[292] In alten Zeiten und längst verschollenen Vergangenheiten lebte ein reicher und mächtiger König unter den Königen von Persien, Sabur mit Namen, und er war seinem Besitz und seiner Herrschaft nach der reichste aller Könige, und alle übertraf er an Verstand und Weisheit. Er war edelmütig und wohltätig; er hatte eine offene Hand und gab denen, die ihn aufsuchten, und er wies die nicht zurück, die ihre Zuflucht zu ihm nahmen. Er tröstete alle, die da gebrochenen Herzens waren, und er behandelte ehrenvoll die, so zu ihm flohen. Ferner liebte er die Armen, und er war gastfreundlich gegen Fremde und ließ den Unterdrückten Gerechtigkeit widerfahren gegen die Bedrücker. Er hatte drei Töchter, vollen Monden gleich in leuchtendem Licht, oder Gärten, besät mit Blüten dicht, und einen Sohn, als wäre er der volle Mond; und es war seine Sitte, im Jahre zwei Feste zu feiern, das des Nau-Ros oder des neuen Jahres, und das des Mihrgan oder der Herbsttag- und Nachtgleiche; und bei beiden Festen tat er seine Schlösser auf und spendete Geld, und ließ Sicherheit und Freiheit verkünden, und beförderte seine Kämmerlinge und Vizekönige. Und das Volk seines Reiches strömte zu ihm hinein und begrüßte ihn und wünschte ihm Glück zu dem heiligen Tage, indem es ihm Geschenke und Sklaven und Eunuchen brachte. Nun liebte er die Wissenschaft und die Kunde[292] von der Messung der Erde, und als er an einem Festtag auf seinem Throne saß, traten ein bei ihm drei weise Männer, kundige Künstler und Meister in allerlei Wissen und Erfindungen, bewandert darin, seltsame und seltene Dinge zu machen, wie sie den Verstand verwirren, und erfahren auch in der Wissenschaft verborgener Wahrheiten, unvergleichlich in der Kenntnis der Geheimnisse und der verschwiegensten Künste. Und sie waren aus drei verschiedenen Ländern von dreierlei Sprachen, der erste ein Hindi oder Indier, der zweite ein Roumi oder Grieche, und der dritte ein Farsi oder Perser. Der Indier trat vor, warf sich vor dem König nieder, wünschte ihm Glück zu dem Fest und legte ein Geschenk vor ihn hin, das seiner Würde entsprach; es war aber ein Mann ganz aus Gold, besetzt mit kostbaren Steinen und Juwelen, und in der Hand hielt er eine goldene Trompete. Als Sabur das sah, fragte er: ›O Weiser, welches ist die Kraft dieser Figur?‹ Versetzte der Indier: ›O mein Herr, wenn du diese Figur aufstellst am Tor deiner Stadt, so wird sie ein Wächter sein; denn wenn ein Feind sich naht, so wird sie die Fanfare blasen, und ein Schlag wird ihn treffen, so daß er tot zu Boden fällt.‹ Der König staunte sehr und rief: ›Bei Allah, o Weiser, wenn dieses dein Wort wahr ist, so will ich dir alles gewähren, was du wünschest und begehrst.‹ Da trat der Grieche vor, warf sich vor dem König nieder und reichte ihm ein silbernes Becken, in dessen Mitte sich ein goldener Pfau befand, den vierundzwanzig Kücken aus gleichem Metall umgaben. Sabur sah sie an, wandte sich zu dem Griechen und fragte: ›O Weiser, welches ist die Kraft dieses Pfaus?‹ ›O mein Herr,‹ erwiderte er, ›sooft eine Stunde des Tages oder der Nacht verstreicht, pickt er eins seiner Jungen, schreit und klappt mit den Flügeln, bis die vierundzwanzig Stunden vollendet sind; und wenn der Monat zu Ende geht, so wird er den Schnabel auftun, und du wirst den jungen Mond darin erblicken.‹ Und der König sprach: ›Wenn du die Wahrheit sprichst, so will ich dir geben, was du wünschest und begehrst.‹ Da trat der Perser vor, warf sich vor dem König nieder und schenkte ihm ein Pferd aus schwärzestem Ebenholz, eingelegt mit Gold und Juwelen und angeschirrt mit einem Sattel, mit Zügeln und Bügeln, wie sie Königen gebühren; und als[293] Sabur es sah, da staunte er in höchstem Staunen, und er war geblendet durch die Schönheit seiner Formen und durch die Reinheit seiner Gestalt. Fragte er: ›Welches ist der Nutzen dieses hölzernen Pferdes, und welches ist seine Kraft und welches das Geheimnis seiner Bewegung?‹ Versetzte der Perser: ›O mein Herr, die Kraft dieses Pferdes besteht darin, daß es jeden, der es besteigt, tragen wird, wohin er will, und es wird mitsamt dem Reiter durch die Lüfte fliegen und eines Jahres Reise an einem einzigen Tage zurücklegen.‹ Der König staunte und war fast bestürzt ob dieser drei Wunder, die sich so nah an einem einzigen Tage folgten, und er wandte sich zu dem Weisen und sprach zu ihm: ›Bei Allah, dem Allmächtigen, und unserem Herrn, dem Wohltäter, der alle Wesen schuf und sie versorgt mit Speise und Trank, wenn deine Rede wahrhaft ist und wenn sich die Kraft deines Werkes zeigt, so will ich wahrlich dir geben, was immer du begehrst, und ich will dir zu allem verhelfen, was du wünschest und hoffst.‹ Und er bewirtete die Weisen drei Tage lang, um ihre Geschenke zu prüfen; und dann brachten sie die Figuren vor ihn, und ein jeder nahm das Werk, das er geschaffen hatte, und zeigte ihm das Geheimnis seiner Bewegung. Der Bläser blies die Trompete, der Pfau pickte die Kücken, und der persische Weise bestieg das Ebenholzpferd, und es erhob sich mit ihm hoch in die Luft und senkte sich wieder herab. Als König Sabur all das sah, war er voll Staunen und Verwunderung, und ihm war, als müsse er fliegen vor Freuden, und er sprach zu den drei Weisen: ›Jetzt bin ich überzeugt von der Wahrheit eurer Worte, und es gebührt sich, daß ich mein Versprechen halte. Sagt also, was ihr wollt, und ich will es euch geben.‹ Nun hatte der Ruf der drei Königstöchter die Weisen erreicht, und sie erwiderten: ›Wenn der König mit uns zufrieden ist und unsere Gaben annimmt und uns erlaubt, ihm eine Bitte vorzulegen, so flehen wir ihn an, uns seine drei Töchter zu Weibern zu geben, auf daß wir seine Eidame werden; denn der Könige Stetigkeit duldet keinen Widerspruch.‹ Sprach der König: ›Ich gewähre euch, was ihr wünschet und begehrt‹; und er befahl, alsbald den Kasi zu rufen, damit er einen jeden der Weisen je einer seiner Töchter vermähle. Nun traf es sich, daß die Prinzessinnen[294] hinter einem Vorhang standen und zusahen; und als sie das hörten, da betrachtete die jüngste Prinzessin sich ihren künftigen Gatten, und siehe, er war ein alter Mann von hundert Jahren mit grauen Haaren, mit gebeugter Stirn und räudigen Brauen, mit Schlitzohren und gefärbtem Lippen- und Backenbart, mit roten Glotzaugen und bleichen, hohlen Wangen, mit einer schlaffen Nase, die da einer Eierpflanze glich, und einem Gesicht gleich der Schürze eines Schuhflickers, mit vorspringenden Zähnen und Lippen, gleich den Nieren des Kamels, so locker hingen sie herab; kurz, er war ein Schrecken, ein Grauen, ein Ungeheuer, denn er war von allem Volk seiner Zeit der Häßlichste und der Scheußlichste seiner Tage; mehrere seiner Backenzähne waren ihm ausgeschlagen, und seine Augenzähne glichen den Stößern der Dschann, die die Hühner in den Hühnerhäusern schrecken. Das Mädchen aber war die Schönste und Anmutigste ihrer Zeit, zierlicher als die Gazelle, so zart sie auch sein mochte, weicher als der leiseste West und strahlender als der Mond in seiner Fülle; kurz, sie war schöner und weit lieblicher als all ihre Schwestern. Und als sie ihren Freier erblickte, da ging sie in ihre Kammer und streute sich Staub auf das Haupt, zerriß sich die Kleider, begann sich das Gesicht zu schlagen und zu weinen und zu klagen. Nun war ihr Bruder, der Prinz, geheißen Kamar al-Akmar, der Mond der Monde, eben von einer Reise heimgekehrt; und als er sie weinen und schreien hörte, trat er zu ihr ein, denn er liebte sie mit herzlicher Liebe, mehr als seine andern Schwestern, und fragte sie: ›Was ficht dich an? Was ist dir widerfahren? Sag es mir und verbirg mir nichts.‹ Sie aber schlug sich die Brust und erwiderte: ›O mein Bruder und mein Teurer, ich habe nichts zu verbergen. Wenn der Palast deinem Vater zu eng wird, so will ich hinausziehn; und wenn er einen verworfenen Entschluß gefaßt hat, so will ich mich von ihm trennen, auch wenn er nicht bereit ist, für mich zu sorgen; dann wird mein Herr mich speisen.‹ Sprach er: ›Sag mir, was all das bedeutet, und was dir die Brust eng und den Geist trüb gemacht hat.‹ ›O mein Bruder und mein Teurer,‹ erwiderte sie, ›wisse, mein Vater hat mich einem boshaften Magier zum Weibe versprochen, der ihm ein Pferd aus schwarzem Holz zum[295] Geschenk gemacht und ihn mit seiner Kunst und Zauberei betört hat; ich aber will ihn nicht, und um seinetwillen wollte ich, ich wäre nie in diese Welt gekommen!‹ Ihr Bruder beruhigte und tröstete sie, ging zu seinem Vater und sprach: ›Wer ist dieser Hexenmeister, dem du meine jüngste Schwester zum Weibe geben willst, und welches ist das Geschenk, das er dir brachte, so daß du meine Schwester mit ihrem Kummer erschlägst? Es ist nicht recht, daß es also geschehe.‹ Nun stand der Perser daneben, und als er des Prinzen Worte vernahm, da war er beleidigt und von Wut erfüllt; und der König sprach: ›O mein Sohn, wenn du dies Roß erblicktest, so würde dir der Verstand wirr werden und du wärest bestürzt vor Staunen.‹ Und er befahl den Sklaven, das Pferd zu bringen, und sie taten es; und als der Prinz es sah, gefiel es ihm. Und da er ein vollendeter Reiter war, so saß er alsbald auf und stieß ihm die Flanken mit dem schaufelförmigen Eisenschuh; aber es rührte sich nicht, und der König sprach zu dem Weisen: ›Geh, zeig ihm seine Bewegung, damit auch er dir ans Ziel deiner Wünsche verhelfe!‹ Nun trug der Perser dem Prinzen einen Groll nach, weil dieser nicht wollte, daß er seine Schwester erhielte. Und er zeigte ihm die Feder des Aufstiegs auf der rechten Seite des Pferdes, und indem er zu ihm sprach: ›Die drehe,‹ verließ er ihn. Da drehte der Prinz die Feder, und siehe, das Roß erhob sich alsbald mit ihm hoch in den Äther, als wäre es ein Vogel, und es ließ nicht ab, immer höher zu steigen, bis es dem Auge der Menschen entschwand, so daß der König in Sorge geriet und ratlos wurde und zu dem Perser sprach: ›O Weiser, sieh zu, wie du ihn wieder herunterbringst.‹ Der aber versetzte: ›O mein Herr, ich kann nichts dabei tun, und nimmer wirst du ihn vor dem Auferstehungstage wiedererblicken, denn in seiner Unwissenheit und in seinem Stolze fragte er mich nicht nach dem Abstiegswirbel, und ich vergaß, ihn darüber aufzuklären.‹ Als nun der König das hörte, da ergrimmte er in argem Grimm; und er befahl, den Zauberer zu geißeln und in den Kerker zu werfen, während er sich selber die Krone vom Haupte stieß und sich Gesicht und Brust schlug. Ferner schloß er die Türen seines Palastes und überließ sich dem Weinen und Klagen, er mitsamt seinem Weibe und seinen Töchtern und[296] allem Volke der Stadt; und so ward ihre Freude zum Leide, und ihren friedlichen Schlummer störten Trübsal und Kummer. So viel von ihnen.
