Champagnertropfen

[53] 1881.


Frühlingsnächtige Stunden ...

Mächtig schwillt die Luft,

Rings quillt aus kühlem Garten

Der Erde süßer Duft.


In aufgebrochenen Schollen

Gestaltet sich's bunt und reich,

Durch's offene Fenster rankt sich

Keimendes Rebengezweig.


Ueber die Borde drängt sich

Das Wasser jach enteist,

Und aus dem Walde quillt es

Wie Maienglockengeist.


Schwarz über uns flattern die Wolken

Wie Banner in heißer Schlacht,

Als jagten flüchtige Reiter

Wund durch die dunkle Nacht.


Die Lüfte brausen und mächtig

Sausen sie hinterdrein,

So stürmen siegjubelnde Reiter

In fluchtzerrissene Reih'n.


Frühlingsnächtiges Drängen!

Küsse mich, Sturmesmund ...

Küsse die lodernde Stirne

Und küsse mich gesund!


Sieh', zischend stürzt der Champagner

Mir in das blanke Glas ...

Dir bring' ich mit jubelndem Munde

Das sprühende blitzende Naß.
[54]

Nicht in der staubigen Flasche

Vermodern mag solch ein Wein, ...

In die Adern des Frühlings verlodern,

In die Stürme will er hinein.


Leuchtend in den Lüften

Zersprüht die gold'ne Fluth ...

Nun mische dich, Sonnenfeuer,

Mit des Frühlings Rosenblut.


Sei köstlicher Samen dem Boden,

Daß, wo ein Tropfen fließt,

Bald duftend und flammenlockig

Eine Rose leuchtend entsprießt ...


Ein üppiger Blüthenschleier

Hinflute über das Land,

Wie ein von Gott gewobnes

Strahlendes Gewand.


Und wenn sich zwei begegnen

In solchem Blumenhain,

Dann ziehe klingend die Liebe

In ihre Herzen hinein.

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 53-55.
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