Die Rose im November

An Sophie B.

[124] Herbstlich rauh verödet sind die Fluren,

Und verschwunden ist des Sommers Glanz;

Dennoch reich' ich eine seiner Spuren

Glühend Dir zum jugendlichen Kranz.


Diese Rose, die sich spät erschlossen,

Dufte Lenzgefühl Dir in die Brust. –

Ach sie hat die Sonne nicht genossen,

Nicht der milderen Entwicklung Lust.


Feuchte Lüfte haben sie erzogen,

Dennoch trotzte sie mit innrer Kraft,

Still und schweigend kalten Nebelwogen,

Und des Sturmes wilder Leidenschaft.
[124]

Dir, der tiefe Innigkeit und Güte

Mitgefühl für stumme Schmerzen reicht,

Sage ihre bald verwelkte Blüthe

Welchem Loos ihr trübes Schicksal gleicht.
[125]

Quelle:
Charlotte von Ahlefeld: Gedichte von Natalie. Berlin 1808, S. 124-126.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte von Natalie
Gedichte von Natalie