Der Prinz aber stieg derweilen auf dem Rosse immer höher empor, bis er sich der Sonne näherte und sich verloren gab und den Tod am Himmel erblickte; und er war ratlos und bereute, daß er das Roß bestiegen hatte, und sprach bei sich selber: ›Wahrlich, dies war eine List des Weisen, der mich um meiner jüngsten Schwester willen vernichten wollte; aber es gibt keine Majestät, und es gibt keine Macht außer bei Allah, dem Glorreichen, Großen! Ich bin rettungslos verloren; aber ich möchte wissen, machte nicht der, der die Aufstiegsfeder erfand, auch eine Abstiegsfeder?‹ Nun war er ein Mann von Verstand und Wissen und Klugheit, und er begann also alle Teile des Pferdes abzutasten, aber er fand nichts als eine Schraube, die einem Hahnenkopf glich, auf der rechten Schulter, und eine gleiche auf der linken. Sprach er bei sich selber: ›Ich sehe kein Zeichen außer diesen Knöpfen.‹ Und er drehte die Feder auf der rechten Seite, worauf das Roß mit erhöhter Geschwindigkeit himmelwärts flog. Da ließ er sie los, und als er die linke Schulter betrachtete und dort die zweite Feder fand, wand er sie auf, und alsbald verlangsamte sich die Aufwärtsbewegung des Rosses, und schließlich hörte sie auf, und langsam begann das Tier sich zu senken zur Fläche der Erde. Der Reiter aber wurde noch vorsichtiger und ängstlicher auf sein Leben bedacht. Und als er das sah und den Nutzen des Pferdes erkannte, da füllte sich sein Herz mit Freude und Fröhlichkeit, und er dankte dem allmächtigen Allah, dieweil er geruht hatte, ihn vor dem Verderben zu bewahren. Und er begann, des Pferdes Kopf zu wenden, wohin er nur wollte, und er ließ es nach Gefallen steigen oder sinken, bis er seine Bewegung völlig beherrschte. Den ganzen Tag lang senkte er sich, denn des Rosses Aufflug hatte ihn weit von der Erde fortgetragen; und während er niederstieg, unterhielt er sich damit, die verschiedenen Städte und Länder zu betrachten, über die er dahinflog und die er nicht kannte, denn er hatte sie sein Leben lang noch nicht gesehen. Und unter anderen erspähte er eine Stadt, die in schönster Ordnung mitten in[297] einem grünen und lachenden Lande errichtet war, reich an Bäumen und Bächen, während Gazellen zierlich schritten über die Flächen; und er begann zu sinnen und sprach bei sich selber: ›Wüßte ich nur den Namen dieser Stadt und den des Landes, darin sie liegt.‹ Und er begann sie zu umkreisen und von rechts und links zu betrachten; eben aber begann auch der Tag sich zu neigen, und die Sonne senkte sich zum Untergang. Sprach er in seiner Seele: ›Wahrlich, ich finde keinen schöneren Ort als diese Stadt zum Übernachten. Hier will ich einkehren, und früh am Morgen will ich mich wieder aufmachen zu den Meinen und in mein Königreich; dann will ich meinem Vater und meiner Sippe berichten, was geschehen ist, und ihn bekannt machen mit dem, was meine Augen gesehen haben.‹ Und er schickte sich an, nach einer Stelle zu suchen, wo er sich mit seinem Pferde in Sicherheit verbergen könnte und wo niemand ihn erspähen würde; und siehe, da erblickte er inmitten der Stadt einen Palast, der sich hoch in die obere Luft erhob, umgeben von einer großen Mauer mit ragenden Zinnen und Scharten; und er war bewacht von vierzig schwarzen Sklaven, die gekleidet waren in vollständige Rüstung und bewaffnet mit Speeren und Schwertern, Pfeilen und Bogen. Sprach er: ›Das ist ein trefflicher Ort.‹ Und er drehte die Abstiegsfeder, und das Roß senkte sich mit ihm, gleich einem müden Vogel, und es landete sanft auf der Dachterrasse des Schlosses. Da saß der Prinz ab, und mit dem Rufe: ›Alhamdolillah!‹ – Preis sei Allah! – begann er rings um das Pferd herumzugehen und es sich anzusehen, indem er sprach: ›Bei Allah, der, so dich schuf, war ein kundiger Künstler, und wenn der Allmächtige das Ziel meines Lebens hinausschiebt und mich meinem Lande und den Meinen in Sicherheit zurückgibt und mich wiedervereinigt mit meinem Vater, so will ich ihm wahrlich viel Güte erweisen und ihm mit äußerster Wohltat wohltun.‹ Inzwischen war nun die Nacht hereingebrochen, und er blieb auf dem Dache sitzen, bis er gewiß war, daß alle Leute des Palastes schliefen; und Hunger und Durst bedrängten ihn sehr, denn er hatte weder Speise noch Trank gekostet, seit er aufgebrochen war von seinem Vater. Sprach er bei sich selber: ›Wahrlich, einem solchen Palast kann es nicht an Speisen fehlen‹; und er ließ das[298] Pferd oben und stieg hinab, um sich etwas zu suchen, was er essen könnte. Und er kam zu einer Treppe, und als er sie bis zur untersten Stufe hinabgestiegen war, stand er auf einem Hof, der mit weißem Marmor und Alabaster gepflastert war und im Mondesschein leuchtete. Er staunte ob dieses Baus und ob seiner Schönheit, aber er vernahm keinen gesprochenen Laut, noch auch sah er eine lebende Seele, und in rastloser Überraschung stand er da, indem er nach rechts und nach links blickte und nicht wußte, wohin er sich wenden sollte. Sprach er bei sich selber: ›Ich kann nichts Besseres tun als dorthin zurückkehren, wo ich das Pferd gelassen habe, und bei ihm die Nacht verbringen; sobald der Tag dann dämmert, will ich aufsitzen und davonreiten.‹ Während er aber noch im Gespräch mit sich selber dastand, erspähte er ein Licht im Palast, und als er darauf zuging, sah er, daß es von einer Kerze ausging, die vor einer Tür des Harims stand, und zwar zu Häupten eines schlafenden Eunuchen, der da war wie einer der Ifriten Salomos oder wie einer vom Stamme der Dschann: länger als ein Mastbaum und breiter als eine Bank. Er lag vor der Tür, und der Knauf seines Schwertes glitzerte im Licht der Kerze, und zu seinen Häupten hing von einer granitenen Säule ein lederner Beutel herab. Als der Prinz das sah, da war er entsetzt und sprach: ›Ich flehe Allah, den Höchsten, um Hilfe an! O mein Heiliger, wie du mich schon einmal vor dem Verderben bewahrt hast, so verleihe mir die Kraft, mich auch aus dem Abenteuer dieses Palastes zu retten!‹ Mit diesen Worten streckte er die Hand aus nach dem Beutel, nahm ihn, trug ihn beiseite, öffnete ihn und fand darin die besten Speisen. Er aß sich satt und erfrischte sich und trank Wasser, hing den Vorratsbeutel wieder an seine Stelle, zog des Eunuchen Schwert aus der Scheide und nahm es an sich, während der Sklave weiterschlief, ohne zu ahnen, von wannen ihm sein Schicksal kommen würde. Dann ging der Prinz tiefer in den Palast hinein, und er machte nicht eher Halt, als bis er zu einer zweiten Tür kam, vor der ein Vorhang hing; den hob er, und siehe, als er eintrat, erblickte er ein Lager aus weißestem Elfenbein, eingelegt mit Perlen und Hyazinthen und Juwelen, und vier Sklavinnen schliefen ringsherum. Er trat herzu, um zu sehen,[299] wer auf dem Lager läge, und er fand eine junge Herrin im Schlafe, eingehüllt wie in ein Hemd in ihr Haar, dem vollen Monde gleich, wenn er aufgeht über dem östlichen Weltenrand; ihre Stirn war blütenweiß, ihr Scheitel leuchtete, und ihre Wangen glichen blutroten Anemonen mit zierlichen Malen darauf. Er war bestürzt, als er sie daliegen sah in ihrer Schönheit und Lieblichkeit, ihrem Ebenmaß und ihrer Anmut, und er dachte des Todes nicht mehr. Zitternd in jedem Nerv also trat er zu ihr, schaudernd vor Lust, und er küßte sie auf die rechte Wange. Sogleich erwachte sie, und als sie die Augen aufschlug, sah sie den Prinzen zu ihren Häupten stehen und sprach zu ihm: ›Wer bist du und woher kamest du?‹ Sprach er: ›Ich bin dein Sklave und der, der dich liebt.‹ Fragte sie: ›Und wer hat dich hierhergebracht?‹ Und er erwiderte: ›Mein Herr und mein Stern.‹ Sprach Schams al-Nahar1 (denn also hieß sie): ›Vielleicht bist du der, der mich gestern von meinem Vater zum Weibe begehrte, und er wies dich ab, indem er vorgab, du seiest scheußlich von Angesicht? Bei Allah, mein Vater log in seinen Hals hinein, als er das sprach, denn du bist nicht anders als schön.