[212] Daß die Entscheidung über meinen Kopf hinweg ein Eingriff in meine Rechte sei, und daß ich deshalb meinen Abschied nehmen müsse, hatte der Minister nicht zugeben wollen. Ich habe diese Konsequenz auch nicht gezogen, da ich in der Tat um der Nationalgalerie willen, die der Generaldirektion nur formaliter unterstellt war, die Ausführung der verschiedensten Pläne und des weiteren Ausbaues unserer Museen nicht[212] in die Hand anderer gelegt sehen wollte. Ich hatte aber noch einen ganz besonderen Grund, weshalb ich glaubte, gerade damals meinen Posten keinesfalls verlassen zu dürfen. In Florenz, wo mich die Nachricht von Justis Ernennung überraschte, erhielt ich fast am gleichen Tage eine zweite Hiobspost. Englische Zeitungen meldeten, die große Wachsbüste der Flora, die ich als Werk aus der Nähe Leonardos wenige Monate vorher in London gekauft hatte, sei die Arbeit eines kleinen englischen Wachsbossierers aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, namens Lucas. Der eigene Sohn, der mit ihm daran gearbeitet, habe dies bezeugt. Wie ein Lauffeuer ging diese Nachricht sofort durch alle Zeitungen der Welt. Die deutschen Zeitungen, voran die Berliner, beeilten sich, sie mit den hämischsten Bemerkungen zu beglei ten. Monatelang war fast jede Zeitung im In- und Auslande mit Notizen, die englischen mit spaltenlangen Interviews, gefüllt, und noch jetzt benutzen internationale Hetzer gegen mich und meine Museumspläne gern die Gelegenheit, um ein boshaftes Wort über die »Flora des Lucas«, über »unfehlbare Museumsdirektoren« u.a. Liebenswürdigkeiten einfließen zu lassen.
Die Büste war Ende des Winters 1908/09 im Londoner Kunsthandel aufgetaucht und um eine Kleinigkeit von dem ausgezeichneten alten Antiquar Murray Marks (Durlacher Bros.) erworben worden. Im Maiheft des Burlington Magazine 1909 wurde sie von H. Cook abgebildet und im Dezemberheft von dem Redakteur C.J. Holmes als ein Werk mit Leonardeskem Typus besprochen. Kollege Friedländer, der bald darauf in London war, schrieb mir, das Original mache einen noch viel bedeutenderen Eindruck als die Reproduktion im Magazine. Auf seine Aufforderung reiste ich daher gleich nach London und kaufte im Einverständnis mit Dr. Friedländer die Büste um den Preis von 8000 £, nicht ohne Schwierigkeiten, da der Besitzer sie am liebsten im Viktoria- und Albert-Museum zu sehen wünschte.
Als sie im Juli in Berlin ankam, stimmte die Kommission der Sachverständigen, die Professoren A. Goldschmidt,[213] L. Justi und F. Sarre, nicht nur unisono der Anschaffung zu, sondern die Herren unterschrieben noch einen bei den Protokollen sonst ganz ungewöhnlichen Zusatz, daß »die Erwerbung die hervorragendste Bereicherung unserer Sammlungen in neuerer Zeit« sei. Als die Büste dann nach einiger Zeit zur Aufstellung kam, erregte sie allgemeine Bewunderung. Ein Kunstkorrespondent der Times, der sie in Berlin sah, schrieb einen begeisterten Artikel an seine Zeitung und klagte die Direktion der Londoner Sammlungen an, daß sie die ihnen zuerst angebotene Büste aus England hätten fortgehen lassen, ohne sie auch nur einmal anzusehen.
Da erschien am 23. Oktober in den »Times« die Zuschrift eines Auktionators in Southampton, Charles Cooksey, die Büste sei die Arbeit jenes im Jahre 1888 verstorbenen Wachsformers Richard C. Lucas, der sie im Jahre 1846 nach der von seinem Sohn gefertigten Kopie eines Florabildes von Leonardo modelliert habe. Dieses Bild sei vom Kunsthändler Buchanan gerade damals an Mrs. Morrison in Basildon Park verkauft worden. Weitere Zuschriften, die seither monatelang an die Daily Mail und die demselben Deutschenhasser gehörigen Times gerichtet und auszugsweise in der Presse aller Länder abgedruckt wurden, brachten das Zeugnis des »jungen« – damals etwa 85 Jahre alten – A.D. Lucas und seines Freundes, der gleichzeitig Schüler des alten Lucas gewesen war, sie hätten den alten Lucas »an der Wachsbüste arbeiten sehen« (nach späterer Fassung hieß es, »daß sie ihn die Wachsbüste hätten arbeiten sehen«) und hätten sogar dabei mitgeholfen.
