Angelika, die röselrote

[331] Angelika, die röselrote, hängt

Auf dunklem Efeu ruhend über die Terrasse

Verlangend nieder zu dem Rosenbusch

Mit seinen gelben Blüten, die im Winde

Leis auf und nieder gehn, wie zärtliche Gedanken

Im Herzen eines Mädchens, das halb träumt,

Halb wacht. – Schwarz, wie ein Trotz aus alter Zeit,

Wächst die Badia aus dem Silbergrau[331]

Des sanften Ölbaumhügels. Hinter mir

Babbelt ein Bettler seinen leeren Spruch

Vom Paradiese, Jesus, Seligkeit

Und hält den alten Hut mir zitternd hin:

Ein altes Kind, rotnasig: lächerlich

Und rührend. Zehn Centesimi erhöhn

Ihm seine Lebensfreude sichtbarlich. –

Die Sonne brennt. Fräulein Angelika

Sehnt sich noch immer nach den roten Rosen.

Zwei Lodenröcke sächseln mir vorbei.


Hier ist gut ausruhn. Hier vergißt sich schnell,

Was, ach, im Norden überlästig wird

Und klettenklammrig lange kleben bleibt:

Der Geist der Schwere. Satanas, der Sorgen

Schieläugiger König, mit dem Peitschenstiel

In haariger Faust, entweicht, den Schwanz verklemmt,

Und wird in San Domenico zum Vetturino,

Der dich: »Signor, vuole? Due Lire

Fin al Firenze!« bloß ein bißchen langweilt.

Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Gesammelte Werke. Band 1: Gedichte, München 1921, S. 331-332.
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