Ein lebendiger Entwurff deß sterblichen Lebens / vnd daß der Todt ein Regel ohne Unterscheid allen vorschreibe.

[13] Nicht vmbsonst list man das Wort Leben / zu ruck Nebel / kaum daß ein Nebel dieser trampische Sohn der morastigen Erden gebohren wird / so trohen ihme schon die Sonnen-Strahlen den Garauß: Also hat es ein gantz ähnliche Beschaffenheit mit vnseren Leben /vix orimur morimur. Unser erster Lebens Athem ist schon ein Seuffzer zum Todt / vnd der erste Augenblick deß menschlichen Lebens fallt schon vnter die Bottmässigkeit deß Knochenreichen Sensentragers /auch den ersten Trunck an der[14] Säugammel bringt das vnmündige Kind schon zu / solchem dürren Weltstürmer / die hin vnd her wanckende Wiegen / zeigt allbereit die Unbeständigkeit deß Lebens.

Die Natur Erfahrne schreiben / daß ein Kind noch in Mutterleib eingeschranckter / nicht anderst liege /vnd das Maul hencke / als wi e ein Melancholischer; zeigt demnach dieser wintzige Lebens Scolar schon an / daß er dessenthalben in diesem neun monathlichen Arrest pfnotte / vmb weilen sein erst erworbnes Leben schon worden ein Vigil deß Todts.

Wann ein Weib von ihrer Leibs-Bürde loß / mit glücklicher Genesung Kinds-Mutter wird / vnnd das Hauß mit einem neugebohrnen Söhnl erfreuet / so frolocket nicht allein die solches Lasts entbürdet worden / sondern pflegt auch andere zu diesem Freuden-Fest / welches ins gemein das Kindelmahl genennt wird / höfflich[15] einladen / bey dem dann die Frau Obergefatterin / die Frau Untergefatterin / die Frau Nebengefatterin / die Frau Gespielin / die Frau Gespanin / die Frau Maimb / die Frau Schwiegerin / die Frau Nachbahrin mit gewöhnlichem Geschmuck vnnd Aprilischen Auffzug gantz Freuden voll erscheinen /vnd ihrer angebohrnen Wohlredenheit die hierzu gehörige Glückwünschung dem Gebrauch nach ablegen: Wann nun die süsse Speisen / die verzuckerte Trachten / die Christallene Sultzen / die schleckerige Possen vnd Bissen den völligen Sturm leuden / vnd die vergulte Kandeln sambt den Zehment fähigen Wein-Datzen den völligen Kallop herumb dantzen / so fangen an die Zungen etwas beredters zu werden / vnd ohne allen Zweiffel gantz Liebvolle Discurs von den neugebohrnen Engerl einzumengen. Die erste sagt / vielleicht wird auß diesem Kind ein vornehmer Doctor werden / vnnd vermittels[16] seiner Wissenschafft zu hohen Ehren steigen / dann ein halb Pfund Kunst soll mehr gelten / als ein Centner Gunst / vnd gleich wie Salomon zu seinem Weltkündigen Tempel-Gebäu lauter abgerichte / vnd pollirte Stein hat genommen /also sollen zu vornehmen Aembtern fein lauter abgerichte / vnd polite Leuth befördert werden. Die andere sagt / vielleicht wird auß diesem Kind ein Geistlicher / vnd mitler Zeit ein vornehmer Prælat / wegen seines vollkommnen Wandels / vnd rühmlicher Erfahrnuß /so meistens darzu erfordert wird. Die Dritte sagt / vielleicht wird auß diesem Kind ein tapferer vnd kühner Soldat werden / der volgsamb wegen brafer Curagi, vnd nicht wegen pravirender Lagi / zu einer Haubtmann Stell wird gelangen / dann in solchen Triumph-Spiel soll Spadi in höherem Preyß seyn / als Denari, wordurch mancher zu einen[17] Haubt wird / der ein schlechten Kopff hat. Die Vierdte sagt / vielleicht wird auß diesem Kind ein vornehmer Handelsmann werden / der die Wahr / vnd die Warheit mit gleicher Ehlen wird außmessen / bey welchem auch nicht wie zu weilen pflegt geschehen / Taffet in dem Gewölb /vnd Sündes Bänder in Gewissen anzutreffen. Die Andere reden anderst / vnd begint ein jede in dem Fall ein halb gewachsene Sybilla zu scheinen / doch gesellen sie gantz vernünfftig allezeit hinzu daß Wörtlein vielleicht / sintemahlen alles der Menschen Absehen /mit diesem Ring versiegelt wird / außgenommen das Sterben / vnd dafern sich eine solte vernunfft loß hören lassen / sprechend vielleicht wird dieses Kind sterben / solcher schrib ich unverzüglich mit groser Fractur-Feder den Titul einer Lapin.