Daß ich in einem längeren Artikel unseres Jahrbuchs, in dem ich die Herkunft der Büste aus dem Kreise Leonardos, wenn nicht von Leonardo selbst, nachzuweisen suchte, jene Behauptungen als völlig unglaublich hinstellte, löste einen Sturm der Entrüstung jenseits des Kanales aus, der sein Echo nicht nur im Auslande, sondern stärker noch in Deutschland fand. Die Times schoben ihren langjährigen Kunstreferenten, der meine Partei genommen hatte, beiseite,[214] als sich ihr in Sidney Colvin, dem Direktor des Print Room's, ein (freilich maskierter) Leiter der Florakampagne anbot, und ihm der »Kunstverständige« der Daily Mail sekundierte. Alltäglich erschienen Artikel, auf Versteigerungen tauchten plötzlich Wachsarbeiten von Lucas auf, die mit dem Zehn-, ja Zwanzigfachen von dem, was sie früher erzielt hatten, bezahlt wurden, und die Winterausstellung alter Gemälde in Grosvenor Gallery nahm nicht nur das angebliche Original der Wachsbüste, das Florabild im Besitz von Mrs. Morrison, sondern auch eine ganze Reihe von Wachsarbeiten des Lucas mit auf. So schlagend diese elenden kleinen Dilettantenarbeiten bewiesen, daß ihr Verfertiger die Florabüste nicht gemacht haben konn te, so wurde doch unter dem allgemeinen Geschrei der Presse, in der schließlich nur noch selten ein Wort für die Echtheit der Flora aufgenommen wurde, auf Gründe überhaupt nicht mehr gehört – hatte man doch Eideshelfer, die bei der Anfertigung dabeigewesen sein wollten!
In England war diese Hetze gegen mich nicht so ganz unverständlich, da die meisten englischen art critics, die mit dem Kunsthandel nur zu nahe verbunden sind, mich aus England und vom englischen Kunstmarkt abzudrängen und mein Ansehen bei den Sammlern in England und den Vereinigten Staaten zugrunde zu richten wünschten. Ihren Einfluß auf die Presse konnten sie dabei um so besser ausnutzen, als damals in England schon die Hochflut des Deutschenhasses und der Deutschenhetze wütete. In Frankreich stimmte natürlich alles in den Ton der englischen Zeitungen ein, zumal ein Hans in allen Gassen, Salomon Reinach, benutzte die Gelegenheit, um die Aufmerksamkeit von seinem fatalen Eintreten für den Ankauf der Saitaphernes-Krone abzulenken. Bei einer derartigen Verschwörung des ganzen Auslandes würde in jedem anderen Lande der Angegriffene von seinen Landsleuten einstimmig und energisch in Schutz genommen worden sein. In Deutschland gilt aber das Urteil des Auslandes noch immer mehr als deutscher Sinn und gesunder Menschenverstand. Zudem durften doch bei dem echt »deutschen Gerechtigkeitssinn« diese[215] Angriffe nicht von vornherein abgelehnt werden. Neid und Mißgunst wie persönliche Rachsucht haben dann mit dem wahren Haß, den die Tschudiaffäre auf semitischer und mein Eintreten für Max Liebermann auf antisemitischer Seite in der Presse gegen mich hervorgerufen hatte, und mit der partikularistischen Schadenfreude in weiten Kreisen von Deutschland über allen Abbruch, der dem »Wasserkopf Berlin« und speziell den Berliner Museen getan wird, zusammengewirkt, um die Pressekampagne in Deutschland fast noch lebhafter und noch gehässiger zu gestalten als im Ausland.
