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[398] Gegen die Mitte der Schlössergasse zu Erfurt geht ein Gäßchen zwischen Häusern durch, so schmal, daß ein Dicker nicht durch kann; das ist Doktor Fausts Gäßchen, und da hindurch fuhr Faustus, als er in Erfurt war, mit einem ganzen Fuder Heu. Er wohnte in der Michaelsgasse, nahe dem großen Kollegium, darin er selbst Kollegia las, den Studenten den Homer erklärte und die Geister homerischer Helden ihnen vor Augen stellte und zuletzt den greulichen Riesen Polyphemus, vor dem alle erschrocken und davongelaufen. In der Schlössergasse wohnte ein edler Junker, der war Fausti Freund, und waren oft beisammen; das Haus ist durch einen Anker auf dem Dachgiebel kenntlich, da gab Faustus manche Gasterei, zapfte Wein aus dem Tisch, ritt durchs Dach in die Luft und ließ ein Loch im Dach, das sich niemals wieder mit Ziegeln hat zulegen lassen. Bald sprach Stadt und Land von niemand als vom Doktor Faust, der Adel kam aus der Nachbarschaft in die Stadt herein, den Wundermann und seine Künste zu sehen, und da entstand die Furcht, es möchten allzu viele sich zu Teufelskünsten verlocken lassen, und ward ein Mönch zu Faustum gesandt, der sollte ihn bekehren. Faustus wollte aber nicht bekehrt sein, und auf das Erbieten des Mönchs, ihn durch Messelesen und Gebet vom Teufel loszureißen, hat Doktor Faust erwidert: Nein, mein guter Doktor Klinge! Es würde mir sehr unrühmlich sein, meinen mit meinem Blute geschriebenen Vertrag zu brechen, das wäre nicht redlich. Der Teufel hat mir ehrlich gehalten, was er mir zugesagt, so will ich ihm auch mein Wort halten. – Ei, so fahre hin zum Teufel, du verfluchter Teufelsbraten und Teufelsbündner![398] schrie da zornig der Mönch; fahre hin in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! – und rannte fort zum Rektor magnificus und zeigte dem an, Faustus sei ein ganz verstockter unverbesserlicher Sünder. Darauf ist der Doktor Faustus aus der guten Stadt Erfurt ausgewiesen worden als ein gar schlimmer Literatus.
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Deutsches Sagenbuch
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