[99.]

[257] Ich bitt üch herren groß / vnd kleyn

Bedencken den nutz der gemeyn

Lont mir myn narrenkapp alleyn


99. vo abgang des gloube

vō abgang des gloubē.

Wann ich gedenck sümniß / vnd schand

So man yetz spürt / jn allem land

Von fürsten / herren / landen / stett

Wer wunder nit / ob ich schon hett

Myn ougen gantz der zähern voll

Das man so schmächlich sehen soll

Den krysten glouben nemen ab

Verzich man mir / ob ich schon hab[258]

Die fürsten ouch gesetzet har

Wir nemen (leyder) gröblich war

Des krysten glouben nott / vnd klag

Der myndert sich von tag zů tag /

Zům ersten hant die kätzer hert

Den halb zerrissen / vnd zerstört

Dar noch der schäntlich Machamet

Inn mer / vnd mer verwüstet het

Vnd den mit sym jrrsal geschänt

Der vor was groß jnn Orient

Vnd was glöubig alles Asia

Der Mören landt / vnd Affrica

Jetz hant dar jnn / wir gantz nüt me

Es möcht eym hertten steyn thůn we /

Was wir alleyn verloren hant

In kleyn Asyen / vnd kriechen landt

Das man die groß Türcky yetz nennt

Das ist dem glouben abgetrennt

Do sint die syben kirchen gsin

Do hat Johannes gschriben hyn

Do ist eyn so gůt landt verlorn

Das es all weltt möht han verschworn

On das man jnn Europa sytt

Verloren hat / jnn kurtzer zyt

Zwey keyserthům / vil künig rich

Vil mechtig land / vnd stett des glich

Constantinopel / Trapezunt

Die lant sint aller welt wol kunt

Achayam / Etholyam

Boeciam / Thessaliam

Thraciam / Macedoniam

Atticam / vnd beyd Mysiam

Ouch Tribulos / vnd Scordiscos

Bastarnas / sambt vnd Thauricos

Euboiam gnennet Nygrapont

Ouch Peram / Capham / vnd Idrunt

On ander schaden / vnd verlust

Die wir erlitten haben sunst[259]

In Morea / Dalmacia

Styer / Kernten / vnd Croacia

In Hungern / vnd der Wyndschē marck

Jetz sint die Türcken also starck

Das sie nit hant das mer alleyn

Sunder die Tůnow ist jr gemeyn

Vnd důnt eyn jnnbruch / wann sie went

Vil bystum / kyrchen sint geschent

Jetz grifft er an Apuliam

Dar noch gar bald Siciliam

Italia die stoßt dar an

So würt es dann an Rom ouch gan

An Lombardy / vnd welsche landt

Den vyndt den hant wir an der handt

Vnd went doch schloffend / sterben all

Der wolff ist worlich jnn dem stall

Vnd roubt der heiligen kyrchen schoff

Die wile der hirtt lyt jnn dem schloff

Die Römsche kirch vier schwestern hat

Do man hielt Patriarchen stadt

Constantinopel / Alexandria

Iherusalem / Anthiochia

Die sindt yetz kumen gantz dar von

Es würt bald an das houbt ouch gon /

Das ist als vnser sünden schuldt

Keyns mit dem andern hatt gedult

Oder mittlyden syner schwär

Jedes wolt / das es grösser wär /

Vnd gschicht vns / als den ochsen gschah

Do eyner dem andern zü sach

Biß das der wolff sie all zerreyß

Erst ging dem letsten vsß der schweiß /

Jeder der grifft yetz mit der hant

Ob noch kaltt sy syn mur / vnd want

Vnd gdenckt nit / das er vor lesch vß

Das für / ee es jm kum zů huß

So kumbt jm dann ruw / vnd leytt /

Zwytracht / vnd vngehorsamkeit[260]

Den krysten gloub zerstören důt

On nott vergüßt man krysten blůt

Nyeman gdenckt / wie nach es jm sy /

Vnd wänt doch allweg blyben fry

Biß jm vnglück kumbt für syn thůr

So stoßt er dann den kopff har für /

Die porten Europe offen syndt

Zů allen sitten ist der vyndt

Der nit schloffen noch růwen důt

In dürft allein / noch Christen blůt

O Rom / do du hatst künig vor

Do waßt du eygen / lange jor /

Dar noch jnn fryheit wardst gefürt

Als dich eyn gmeyner rott regiertt

Aber do man noch hochfart staltt

Noch richtům / vnd noch grossem gwalt

Vnd burger wider burger vacht

Des gmeynen nutzes nyeman acht

Do wart der gwalt zům teil zergon

Zů letzst / eym keyser vnderthon

Vnd vnder solchem gwalt / vnd schyn

Bist funffzehen hundert jor gesyn

Vnd stäts genomen ab / vnd von

Glich wie sich myndern důt der mon

So er schwyndt / vnd jm schyn gebrist

Das yetz gar wenig an dir ist

Well gott / das du ouch grössest dich

Do mit du sygst dem mon gantz glich /

Den dunckt nit / das er ettwas hab

Wer nit dem Römschen rich bricht ab

Zům erst die Saracenen hant

Das heilig vnd gelobte landt

Dar noch die Turcken handt so vil

Das als zů zalen / näm vil wile /

Vil stett sich brocht hant jnn gewer

Vnd achten yetz keyns keysers mer /

Eyn yeder fürst / der ganß bricht ab

Das er dar von eyn fäder hab /[261]