‹ Nun hatte der König von Hind sie zum Weibe begehrt, ihr Vater aber hatte ihn abgewiesen, weil er häßlich war und ungeschlacht, und sie hielt den Prinzen für ihn. Und als sie also seine Schönheit und Anmut erblickte, denn wahrlich, er war wie der strahlende Mond, da faßte die Vielgötterei die Liebe ihr Herz, als wäre sie ein flammendes Feuer; und sie begannen zu plaudern und sich zu unterhalten. Plötzlich aber erwachten ihre Kammerfrauen, und als sie den Prinzen bei ihrer Herrin erblickten, fragten sie: ›O meine Herrin, wer ist dieser bei dir?‹ Sprach sie: ›Ich weiß es nicht; er saß neben mir, als ich erwachte; vielleicht ist es der, der mich von meinem Vater zum Weibe begehrte.‹ Sprachen sie: ›O meine Herrin, bei Allah, dem Allvater, dieser ist nicht der, der dich zum Weibe begehrte, denn der ist scheußlich, und dieser ist schön und von hohem Stande. Wahrlich, jener taugt nicht einmal zu seinem Diener.‹ Und die Sklavinnen gingen hinaus zu dem Eunuchen, und da sie ihn schlafend fanden, so weckten sie ihn, und er fuhr erschreckt empor. Sprachen sie: ›Wie[300] kommt es, daß du im Palast die Wache hast, und daß doch Männer eindringen bei uns, indes wir schlafen?‹ Als nun der Schwarze das hörte, da sprang er eilig auf und griff nach dem Schwerte, doch er fand es nicht; und Furcht und Zittern ergriffen ihn. Verwirrt trat er ein zu seiner Herrin, und da er den Prinzen im Geplauder mit ihr erblickte, sprach er zu ihm: ›O mein Herr, bist du ein Mensch oder ein Dschinni?‹ Versetzte der Prinz: ›Weh dir, unseligster der Sklaven! Wie wagst du die Söhne der Chosroes mit einem der ungläubigen Teufel zu vergleichen?‹ Und er war wie ein rasender Löwe. Er griff zum Schwert und sprach zu dem Sklaven: ›Ich bin des Königs Schwiegersohn, er hat mich seiner Tochter vermählt und mir befohlen, zu ihr zu gehen.‹ Und als der Eunuch diese Worte vernahm, versetzte er: ›O mein Herr, wenn du wirklich, wie du es sagst, von Menschenart bist, so gebührt sie keinem als dir, und du bist ihrer würdiger als irgendein anderer.‹ Und der Eunuch lief laut schreiend zum König, indem er sich das Gewand zerriß und sich Staub aufs Haupt streute; und als der König seinen Schrei vernahm, sprach er zu ihm: ›Was ist dir widerfahren? Sprich schnell und fasse dich kurz, denn du hast mir das Herz erschreckt.‹ Versetzte der Eunuch: ›O König, komm deiner Tochter zu Hilfe; denn ein Teufel von den Dschann hat sich ihrer in Gestalt eines Königssohnes bemächtigt; auf und wider ihn!‹ Als der König das hörte, wollte er ihn töten und sprach: ›Wie konntest du unwachsam sein bei meiner Tochter und diesen Satan zu ihr lassen?‹ Und er begab sich in den Palast der Prinzessin, wo er ihre Kammerfrauen fand, die seiner harrten, und sie fragte: ›Was ist meiner Tochter widerfahren?‹ ›O König,‹ erwiderten sie, ›uns überfiel der Schlaf, und als wir erwachten, fanden wir einen Jüngling, der bei ihr saß und mit ihr plauderte, als wäre er der volle Mond; nie sahen wir einen schöner als ihn. Wir fragten ihn aus, und er erklärte, du habest ihm deine Tochter zum Weibe gegeben. Mehr wissen wir nicht, noch auch wissen wir, ob er ein Mensch ist oder ein Dschinni; aber sittsam ist er und wohlerzogen, und er tut nichts Unziemliches und nichts, was zur Schande führt.‹ Als nun der König diese Worte hörte, da kühlte sein Grimm sich ab, und langsam hob er den Vorhang, und[301] als er hineinsah, sah er im Geplauder mit seiner Tochter einen der herrlichsten Prinzen sitzen, mit einem Gesicht gleich dem vollen Mond, so leuchtete es. Bei diesem Anblick konnte er sich aus Eifersucht auf die Ehre seiner Tochter nicht mehr halten; und indem er den Vorhang beiseite zog, stürzte er mit dem gezogenen Schwert, einem wütenden Ghul gleich, hinein. Als nun der Prinz ihn sah, fragte er die Prinzessin: ›Ist dies dein Vater?‹ Und sie erwiderte: ›Ja.‹ Da sprang er auf die Füße und schrie den König mit so furchtbarem Schrei an, daß dieser ratlos dastand. Und der Jüngling wäre mit dem Schwerte über ihn hergefallen, doch als der König sah, daß der Prinz gewaltiger war als er, stieß er sein Schwert in die Scheide und blieb stehen, bis der Jüngling zu ihm kam; und er sprach ihn in höflicher Rede an und fragte: ›O Jüngling, bist du ein Mensch oder ein Dschinni?‹ Sprach der Prinz: ›Achtete ich nicht dein Recht als das meines Gastfreunds und die Ehre deiner Tochter? Wie also wagst du mich den Teufeln zu vergleichen, mich, der ich ein Prinz bin aus dem königlichen Blut der Chosroes, die dich, wollten sie dir dein Königreich nehmen, einem Erdbeben gleich herausschütteln könnten aus deiner Glorie und deiner Herrschaft, also, daß sie dich alles Besitzes beraubten?‹ Als nun der König diese Worte hörte, da war er verwirrt vor Scheu und leiblicher Furcht und erwiderte: ›Wenn du wirklich, wie du vorgibst, zu den Söhnen der Könige gehörst, wie kommt es da, daß du eindringst in meinen Palast ohne meine Erlaubnis, und daß du meine Ehre befleckst, indem du zu meiner Tochter schleichst, und vorgibst, du seiest ihr Gatte und ich hätte sie dir zum Weibe gegeben, ich, der ich Könige und Königssöhne erschlug, weil sie sie von mir zur Ehe erbaten? Und wer soll dich jetzt vor meiner Macht und Majestät erretten, wenn ich nach meinen Sklaven und Dienern rufe und ihnen befehle, dich aufs schimpflichste zu erschlagen, und sie dich auf der Stelle töten? Wer soll dich befreien aus meiner Hand?‹ Als der Prinz diese Rede des Königs hörte, erwiderte er: ›Wahrlich, ich staune deiner und der Kürze und Dunkelheit deines Verstandes! Sag, kannst du deiner Tochter einen schöneren Gatten wünschen als mich, und hast du je einen gesehen, beherzter und besser geeignet zum Sultan oder glorreicher[302] in Rang und Herrschgewalt, als ich es bin?‹ Versetzte der König: ›Nein, bei Allah! Aber ich wollte, o Jüngling, du hättest nach der Sitte der Könige gehandelt und sie vor Zeugen von mir zum Weibe verlangt, damit ich dich ihr hätte öffentlich vermählen können; jetzt aber hast du mich, selbst wenn ich sie dir heimlich vermählen wollte, in ihrer Person entehrt.‹ Versetzte der Prinz: ›Du sprichst die Wahrheit, o König, aber wenn du deine Sklaven und deine Krieger rufst, wie du es wolltest, und wenn sie über mich herfallen und mich erschlagen, wie du es sagtest, so würdest du nur die eigene Schande öffentlich machen, und das Volk wäre geteilt in den Glauben und Unglauben an dich. Deshalb, o König, scheint mir, wirst du gut daran tun, dich von diesem Gedanken einem andern zuzuwenden, den ich dir raten will.‹ Sprach der König: ›Laß mich hören, was du zu sagen hast.‹ Und der Prinz fuhr fort: ›Was ich dir vorschlage ist dies: entweder tritt mir im Einzelkampf entgegen, und wer seinen Gegner erschlägt, der soll als der würdigere gelten, der den größeren Anspruch an das Königreich hat; oder aber laß mich heute nacht, und wenn der Morgen dämmert, so ziehe mit deinen Reitern, und deinen Kriegern zu Fuß und deinen Dienern wider mich aus, doch nenne mir zuvor ihre Zahl.‹ Sprach der König: ›Es sind ihrer vierzigtausend Reiter außer meinen Sklaven und deren Sklaven, die ihnen an Zahl gleich sind.‹ Sprach der Prinz: ›Wenn der Tag anbricht, stelle sie auf wider mich und sprich zu ihnen: ›Dieser Mann freit um die Hand meiner Tochter unter der Bedingung, daß er allein wider euch alle kämpft, denn er behauptet, er würde euch alle überwinden und in die Flucht schlagen, und ihr vermöchtet nichts wider ihn auszurichten.‹ Dann laß mich mit ihnen kämpfen; und wenn sie mich erschlagen, so ist dein Geheimnis nur um so sicherer bewahrt, und deine Ehre bleibt unangetastet; und wenn ich sie überwinde und ihre Rücken sehe, so sollte ein König meinesgleichen ausersehen zu seinem Eidam.