Mein Dörfchen

[41] Wenn im Weltgeräusch, das mich umgiebt,

Noch mein Herz Dich, trautes Dörfchen, liebt,

O so sinds der Kindheit Frühlingskränze

Und die Reize ländlicher Natur,

Die Erinn'rung meiner ersten Lenze,

Was mich knüpft an Deine stille Flur.


Nie konnt' ich im Glanz der Städte finden,

Was im Dämmerschatten Deiner Linden

Mir die heitre Einsamkeit verlieh.

Ach ich fand in lauten, bunten Freuden

Jenes Glück der frühern Jugend nie –

Fand nur Sorgen, Bangigkeit und Leiden.
[41]

Doch in Dir – froh ging mir auf und unter

Stets der Sonnenschein, und mild und munter

Strahlt' in Dir mir Lunas Silberlicht.

Immer, wenn es durch des Himmels Bläue

Lächelnd wie der Blick der Liebe bricht,

Mahnt es schmerzlich mich an Dich aufs neue.


Röthete wie Purpur sich der Morgen,

Sang die Nachtigall im Hain verborgen,

So begrüsst' ich freudig die Natur;

Und die Brust, geschwellt von Dank und Liebe,

Schuf zum Tempel mir die weite Flur,

Wo ich opferte der Andacht reine Triebe.


Wehten dann die Morgenwinde leiser,

Ward der Blick der Sonne immer heisser,

Floh ich gern ins freundliche Gemach,

Dachte still beschäftigt dann mit Freuden

Der vergangnen frohen Tage nach,

Und mein einsam Loos war zu beneiden.
[42]

Schwebte spät auf rosigem Gefieder

Lind und kühl die Abenddämm'rung nieder,

Netzte sie mit Thau die stille Flur,

O wie eilt' ich dann, sie zu begrüssen

Und der Sehnsucht leis' erwachte Spur

Wusste froh die Hoffnung zu versüssen.


So entwich im eng beschränkten Kreise

Mir der Frühling meiner Jugend leise,

Bis das Schicksal finster mich ergriff;

Ach nun schwankt auf wild erzürnten Meeren

Meines Lebens unbeschirmtes Schiff,

Und die Stürme werden es verheeren.


Unschuldsvolle, nie vergels'ne Stunden,

Warum seid Ihr mir so schnell verschwunden?

Ruft kein Flehen jemals Euch zurück?

Ach die leisen Töne meiner Lieder

Klagen um das früh verlor'ne Glück,

Doch umsonst – es kehrt mir niemals wieder!
[43]

Quelle:
Charlotte von Ahlefeld: Gedichte von Natalie. Berlin 1808, S. 41-44.
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