Dar vmb ist es nit wunder groß

Ob joch das rich sy blutt / vnd bloß

Man byndt eym yeden vor das jn

Das er nit vordern soll das syn /

Vnd lossen yeden jn sym stadt /

Wie ers biß har gebruchet hadt

Durch gott / jr fürsten sehen an

Was schad / zů letst dar vß werd gan /

Wann joch hyn vnder kem das rich

Ir blyben ouch nit ewigklich /

Eyn yedes ding me sterckung hatt

Wann es bynander gsamlet stat

Dann so es ist zerteilt von eyn /

Eynhellikeyt jn der gemeyn

Vffwachsen die bald all ding macht

Aber durch mißhell / vnd zwytracht

Werden ouch grosse ding zerstört /

Der tütschen lob was hochgeert

Vnd hatt erworben durch solch rům

Das man jnn gab das keyserthům /

Aber die tütschen flissen sich

Wie sie vernychten selbst jr rich

Do mit die stůdt zerstörung hab

Bissen die pferd jr schwäntz selb ab /

Worlich yetz vff den füssen ist

Der Cerastes / vnd Basylist /

Mancher der würt vergyfften sich

Der gyfft dar schmeycht dem Römschē rich

Aber jr herren / künig / land /

Nit wellen gstatten solch schand

Wellent dem Römschen rich zů stan

So mag das schiff noch vff recht gan

Ir haben zwor eyn künig milt

Der üch wol fürt / mit ritters schiltt

Der zwyngen tüg all land gemeyn

Wann jr jm helffen wendt alleyn

Der edel fürst Maximilian

Wol würdig ist der Römschen kron[262]

Dem kumbt on zwifel jnn sin handt

Die heilig erd / vnd das globte landt

Vnd wůrt sin anfang thůn all tag

Wann er alleyn üch trüwen mag /

Werffen vō üch solch schmoch / v spot

Dann kleynes heres / walttet gott /

Wie wol / wir vil verlorn handt

Sindt doch noch so vil kristen landt

Frům künig / fürsten / adel / gmeyn /

Das sie die gantze weltt alleyn /

Gewynnen / vnd vmbbringen baldt

Wann man alleyn sich zamen haldt

Truw / frid / vnd lieb sich bruchen důt

Ich hoff zů gott / es werd als gůt /

Ir sindt regyerer doch der land

Wachen / vnd důnt von üch all schand

Das man üch nit dem schiffman glich

Der vff dem mer flißt schloffes sich

So er das vngewitter sicht /

Oder eym hund der böllet nicht /

Oder eym wächter der nit wacht

Vnd vff syn hůtt hatt gantz keyn acht

Stont vff / vnd wachen von dem troum

Worlich / die axt stat an dem boum

Ach gott gib vnsern höubtern jn

Das sie sůchen die ere dyn

Vnd nit yeder syn nutz alleyn

So hab ich aller sorgen keyn

Du gebst vns sigk jn kurtzen tagen

Des wir dir ewig lob thůn sagen /

Ich mane all städt der gantzen welt

Was würde / vnd tyttel die sint gezölt

Das sie nit důnt / als die schifflüt

Die vneynß sint / vnd hant eyn stritt

Wann sie sint mitten vff dem mer

Inn wynd / vnd vngewitter ser

Vnd ee sie werden eyns der fůr

So nymbt die Galee eyn gruntrůr /[263]

Wer oren hab / der merck vnd hör

Das schifflin schwancket vff dem mer

Wann Christus yetz nit selber wacht

Es ist bald worden vmb vns nacht

Dar vmb ir die noch üwerm stadt

Dar zů gott vsserwelet hatt

Das ir sönt vornan an die spytz

Nit lont / das es an uch ersitz

Důnt was üch zymbt noch üwerm grad

Do mit nit grösser werd der schad

Vnd gantz abnem die Sunn / vnd mon

Das houbt / vnd glyder vndergon /

Es loßt sich eben sörglich an

Leb ich / jch man noch manchen dran

Vnd wer nit an myn wort gedenck

Die narren kappen / ich jm schenck


Quelle:
Sebastian Brant: Das Narrenschiff, Basel 1494, S. 257-264.
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