Der deutsche Völkerbund

[95] Dem 24. Januar 1813.


Erster Sänger.


Tag der Krone, Tag des Großen

Der sie glanzvoll hat erhoben,

Tag, den alle Herzen loben,

Tag der deutschen Tischgenossen,

Deine hellen Strahlen locken

Frühling aus geschmolznem Schnee,

Heilger Sonntag, deine Glocken

Rufen ernst aus heitrer Höh.


Chor.


Zum Gebete fehlt die Ruhe,

Neugier fragt auf allen Gassen,

Was ein frisches Herz jetzt thue,

Was zu lieben, was zu hassen?


Zweiter Sänger.


Denkt an Friedrichs hohe Ehre,

Statt der Zeiten Drang zu denken,

Laßt zu ihm die Blicke lenken,

Daß sein Geist uns heut belehre;

Wenn der Tag, der ihn geboren,

Noch in allen Herzen lebt,

So ist Friedrich nicht verloren

Und sein Geist sein Volk umschwebt.


Chor.


Große Seelen, Völkerhirten,

Lassen nicht von ihrer Heerde,

Friedrich lehrt uns, wo wir irrten,

Wirket noch im Geist zur Erde.


Dritter Sänger.


Schwach wie alle Erdensöhne

Ward der Große euch geboren,

Da erklangen seinen Ohren

Der Kanonen Freudentöne,[96]

Die den Neugebornen feiern,

Und er hob sich von der Brust,

Blickte um sich bei dem Feuern

Ahndend seines Siegs bewußt.


Chor.


Völker auch sind schwach geboren,

Werden stark im Ruf zum Streiten,

Weise werden erst erkoren

An der Prüfung böser Zeiten.


Vierter Sänger.


Friedrich lehrt in sieben Jahren,

Über alle Welt im Siege,

Daß Ein Stamm der Deutschen gnüge

Völkerfreiheit zu bewahren.

Wenn auch alles scheint verloren,

Bleibt uns doch als Zeichen stehen,

Was er mit der That beschworen:

Freiheit soll nicht untergehen!


Chor.


Völkerstimme, Gottes Wille,

Wort, das ewig wahr geboren

Wer dir folgt in Demuth stille,

Dem ist keine Zeit verloren.


Fünfter Sänger.


Wo jetzt Volkesstimme hören?

Heimlich wird die Welt berathen,

Heimlich, wie die Missethaten,

Kommt Gesetz und kommen Lehren!

Nur wo frei mit offnem Muthe

Zu dem Volk der Herrscher spricht,

Dient es frei mit seinem Blute,

Blinder Herrschaft dient es nicht.


[97] Chor.


Volkes Wille, Gottes Wille,

Wort, das ewig wahr geboren,

Wer dich hört in Herzensfülle,

Ist zu frommer That erkoren.


Sechster Sänger.


Nimmer gegen innern Glauben

Dürfen wir die Waffen führen, –

Diese Lehre soll uns zieren,

Wenn die Zeiten alles rauben;

Diese Lehre ist verkündet

In dem frischvergoßnen Blut,

Und die Noth hat neubegründet

Nur im Glauben Heldenmuth.


Chor.


Gott lass' uns das Rechte kennen,

Daß wir Schlechtes nicht verfechten,

Unsre Herzen sehnlich brennen

Nach dem Ächten, nach dem Rechten!


Siebenter Sänger.


Völkerkriege, Gottsgerichte

In dem Jahr der heil'gen Zwölfe,

Wunderbare Weltgeschichte!

Ach daß Gott uns wieder helfe!

Himmelswärme, Gottes Athem,

Weicht von der entweihten Welt,

Bis bestraft, die ihn verrathen,

Bis die Reinen sich gesellt.


Chor.


Volkesstimme, Gottesstimme,

Neubegründet ist der Glaube;

Wer dir trotzt in seinem Grimme,

Lernt dich fürchten in dem Staube.


[98] Achter Sänger.


Sagt, wer kennt die heil'gen Zeichen,

War's das Jahr der Weissagungen,

Wo das Heil der Welt errungen,

Wo das Böse ihm soll weichen?

Alle Scherze sind verklungen

In dem ernstlichen Gericht;

Die von Andacht sind durchdrungen,

Schauen Gottes Angesicht.


Chor.


Schauen wir die Glaubenssaaten

Grünen an der Thaten Quellen,

Wie sich alle deutsche Staaten,

Schon in Einem Haß gesellen!


Neunter Sänger.


Nicht im Hasse, in der Liebe

Sei der Völker Bund geschlossen,

Denn die eigenen Genossen

Stürzt der Haß im wilden Triebe.

Friedrich einst im Fürstenbunde

Friedlich deutsche Macht verband,

Doch der Kranz der letzten Stunde

Sank dem Todten aus der Hand.


Chor.


Völker sollen sich verbünden,

Wo die Fürsten sich getrennet,

Lieb und Treue soll verkünden;

Wer mit Recht sich Deutscher nennet.


Zehnter Sänger.


Fried' im deutschen Völkerbunde,

Krieg dem, der uns trennt im Grimme!

Rufen All mit Einer Stimme

Heut zu Friedrichs Feierstunde.[99]

Doch kein Frieden ohne Freiheit,

Freiheit vom Franzosenjoch!

Zögernd nahet deutsche Freiheit, –

Rufet ihr ein Lebehoch!


Chor.


Deutsche tragen gleiche Bande,

So vergeßt denn allen Neid!

Löscht in Thaten eure Schande,

Deutscher Freiheit schwört den Eid!


Eilfter Sänger.


Wer das Schwert des Siegers wendet,

Und mit Falschheit nutzt das Glücke,

Daß er Brüder unterdrücke,

Sei verfluchet und geschändet!

Aber der sei hochbelohnet

Und dem Throne nahgestellt,

Der in Treue unsre Krone

Mit dem Siegerarm erhält.


Chor.


Hoch soll leben unsre Krone,

Und die deutschen Kronen alle,

Und ein deutscher Kaiser throne

Neugewählet über alle!


Zwölfter Sänger.


Alle hat die Noth belehret,

Was dem Reich der Deutschen fehlte,

Doch die Noth, die Alle stählte,

Hat den innern Feind bekehret,

Und kein Glaube soll mehr trennen

Die in Einem Geist vereint;

Allen, die sich Christen nennen,

Eine Gnadensonne scheint.


[100] Chor.


Heilig frei sei jeder Glaube,

Ausgetilget Haß und Zweifel,

Komm du heil'ge Friedenstaube,

Wenn besiegt der fremde Teufel!


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 23: Gedichte, Teil 2, Tübingen und Berlin 1976, S. 95-101.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Nachkommenschaften

Nachkommenschaften

Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon