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[177] Ein gelehrter / der sehr heßlich und ungestalt war /gieng mit einem guten freunde spatzieren / unter weges begegnete ihnen eine Dame / welche im vorbey gehen eine zeit lang stille stund / und diesen gelehrten mit unverwandten augen ansahe / und darauf ohne einigen wort-wechsel fortgieng. Da sie nun vorbey war /kam es diesen gelehrten an / daß er seinen diener nachschickte / und sie fragen ließ: Was ihr verlangen wäre? Die Dame aber gab zur antwort: Ich habe mit meinen augen eine grosse sünde begangen /und suche dieselbe durch eine gleichmäßige strafe zu büssen: Halte aber davor / daß solches nicht füglicher geschehen könne / als wenn ich euren herrn ansehe.

Quelle:
Das Buch der Weisen und Narren oder kluge und einfältige reden und tworten, welche von leuten aus allerhand nationen bey verschiedenen begebenheiten entweder im ernst oder aus schertz vorgebracht worden. Leipzig 1705, S. 177-178.
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