Scena 2.

[11] THISBE.

Her Godt, ich sag dir lob vnd danck

Furthin mein gantzes leben langk,

Dass du mir durch dein gnad hast gebn

Mein leib vnd Seel dazu das lebn.

Dass du mir diess auch hast vergundt,

Dass ich bis auff die ietzig Stundt

Hab hingebracht meins lebens zeit

In zucht vnd aller Ehrbarkeit.

Hast mir auch fromme Eltern gebn,

Die mich vermanen so zu lebn.

Die, bitt ich, woltstu mir erhaltn,

Dass sie furtan mein fleissig waltn

Vnd mich in meinen Jungen Jarn

Für vnzucht vnd fur Schand bewarn,

Biss ich mich sol ein mahl begebn

Inn Ehstand, darin Keusch zu lebn.

So woltstu mir einn man beschern,

Damit ich leb in Zucht vnd Ehrn,

Damit ich friedsam muge lebn

Vnd ihm mein hertze vbergebn.

Ein Solcher daucht mich nun wol sein

Hie Pyramus der Nachbar mein.

Derselb ist werlich lobens werdt,

So freundlich sein all sein geberd.

Er hat allzeit nach tugnt gestrebt.

Zudem auch zuchtig stets gelebt.

So fern ich ihn auch hab erkant,

So ist in ihm ein Reich verstandt.

Ess ist auch Keiner ihme gleich

(: Wie ich hör :) hie im gantzen Reich.

Wen ein Turnierstag ist vorhandn,[11]

Pflegt er nicht zu bestehn mit schandn.

Er pflegt den preiss davon zu bringn,

So gwaltig ist er mit seim Ringn.

Doch Solch Turnieren vnde Stechn

Ist gantz vnd gar noch nicht zu rechn

Gegn seiner zucht vnd Ehrbarkeit,

Damit er ie vnd allezeit

Die andern vbertreffen thut.

So gar ist er ein Edles blut.

Denselbn von wegen seiner zucht

Ich mir zum gmahl wol wuntschen mucht.

Wen vnser Stand nur were gleich,

Gegn ihn zu Rechn bin ich nicht reich.

Drumb muss ich auch in furchten stehn,

Die Sach werd nicht fort Konnen gehn.

Wen er sich nur nicht hengen wolt

An gelt vnd gut, an silbr vnd golt.

So Kunt ich noch in hoffnung sein,

Er Kunte durch die Tugend mein

(: Darin ich dennoch bin erzogn :)

Hie Endtlich werden zu bewogn.

Jiedoch wil ich Godt walten lahn,

Vnd ihm die Sach befohlen han.

Derselb wolt mir sein gnad erzeign,

Dess gsellen graut auch zu mir neign

Odr wendn gantz von ihm ab mein hertz,

Dass er mir nicht bring Solchen schmertz.

Ich weiss doch wol ess mag nicht sein,

Drumb Godt wend mir dass hertze mein,

Dass ich zu ihm nicht habe willn.

Du Kanst mir diese liebe stilln.


Quelle:
Drei deutsche Pyramus-Thisbe-Spiele. Tübingen 1911, S. 11-12.
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