‹ Dieser Meinung schloß der König sich an, und trotz seines Schreckens ob der Kühnheit der Rede und trotz seiner Bestürzung ob der Anmaßung des Prinzen, der seinem ganzen Heere, wie er es geschildert hatte, im Kampf entgegentreten wollte, hieß er seinen Vorschlag gut, da er im Herzen[303] überzeugt war, daß er umkommen würde in dem Getümmel, so daß er dann ihn und die Furcht vor der Schmach los würde. Er rief also den Eunuchen und befahl ihm, unverzüglich und unverweilt zu seinem Vezier zu gehen und ihm die Botschaft zu bringen, daß er sein ganzes Heer versammeln sollte, damit alle ihre Rüstung und ihre Waffen anlegten und ihre Rosse bestiegen. Diesen Befehl des Königs brachte der Eunuch dem Vezier, und der berief alsbald die Hauptleute des Heeres und die Herren des Reiches und hieß sie die Rüstung der Schlacht anlegen, aufsitzen und in Kampfordnung ausziehn. Der König aber saß derweilen lange bei dem Prinzen und plauderte mit ihm, denn er freute sich seiner weisen Rede und seines Verstandes und seiner trefflichen Erziehung. Und als der Tag anbrach, kehrte er zurück in seinen Palast, setzte sich auf den Thron und befahl seinen Recken, aufzusitzen und einen der besten Renner des Königs zu satteln, mit herrlichem Sattel, Geschirr und Zügel, und ihn dem Prinzen zu bringen. Aber der Jüngling sprach: ›O König, ich will nicht eher zu Pferde steigen, als bis ich die Truppen zu Gesicht bekomme und Musterung halte.‹ ›Es sei, wie du willst,‹ versetzte der König. Und die beiden begaben sich auf das Kampffeld, wo die Truppen aufgestellt waren, und der junge Prinz sah sie an und merkte sich ihre große Zahl; dann rief der König ihnen zu und sprach: ›He, ihr Mannen alle, zu mir ist ein Jüngling gekommen, der meine Tochter zum Weibe verlangt, und wahrlich, nimmer erblickte ich einen, herrlicher als ihn, nein, auch keinen, der beherzter wäre oder gewaltigeren Arms; denn er behauptet, er würde euch überwinden und allein euch in die Flucht schlagen, und wäret ihr auch hunderttausend an Zahl, so würdet ihr doch für ihn nur wenige sein. Aber wenn er ansprengt wider euch, so empfangt ihn mit der Spitze des Speers und der Schneide des Schwertes; denn wahrlich, er hat ein gewaltig Werk unternommen.‹ Und er wandte sich zu dem Prinzen: ›Auf, o mein Sohn, und tu das Deine an ihnen!‹ Versetzte der Prinz: ›O König, du handelst nicht gerecht an mir; wie soll ich gegen sie angehn, da ich doch zu Fuß bin, sie aber beritten?‹ Gab der König zurück: ›Ich hieß dich aufsitzen, und du verweigertest es; jetzt wähle, welches meiner Rosse du willst.‹ Sprach[304] er: ›Keins deiner Rosse gefällt mir, und kein anderes will ich reiten als das, darauf ich kam.‹ Fragte der König: ›Und wo steht es?‹ ›Hoch oben auf deinem Palaste.‹ ›In welchem Teile meines Palastes?‹ ›Auf dem Dache.‹ Als nun der König diese Worte vernahm, da rief er: ›Weh dir! Dies ist das erste Zeichen des Wahnsinns, das du gibst. Wie kann das Pferd auf dem Dache sein? Aber wir werden gleich sehen, ob du die Wahrheit sprichst oder lügst.‹ Und er wandte sich zu einem seiner Würdenträger und sprach zu ihm: ›Geh in meinen Palast und bringe mir, was du auf dem Dache findest.‹ Und alles Volk staunte ob der Worte des jungen Prinzen, und sie sprachen untereinander: ›Wie kann ein Pferd die Stufen vom Dach herunterkommen? Wahrlich, dies ist etwas, dessengleichen wir nimmer vernahmen.‹ Inzwischen kam nun der Bote des Königs in den Palast, und als er zum Dach hinaufstieg, fand er das Roß, das dort stand, und nimmer hatte er ein schöneres gesehen; doch als er näher trat und es prüfend betrachtete, da erkannte er, daß es aus Ebenholz und Elfenbein bestand. Nun begleiteten den Würdenträger andere hohe Kämmerlinge, die es sich auch ansahen, und sie lachten untereinander und sprachen: ›Sprach der Jüngling von dieses Pferdes gleichen? Wir können nicht anders denken, als daß er im Wahnsinn redet; doch werden wir bald die Wahrheit erkennen. Vielleicht hängt ein gewaltiges Geheimnis daran, und er ist ein Mann von hohem Stande.‹ Und sie hoben das Roß auf, trugen es zum König und setzten es vor ihm nieder, und all die Untertanen drängten sich herbei und staunten ob der Schönheit seines Wuchses und ob des Reichtums an Zügel und Sattel. Auch der König bewunderte es und staunte in höchstem Staunen; und er fragte den Prinzen: ›O Jüngling, ist dies dein Roß?‹ Versetzte er: ›Ja, o König, dies ist mein Roß, und bald sollst du sehen, welches Wunder es dir zeigt.‹ Sprach der König: ›So nimm und besteige es.‹ Und der Prinz erwiderte: ›Ich will nicht eher aufsitzen, als bis die Truppen sich weit zurückgezogen haben.‹ Da befahl der König ihnen, sich um Bogenschußweite zurückzuziehen von dem Pferd, und der Jüngling sprach: ›O König, sieh, ich will jetzt mein Roß besteigen und ansprengen wider dein[305] Heer und es nach rechts und links verjagen und ihre Herzen auseinander spalten.‹ Sprach der König: ›Tu, wie du willst; und schone ihr Leben nicht, denn sie werden deines nicht schonen.‹ Und der Prinz saß auf, während sich die Krieger in Reihen vor ihn stellten und einer zum andern sprach: ›Wenn der Prinz zwischen die Reihen gerät, so wollen wir ihn auf die Spitzen der Speere nehmen und auf die Schneiden der Schwerter.‹ Sprach ein anderer: ›Bei Allah, all dies ist ein Unheil; weshalb sollen wir einen Jüngling von so schönem Gesicht und von so anmutiger Gestalt erschlagen?‹ Und ein dritter fügte hinzu: ›Ihr werdet schwere Arbeit haben, seiner Herr zu werden; denn der Jüngling tat dies nur, weil er seine eigene Tapferkeit und seine überragenden Kräfte kannte.‹ Da nun der Prinz inzwischen im Sattel saß, so drehte er die Aufstiegsfeder, während aller Augen sich mühten, zu sehen, was er beginnen würde. Und das Roß begann sich zu heben und zu wiegen, und hin und her zu schwanken und die seltsamsten Bewegungen auszuführen, die je ein Roß gemacht hatte, bis sein Bauch sich füllte mit Luft und es zu fliegen begann und sich hoch in die Lüfte hob mitsamt seinem Reiter. Als nun der König das sah, rief er seinen Leuten zu und sprach: ›Weh euch! Fangt ihn, fangt ihn, eh er euch entgeht!‹ Doch seine Veziere und Vizekönige erwiderten: ›O König, kann ein Mensch den fliegenden Vogel einholen? Dieser ist wahrlich nichts anderes als ein gewaltiger Magier oder ein Marid von den Dschann oder ein Teufel, und Allah errette dich vor ihm. Preise den Allmächtigen, der dich und deine ganze Schar vor ihm bewahrte.‹ Und als der König des Prinzen Beginnen gesehen hatte, kehrte er zurück in seinen Palast, ging zu seiner Tochter und machte sie bekannt mit dem, was geschehen war auf dem Kampffeld. Sie war in schwerem Kummer um den Prinzen und klagte ob ihrer Trennung von ihm; und sie erkrankte an schwerer Krankheit und legte sich auf ihr Kissen. Und als ihr Vater sie also erblickte, da drückte er sie an die Brust, küßte sie zwischen den Augen und sprach zu ihr: ›O meine Tochter, preise den allmächtigen Allah und danke ihm, daß er uns befreite von diesem listigen Zauberer, diesem Schurken, diesem gemeinen Menschen, diesem Dieb, der nur daran dachte, dich zu verführen.‹[306] Und er wiederholte ihr die Geschichte des Prinzen und erzählte ihr, wie er am Himmel verschwunden war; und er schalt auf ihn und fluchte ihm, denn er wußte nicht, wie sehr seine Tochter ihn liebte. Sie aber achtete seiner Worte nicht und weinte und klagte nur um so mehr und sprach bei sich selber: ›Bei Allah, ich will keine Speise essen noch einen Becher leeren, bevor mich nicht Allah wieder mit ihm vereinigt!‹ Ihr Vater war in schwerer Not, und er trauerte sehr ob ihres Zustandes; aber soviel er auch tat, um sie zu beruhigen, ihre Liebessehnsucht wuchs nur um so mehr. So viel von dem König und der Prinzessin Schams al-Nahar.
