße Handschuhe trägt man nur bei besonders festlichen Gelegenheiten und beim Tanzen, bei seinen Visiten der Farbe des Anzuges entsprechende Glacés. Auch der gewebte, seidene Handschuh ist in Aufnahme gekommen.

Immer sind aber die beiden oben ausgesprochenen Anforderungen an einen Handschuh zu berücksichtigen: heil und rein. Und in dieser Beziehung ist der einfachere baumwollene Handschuh einer feineren verbrauchten Sorte vorzuziehen.

Bei Diners legt man erst die Handschuhe ab, nachdem man an der Tafel Platz genommen, in andern größeren Gesellschaften oft gar nicht, oder erst in dem Augenblick, wo uns ein Gericht präsentirt wird, welches[8] mit Hilfe von Gabel und Löffel allein nicht zu genießen ist.

Daß man angeschmutzte Glacéhandschuhe leicht mit Benzin reinigt, darf ich wohl als bekannt voraussetzen, nur mache man es nicht wie jene Dame, die an den, schon an ihren Händen befindlichen Glacés dieses Reinigungswerk vornahm, dabei dem Lichte zu nahe kam, nicht beobachtend, daß Benzin sehr feuergefährlich ist und sich jämmerlich die Hände verbrannte.

Quelle:
Kistner, A.: Schicklichkeitsregeln für das bürgerliche Leben. Guben 1886, S. 6-9.
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