O Mensch laß dirs gesagt seyn / laß[18] dirs klagt seyn / schrey es auß / vnnd schreib es auß / allen / alles /allenthalben / Es muß gestorben seyn / nicht vielleicht / sonder gewiß. Wann sterben / ist nicht gewiß; wie sterben / ist nit gewiß; wo sterben / ist nicht gewiß; aber sterben ist gewiß.

Auff den Frühling folgt der Sommer / auff den Freytag folgt der Samstag / auff das dreye folgt das Viere / auff die Blüe folgt die Frucht / auff den Fasching folgt die Fasten / ist gewiß / auff das Leben folgt der Todt / Sterben ist gewiß.


Leben vnd Glaß / wie bald bricht das /

Leben vnnd Graß / wie bald verwelckt das /

Leben vnd ein Haaß / wie bald verlaufft das.


Das Leben ist allein beständig in der Unbeständigkeit / vnd wie ein Blat auff dem Baum / auff dem Wasser[19] ein Faumb / ein Schatten an der Wand / ein Gebäu auff dem Sand / sich kan rühmen geringfügiger Beständigkeit / noch minder darff ihm zumessen das menschliche Leben.

Klopf mir bey Leib nicht / wann ich dir werde folgende Wort vor der Thür singen: Heut roth / morgen todt / heut Ihr Gnaden / morgen gnad dir GOTT /heut Ihr Durchleucht / morgen ein todte Leich / heut allen ein Trost / morgen tröst ihn GOtt / heut kostbahr / morgen ein todten-Bahr / heut huy / morgen pfuy.

In dem Hohenlied Salomonis muß die Braut gar einen manirlichen Verweiß / oder soll ich sagen / eine Unterweisung anhören / in dem sie folgsam angespracht wird. Si ignoras te ô pulcherrima inter mulieres, abi post vestigia gregum: Cantic. 1. 7. Kenst dich selbsten nicht du schönste vnder den Weibern /so tritte herfür vnd gehe nach den Fußstapffen der Vich-Herd: wie[20] ist es müglich das jemand ein Copey seiner Nüchtigkeit kenne entworffner absehen / in den Fußpfaden der strauchlenden Vich-Herden? gar wohl ist es müglich / gehe zur heissen Sommers-Zeit / da die Landstrassen aller Safftloß mit Staub gantz verhült / vnd folge einer Herd-Ochsen nach / die man etwan in der Menge auß Ungarn treibt / wie dan beobacht worden / das in einem Jahr von dannen auff die 80000. in Teutschland abgeführt worden / so wirst du hinter ihnen den auffgewühlten Staub / wie ein truckne Wolcken sehen empor steigen: si ignoras te, abi Post vestigia gregum, wann demnach dich nicht recht kennest / so gehe hinter solcher Herd / alsdann wirst du / so die Augen mit lauter Staub angesteckt seynd /erst wohl sehen / wer du seyest / Pulvis es, & in pulverem reverteris, du bist halt Staub vnb Aschen / vnd wirst zu Staub vnd Aschen werden; destwegen soll dir billich[21] alles vnzimmendes Feuer erlöschen / wann du an solchen Aschen gedenckest.

Lieber gehe mit mir / ich wil dich nach deinem Wunsch in ferne Länder beglaitten / es küzelt dich doch / glaub ich / auch der vnruhige Vorwitz / etwas neues zusehen / nimb aber mit dir einen Stecken /dann es vonnöthen wird seyn / über manchen Graben zu springen / oder soll ich sagen über manches Grab: erstlich verfügen wir vns nacher Rom / welche Statt ein Gstatt alles Vorwitz dich geduncken wird / absonderlich kan sie sich rühmen / daß sie die vornehmbste Fischer-Herberg der gantzen Welt seye: allda seynd nicht allein die Schlůssel zur Himmels-Porten anzutreffen / sonder es stehet auch die Thür offen zu allen Raritäten; vnter anderen laß dir zeigen / den grossen Kayser Trajanum, so allda begraben: alsdann so mach dich hurtig wider auff den Weeg / vnd raise nach[22] der berühmbten Statt Mayland / allwo von rechtswegen lauter hochwitzige Leuth solten wachsen / weilen vor disem an selben Orth Kayser Friderich Saltz gesäet; dort melde dich an gehörigen Orth an /so werden sie dir vnbeschwert weisen / wo Kayser Valentinianus begraben: von dannen nimb dein Ruckraiß wider auff den Teutschen Boden / dafern dir etwann die wålsche Menesterl den Magen schimpfften /vnd gehe nach der Statt Minster in Westphalen / frag daselbst / wo begraben der Kayser Carolus Crassus: nachmahls wend dich etwas herauff vnd mach dich vnverhinderlich nach der vornehmen Statt Speyer / laß dir alldort eröffnen das Grab / in welchem ruhet Kayser Conradus Secundus, von dar ist der Weege nicht gar vngelegen nach der Reichsstatt Regenspurg / welche Statt nach der Astrologorum Außsag vnter dem Fisch ligt / vnd gibt dannoch allda bey etlichen[23] nicht vil Fastag; hier wirst du ohne weitläuffigs nachfragen antreffen / das Grab deß Kaysers Ludovici Tertij.

Von diser Statt ist ohne daß die gemeine Landstrassẽ nacher Prag / sihe daß du behutsamb den grossen Wald durch gehest / damit dir nicht die Schwindsucht in den Rantzen gerathe / alßdann wirst ohne fernere Ungelegenheit / die Königliche Haubstatt in Böhmen erreichen / alldort frag / wo? vnd wie das Grab deß Kaysers Rudolph deß Andern? Uber dieß so verweile dich nicht / sondern nimb deine Ruckkehr in Ober-Oesterreich nacher Lintz / da wird man vngezweiffelt diese wenige Můhe auff sich nehmen /vnd dir zeigen / wo Kayser Maximilianus der Ander begraben: nachdem allen gibt sich ohne daß der gelegneste Weeg nacher Unter-Oesterreich / da in dem ansehnlich erbauten Charteuser Kloster Maurbach /ob man allda im Reden zwar gesparsamb ist / so zeigt man sich doch aller freygebig[24] in der Höffligkeit / vnd also ohne widrigen Abschlag wird dir gezeigt werden / das Grab deß Kaysers Friderici Pulchri: Von dannen erheb dich nach der Wiennerischen Neustatt / dort wirstu sehen das Grab deß Kaysers Maximiliani deß Ersten: Endlich komb wieder nach Wienn / vnd ende deinen Vorwitz in Beschauung der Krufften bey den P. Capucinern auff den neuen Marckt / allda neben andern Kayser Matthias liegt; wann du dann in allen deine Augen mit erfreulichem Contento aufs vollkommnest ergetzet hast / so sag mir / was hast du gesehen.

Omnes morimur, ich hab gesehen / daß es muß gestorben seyn / ich hab gesehen / daß der Todt ein Fischer / der nicht allein kleine Schneider Fischel ziehet / sondern auch grosse Wallfisch; ich habe gesehen / daß der Todt ein Mader / der mit seiner Sensen nicht allein abschneidet die niedrige Klee / sondern auch das hochwachsende[25] Graß / ich hab gesehen / daß der Todt ein Gartner / der nicht allein / die auff der Erd kriehende Veigeln abbrocket / sondern auch die hinauff steigende Rittersporen; ich hab gesehen / daß der Todt ein Spieler / vnd zwar ein Ohnartiger / indem er kegelt / vnd nicht auffsetzet / vnd nit allein sticht nach dem Bauren / sondern auch nach dem König; ich hab gesehen daß der Todt ein Donnerkeil / der nicht allein trifft die durchsichtige Strohůtten / sondern auch die Durchleuchtigste Häuser der Monarchen; ich hab gesehen / daß ein guldene Cron vnd ein Schmeer-Kappen / ein Scepter vnd ein Holtzhacken / ein Purpur vnd ein Joppen / bey dem Todt eines Gewichts / vnd eines Gesichts seyn; Ich hab gesehen die Leiber /nicht die Leiber / ich will sagen die Cörper / nicht die Cörper / ich will sagen die Beiner / nicht die Beiner /ich will sagen den Staub / nicht den Staub / ich will sagen das Nichts der gecrönten[26] Kayser vnd Monarchen: Ich hab gesehen / daß wann ich die důrre Beiner der hohen Kayser wolte in einen Mörser zerstossen /vnd mit Mischung weniges Wassers ein Massa darauß dalcken / kaum könte darmit verstopffen daß auffgesperrte Maul der hönischen Michol dazumahl /als sie ihren Herrn den David außgelacht: Ich hab endlich gesehen / das es muß gestorben seyn / vnd vnser Alles nichts seye.

Josue der streitbahre Held / bevor er die Statt Jericho eroberte / hat ein ernsthafftes Verbott von GOtt erhalten / daß keiner auß seinen Kriegsknechten sich freventlich solte vnterfangen das geringste zu rauben. Lieber Gott! die Soldaten lassen es hart / vnd ob sie schon wenig durch die Schulen gerust / so wissen sie doch meisterlich daß in Ermanglung deß Dativi der Ablativus zugrüssen seye: Dahero[27] ohngeacht deß scharffen Verbotts ein Soldat Nahmens Achan / krumpe Finger gemacht / vnd nach dem Streitt die Beuth gesucht / als er nun durch Verhängnuß Gottes nach vielen nachforschen ertapt worden / vnd von obberührtem Feldherrn Josue in die strenge Frag gezogen /wohin er das geraubte Guth habe gelegt? hat er gestaltermassen geantwortet / Abstuli, abscondi in terra, & fossam humo operui: Josue 7. 21. Ich nam es hinweck / sagt er / vnd verbarg es in die Erd / vnd habe die Gruben mit Erd bedeckt.

Eben ein gleichförmige Antwort erhalt ich von den Todt / der ohne Zahl vnnd Ziehl fein sauber alles raubt vnnd klaubt; sag her Todt / wo ist hinkommen ein Kayser Matthias / ein Prophet Mathatias? Wo ist hinkommen ein Eleazer / ein Eliezer? Wo ist hinkommen ein Leo / ein Leontius? Wo ist hinkommen ein Maximus, Maximinus? abstuli[28] & abscondi in terra, sagt der Todt / ich namb sie hinweg / vnd verbargs in die Erd / vnd hab die Gruben mit Erd bedeckt: Nun siehe ichs wohl / vnd höre es wohl / vnd greiff es wohl / vnd schmecke es wohl / daß nicht anderst kan seyn / es muß gestorben seyn; Und ist das Leben allezeit zinßbar dem Todt: Ein Pabst Cornelius nachdem er nicht gar zwey Jahr regieret / ist gestorben; Ein Pabst Sixtus Secundus, nachdem er nicht gar ein Jahr regieret / ist gestorben; Ein Pabst Severinus, nachdem er nicht gar ein halbes Jahr regieret / ist gestorben; Ein Pabst Valentinus, nachdem er nicht gar ein viertel Jahr regieret / ist gestorben; Ein Pabst Damasus Secundus, nachdem er nicht gar ein Monath regieret / ist gestorben / Pabst Urbanus Septimus, nachdem er nicht gar vierzehen Tag regieret / ist gestorben; Ein Pabst Stephanus Secundus,[29] nachdem er nicht gar ein Wochen regieret / ist gestorben / gestorben / gestorben. Omnes morimur. Es muß gestorben seyn; Wer es nicht glauben will / frag Wienn in Oesterreich darumb.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Mercks Wienn. Das ist des wütenden Tods ein umbständige Beschreibung [...], Wienn: Peter paul Bivian; der Löbl, 1680 [Neudruck: Tübingen: Niemeyer, 1983, [Deutsche Neudrucke: Reihe Barock; 31], S. 13-30.
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