Prinz Kamar al-Akmar aber wandte des Rosses Kopf, als er sich hoch in die Luft erhoben hatte, seiner Heimat zu, und während er allein war, sann er nach über die Schönheit der Prinzessin und über ihre Lieblichkeit. Nun hatte er die Leute des Königs nach dem Namen der Stadt und dem des Königs und seiner Tochter gefragt; und man hatte ihm gesagt, es sei die Stadt Sana. Und er ritt mit aller Eile dahin, bis er sich der Hauptstadt seines Vaters näherte, und indem er in der Luft einen Kreis um die Stadt beschrieb, ließ er sich nieder auf dem Dache des Königspalastes, wo er sein Roß stehen ließ, während er hinabstieg und die Schwelle mit Asche bestreut sah; er dachte also, einer der Seinen sei gestorben. Und als er wie immer eintrat, sah er seinen Vater und seine Mutter und seine Schwestern in schwarzer Trauerkleidung, und aller Angesichter waren bleich, und hager war ihr Leib. Doch als sein Vater ihn sah und sich überzeugte, daß er sein Sohn war, da stieß er einen lauten Schrei aus und fiel ohnmächtig nieder; und als er nach einer Weile wieder zu sich kam, warf er sich auf ihn, umarmte ihn, drückte ihn an die Brust und freute sich seiner in höchster Freude und Lust. Das hörten seine Mutter und seine Schwestern, und sie kamen herbei, und als sie den Prinzen sahen, warfen sie sich auf ihn, küßten ihn und weinten, denn sie freuten sich in höchster Freude. Dann fragten sie ihn aus, und er erzählte ihnen von Anfang bis zu Ende alles, was geschehen war, und sein Vater sprach zu ihm: ›Preis sei Allah für deine Rettung, Kühle meiner Augen und Kern meines Herzens!‹ Und der König befahl, ein Fest zu feiern, und die frohe[307] Botschaft lief durch die ganze Stadt. Man schlug die Trommeln und Zimbeln, streifte ab das Gewand der Trauer, zog sich das bunte Kleid der Freude an und schmückte Straßen und Märkte. Alles Volk wetteiferte miteinander, wer dem König als erster Glück wünschen würde, und der König verkündete eine allgemeine Vergebung, und er öffnete die Kerker und ließ alle hinaus, die gefangen waren. Ferner ließ er Bankette richten für das Volk, und sieben Tage und sieben Nächte lang war alle Kreatur froh und heiter bei Speise und Trank; und er selber saß auf mit seinem Sohne und ritt hinaus, damit das Volk ihn sehe und sich freute. Nach einer Weile aber fragte der Prinz nach dem, der das Roß verfertigt hatte, indem er sprach: ›O mein Vater, was hat das Schicksal mit ihm begonnen?‹ Versetzte der König: ›Nimmer segne Allah ihn oder die Stunde, in der ich ihn erblickte! Denn er war der Anlaß deiner Trennung von uns, o mein Sohn, und seit dem Tage deines Verschwindens liegt er im Kerker.‹ Und der König befahl, ihn freizulassen, schickte nach ihm und kleidete ihn ein in ein Gewand der Genugtuung und behandelte ihn mit der höchsten Gunst und Freigebigkeit, nur daß er ihm seine Tochter nicht zum Weibe geben wollte. Darob ergrimmte der Weise in wildem Grimm, und er bereute, was er getan hatte, da er jetzt wußte, daß der Prinz das Geheimnis des Bosses und die Art seiner Bewegung begriffen hatte. Ferner sprach der König zu seinem Sohne: ›Ich denke, du wirst gut daran tun, dich dem Roß hinfort nicht mehr zu nähern, und vor allem, es von heute ab nie wieder zu besteigen; denn du kennst seine Eigenschaften nicht und bist vielleicht im Irrtum.‹ Nun hatte der Prinz seinem Vater erzählt von seinem Abenteuer mit dem König von Sana und seiner Tochter, und Sabur sprach: ›Hätte der König dich töten wollen, er hätte es getan, doch deine Stunde war noch nicht gekommen.‹ Und als die Freudenfeier zu Ende war, kehrte das Volk in seine Häuser und der König und sein Sohn in den Palast zurück, wo sie sich setzten und aßen und tranken und sich vergnügten. Nun hatte der König eine schöne Sklavin, die geschickt die Laute zu spielen verstand; und sie nahm sie und begann die Saiten zu rühren, und sie sang vor dem König und seinem Sohn von der Trennung der Liebenden. Und als der Prinz ihre[308] Verse vernahm, da flammten die Feuer der Sehnsucht in seinem Herzen auf, und Schmerz und Leidenschaft bedrängten ihn. Kummer und Gram drangen ein auf ihn, und sein Innerstes verlangte aus Liebe nach der Tochter des Königs von Sana. Und er erhob sich alsbald und verließ, ohne daß sein Vater es merkte, den Palast, ging zu dem Pferde, saß auf und drehte den Aufstiegswirbel, so daß es einem Vogel gleich hoch in die Luft entflog und sich aufschwang zu den höchsten Regionen des Himmels. Am frühen Morgen aber vermißte sein Vater ihn, und in großer Sorge stieg er auf die Zinnen des Palastes und sah, wie sein Sohn am Firmament dahinflog; schwer faßte ihn der Kummer, und er bereute in arger Reue, daß er das Pferd nicht weggenommen und verborgen hatte; und er sprach bei sich selber: ›Bei Allah, wenn nur mein Sohn zu mir zurückkehrt, so will ich das Roß vernichten, damit mein Herz beruhigt ist über ihn.‹ Und er begann zu weinen und zu klagen.
Der Prinz aber ließ derweilen nicht ab, dahinzufliegen durch die Luft, bis er die Stadt Sana erreichte und sich wie zuvor auf das Dach herabließ. Heimlich schlich er hinab, und da er den Eunuchen wie immer schlafend fand, so hob er den Vorhang und trat langsam ein, bis er zu der Tür des Gemaches der Prinzessin kam und stillstand, um zu lauschen; und siehe, er hörte, wie sie reichliche Tränen vergoß und Verse sprach, während ihre Frauen rings um sie schliefen. Und als sie ihr Weinen und Klagen vernahmen, sprachen sie: ›O unsere Herrin, weshalb willst du trauern um einen, der nicht um dich trauert?‹ Sprach sie: ›O ihr Unverständigen, ist der, um den ich traure, von denen, die da vergessen oder vergessen werden?‹ Und sie begann von neuem zu weinen und zu klagen, bis der Schlaf sie überfiel. Dem Prinzen aber schmolz das Herz; er trat also ein, und da er sie schlafen sah, so berührte er sie mit der Hand; und als sie die Augen aufschlug, sah sie ihn neben sich stehen. Sprach er: ›Wozu all dies Weinen und Trauern?‹ Und da sie ihn erkannte, warf sie sich auf ihn, faßte ihn um den Nacken, küßte ihn und sprach: ›Um deinetwillen und ob der Trennung von dir.‹ Sprach er: ›O meine Herrin, ich war trostlos durch dich die ganze Zeit hindurch.‹ Sie aber erwiderte: ›Du hattest mich trostlos gemacht, und wärest du[309] noch länger ausgeblieben, so wäre ich wahrlich gestorben.‹ Versetzte er: ›O meine Herrin, was denkst du von mir und deinem Vater und von der Art, wie er mich behandelte? Wäre nicht meine Liebe zu dir, du Versuchung und Verlockung der drei Welten, ich hätte ihn gewißlich erschlagen und ihn zu einer Warnung gemacht für alle, die es sahen; doch wie ich dich liebe, so liebe ich um deinetwillen ihn.‹ Sprach sie: ›Wie konntest du mich verlassen? Kann mir das Leben nach dir noch süß sein?‹ Versetzte er: ›Laß genügen, was geschehen ist; mich hungert jetzt und mich dürstet.‹ Da befahl sie ihren Mädchen, Speise und Trank zu bereiten; und sie saßen beisammen und aßen und tranken und unterhielten sich, bis die Nacht nahezu verstrichen war; und als der Tag anbrach, stand er auf, um Abschied von ihr zu nehmen und aufzubrechen, bevor der Eunuch erwachen würde. Fragte Schams al-Nahar: ›Wohin gehst du?‹ Und er erwiderte: ›Zum Hause meines Vaters, und ich gelobe dir, daß ich einmal in jeder Woche kommen will.‹ Sie aber weinte und sprach: ›Ich beschwöre dich bei dem allmächtigen Allah, nimm mich mit, wohin du dich wendest, und laß mich nicht von neuem den bitteren Kürbis der Trennung kosten.‹ Sprach er: ›Willst du wirklich mit mir gehen?‹ Und sie erwiderte: ›Ja.‹ ›Dann,‹ sprach er, ›steh auf, damit wir von hinnen kommen.‹ Und sie erhob sich alsbald, trat zu einer Kiste und schmückte sich mit dem reichsten und teuersten ihres Schmucks an Gold und kostbaren Juwelen, und sie ging hinaus, ohne daß ihre Sklavinnen etwas merkten. Hoch auf das Dach führte er sie empor, und indem er das Ebenholzpferd bestieg, nahm er sie hinter sich auf den Rücken des Tieres, wo er sie mit starken Stricken an sich selber festband. Dann drehte er den Aufstiegswirbel an der Schulter, und das Pferd erhob sich hoch in die Luft. Als aber ihre Sklavinnen das sahen, da schrien sie laut und meldeten es ihrem Vater und ihrer Mutter, die in heller Hast das Dach bestiegen und das magische Roß mit dem Prinzen und der Prinzessin davonfliegen sahen. Das stürzte den König in immer wachsende Sorge, und er schrie auf und rief: ›O Königssohn, ich beschwöre dich bei Allah, habe Erbarmen mit mir und meinem Weibe und beraube uns nicht unserer Tochter!‹ Der Prinz gab keine Antwort; doch da[310] er bei sich selber dachte, das Mädchen bereue vielleicht, Vater und Mutter verlassen zu haben, so fragte er sie: ›O Entzücken der Zeit, sag mir, willst du, daß ich dich deinem Vater und deiner Mutter wiederbringe?‹ Versetzte sie: ›Bei Allah, o mein Herr, solches ist nicht mein Wunsch; mein einziger Wunsch ist der, bei dir zu sein, wo immer du bist; denn die Liebe zu dir lenkt mich von allem andern ab, selbst von meinem Vater und meiner Mutter.‹ Als er diese Worte vernahm, da freute sich der Prinz in hoher Freude, und er ließ das Roß sanft mit ihr dahinfliegen und kreisen, um sie nicht zu erschrecken, und nicht eher hielten sie inne im Flug, als bis sie eine grüne Weide zu Gesicht bekamen, durch die ein Quell rinnenden Wassers lief. Hier landeten sie und aßen und tranken; dann saß der Prinz wieder auf, nahm sie wieder hinter sich und band sie fest, aus Besorgnis um ihre Sicherheit; und sie ritten weiter, bis sie seines Vaters Hauptstadt zu Gesicht bekamen. Freude erfüllte den Prinzen, und er gedachte, seiner Geliebten den Sitz seiner Herrschaft zu zeigen und seines Vaters Macht und Würde, damit sie erkenne, daß sie größer wäre als die ihres Vaters. Er setzte sie also in einem der Gärten seines Vaters nieder, vor den Toren der Stadt, wo sein Vater sich zu ergehen pflegte. Und er führte sie in ein gewölbtes Sommerhaus, das dort für den König errichtet war, indem er das Ebenholzroß an der Türe stehen ließ und dem Mädchen auftrug, es zu bewachen, und sprach: ›Setze dich hierher, bis mein Bote zu dir kommt, denn ich gehe jetzt zu meinem Vater, um einen Palast für dich zu rüsten und dir meine Königsmacht zu zeigen.