Warten

[199] Warten, erwarten, sie kommt um vier.

Du bist um 1/26 morgens vollkommen ausgeschlafen, wie stets seit drei Jahren,

man wird eben älter, klüger, jünger,

erwacht,

und wartest nun der vierten Nachmittags-Stunde

bang entgegen!

Unterdessen passiert in deinem

Dasein, eigentlich deinem Nicht-Dasein,

was stets passiert, Unnötiges, Belastendes, Zeit-raubendes,

Vor allem aber Gleichgültiges!

Lebens-Unnötigkeiten martern Dich,

und Du erwartest bang Erlösung

durch die vierte Nachmittags-Stunde![199]

Du hörst von ferne Militär-Musik,

atmest leider den hellbraunen Rauch von weißen alten Schornsteinen ein,

Besucher, Besucherinnen kommen, die Dir

nichts zu sagen haben, sondern Du Alles Ihnen!

Alles geschieht, nur nicht, daß es vier Uhr wird!

Endlich geschieht es.

Sie kommt, sie ist da, da, vorhanden!

Wie befriedigt wäre sie vielleicht,

wenn man ihr Das zu schildern vermöchte,

wie man bis vier Uhr um sie gebangt hatte!?!

Aber eben Das kann man gerade nicht.

Man sitzt da und beginnt zu »plappern«,

wie ein schlechter oder hie und da sogar

guter Komödiant Seiner selbst!

Allein war man bisher ein Echter,

tief Sehnsüchtigster, Erwartender,

hoffnungsvoll, hoffnungslos Wartender,

mit Warten beschäftigt, tiefst beschäftigt,

und des übrigen Lebens wertlose Tändeleien tief, heiß verachtend!

Aber nun, da sie kommt, da sie da ist, vorhanden ist,

fällt man sogleich aus der »Rolle«,

seiner »Nicht-Rolle«! Arme Alma Pt.!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 199-200.
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