Nachdem die Kampfhähne des Berliner Tageblatts, der Frankfurter Zeitung, der Täglichen Rundschau usw. sich monatelang heiser geschrien und das Publikum ermüdet hatten, übernahm plötzlich ein Kollege, der Direktor der Bremer Kunsthalle, Dr. Pauli, die Führung der schon erlahmenden Hetze. In einer einzigen Woche erschienen gleich drei wütende Artikel von ihm gegen die Flora. Damit legitimierte er sich als offizieller Florabekämpfer für das Berliner Tageblatt. Er setzte sich nicht nur schriftlich mit den Londoner Drahtziehern in Verbindung, sondern reiste eigens nach England, besuchte mit seinen Londoner Freunden die Heimat des großen Lucas, fand sich mit dem Auktionator und Lucasentdecker, Mr. Cooksey, und ging mit ihm zu dem 85jährigen Lucas-Sohn, der sich uns gegenüber stets verleugnet hatte. Er ließ diesen und seinen Freund sogar die Komödie der Affidavit-Aussage für bare 1sh. 6p. aufführen. In England würde dieser Trick die Angelegenheit sofort ins Lächerliche gezogen haben, hätte man nicht allen Grund gehabt, sie au sérieux aufzubauschen, aber in Deutschland hatte sie die beabsichtigte Wirkung, zumal Pauli von Ort zu Ort reiste, um die Kollegen umzustimmen und gegen mich aufzuhetzen. Einer »eidlichen« Aussage gegenüber konnten sachliche Gründe natürlich nicht mehr Stich halten! Von englischen Kollegen wurde mir mitgeteilt, der alte W. sei ein solcher Trottel, daß er selbst in jungen Jahren keine glaubwürdige Aussage habe machen können,[216] der »junge« Lucas sei, wenn überhaupt noch zurechnungsfähig, ganz in der Hand des Auktionators Cooksey, und dieser, ein Kleiderseller bescheidenster Art, habe den Schwindel nur aus Brotneid und als Rache dafür inszeniert, daß er kurz vorher für die Führung deutscher Matrosen in Southampton nicht (wie er selbst angab) honoriert sei.
Diese und ähnliche Mitteilungen nutzten aber nichts, denn der Streit galt als ein heiliger, nationaler Kampf, und diese achtbarsten Kenner jenseits des Kanals machten mir ihre Mitteilungen nur ganz vertraulich. Heute kann ich sie nennen; es waren namentlich John P. Heseltine, Sir Martin Conway, A.B. Skinner und Dr. Williamson. Als ein hervorragender französischer Restaurator von Altsachen, namentlich von Wachsarbeiten, M. Bouet in Paris, der die Büste in Berlin sah und genau prüfte, öffentlich erklärte, daß die Büste ganz zweifellos alt, italienisch und bestes Cinquecento sei, schwieg man diese Mitteilung tot und machte lieber höhnische Witze darüber, daß ich meine Niederlage durch den Kaiser zu decken suche, der sich die Büste von mir zeigen ließ und dabei die höchste Bewunderung für sie aussprach.