‹ Sie war entzückt, als sie diese Worte hörte, und sprach: ›Tu, wie du willst‹; denn sie verstand sie dahin, daß sie die Stadt nur mit der ihr gebührenden Ehre und Weihe betreten sollte, wie es sich schickte für ihren Rang. Und der Prinz verließ sie und begab sich in den Palast des Königs, seines Vaters, der sich seiner Rückkehr freute und ihm entgegenging und ihn willkommen hieß. Sprach der Prinz zu ihm: ›Wisse, ich habe die Königstochter mitgebracht, von der ich dir sprach, und ich habe sie vor der Stadt in dem und dem Garten gelassen und komme, um dir zu sagen, daß du den Prunkzug fertigmachst, um ihr entgegenzuziehen und ihr deine königliche Würde und deine Truppen und[311] Wachen zu zeigen.‹ Versetzte der König: ›Mit Freude und Lust.‹ Und er befahl alsbald, die Stadt mit dem schönsten Zierat zu schmücken. Dann saß er auf und ritt mit allem Prunk und in aller Majestät hinaus, er mit seinem Heere, seinen Würdenträgern und seinem Hause, mit Trommeln und Kesseltrommeln, Pfeifen und Klarinen, und sonst noch allerlei Instrumenten; und der Prinz nahm aus seinen Schatzkammern Juwelen und Schmuck, und was sonst Könige sammeln, hervor, und er rüstete ein seltenes Schauspiel des Reichtums und Glanzes; ferner machte er für die Prinzessin eine überdachte Sänfte aus grünen, gelben und roten Brokaten bereit, in die er indische und griechische und abessinische Sklavinnen setzte. Und er ritt der Sänfte und ihren Insassinnen voraus zu dem Pavillon, wo er sie niedergesetzt hatte; dort suchte er nach ihr, doch fand er weder Prinzessin noch Roß. Als er das sah, da schlug er sich das Gesicht und zerriß sich das Kleid, und er begann, im Garten umherzugehen, als habe er den Verstand verloren; und schließlich kam er wieder zu sich und sprach: ›Wie hätte sie das Geheimnis dieses Pferdes entdecken können, da ich ihr nichts davon sagte? Vielleicht hat der persische Weise, der das Roß erfand, sie entdeckt und gestohlen, um sich an meinem Vater für seine Behandlung zu rächen.‹ Da suchte er die Wächter des Gartens auf und fragte sie, ob sie gesehen hätten, daß irgend jemand den Garten betreten habe; und er sprach: ›Ist irgend jemand hier eingetreten? Sagt mir die Wahrheit, und die ganze Wahrheit, oder ich werde euch den Kopf abschlagen.‹ Diese seine Drohungen erschreckten sie, doch sie erwiderten mit einer Stimme: ›Wir sahen niemanden eintreten außer dem persischen Weisen, der Heilkräuter suchte.‹ Jetzt war der Prinz überzeugt, daß wirklich dieser die Jungfrau fortgenommen hatte, und er war verwirrt und ratlos ob seiner Not; und er schämte sich vor dem Volk, wandte sich zu seinem Vater, erzählte ihm, was geschehen war, und sprach zu ihm: ›Nimm die Truppen und führe sie in die Stadt zurück. Ich aber will nicht eher heimkehren, als bis ich all dies aufgeklärt habe.‹ Als nun der König das hörte, da weinte er und schlug sich die Brust und sprach: ›O mein Sohn, beruhige dich, beherrsche deinen Gram, komm mit uns nach Hause und halte Ausschau, welche Königstochter du möchtest,[312] damit ich sie dir vermähle.‹ Doch der Prinz achtete seiner Worte nicht, nahm Abschied und brach auf, während der König zurückkehrte in die Stadt und ihre Freude verwandelt war zu argem Leide.
Nun war, wie das Schicksal seinen Spruch gefällt hatte, als der Prinz die Prinzessin im Garten verließ, um den Einzug zu ordnen, der Perser auf der Suche nach einigen Kräutern in den Garten getreten, und als er den süßen Duft des Moschus und anderer Wohlgerüche roch, die der Prinzessin entströmten und alles durchzogen, da war er ihnen gefolgt, bis er den Pavillon erreichte, an dessen Tür er das Roß stehen sah, das er mit eigenen Händen geschaffen hatte. Und sein Herz war erfüllt von Freude und Frohlocken, denn oft hatte er seinen Verlust betrauert, seit es aus seiner Hand verschwunden war; er trat zu ihm hin und betrachtete es genau, und da er es in jedem Teile prüfte, fand er es ganz und heil; und er wollte aufsitzen, um davonzureiten, als er sich besann und sprach: ›Ich muß zuvor nachsehen, was der Prinz mitgebracht und hier bei dem Pferde gelassen hat.‹ Er trat also ein in den Pavillon, und als er die Prinzessin dort sitzen sah, als wäre sie der Sonne heller Schein an einem Himmel von Wolken rein, da erkannte er sie auf den ersten Blick als eine hochgeborene Herrin, und er zweifelte nicht daran, daß der Prinz sie auf dem Pferde mitgebracht und im Garten gelassen hatte, während er selber in die Stadt gezogen war, um ihren Einzug in die Stadt in allem Prunk zu rüsten. Da trat er zu ihr und küßte den Boden zwischen seinen Händen, so daß sie die Augen aufhob; und da sie ihn scheußlich von Angesicht fand und Gestalt, so fragte sie: ›Wer bist du?‹ Versetzte er: ›O meine Herrin, ich bin ein Bote, gesandt von Prinzen, der mir befahl, dich in einen andern Lustgarten zu bringen, näher der Stadt, dieweil meine Herrin, die Königin, nicht so weit gehen kann und es doch ungern sähe, wenn eine andere ihr bei dir zuvorkäme.‹ Sprach sie: ›Wo ist der Prinz?‹ Und der Perser: ›Er ist in der Stadt bei seinem Vater, und er wird alsbald in allem Prunk zu dir kommen.‹ Sprach sie: ›O du, sag an, konnte er keinen Hübscheren finden, ihn mir zu senden?‹ Des lachte der Weise laut und sprach: ›Ja, wahrlich, er hat keinen Mamelucken, der so häßlich wäre wie ich; aber, o meine Herrin, laß dich nicht täuschen[313] durch die Häßlichkeit meines Gesichts und die Scheußlichkeit meiner Gestalt. Hättest du so viel Nutzen von mir gehabt wie der Prinz, wahrlich, du würdest mich preisen. Er wählte mich in seiner eifersüchtigen Liebe zu dir eben um meiner Ungeschlachtheit und meiner Ekelheit willen zum Boten; sonst hat er ungezählte Mamelucken und Negersklaven und Diener, deren jeder schöner ist als der andere.‹ Als sie das hörte, leuchtete es ihrem Verstande ein, und sie glaubte ihm; sie stand also auf, und indem sie ihre Hand in seine legte, sprach sie: ›O mein Vater, was hast du mir zum Reiten mitgebracht?‹ Versetzte er: ›Du sollst das Roß reiten, auf dem du kamst‹; und sie erwiderte: ›Ich kann es allein nicht reiten.‹ Da lächelte er, denn er wußte nun, daß er ihrer Herr wäre, und er sprach: ›Ich selbst will mit dir reiten.‹ Er saß auf, nahm sie hinter sich und band sie mit festen Stricken an sich, während sie nicht wußte, was er mit ihr wollte. Dann drehte er die Aufstiegsfeder, und der Bauch des Rosses füllte sich mit Wind, und es schwankte hin und her wie eine Woge des Meeres, und es hob sich mit ihnen hoch in die Luft empor, und es ließ in seinem Fluge nicht nach, bis die Stadt außer Sicht war. Als nun Schams al-Nahar das sah, da fragte sie: ›He du, was wird aus dem, was du mir sagtest über meinen Prinzen, indem du mich glauben machtest, er habe dich geschickt?‹ Versetzte der Perser: ›Allah verfluche den Prinzen! Er ist ein gemeiner Geizhals und Schurke.‹ Rief sie: ›Weh dir! Wie wagst du, dem Befehl deines Herrn zuwiderzuhandeln?‹ Versetzte der Perser: ›Er ist nicht mein Herr; weißt du, wer ich bin?‹ Und sie erwiderte: ›Ich weiß nichts von dir, als was du mir sagtest.‹ Sprach er: ›Was ich dir sagte, war meine List wider dich und den Sohn des Königs. Lange habe ich den Verlust des Rosses beklagt, auf dem wir sitzen; denn ich habe es erbaut und mich zu seinem Herrn gemacht. Jetzt aber habe ich es fest in der Gewalt, und dich dazu, und ich will ihm das Herz verbrennen, wie er meines verbrannt hat. Nie soll er das Pferd zurückerhalten, nein, niemals; also sei der Sorge bar und halte das Auge kühl und klar, denn ich kann dir mehr von Nutzen sein als er; und ich bin ebenso großmütig, wie ich reich bin; meine Diener und Sklaven sollen dir als ihrer Herrin gehorchen; ich will dich in die[314] feinsten Gewänder kleiden, und ein jeder deiner Wünsche soll erfüllt werden.‹ Als sie das hörte, da schlug sie sich das Gesicht, schrie auf und sprach: ›Ah, wehe! Ich habe meinen Geliebten nicht gewonnen und meinen Vater und meine Mutter verloren!‹ Und sie weinte bittere Tränen ob dessen, was ihr widerfahren war, während der Weise mit ihr dahinflog, bis er zum Lande der Griechen kam und auf einer grünenden Wiese landete, die reich war an Bächen und Bäumen. Nun lag diese Wiese bei einer Stadt, die ein König von großer Macht beherrschte, und es traf sich, daß er an eben diesem Tage ausritt zur Jagd und um sich zu unterhalten. Als nun der König bei der Wiese vorüberkam, sah er den Perser dort stehen und neben ihm das Roß und das Mädchen; und ehe der Weise sich dessen versah, fielen des Königs Sklaven über ihn her und schleppten ihn und die Prinzessin und das Roß vor ihren Gebieter, und da er die Scheußlichkeit des Mannes sah und seine Ekelheit, und die Schönheit des Mädchens und ihre Lieblichkeit, da sprach er: ›O meine Herrin, wie ist dieser Alte mit dir verwandt?‹ Der Perser beeilte sich, erwiderte und sprach: ›Sie ist mein Weib und die Tochter meines Vatersbruders.‹ Sie aber strafte ihn auf der Stelle Lügen und sagte: ›O König, bei Allah, ich kenne ihn nicht, noch auch ist er mein Gatte; nein, er ist ein böser Magier, der mich mit Gewalt und Trug gestohlen hat.‹ Da befahl der König, den Perser zu geißeln, und sie schlugen ihn, bis er fast tot war; und der König befahl, ihn in die Stadt zu tragen und in den Kerker zu werfen; und indem er ihm das Mädchen und das Ebenholzpferd nahm (obgleich er weder seine Kräfte noch das Geheimnis seiner Bewegung kannte), brachte er die Jungfrau in seinen Serail und stellte das Roß unter seine Schätze. So nun erging es dem Weisen und der Prinzessin.
