Für Dich

[146] Kennst Du das Wort, das allgewalt'ge Schwingen

Dem Geiste leiht, das schwerste zu vollbringen?

Das göttergleich, gesunknen Muth befeuert,

Und starke Kraft in schwacher Brust erneuert?

Das bittre Opfer, sonst dem Schmerz geweiht,

Für mich erhöht zur höchsten Seeligkeit?

Kennst Du das Wort, dem nie ein andres glich?

Der Liebe Losung ist's, es heisst: Für Dich!


Für Dich dem Tode still mich hinzugeben,

Dünkt süsser mir, als ohne Dich zu leben.[146]

Doch knüpfte auch, im innigsten Vereine,

Mein Schicksal liebevoll sich an das Deine,

So würd' ich dennoch gern vom Daseyn scheiden,

Befreite Dich mein Tod von Schmerz und Leiden,

Und selbst in banger Qual beglückte mich

Des Zauberwortes Himmelsklang: Für Dich!
[147]

Quelle:
Charlotte von Ahlefeld: Gedichte von Natalie. Berlin 1808, S. 146-148.
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