XVI.

[35] In künftige Armuth billig fällt

Wer Völlerei stets nachgestellt

Und sich den Prassern zugesellt.


Viele Narren sind bei einem Gelage versammelt, halten Reden, jubiliren und trinken einander zu. Im Vordergrund beißt einer mit Behagen in einen ganzen Schinken.


Von Völlerei und Prassen.

Der zieht einem Narren an die Schuh,

Der weder Tag noch Nacht hat Ruh',

Wie er den Wanst füll' und den Bauch

Und mach' sich selbst zu einem Schlauch,

Als ob er dazu wär' geboren,

Daß durch ihn ging viel Wein verloren,[35]

Als müßt' ein Reif er täglich sein, –

Der paßt ins Narrenschiff hinein,

Denn er zerstört Vernunft und Sinne,

Das wird er wohl im Alter inne,

Wenn ihm dann schlottern Kopf und Hände;

Er kürzt sein Leben und sein Ende.

Ein schädlich Ding ist's um den Wein,

Bei dem mag Niemand weise sein,

Wer nach der Freud' in ihm getrachtet.

Ein trunkner Mensch Niemandes achtet

Und weiß nicht Maß noch recht Bescheid.

Unkeuschheit kommt aus Trunkenheit,

Viel Uebeles aus ihr entspringt

Und weis' ist nur, wer mäßig trinkt.

Noah vertrug selbst nicht den Wein,

Der ihn doch fand und pflanzte ein,

Loth ward durch Wein zweimal zum Thor,

Durch Wein der Täufer den Kopf verlor.

Wein machet, daß ein weiser Mann

Die Narrenkapp' aufsetzen kann.

Als Israel sich fühlte wohl

Und ihm der Bauch war mehr als voll,

Begann es übermüthig Spiel,

Gottloser Tanz ihm wohlgefiel.

Darum gebot Gott Aarons Söhnen,

Sie sollten sich des Weins entwöhnen

Und Alles, was da trunken macht,

– Doch haben's Priester wenig Acht!

Als Holofernes trunken ward,

Verlor den Kopf er sammt dem Bart;

Thamyris brauchte Speis' und Trank,

Als sie den König Cyrus zwang;

Durch Wein lag nieder Bennedab,

Als er verlor all seine Hab';

Der Ehr' und Tugend ganz vergaß,

Alexander, wann er trunken was;

Er that gar oft in Trunkenheit,[36]

Was ihm darnach ward selber leid;

Der Reiche trank wie ein Zechgeselle

Und aß des Morgens in der Helle;

Der Mensch könnt' frei, kein Knecht mehr sein,

Wenn Trunkenheit nicht wär' und Wein.

Wer Weins und feisten Dings sich fleißt,

Den Niemand reich noch selig heißt,

Ihm Weh und seinem Vater Weh'!

Dem wird nur Krieg und Unglück je,

Wer stets sich füllt wie eine Kuh

Und Jedermann will trinken zu

Und thun Bescheid deß, was man bringt.

Denn wer ohn' Noth viel Wein austrinkt,

Ist dem gleich, welcher auf dem Meer

Entschläft und liegt ohn' Sinn und Wehr:

So thun, die nur auf Praß bedacht,

Schlemmen und demmen Tag und Nacht.

Trägt denen der Wirth als Kunden zu

Einen Bug und Viertel von einer Kuh

Und bringt ihnen Mandeln, Feigen und Reis:

So bezahlen sie ihn wol auf dem – Eis.

Viel würden bald sehr weise sein,

Wenn Weisheit steckte in dem Wein,

Die in sich gießen spat und fruh.

Je Einer trinkt dem Andern zu:

»Ich bring' dir Eins! – Ich kitzle dich! –

Das kommt dir zu!« – Der spricht: »Wart', ich

Will wehrn mich, bis wir beid' sind voll!«

Damit ist Narren jetzo wohl!

Eins auf den Becher, zwei vor'n Mund,

Ein Strick an den Hals, wär' einem gesund

Und besser, als so Völlerei

Zu treiben; das ist Narretei,

Wie Seneca schon sah vorher,

Als in den Büchern geschrieben er,

Daß man würd' etwa geben mehr[37]

Dem Trunknen als dem Nüchternen Ehr',

Und daß der würd' berühmet sein,

Der etwa trunken wär' vom Wein.

Die Biersupper dazu ich meine,

Wenn Einer trinkt 'ne Tonn' alleine

Und wird dabei so toll und voll, –

Man stieß mit ihm die Thür' auf wol.

Ein Narr muß saufen erst recht viel,

Ein Weiser trinkt mit Maß und Ziel

Und ist dabei doch viel gesunder

Als wer's mit Kübeln schüttet 'runter.

Der Wein geht ein, – man merkt es nicht,

Zuletzt er wie die Schlange sticht

Und gießt sein Gift durch alles Blut

Gleichwie der Basiliscus thut.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 35-38.
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Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Das Narrenschiff:

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