Liebestreue

Romanze.

[67] Ein Ritter sah auf's weite Meer

Mit trüben Blicken hin;

Ihm war das volle Herz so schwer,

So hoffnungslos sein Sinn.

Wie Meereswogen wälzt' es sich

Im Busen auf und ab,

Und wie in Meerestiefe zog

Die Sehnsucht ihn hinab.


Sein Waffenbruder trat im Schein

Des Abendroths daher.

»Was,« sprach er, »Lieber! fällt Dir ein?

Was schaust Du so auf's Meer?

Was soll auf Deiner freien Stirn

Des Kummers Trauerflor?

Erhebe den gesenkten Blick

Und richt' ihn kühn empor.
[67]

Was klopft so ungestüm Dein Herz,

Sag, was verlangest Du?

Warum verjagt so wilder Schmerz

Aus Dir die goldne Ruh?

Lacht Dir des Himmels Milde nicht,

Mit süssem Liebesgruss,

Und winkt in ferner Zukunft Dir

Nicht mancher Hochgenuss?


Warum, Du trauter Kampfgenoss,

Giebst Du der Schwermuth Raum?«

Ach, siehst Du dort das Felsenschloss

An jener Küste Saum? –

Dort brach in öder Einsamkeit

Um mich ein treues Herz –

Dahin zieht meinen wüsten Sinn

Mit Riesenmacht der Schmerz.


Denn eh' der Waffen blutig Spiel

Hinaus in's Feld uns rief,

Da regte glühendes Gefühl

Sich mir im Busen tief.[68]

Ein Räthsel war ich selber mir,

Da nahte hold und mild,

Mit Engelsunschuld, Ton und Blick

Sich mir ein Frauenbild.


Da leuchtete ein heller Blitz

In meines Herzens Nacht.

Nach ihrem himmlischen Besitz

War die Begier erwacht.

Der langen Haare glänzend Gold

Schien mir ein Heil'genschein,

Des Augenpaares stiller Glanz

Der Sterne Licht zu seyn.


Doch klagte nicht mein blöder Mund

Ihr meine Liebespein.

Ich that ihr nicht die Sehnsucht kund,

Und trug sie ganz allein.

Bis mich das wilde Kriegsgeschrei

Rief auf der Ehre Bahn,

Da warf ich mich vor ihr auf's Knie

Und sah zu ihr hinan.
[69]

Lebt wohl, sprach ich, es ruft der Krieg

Mich hin in's Waffenfeld.

»Lebt wohl, sprach sie, »Euch kröne Sieg,

Kehrt bald zurück als Held.«

Und kehr ich dann zurück als Held,

Was beut mir Euere Hand?

»Den wohlverdienten Lorbeerkranz,

Als meiner Achtung Pfand.«


Da dunkelt' es vor meinem Blick, –

Mein ahnend Herz schlug laut.

Ein wunderseeliges Geschick

Gab sie mir hin als Braut.

»Kehr bald zurück, ich harre Dein!«

Sprach sie mit leisem Ton.

»Bald sey der Trennung trübe Zeit

Uns wie ein Traum entflohn.«


Es mähte rings um mich der Tod

Der Freunde Schaar dahin;

Auch ich sank hin in Todesnoth

Mit schon erloschnem Sinn.[70]

Doch kehrte nach der Ohnmacht Schlaf

Der Geist mir noch zurück.

Von Liebeszauber süss umwebt,

Fühlt' ich des Lebens Glück.


Zwar hielten strenge Banden mich

In Feindes Landen fern,

Doch mit der Freiheit nicht entwich

Der Hoffnung heller Stern.

Vergebens strebt' ich früh und spät

Mit Kunde ihr zu nahn.

Verloren ging, was ich ihr schrieb,

Auf weiter, öder Bahn.


Da kam der Friede – öhlbekränzt;

Man wechselte mich aus.

Von neuem Muthe froh umglänzt,

Kehrt' ich zurück nach Haus.

Schon sah ich sie vom Morgenroth

Der Freude hold umglüht,

Wie in der Sonne Feuerstrahl

Die zarte Lilie blüht.
[71]

Doch ach, die warme Phantasie

Betrügt so oft die Brust

Mit bunten Hoffnungen, doch nie

Erfüllt sich ihre Lust.

So sank auch mir des Wiedersehns

Erträumtes Götterglück,

Wie mancher goldne Jugendwahn,

In's leere Nichts zurück.


Der Vater der geliebten Braut

Erforschte bald ihr Herz.

Von Argusaugen angeschaut,

Verrieth es seinen Schmerz.

Und finster, wie Gewitter drohn,

Ergriff er ihre Hand,

Und zeigt' ihr dort das Felsenschloss

An jener Küste Rand.


»Siehst Du das Schloss, das aus der Fluth

Sich majestätisch hebt?

Dort ist's, wo Freiherr Eichenmuth,

Dein künft'ger Gatte, lebt.[72]

Drum schlage fremde Liebelei

Dir aus dem schnöden Sinn,

Sonst mord' ich Dich mit eigner Hand.

So wahr ich Ritter bin!«


So sprach er mit entschlossnem Ton

Und wild erglühtem Blick,

In seinen Mienen las sie schon

Ihr trauriges Geschick.

Doch Treue gab ihr stillen Muth

Und hohe Festigkeit.

Sie neigte kindlich sich vor ihm

Und sprach: »Ich bin bereit.


Wenn Du den Mann, den ich erkohr,

Mich nur vergessen lehrst,

So lass' ich ihn, den ich verlor,

Wenn Du es so begehrst.

Doch bis dahin verlange nicht

Des Meineids Übelthat;

Denn gute Früchte keimen nicht

Aus unheilschwangrer Saat.«
[73]

Der Vater lächelte mit Hohn,

Und sagte fest und kalt:

»Gehorchen sollst Du morgen schon,

Vergessen lernt sich bald!«

Drauf schloss er sie mit starker Hand

In's einsame Gemach,

Und manche Drohung schallte ihr

Wie ferner Donner nach.


In Thränen schwand die Nacht ihr hin,

Das Morgenroth brach an;

Da starrte sie mit irrem Sinn

Des Himmels Gluthen an.

Es dünkte ihr des Tages Licht

Nur bleicher Lampenschein,

Und das mit Thau besprengte Grün

Vom Schmerz bethränt zu seyn.


Die Sonne steigt – was rauscht im Meer?

Ach, ein geschmückter Kahn

Schwebt wie ein stiller Schwan einher

Auf blauem Ocean.[74]

Der Freiherr ist's – sein stolzes Schiff

Erwartet dort die Braut,

Und Pauken und Trompetenschall

Begrüsst ihn froh und laut.


Da flicht die Zofe weinend ihr

Den Myrthenkranz in's Haar.

»Was soll der Kranz, was soll er mir?

Nicht Hymens Festaltar,

Nicht Hochzeitreigen warten mein,

Es winkt das kalte Grab – –

In seine Tiefe stösst mich bald

Mein bittres Weh hinab.«


Der Vater öffnet das Gemach

Und tritt zu ihr herein;

Es folget ihm der Freiherr nach,

Zu mehren ihre Pein.

»Hier, Schönste!« spricht er feierlich,

»Empfange meine Hand.

Als Dein Verlobter führ' ich Dich

Zum heimathlichen Strand.«
[75]

»Du mein Verlobter?« stöhnet sie,

Und bebt vor ihm zurück,

»O schweig, Vermessener! denn nie

Entsag ich meinem Glück.

Und Glück gewährt mir Treue nur,

Die unerschüttert fest

Den ewig heil'gen Liebesschwur

Mich kühn bewahren lässt.«


Da bricht ihr Blick, sie sinket hin

An ihrer Zofe Brust.

Nicht mehr ist ihr erschöpfter Sinn

Des Leidens sich bewusst.

Es mindert sich die herbe Qual

In der Betäubung Nacht,

Und schnell trägt sie das Boot zum Schiff,

Eh' sie aus ihr erwacht.


Und als ihr Auge sich erhebt,

Da braust um sie das Meer,

Und aus der blauen Ferne schwebt

Das Felsenschloss daher.[76]

Sie langen an, der Anker dringt

Tief in den kalten Grund –

Ihr scheint des Schlosses offnes Thor,

Der Hölle weiter Schlund.


Indessen führt der leise Kahn

Die vielgeliebte Last

Zum Felsenufer nun hinan –

Man gönnt ihr stille Rast.

Zwar wartete der Altar schon

Der hold bekränzten Braut,

Doch schreckt der Wahnsinn jeden, der

Ihr wildes Auge schaut.


Sie rollt umher den Flammenblick,

Die bleiche Lippe bebt;

Sie preiset flüsternd das Geschick,

Das sie so hoch erhebt.

»Denn,« sagt' sie, »ich bin Königinn,

Und König sey auch Er!

Mein Reich ist dort der Lüfte Raum,

Mein kühler Thron das Meer.
[77]

Du zogst, mein Trauter, in den Krieg,

O kehre bald zurück!

Verlass den Ruhm, verlass den Sieg,

Und theile Liebchens Glück;

Die Krone drückt mein müdes Haupt,

Mein Zepter ist von Blei,

Und wenn Du nicht auf Flügeln eilst,

So bricht mein Herz entzwei.«


Verworren flog das goldne Haar

Um das verletzte Haupt,

Das nimmermehr zu heilen war,

So freventlich beraubt.

Und bald erlosch, wie die Vernunft,

Das Licht des Lebens ihr;

Des Vaters Reu, der Aerzte Kunst – –

Nichts rettete sie mir.


Da steh' ich nun am öden Strand

Und schaue, wie im Traum,

Hier von des Ufers schmalem Rand

Nach jener Küste Saum.[78]

Und Thränen drängen brennend sich

Mir in den starren Blick,

Ein Räthsel ist der Himmel mir,

Ein Räthsel mein Geschick!


Es hört der Freund bewegt ihm zu,

Und reicht ihm still die Hand:

»Such,« spricht er, »die verlohrne Ruh

Nicht in der Heimath Land.

Hier mahnet alles schmerzlich Dich

An Jammer und Verdruss,

Und nie heilt dieser Himmelsstrich

Die Wunden Deiner Brust.«


Der Ritter schweigt, und winket ihm

Mit finsterm Blick, zu gehn.

Ihn scheinen schnell, wie Wolken ziehn,

Gedanken zu umwehn.

Es lässt der Freund ihn ahnungslos,

Doch tief gerührt, allein,

Und denkt: »ihm mag die Einsamkeit

Wohl lieb und lindernd seyn.«
[79]

Der Ritter naht sich schwermuthsvoll

Der steilen Felsenwand;

Es bricht die Woge schauervoll

Sich an der Klippen Rand.

Zu winken scheint das Wasser ihm,

Das nimmer stockend ruht,

Und er verhüllt sein Angesicht

Und stürzt sich in die Fluth!
[80]

Quelle:
Charlotte von Ahlefeld: Gedichte von Natalie. Berlin 1808, S. 67-81.
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