Prinz Kamar al-Akmar aber kleidete sich in Reisekleider, nahm, was er brauchte an Geld, und brach auf, indem er in traurigster Verfassung suchte nach ihrer Spur; und er reiste von Land zu Land und von Stadt zu Stadt, indem er forschte nach der Prinzessin und fragte nach dem Ebenholzpferde; und alle, die ihn hörten, verwunderten sich über ihn und fanden seine Reden irre. Lange zog er in dieser Weise dahin; doch trotz alles Suchens und Forschens konnte[315] er keine Kunde von ihr erhalten. Zuletzt kam er in die Stadt ihres Vaters, Sana, und als er hier nach ihr fragte, erfuhr er nichts, und ihr Vater trauerte um ihren Verlust. Da kehrte er zurück und machte sich auf nach dem Lande der Griechen, indem er immer auf dem Wege nach den beiden fragte, bis er, wie es der Zufall woll te, in einem Khan abstieg, in dem er eine Schar von Kaufleuten im Gespräche sitzen sah. Zu diesen setzte er sich, und er hörte den einen sagen: ›O meine Freunde, ich habe ein Wunder der Wunder erlebt.‹ Fragten sie: ›Und das wäre?‹ Und er versetzte: ›Ich besuchte den und den Distrikt in der und der Stadt (und er nannte die Stadt, darin die Prinzessin war), und ich hörte die Leute von einem seltsamen Ereignis schwätzen, das letzthin vorgefallen war. Ihr König nämlich war eines Tages mit einem Gefolge seiner Höflinge und der Herren seines Reiches ausgezogen zu Jagd und Ritt; und als er die Stadt verließ, da kam er zu einer grünen Wiese, auf der sie einen alten Mann erblickten und eine Frau, die dicht neben einem Pferde aus Ebenholz saß. Der Mann war scheußlich von Angesicht und ekel von Gestalt, die Frau aber war ein Wunder der Schönheit und Lieblichkeit, der Zierlichkeit und vollendeten Anmut; und das hölzerne Roß war ein Wunder, und nimmer erblickte ein Auge je ein herrlicheres oder eins von größerer Anmut.‹ Fragten die andern: ›Und was tat der König damit?‹ Und der Kaufmann versetzte: ›Den Mann ergriff der König, und er fragte ihn aus nach dem Mädchen, und er gab vor, sie sei sein Weib und die Tochter seines Vaterbruders; sie aber strafte ihn Lügen und erklärte, er sei ein Zauberer und ein Schurke. Da nahm der König sie dem Alten und befahl, ihn zu schlagen und in den Kerker zu werfen. Was aber aus dem Ebenholzpferde wurde, das weiß ich nicht.‹ Als nun der Prinz diese Worte vernahm, da trat er dicht zu dem Kaufmann und begann ihn vorsichtig und höflich auszufragen nach dem Namen der Stadt und ihres Königs; und als er beides wußte, verbrachte er die Nacht voller Freude. Und sowie der Tag dämmerte, brach er auf und wanderte ununterbrochen, bis er jene Stadt erreichte; doch als er eintreten wollte, legten die Torwächter Hand an ihn, um ihn vor den König zu führen, damit der ihn nach seinem Stande fragte[316] und nach der Kunst, in der er bewandert wäre, sowie nach der Ursache seiner Reise hierher – denn so war es Brauch und Sitte bei ihrem Herrscher. Nun war es, als er in die Stadt einzog, die Zeit des Nachtmahls, und darum war es unmöglich, jetzt zum König zu gehen oder sich mit ihm über den Fremden zu beraten. Die Wachen führten ihn also in den Kerker, wo sie ihn für die Nacht in den Block zu legen gedachten; doch als die Kerkermeister seine Schönheit und Lieblichkeit sahen, brachten sie es nicht übers Herz, ihn gefangenzusetzen, sondern ließen ihn vor den Mauern neben sich sitzen. Und als ihnen Speise gebracht wurde, aß er mit ihnen, bis er gesättigt war; und als sie gegessen hatten, wandten sie sich dem Prinzen zu und fragten: ›Aus welchem Lande bist du?‹ Versetzte er: ›Ich komme aus Fars, dem Lande der Chosroes.‹ Als sie nun das hörten, da lachten sie, und einer von ihnen sprach: ›O Chosroer, ich habe die Gespräche der Menschen gehört und ihre Geschichten, und ich habe Einblick gehabt in ihre Verhältnisse, nie aber sah oder hörte ich einen ärgeren Lügner als den Chosroer, der bei uns im Kerker ist.‹ Sprach ein anderer: ›Und nimmer sah ich Scheußlicheres als sein Gesicht oder Greulicheres als seine Züge.‹ Fragte der Prinz: ›Was ist euch aufgefallen von seinen Lügen?‹ Und sie erwiderten: ›Er behauptet, einer der Weisen zu sein! Nun traf ihn der König, als er zur Jagd ausritt, und bei ihm fand er ein herrliches Weib und ein Roß aus schwärzestem Ebenholz, nimmer sah ich ein schöneres. Das Mädchen ist jetzt bei dem König, der in sie verliebt ist und sie sich gern vermählen möchte; sie aber ist irre, und wäre dieser Mann ein Arzt, wie er es vorgibt, so hätte er sie geheilt, denn der König tut sein äußerstes, um eine Abhilfe zu entdecken für ihre Not und ein Mittel gegen ihre Krankheit; und das ganze vergangene Jahr hindurch hat er um ihretwillen auf Ärzte und Astrologen Schätze verschwendet; aber keinem will es gelingen, sie zu heilen. Das Roß steht im königlichen Schatzhaus, und der häßliche Alte ist hier bei uns im Gefängnis. Sooft die Nacht hereinbricht, weint er und klagt und will uns nicht schlafen lassen.‹ Der Prinz aber ersann sofort eine List, durch die er zum Ziele gelangen könnte; und als die Wächter schlafen wollten, da führten sie ihn in den Kerker hinein und verschlossen[317] die Tür. Er hörte also den Perser weinen und in seiner eigenen Sprache klagen und sprechen: ›Ach und Wehe über meine Sünde; denn ich sündigte wider mich und den Königssohn in dem, was ich an dem Mädchen tat; denn ich ließ sie weder, noch erreichte ich mein Ziel an ihr! All das kommt von meinem Mangel an Verstand, dieweil ich für mich selber suchte, was ich nicht verdiente, und was sich nicht ziemte für meinesgleichen; denn wer immer sucht, was ihm nicht zukommt, der stürzt in einen Sturz wie meinen Sturz.‹ Als nun der Königssohn diese Worte vernahm, da sprach er ihn auf persisch an und sagte: ›Wie lange soll dies Weinen und Klagen dauern? Sag, meinst du, was dir widerfuhr, sei noch nie einem andern widerfahren?‹ Und als der Perser ihn hörte, da schloß er Freundschaft mit ihm und begann, ihm seine Not und sein Unglück zu klagen. Doch als der Morgen dämmerte, nahmen die Wächter den Prinzen und führten ihn vor ihren König, indem sie ihm meldeten, daß der Jüngling in vergangener Nacht eingezogen sei in die Stadt, zu einer Zeit, da die Vorführung nicht mehr möglich gewesen wäre. Sprach der König zum Prinzen: ›Woher kommst du, und welches ist dein Name und Gewerbe, und weshalb bist du hierhergereist?‹ Und der Prinz erwiderte: ›Mein Name lautet auf persisch Hardschah; ich komme aus dem Lande Fars, und ich gehöre zu den Männern der Kunst, und insbesondere der Heilkunst, die die Kranken heilt und die, so da besessen sind von den Dschann. Deshalb ziehe ich umher in allen Landen und Städten, denn ich suche Nutzen zu erwerben, indem ich Wissen zu meinem Wissen füge, und sooft ich einen Kranken sehe, so heile ich ihn, und solches ist mein Gewerbe.‹ Als nun der König das hörte, da freute er sich in höchster Freude und sprach: ›O trefflicher Weiser, du kamst wahrlich zu einer Zeit, da wir dich brauchen.‹ Und er machte ihn bekannt mit dem Fall der Prinzessin und fügte hinzu: ›Wenn du sie heilst und errettest aus ihrem Wahnsinn, so sollst du von mir erhalten, was immer du begehrst.‹ Versetzte der Prinz: ›Allah begnade und erhalte den König! Schildere mir, was du von ihrem Wahnsinn gesehen hast, und sage mir, seit wann der Anfall sie ergriffen hat; erzähle mir auch, wie du zu dem Rosse kamst und zu ihr und dem Weisen.‹ Der König erzählte ihm alles von Anfang[318] bis zu Ende und fügte hinzu: ›Der Weise ist im Kerker.‹ Sprach der Prinz: ›O glücklicher König, und was hast du mit dem Roß getan?‹ Sprach der König: ›O Jüngling, es steht noch bei mir, aufgestellt in einer meiner Schatzkammern.‹ Und der Prinz sprach bei sich selber: ›Das beste, was ich tun kann, ist, daß ich mir erst das Pferd ansehe und mich über seinen Zustand vergewissere. Ist es heil und ganz, so ist alles gut, und es endet gut; wenn aber sein Mechanismus zerstört ist, so muß ich einen anderen Weg entdecken, meine Geliebte zu befreien.‹ Und er wandte sich zu dem König und sprach: ›O König, ich muß mir das Pferd ansehen; vielleicht finde ich in ihm, was mir hilft bei der Heilung des Mädchens.‹ ›Von ganzem Herzen,‹ erwiderte der König, nahm ihn bei der Hand und führte ihn in den Raum, darin sich das Roß befand. Der Prinz umschritt es, prüfte seinen Zustand und fand es unversehrt; des freute er sich sehr und sprach zu dem König: ›Allah errette und erhöhe den König! Gern ginge ich jetzt zu dem Mädchen, um zu sehen, wie es mit ihr steht; denn ich hoffe zu Allah, sie vermittelst des Rosses durch meine heilende Hand zu heilen.‹ Und er befahl ihnen, achtzuhaben auf das Pferd, und der König führte ihn in das Gemach der Prinzessin, wo der Liebende sie die Hände ringen sah, während sie sich wand und den Kopf wider den Boden stieß und wie immer ihre Kleider in Fetzen zerriß; aber sie war von keinem Dschinni besessen, und sie tat dies nur, damit ihr niemand nahe. Als nun der Prinz sie also erblickte, sprach er zu ihr: ›Nichts Arges soll dir widerfahren, o Entzücken der drei Welten‹, und er beruhigte sie und sprach ihr gut zu, bis es ihm gelang, ihr zuzuflüstern: ›Ich bin Kamar al-Akmar‹; da stieß sie einen lauten Schrei aus, und ohnmächtig fiel sie nieder vor dem Übermaß der Freude; der König aber hielt das für Fallsucht, geweckt durch ihre Furcht vor ihm und durch den plötzlichen Schreck. Da legte der Prinz den Mund an ihr Ohr und sprach: ›O Schams al-Nahar, o Versuchung des Weltalls, hab acht auf dein Leben und meines, und sei geduldig und ausharrend; denn diese unsere Lage erfordert Langmut und geschickte Leitung, damit wir uns befreien können von diesem tyrannischen König. Zunächst nun will ich hinausgehen zu ihm und ihm[319] sagen, du seiest besessen von einem Dschinni, und daher komme dein Wahnsinn. Doch ich will mich anheischig machen, dich zu heilen und dir den bösen Geist auszutreiben, wenn er sofort deine Fesseln lösen wolle. Wenn er also zu dir kommt, so sprich ruhige Worte zu ihm, damit er denke, ich hätte dich geheilt, so wird alles geschehen, wie wir es wünschen.‹ Sprach sie: ›Hören und Gehorsam‹; und freudig und frohlockend ging er hinaus zu dem König und sprach zu ihm: ›O erhabener König, ich habe durch dein Glück ihre Krankheit und das Heilmittel entdeckt, und ich habe sie für dich geheilt. Geh also hinein zu ihr und sprich ihr sanft zu, und behandele sie freundlich, und versprich ihr, was ihr gefallen mag; dann wird dir alles zuteil werden, was du dir wünschest.‹ Und der König ging hinein, und als sie ihn erblickte, da stand sie auf, küßte vor ihm den Boden, hieß ihn willkommen und sprach: ›Ich bewundere es, daß du heute deine Sklavin zu besuchen kommst.‹ Er aber war vor Freuden zu fliegen bereit, und er befahl den Kammerfrauen und Eunuchen, ihr aufzuwarten, sie ins Hammam zu führen und Kleider und Schmuck für sie bereitzumachen. Sie traten ein und begrüßten sie, und sie gab ihre Grüße in schönster Rede zurück und in freundlichster Weise; und sie kleideten sie in königliche Gewänder, hingen ihr ein Halsband aus Juwelen um den Hals, führten sie ins Bad und bedienten sie dort. Dann führten sie sie wieder heraus, als wäre sie der volle Mond; und als sie vor den König trat, da grüßte sie ihn und küßte vor ihm den Boden; des freute er sich in höchster Freude, und er sprach zu dem Prinzen: ›O Weiser, o Weisheitsfreund, all dies kommt von deinem Segen. Allah mehre uns die Wohltat deines heilenden Atems!‹ Versetzte der Prinz: ›O König, um ihre Heilung vollkommen zu machen, mußt du mit all deinen Truppen und Wachen hinausziehen zu der Stelle, wo du sie fandest, nicht zu vergessen das Tier aus schwarzem Holz, das bei ihr war; denn in ihm sitzt ein Teufel, und wenn ich ihn nicht austreibe, so wird er zu Anfang eines jeden Monats zu ihr zurückkehren und sie heimsuchen.‹ ›Mit Liebe und Freude,‹ erwiderte der König, ›o du Fürst unter den Weisen und du Gelehrtester unter allen, die das Licht des Tages sehen!‹ Und er brachte das Ebenholzpferd auf die Wiese und ritt mit all[320] seinen Truppen und mit der Prinzessin dorthin, wenig ahnend von der Absicht des Prinzen. Als sie nun alle ankamen an der bestimmten Stelle, befahl der Prinz, der immer noch als Arzt gekleidet war, die Prinzessin und das Roß soweit wie möglich vom König und seinen Truppen entfernt aufzustellen, und sprach zu ihm: ›Mit deiner Erlaubnis und auf deinen Befehl will ich jetzt beginnen mit den Räucherungen und Beschwörungen, und ich will den Feind der Menschheit hier gefangensetzen, damit er nie wieder zu ihr zurückkehre. Dann werde ich dies hölzerne Pferd besteigen, das aus Ebenholz zu sein scheint, und ich werde das Mädchen hinter mich nehmen; und dann wird es erbeben und hin und her schwanken und vorrücken, bis es zu dir kommt und alles zu Ende ist; so kannst du mit ihr beginnen, was du willst.‹ Als der König seine Worte hörte, freute er sich in höchster Freude; und der Prinz bestieg das Roß, nahm die Prinzessin hinter sich und band sie, während ihn der König wie die Truppen beobachteten, an sich selber fest. Dann drehte er die Aufstiegsfeder, und das Roß flog auf und erhob sich hoch mit ihm in die Luft, bis sie einem jeden Auge entschwanden. Den halben Tag lang harrte der König und wartete ihrer Rückkehr; sie aber kamen nicht wieder. Und als er daran verzweifelte, kehrte er in schwerer Reue ob dessen, was er getan hatte, und in schmerzendem Gram um den Verlust des Mädchens mit sei nen Truppen in die Stadt zurück. Dort schickte er nach dem Perser, der im Kerker lag, und sprach zu ihm: ›O du Verräter, o du Schurke, weshalb verschwiegst du mir das Geheimnis des Ebenholzpferdes? Jetzt ist ein Schelm zu mir gekommen und hat es mir entführt, zusammen mit einer Sklavin, deren Schmuck einen Schatz Geldes wert war; und nimmer werde ich einen oder etwas von ihnen wiedersehen.‹ Da erzählte der Perser ihm von Anfang bis zu Ende seine ganze Vergangenheit, und den König ergriff ein Wutanfall, der ihm fast das Leben endete. Eine Weile schloß er sich in seinem Palaste ein und trauerte und klagte; doch zuletzt kamen seine Veziere zu ihm und schickten sich an, ihn zu trösten, indem sie sprachen: ›Wahrlich, der, der das Mädchen nahm, ist ein Zauberer, und Preis sei Allah, der dich befreite von seiner List und Hexenkunst!‹ Und sie ließen nicht ab von ihm, bis er über ihren Verlust getröstet war.[321]
Der Prinz aber setzte derweilen den Ritt zu seines Vaters Hauptstadt in Freude und Frohlocken fort, und er machte nicht eher Halt, als bis er auf seinem eigenen Palaste landete, wo er die Prinzessin in Sicherheit brachte; dann ging er zu seinem Vater und seiner Mutter, grüßte sie und machte sie bekannt mit ihrer Ankunft, und sie waren getröstet und von Freude erfüllt. Und er breitete große Bankette für das Volk der Stadt, und einen vollen Monat lang feierten sie Feste; und als diese Zeit verstrichen war, ging er hinein zu der Prinzessin, und sie hatten in höchster Freude ihre Freude aneinander. Sein Vater aber brach das Ebenholzroß in Stücke, und er vernichtete seine Flugmaschine; ferner sandte der Prinz ein Schreiben an den Vater der Prinzessin, darin er ihm alles meldete, was ihr widerfahren war, und er tat ihm kund, daß sie ihm jetzt in allem Wohlergehen und Glück vermählt wäre; und er schickte ihm das Schreiben zugleich mit kostbaren Geschenken und wunderbaren Seltenheiten durch einen Boten. Und als der Bote ankam in der Stadt Sana und dem König das Schreiben und die Geschenke übergab, da las dieser die Botschaft, und er freute sich sehr, nahm die Geschenke an und belohnte den Überbringer reich. Ferner schickte er seinem Eidam durch ebendenselben Boten gleichfalls reiche Geschenke, und der kehrte zu seinem Herrn zurück und machte ihn bekannt mit dem, was geschehen war, so daß er sich aufs höchste freute. Und hinfort schrieb der Prinz seinem Schwiegervater jedes Jahr einen Brief, und er schickte ihm Geschenke, bis im Laufe der Zeit sein Vater Sabur verstarb und er an seine Stelle trat; und er herrschte gerecht über seine Untertanen und blieb ihnen gut und rechtschaffen gesonnen, so daß das Land, das ihm untertan war, samt all seinen Bewohnern ihm treue Dienste tat; und Kamar al-Akmar und sein Weib Schams al-Nahar lebten im Genuß aller Zufriedenheit und Freude des Lebens, bis zu ihnen kam der Vernichter der Wonnen und der Trenner aller Gemeinschaft, der Plünderer der Paläste, der Sammler für die Totenäcker und der Füller der Gräber. Jetzt aber, Ruhm sei dem Lebenden, der da nimmer stirbt, und in dessen Hand die Herrschaft über die Welten liegt, über die sichtbare wie die unsichtbare!
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