In den für alte Kunst interessierten Kreisen Berlins fanden diese wüsten Angriffe freilich keinen Widerhall. Von seiten der Mitglieder des Kaiser-Friedrich-Museums-Vereins wurde mir eine warme Zustimmungsadresse überreicht, von der sich nur Dr. Walter Rathenau, durch den auch die Presseangriffe mitinszeniert waren, ausschloß. Dagegen traten meine Kollegen und Beamten am Museum leider nicht gemeinsam für mich ein; die drei Mitglieder der Sachverständigenkommission, die den Ankauf so begeistert gebilligt hatten, schwiegen sich aus. Nur Kollege Koetschau setzte sich in energischster Weise für die Echtheit der Büste ein und mit ihm mehrere Mitarbeiter an der Galerie wie Dr. Posse und Fräulein Dr. Schottmüller. Da diese aber mir direkt unterstellte Beamte waren, wurde das, was sie dafür anführten, von der anderen Seite als bestellte Arbeit verschrien, ja, aus dem Kreise der Kollegen selbst wurde[217] verbreitet, diesen »Florafreunden« wären dafür Stellen von mir versprochen und verschafft worden! Es ist nur eine kleine Ecke, aber eine böse Lästerecke, in der solche häßlichen Behauptungen erfunden, und von wo aus sie kolportiert worden sind. Aber diese Lästerecke, durch die auch die Zeitungsschreiber in ähnlicher Richtung beeinflußt wurden, hat vor- und nachher sich geltend zu machen gewußt. Weil die Angriffe gegen mich persönlich gingen, hielt ich es unter meiner Würde, disziplinarisch gegen den Haupturheber dieser Verleumdungen einzuschreiten. Im Interesse des Rufs der Beamtenschaft unserer Museen, die dem Treiben zum Glück fast ganz fernstand, wäre dies aber dringend wünschenswert gewesen. Abgesehen von der Schädigung des Ansehens und der Hemmung in der Entwicklung unserer Museen haben solche Intrigen den mangelnden Zusammenhang unter den Beamten noch mehr hervortreten lassen. Je zahlreicher und umfangreicher die Sammlungen werden und je mehr der Beamtenkörper anwächst, um so empfindlicher macht sich dieser Übelstand geltend, zumal die Interessen zu verschiedenartige sind und meist von ihren Vertretern einseitig verfolgt werden. Dies macht bei den Berliner Museen die Aufgabe des Generaldirektors so schwer und verantwortungsvoll, läßt dieses Amt aber gerade deshalb als besonders notwendig erscheinen.
Ich habe mich über den Kampf um die Florabüste so ausführlich ausgesprochen, weil er eine symptomatische Erscheinung nicht nur im Leben der Berliner Museen, sondern im deutschen Kunst- und Kulturleben überhaupt ist, und weil er, neben der jahrelangen Dauer und Erbitterung, auch in Zukunft noch seine Wirkungen haben kann. Einer der rabiatesten Kämpen gegen die Flora hat gleich im Anfange prophezeit, daß nach drei Jahren die Büste längst in die Magazine verbannt sein und niemand von der Direktion noch eine Lanze für sie einzulegen wagen würde. Diese Zeit ist längst um, die Büste steht noch an ausgezeichneter Stelle und wird in allen Katalogen als Werk aus dem Kreise Leonardos bezeichnet; ja, nur[218] selten und ganz nebenbei wird noch einmal eine gehässige Stimme gegen ihre Echtheit laut. Trotzdem halte ich es, bei der modernen Fälschungsriecherei, welche die Kritik stark überwuchert, bei der Sensationslust des Publikums, bei der einem so außergewöhnlichen, fast einzigen Stück gegenüber ganz besonderen Schwierigkeit einer sachlichen Kritik, zu der nur wenige berufen und vorgebildet sind, vor allem bei der außerordentlichen Kraft der Suggestion gerade in künstlerischen Dingen, wie bei dem heutigen Mangel an Qualitätssinn unter unseren Fachgenossen, nicht für ausgeschlossen, daß eine spätere Zeit und eine andere Verwaltung auf den Streit zurückkommen und der vielgeschmähten Büste ihren Ehrenplatz rauben könnte.
Ich wiederhole daher hier kurz die Gründe, die sämtlich zwingend gegen die Autorschaft des Lucas und für Alter und Echtheit der Büste und ihre Herkunft aus dem Leonardoschen Kreise sprechen.
Der alte Lucas selbst ist der klassische Zeuge dafür: er nennt die Büste in der Unterschrift unter der Photographie, welche er – nach Angabe seines Sohnes schon 1848 – danach anfertigte: »The Flora of Leonardo«. Die sehr genauen wissenschaftlichen Untersuchungen der Professoren Raehlmann und Miethe ergaben, daß die Farben alte, nur bis in das XVII. Jahrhundert benutzte sind, daß die alte Photographie der Büste schon dieselben Risse und Verletzungen aufweist wie jetzt, und daß die harte, alte Schmutzschicht an verschiedenen Stellen noch erhalten ist. Die Büste, deren Beschädigungen auf Schüsse aus Zimmerpistolen durch unnütze Knaben zurückgehen, deren Kugelspuren noch deutlich sichtbar sind, zeigt nur zu deutlich, daß sie vor langer Zeit im Gesicht scharf gereinigt und durch Glätten mit dem heißen Spachtel die Sprünge beseitigt und gleichzeitig die abgesprengten oberen Schichten am Rücken und an den Armen mit Gips ausgebessert worden sind. Der unvorsichtige Restaurator ist dabei mit der Lampe dem Haar am lin ken Ohr so nahe gekommen, daß hier ein Teil des Haares und das Ohrläppchen abgeschmolzen sind. Ringsum[219] ließ er aus Schrecken darüber den alten Schmutz unberührt stehen, und gibt uns dadurch noch den Beweis für den alten Zustand.
