Fünfter Auftritt.

[216] Vorige. Edmund.


EDMUND. Herr Professor, es ist besorgt!

OTTO. Gut.

ANTONIE immer heiterer, immer launiger. Du willst nach den Sitten der Alten leben? Sieh dich einmal an mit diesem Schlafrocke, dem weißen Halstuche, der langen Pfeife – und denke dir du wärst Plato oder Sokrates, mußt du nicht lachen? Denke dir: Cicero wäre in deiner gestrigen Kleidung, im[216] schwarzen Frack mit rundem Hute in den römischen Senat getreten, um eine seiner berühmten Reden zu halten! Oder denke dir, ein römischer Jüngling, der die Toga vir – vir –

OTTO. Virilis.

ANTONIE. Virilis empfängt, hätte ausgesehen wie dieser Herr Famule – mußt du nicht lachen?

OTTO. Du suchst es in den Aeußerlichkeiten, aber folge mir in das Wesen der Sache –

ANTONIE. Daß ich nicht klug wäre, ich bleibe bei dem was ich verstehe. Uebrigens sprich nicht so verächtlich von den Aeußerlichkeiten, in ihnen liegt die Schönheit, und das Gefühl für Schönheit war eine der größten Tugenden des Alterthums. Davon lehrt ihr auf eurem Katheder wol nichts?

OTTO naiv. Nein.

ANTONIE ernst. Sieh, so könnte ich eher sagen daß ihr an den Aeußerlichkeiten klebt, daß ihr die todte Form der Sprache zur Hauptsache macht und euch das Wesen des Alterthums entschlüpfen laßt.

OTTO. Das stünde noch zu beweisen, ich erwarte deine Argumente.

ANTONIE munter. O wie gern möchtest du mich in eine gelehrte Disputation verwickeln, daß ich bald wie ein gefangenes Mäuschen nicht aus noch ein wüßte. – Nichts da, mein gelehrter Herr, ich beweise auf meine Art. Wenn ihr denn Römer sein wollt, so fangt wenigstens etwas im Aeußern an. Wie geschmacklos das glattrasirte Kinn, die zurückgestrichenen Haare! Setzt einen solche Kopf, getragen von der steifen weißen Halsbinde, auf eine römische Statue und ihr müßt vor Lachen vergehen.

OTTO. Geschmacklos? Das ist stark!

ANTONIE. Herr Famule, setzen Sie sich einmal hieher!

EDMUND. Wie Sie befehlen! Nimmt einen Stuhl und setzt sich in die Mitte der Bühne.

ANTONIE holt rasch aus einem Toilettekästchen im Schranke einen Kamm. Wo hätte jemals ein Römer sein Haar so getragen,[217] daß sein Kopf einem Kehrbesen ähnlich sieht? Macht rasch Edmund, der das Haar von vorn nach hinten glatt zurückgestrichen trägt, einen Scheitel, und kämmt das Haar an der Seite herunter. Ihr scheltet uns Frauen eitel, weil wir uns gern putzen, ich meine aber: wenn der liebe Gott nicht seine Freude an unserm hübschen Aussehen haben wollte, hätte er uns wie Nachteulen erschaffen und uns nicht mit Schönheit begabt. Ist fertig. Da, ist das nicht ein anderes Gesicht?

OTTO. Ja ja, es sieht etwas kecker aus, aber Antonie, es ziemt sich nicht für einen ernsten Mann –

ANTONIE. Hübsch auszusehen? Drollig ihm die Augen sehend. Ei warum denn nicht? Und obendrein für einen jungen Ehemann! Sage einmal ehrlich: hast du nie gewünscht mir zu gefallen?

EDMUND steht auf, besieht sich im Spiegel, zupft den Hemdkragen heraus und gefällt sich.

OTTO. Aber nie durch Aeußerlichkeiten.

ANTONIE. Das heißt: es ist dir nicht eingefallen. Zur Strafe setze dich hieher, ich will dir auch einen Scheitel machen.

OTTO. Wo denkst du hin, ein ehrbarer Professor!

ANTONIE schiebt ihm den Stuhl unter die Beine. Bitte, bitte.

OTTO. Du treibst Possen und Allotria!

ANTONIE während sie ihm, der das Haar ebenso zurückgestrichen trägt, einen Scheitel macht, lachend. Und Possen trieben deine ehrbaren Alten nicht? Ja, mein Freund, das macht, ich gehöre nicht zu den Alten, sondern zu den Jungen – und deine Philosophen sagen ja: wir seien etwas leichtsinnig!


Quelle:
Roderich Benedix: Haustheater. Leipzig 21865, S. 216-218.
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