Das Vorbild, das Lucas bei der Anfertigung seiner »Fälschung« angeblich benutzte (daß der eigene Sohn den Vater dieser Gemeinheit bezichtigt haben soll, wäre übrigens nur glaublich, wenn er ein Lump wäre, und dann hätten seine Angaben gar keinen Wert!), das Gemälde der Flora im Besitz von Mrs. Morrison in Basildon Park, war gerade kürzlich zur Restauration fast ein Jahr lang im Kaiser-Friedrich-Museum (1912/13), durfte aber auf Verlangen des Besitzers leider nicht bei uns ausgestellt werden. Es ist ein schwaches Machwerk aus der Richtung Pedrinis und beweist gerade neben der Büste, daß es eine Kopie der unendlich überlegenen Büste sein muß, die sie äußerlich fast getreu wiedergibt, sogar so weit, daß die Figur auch als Büste vor einer grottenartigen Nische angebracht ist.
Der »überzeugendste« Grund, der für die Autorschaft des Lucas angeführt ist: die Entdeckung von Fetzen der »Unterjacke« des alten Lucas im Innern der Büste, ist gerade ein zwingender Grund für ihr höheres Alter. Denn welcher Künstler würde ein so stattliches, auch technisch hervorragend ausgeführtes Werk so liederlich gegossen haben, daß er es von vornherein mit Hunderten von kleinen Lumpen und Tonklümpchen hätte ausfüllen müssen, um es stabil zu machen? Gerade diese berühmte »Unterjacke des alten Lucas« beweist ja deutlich, daß dieser, der ein vielbeschäftigter Restaurator von Antiquitäten war, die schadhafte alte Büste (wie Lady Paget mir mitteilte, im Besitz von Lord Palmerston, der sie durch seine Frau aus dem Besitz des Lord Cowper erhielt) zur Restauration bekam, daß er sich lange mit Versuchen der Restauration abquälte, daß er durch seinen Sohn zu dem Zwecke eine (miserable) Kopie des Morrisonschen Bildes herstellen ließ, daß er nach einer Probe für die Restauration jene Photographie mit der Unterschrift »Flora of Leonardo« anfertigte und schließlich nach allen mißlungenen Versuchen die[220] Büste stehen ließ, die dann durch ein halbes Jahrhundert so sehr in Vergessenheit geriet, daß sie schließlich im Hause als eigene Arbeit des Lucas gegolten haben mag. Lucas' eigene kleine Wachsarbeiten, süßliche moderne Nippfigürchen, die er nie bemalt und immer als Vollgüsse gearbeitet, daher auch nie mit Lumpen seiner »Unterjacken« und dergleichen ausgefüllt hat (wie sein Sohn behauptet, der sich wahrscheinlich dieser Prozedur gerade von der Restauration an der Flora her dunkel erinnerte), sind so schwach und grundverschieden von unserer Büste, daß ein unbefangener Beschauer gar nicht auf den Gedanken kommen kann, Lucas sei der Verfertiger der Florabüste gewesen.
Wie stark aber die Hypnose wirkt, namentlich wenn ein starkes Übelwollen hinzukommt, dafür möchte ich zum Schluß noch das Urteil von Herrn von Tschudi über die Büste anführen, das mir unter anderen Ministerialdirektor Winterstein in München wiedersagte. Anfangs habe er ihm mitgeteilt, die Büste scheine ihm »leider echt und gut«; später habe er sie für »echt, aber schwach« und schließlich habe er sie, was Professor Adolf Hildebrand bestätigt habe, für »falsch« erklärt.
Buchempfehlung
Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.
110 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro